Psychiatrie und Kunst, gerade weil das eigene Selbstverständnis und die Erwartungshaltung der Gesellschaft an die jeweils andere Disziplin kaum unterschiedlicher sein könnten. Die Psychiatrie sucht in jedem Zeitenwandel immer von Neuem nach einer Definition einer gültigen Norm, einer nachvollziehbaren Normalität. Die Kunst arbeitet in ihrem Kern aber an deren Auflösung. Hans Danuser hat in Folge dem Burghölzli, dieser Ikone der Psychiatrie, eine fotografische Arbeit gewidmet und sich dabei in einem ersten Schritt im materiellen Sinne dem Burghölzli angenähert und in seinem Atelier auf einem traditionellen Bildhauer-Drehtisch eine Burg aus Holz geschaffen, die dem ganzen Projekt den Namen gab: «Burg aus Holz», eine ironische Brechung des scheinbar so übermächtigen Namens Burghölzli. Dieses Objekt hat er in mehreren Sequenzen in wechselndem Tageslicht über die vier Jahreszeiten fotografiert, wobei sich Atelierboden, Bildhauertisch und die Burg über das gleiche Material, das Holz, verbinden. Es entsteht das Bild einer Burg auf einem Hügel: Damit wird das Burghölzli zur Skulptur, zur Burg aus Holz, und frei für Interpretationen. In einer Weiterführung der Skulpturen- und Porträtfotografie gibt Hans Danuser der Burg aus Holz unterschiedliche und oszillierende Identitäten, und die Drehung des Objektes ermöglicht unerwartete Ein-, Durch- und Aufsichten. Die im Buch zwischen den einzelnen Kapiteln eingefügten fünf grossformatigen Bildsequenzen legten so eine Basis zum gemeinsamen Projekt: einer Annäherung ans Burghölzli. Ein-, Durch- und Aufsichten vermittelt der Inhalt dieses Buchs – es bietet Innen- und Aussensichten. Die Innensichten zeigen psychiatrische Experten aus verschiedenen Feldern auf. Wulf Rösslers Beiträge rahmen als «Bewegte Zeiten» und «Moderne Zeiten» die Innensichten ein. Seine Beiträge schildern die Entstehungsgeschichte der Klinik in der Mitte des 19. Jahrhunderts und beschreiben die Entwicklungen bis ins auslaufende 20. und beginnende 21. Jahrhundert. Eine Bewertung der Neuzeit, ihrer Protagonisten und ihrer jeweiligen Leistungen unterbleibt mit Absicht, denn die jüngsten vier Jahrzehnte wird eine nachkommende Generation mit etwas Distanz genauer kommentieren und einordnen können. Die «Modernen Zeiten» schliessen mit der Bemerkung, dass die Krise des Burghölzli nach dem Abgang einer grossen Generation von Psychiatern zu Beginn der 1990er-Jahre erfolgreich bewältigt wurde, allerdings um den Preis des Verlusts einer gewissen Unverwechselbarkeit. In den ersten Jahren nach der Jahrtausendwende hat das Burghölzli aber wieder eine enorme Innovationskraft entwickelt und eine Reihe wegweisender Bausteine der psychiatrischen Versorgung für die Schweiz initiiert. Die Forschung in Zürich konnte sich wieder erfolgreich international und in einer zuvor nie erreichten Breite etablieren. Paul Hoff ist als psychiatriegeschichtlicher Experte ein Wagnis eingegangen und hat ein nie stattgefundenes Streitgespräch zwischen den wichtigsten Protagonisten der Psychiatrie des beginnenden 20. Jahrhunderts entwickelt. Eugen Bleuler, Emil Kraepelin, Carl Gustav Jung und Sigmund Freud debattieren über Kernbegriffe der Psychiatrie und Psychologie. Ein wahr-
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