Karl-Heinz Paqué, Richard Schröder Gespaltene Nation? Einspruch! 30 Jahre Deutsche Einheit.

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Karl-Heinz Paqué (*1956), Prof. Dr. Dr. h. c., studierte Volkswirtschaftslehre in Saarbrücken, Kiel und Vancouver. Seit 1996 Professor für Interna­tionale Wirtschaft an der Otto-von-GuerickeUniversität Magdeburg. 2002–2006 Finanzminister des Landes Sachsen-Anhalt. Seit 2018 Vorstandsvorsitzender der Friedrich-Naumann-­ Stiftung für die Freiheit und Mitglied im Präsidium der FDP.

Richard Schröder (*1943), Prof. Dr. Dr. h. c., studierte Theologie und Philosophie. Ab 1977 Dozent für Philosophie an zwei staatlich nicht anerkannten theologischen Ausbildungsstätten. 1990 Wahl in die freie Volkskammer der DDR und zum Fraktionsvorsitzenden der SPD. 1991–2009 Professor für Philosophie an der Theologischen Fakultät der Humbolt-­ Universität zu Berlin.

In ihrem Buch zeigen Karl-Heinz Paqué und Richard Schröder, dass – bei allen verbleibenden West-Ost-Unterschieden – ­weder wirtschaftlich noch politisch oder sozial von einer ­dauerhaften und sich vertiefenden Spaltung die Rede sein kann. Allerdings sind die verbleibenden Unterschiede ernst zu nehmen, vor allem was die ökonomische Lage und die poli­ tische Kultur betrifft. Nach 30 Jahren Deutscher Einheit ist klar, dass sie das Ergebnis der Geschichte sind. Sie lassen sich nicht in wenigen Jahren beseitigen, sondern müssen in einem Geist des Verständnisses offen diskutiert werden. Die Autoren haben sich jahrzehntelang aktiv mit den Unterschieden und Gemeinsamkeiten der beiden Deutschland auseinander­ gesetzt.

Karl-Heinz Paqué, Richard Schröder   Gespaltene Nation? Einspruch!

Zwei politische Schwergewichte aus Ostdeutschland und Westdeutschland legen gemeinsam eine Streitschrift vor. Sie argumentieren gegen die zurzeit häufig vorgebrachte Behauptung, die Deutsche Einheit sei gescheitert, weil sie eine gespaltene Gesellschaft hinterlassen habe.

Karl-Heinz Paqué, Richard Schröder

Gespaltene Nation? Einspruch!

30 Jahre Deutsche Einheit

ISBN 978-3-03810-481-0

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NZZ Libro

Die deutsche Wiedervereinigung vor 30 Jahren wird immer häufiger zum Gegenstand von Mythen. Dies gilt vor allem für ihre wirtschaftliche Seite. Währungsunion, Privatisierung und Aufbau Ost geraten in die Kritik. Die Politik hat versagt, so die Botschaft, und dies wider besseres Wissen und mit bösem Willen. Man hätte vieles anders und besser machen können, aber die Interessen der westdeutsch dominierten Politik und Wirtschaft standen dem entgegen. Manche gehen so weit, das Erbe der DDR als eine im Kern gesunde Grundlage für den Weg in die globale Marktwirtschaft anzusehen. Die wurde vom Westen zerstört, mit harter Hand und kühlem Kalkül. Und dies hinterließ in den Seelen der Ost­deutschen tiefe Wunden. Die Folge: ein politischer Ruck nach rechts, der in einer weit verbreiteten Neigung zum Populismus gemündet ist, wie die letzten Landtags- und Bundestagswahlen gezeigt haben. Soweit die neue Deutung der Deutschen Einheit. Diese Streitschrift wendet sich entschieden gegen diese Sicht der Dinge. Karl-Heinz Paqué und Richard Schröder sehen die Gefahr einer neuen Dolchstoßlegende. Deren Mythen stellen die Autoren die Fakten entgegen. Diese sprechen eine andere Sprache: der Zwang zum schnellen Handeln im Anblick einer zusammenbrechenden Ordnung und massiver Abwanderung nach dem Fall der Berliner Mauer; die gewaltige Schwierigkeit, mit neuen Produkten auf dem Weltmarkt Fuß zu fassen; das Bemühen des Staates, den Strukturwandel für die Menschen erträglich zu gestalten. In der Summe wenig von kaltem Kapitalismus, aber viel Soziale Marktwirtschaft in deutscher Tradition. Das Ergebnis heute kann sich sehen lassen, auch im internationalen Vergleich. Und die politischen Verwerfungen haben viel mehr zu tun mit dem Erbe der DDR-Diktatur als mit Demokratie, Rechtsstaat und Marktwirtschaft.


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© 2020 NZZ Libro, Schwabe Verlagsgruppe AG, Basel Lektorat: Rainer Vollath, München Umschlag: TGG Hafen Senn Stieger, St. Gallen Gestaltung, Satz: Claudia Wild, Konstanz Druck, Einband: BALTO Print, Litauen Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, ­insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werks oder von Teilen dieses Werks ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechts­ gesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts. ISBN 978-3-907291-00-9 ISBN E-Book 978-3-907291-01-6 www.nzz-libro.ch NZZ Libro ist ein Imprint der Schwabe Verlagsgruppe AG.


