W. Rössler, H. Danuser: Burg aus Holz - Das Burghölzli.

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deswegen irgend etwas getan worden wäre. Wie ein mittelalterlicher Landvogt schaltet der Rebbergbesitzer, Abstinenzfanatiker und Autoritätspsychiater Professor Bleuler in seiner Domäne, und kein Mensch hat den Mut, ihm den Riegel zu stossen.» Die Laterne hatte kurz zuvor eine Protestschrift veröffentlicht: Meine Erlebnisse im Burghölzli, hiess die Broschüre von Albert Meier, alt Gemeindepräsident von Schlieren. Kritisiert wurde schon 1912, dass im Burghölzli aus rassenbiologischen und sozialen Gründen Versuche mit der Sterilisation an Kriminellen gemacht wurden. In Zürich gebe es kein Gesetz, das solche Eingriffe gestattet, kritisierte Die Laterne. Auch Bleulers Ehefrau geriet ins Schussfeld. Frau Professor Bleuler-Waser sei «die stärkere Ehehälfte», und sie mache Propaganda für ihre «Fürsorgestelle für Alkoholkranke». «Die Frau Professor verknüpft die Reklame geschickt mit einem rührenden Histörchen, das dartun soll, dass im Burghölzli keine sogenannten ‹Alkoholkranken› aufgenommen werden können, während es tatsächlich nur der Erklärung der Ehefrau bedarf, um einen überdrüssigen Alten als ‹gefährlichen Alkoholiker› sogar ohne ärztliche Untersuchung, dauernd im Burghölzli zu verwahren. Die Hauptsache ist, dass die Zahlungen nicht ausbleiben. Eine ‹Fürsorgestelle (!) für Alkoholkranke› unter der bewährten Leitung von Prof. Dr. Bleuler-Waser, dem derzeitigen Direktor der Irrenanstalt Burghölzli in Zürich, müsste für unzählige Familien den Untergang bedeuten.»

heute an seinen Namen erinnern, liegt weniger an seiner Tätigkeit als Psychiater, sondern vielmehr daran, dass er Autor des berühmten Kinderbuchs Struwwelpeter war (siehe «Der Stuwwelpeter-Dichter als Gutachter», Seite 38). 1865 wurde mit dem Bau der Klinik Burghölzli begonnen. Staatsbauinspektor Johann Caspar Wolff, der sich im Laufe der Jahre auf mehreren Reisen verschiedene Psychiatriekliniken in Europa angesehen hatte, legte sein Amt nieder und leitete den Bau als freier Architekt. Ende 1869 war das Burghölzli vollendet.

In den anfängen der Psychiatrie gab es keine spezialisierte ausbildung für Pflegepersonen. eine anstellung als Wärter war auch häufig eine nebentätigkeit, um einen kargen lohn aufzubessern. foto aus dem Jahr 1900.

das Burghölzli war für Jahrzehnte eine in sich geschlossene gemeinschaft, zu der auch eine Berufsfeuerwehr gehörte. auch frauen beteiligten sich – allerdings nur in der zweiten Reihe (siehe foto). die feuerwehr wurde erst 2010 end gültig abgeschafft.

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