Was uns antreibt – zwischen Blackout und Bergsturz
Das Schweizer Volk hat entschieden: Klimaneutralität bis 2050. Das Ziel ist klar, das Wissen und die Technologien sind vorhanden.
Doch wie schaffen wir die Energiewende, gemeinsam als Gesellschaft, zusammen mit Forschung, Industrie und Politik?

Stellen Sie sich vor, Ihr Smartphone ist am Morgen nicht geladen, die Milch im Kühlschrank hat Zimmertemperatur, die Züge und Trams stehen still. Blackout. Wenn kein Strom mehr fliesst, kommt unser Leben zum Stillstand. Ein Blackout ist zwar nicht wahrscheinlich, aber er ist möglich, und unser System wird durch eine grössere Vernetzung aufgrund der Energiewende komplexer und anfälliger für Störungen.
Doch die Schweiz hat sich für die Energiewende ausgesprochen und im Juni 2023 mit dem Klimaund Innovationsgesetz entschieden, bis 2050 netto keine Treibhausgase mehr auszustossen. Die fossilen Energieträger wie Erdöl und Erdgas müssen also ersetzt werden. Die gute Nachricht: Berechnungen der ETH Zürich zeigen, dass eine umweltfreundliche, sichere und bezahlbare Energieversorgung zwar nicht einfach, aber möglich ist. Der Schlüssel liegt in der Elektrifizierung, insbesondere in den Bereichen Mobilität und Wärme.
Bevor wir aber darauf zurückkommen, fragen wir uns kurz, weshalb die Energiewende so wichtig ist. Weshalb lohnt es sich, durch mehr Komplexität das Risiko eines Blackouts einzugehen?
Heiss, trocken, nass und grün Das Klima verändert sich rasant. Global hat sich die Erde bis 2024 seit vorindustrieller Zeit um etwa 1,3 bis 1,4 Grad Celsius erwärmt, in der Schweiz um rund 2,9 Grad. Die Schweizer Gletscher haben in zehn Jahren einen Viertel ihrer Masse verloren. Extremereignisse wie Bergstürze und Überschwemmungen werden häufiger. Es wird heisser, besonders in tiefen Lagen und Städten. Es wird trockener, was mehr Waldbrände und Herausforderungen für die Landwirtschaft mit sich bringt. Gleichzeitig wird es nasser, Starkniederschläge treten in allen Jahreszeiten häufiger und heftiger auf. Und die Nullgradgrenze steigt, die Schneebe-

Treffpunkt Science City
Einen fundierten, verständlichen und enga-gierten Dialog hatte auch der diesjährige Treffpunkt Science City der ETH Zürich zum Thema «Was uns antreibt» zum Ziel. Sie finden alle Vorträge rund um die Themen Energiesystem, Naturgefahren und Klimazukunft unter:
ethz.ch/treffpunkt
deckung nimmt ab. Dies zeigen die neuen Klimaszenarien von MeteoSchweiz und der ETH Zürich. Der Grund sind Treibhausgase wie CO2 und Methan, deren Konzentration in der Atmosphäre seit 800000 Jahren auf einem Rekordhoch liegt. Um die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, wie im Pariser Klimaschutzübereinkommen vereinbart, hat sich die EU zum Ziel gesetzt, die Treibhausgasemissionen bis 2050 auf Netto-Null zu reduzieren. Klimaneutralität. Das bedeutet: Es gelangen nur noch so viele Treibhausgase in die Atmosphäre, wie durch natürliche oder technische Speicher wieder entfernt werden können. Natürliche Speicher sind beispielsweise Wälder, technische Speicher können CO2 aus der Luft filtern und im Untergrund einlagern. Denn ganz ohne Emissionen wird es auch 2050 nicht gehen – etwa bei der Nahrungsmittelproduktion oder der Kehrichtverbrennung.
Auch die Schweiz hat sich mit dem Klima- und Innovationsgesetz verpflichtet, ihre Treibhausgasemissionen bis 2050 auf Netto-Null zu senken. Wo liegen in unserem Land also die grössten Hebel?
Sonne, Wind und Wasser
In der Schweiz entstehen etwa 25 Prozent der Treibhausgasemissionen im Strassenverkehr, gefolgt von 20 Prozent im Flugverkehr und 15 Prozent in Gebäuden. Der Schlüssel liegt in der Elektrifizierung von Wärme und Mobilität. Statt mit Öl heizen wir künftig mit Wärmepumpen, statt mit Benzin fahren wir mit elektrischer Energie. Dadurch werden der Wärme- und der Verkehrssektor mit dem Stromsystem verknüpft, wir sprechen von Sektorkopplung.
Das Besondere: Obwohl so der Stromverbrauch steigt, sinkt der Gesamtenergiebedarf deutlich. Der Grund ist die hohe Effizienz dieser neuen Technologien. Wärmepumpen und Elektroautos brauchen deutlich weniger Energie als Ölheizungen und Benzinmotoren.
Ausserdem: Die Schweiz bezieht heute rund 70 Prozent ihrer Energie aus dem Ausland. Wenn wir nun also Heizöl und Treibstoffe durch Strom ersetzen, sind wir deutlich weniger abhängig und müssen weniger importieren. Damit die Rechnung mit der Klimaneutralität jedoch aufgeht, muss der zusätzliche Strom aus erneuerbaren Energiequellen kommen. Die Schweiz setzt dabei insbesondere auf Wasserkraft und baut diese weiter aus. Zudem spielt in den kommenden Jahrzehnten der Ausbau von Photovoltaik, also Solaranlagen, sowie Windkraft eine entscheidende Rolle.
Energiespeicher gefragt
Doch die Sonne scheint nicht immer, und der Wind weht unregelmässig. Damit wir trotzdem jederzeit heizen, duschen, kochen, unser Smartphone laden und Auto fahren können, brauchen wir Energiespeicher. Und genau hier zeigt sich die doppelte Stärke von Elektroautos und Wärmepumpen.
Die Autobatterie kann dann geladen werden, wenn die Sonne scheint, und das Auto fährt später. Die Wärmepumpe erzeugt Wärme bei Sonnenschein und speichert sie in einem Wassertank –zum Heizen oder Duschen am Abend. Durch diese Flexibilität kann die schwankende Stromproduktion aus erneuerbaren Energien ausgeglichen werden. Zusätzliche Versorgungssicherheit liefern die bereits etablierten Wasserkraftwerke und ihre Speicher.
Ein weiterer Hebel für ein stabiles Energiesystem und eine sichere Stromversorgung ist der Stromhandel. Bereits heute kaufen und verkaufen wir täglich Strom vom und ans europäische Ausland. Durch die Sektorkopplung und den damit zunehmenden Bedarf an Strom wird dieser Handel noch zunehmen. Dies ist nicht nur aus versorgungstechnischer Sicht sinnvoll, sondern auch aus wirtschaftlicher: Wir kaufen Strom günstig ein, wenn in Europa gerade viel davon vorhanden ist, speichern ihn in unseren Speicherkraftwerken und verkaufen ihn später teurer, wenn er knapp wird.
Die Energiewende ist also machbar. Die Technologien sind da, die Finanzierung möglich, das Wissen vorhanden. Warum handeln wir also nicht? Diese Frage lässt sich weniger leicht beantworten als die nach dem Wie. Zahlreiche Faktoren spielen eine Rolle. Das Thema ist komplex, die Dringlichkeit wird noch nicht ausreichend wahrgenommen, es fehlt an Einigkeit darüber, was konkret getan werden kann, soll, muss. Dazu kommen wirtschaftliche Interessen und Lobbying, beispielsweise der Ölindustrie.
Klimaschutz ja, aber
Langfristig und im globalen Kontext lohnt sich Klimaschutz. Kurzfristig und aus individueller Perspektive wirkt es jedoch oft einfacher oder bequemer, alles beim Alten zu lassen. Veränderungen lösen bei vielen Menschen verständlicherweise Unsicherheit aus. So entsteht häufig die Haltung: Klimaschutz ja, aber lieber nicht hier, nicht so, nicht jetzt und nicht unbedingt ich.
Die Wissenschaft liefert die Zahlen und Fakten. Nun müssen Politik, Medien, Industrie und Bevölkerung zusammenarbeiten, um vom Wissen ins Handeln zu kommen. Wir brauchen einen Dialog, damit der Wandel uns als Gesellschaft nicht spaltet, sondern eint. Sodass wir auch in Zukunft auf ein stabiles Energiesystem und eine sichere Stromversorgung zählen können.
Sustainable Switzerland ist die nationale Nachhaltigkeitsplattform des Unternehmens NZZ mit Partnern aus Wirtschaft und Wissenschaft. Gemeinsam beschleunigen wir die nachhaltige Entwicklung der Schweiz. sustainableswitzerland.ch
Dieser Inhalt wurde von NZZ Content Creation und Sustainable Switzerland im Auftrag von ETH Zürich erstellt.