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Inhalt

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Zur Einleitung: Fakten und Mythen

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Fakten

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2.1 Das Erbe der DDR  2.1.1 Wachstum  2.1.2 Fehlende Effizienz  2.1.3 Mangelnde Innovationskraft  2.1.4 Der Schürerbericht

2.2 Weichenstellungen nach dem Mauerfall  2.2.1 Wirtschafts- und Währungsunion  2.2.2 Privatisierung und Treuhandanstalt  2.2.3 Aufbau Ost  2.2.4 Sozial- und Arbeitsmarktpolitik

2.3 Renaissance der Industrie  2.3.1 Leistungskraft Ost versus West  2.3.2 Arbeitslosigkeit und Löhne  2.3.3 Regionale Entwicklungen  2.3.4 Wanderung und Transfers   2.3.5 Die Nachbarn im Osten

2.4 Zwischenbilanz und Zukunft  2.4.1 Anno 2020: Rückstand der Innovationskraft  2.4.2 Zukunftstrend: Mangel an Arbeitskräften  2.4.3 Zukunftstrend: urbane Ballung  2.4.4 Zukunftstrend: Forschung und Entwicklung

2.5 Gemütslage  2.5.1 Lebensglück und Zufriedenheit  2.5.2 Sündenbock Treuhandanstalt  2.5.3 Der neue Realismus

19 21 22 24 32

35 38 41 53 56 58 58 65 69 73 78 81 81 90 94 97 100 101 105 108 5


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Inhalt

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Mythen

3.1 Wie war es in der DDR?   3.1.1 Alltag   3.1.2 Unrechtsstaat?  3.1.3 Vorzüge?

3.2 Revolution – Transformation – Vereinigung  3.2.1 Was ist ein Fehler?  3.2.2 Herbstrevolution   3.2.3 Transformation  3.2.4 Vereinigung

3.3 Die neuen Ost-West-Kontroversen  3.3.1 Wer beherrscht den Osten?   3.3.2 Wem gehört der Osten?  3.3.3 Der Treuhandmythos  3.3.4 Lebensleistung zerstört?  3.3.5 Bürger zweiter Klasse?

3.4 Heimat, Volk und Vaterland  3.4.1 «Wir sind das Volk» – «Wir sind ein Volk»  3.4.2 Die deutsche Nation im geteilten Deutschland  3.4.3 Patriotismus versus Nationalismus  3.4.4 Verbleibende Ost-West-Unterschiede

3.5 Gefährdet der Osten die Demokratie?

111

113 113 125 137

147 147 152 158 164

167 167 174 178 189 192

194 194 199 208 213

216

3.5.1 Hat der Westen den demokratischen Neuanfang im Osten 3.5.2 Die AfD: Partei des Ostens?

3.5.3 Was ist Demokratie?

218 219 222

Zum Schluss: vereint oder gespalten?

235

erdrückt?

4

4.1 Geschichte und Schicksal

235

4.2 Neue Generationen, neue Herausforderungen

240

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Nachwort

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Anmerkungen

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Literatur und Datenquellen

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Schaubilderverzeichnis

275

Register

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1 Zur Einleitung: Fakten und Mythen

Zum 30. Jahrestag der Wiedervereinigung ist das Ost-West-Verhältnis in Deutschland spannungsreicher als noch vor wenigen Jahren. Es gibt neue Kontroversen – als Reaktion auf die verstärkte Zuwanderung aus außereuropäischen Ländern, die ihren Höhepunkt 2015/16 erreichte. Während im Westen eine Willkommenskultur dominierte, unterstützt von fast allen Medien und allen damals im Bundestag vertretenen Parteien, zeigte sich im Osten weit stärker als im Westen massiver Widerspruch gegen diese Zuwanderung. Es kam zum Widerstand gegen Einquartierungen in Flüchtlingsheime und sogar zu Brandstiftungen. Vom 20. Oktober 2014 an demonstrierte jeweils montags in Dresden PEGIDA (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes). Das war bewusst als Anknüpfung an die Leipziger Montagsdemonstrationen im Herbst 1989 gedacht. Auch der damalige Ruf «Wir sind das Volk» wurde von PEGIDA übernommen. «Lügenpresse» und «Volksverräter» (in Bezug auf die Bundesregierung), zwei durch die Nazizeit kontaminierte Ausdrücke, wurden zum Schlachtruf. All das suggerierte, die gegenwärtigen Verhältnisse seien mit denen in der DDR vergleichbar. Häufig war zu hören: «Man darf nicht mehr sagen, was man denkt. Das ist ja schlimmer als in der DDR.» Auch im Westen kam es zu PEGIDA-Demonstrationen, aber mit viel geringerer Beteiligung und nur kurzzeitig. Sowohl im Osten als auch im Westen gab es Gegendemonstrationen, und zwar regelmäßig mit mehr Teilnehmern als bei PEGIDA – außer in Dresden, wo die PEGIDA-Anhänger auf der Straße dominierten. Parallel dazu gab es deutschlandweit am rechten Rand des politischen Spektrums eine programmatische Veränderung. Die AfD (Alternative für Deutschland) verschob den Schwerpunkt ihres Profils von einer eurokritischen zu einer migrationsfeindlichen Partei, die auch verstärkt völkische Positionen in ihren Reihen duldete, sogar förderte und auch für rechtsextreme Wähler offen sein wollte. Obwohl ihr neues Führungspersonal (wie schon das alte) überwiegend aus dem Westen kam, erzielte die AfD im Osten die größeren Wahlerfolge. 9


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1  Zur Einleitung: Fakten und Mythen

Alles in allem hat die Massenmigration nach Deutschland im ganzen Land eine neue Polarisierung ausgelöst, wohl die stärkste seit der Wiedervereinigung. Gegner und Befürworter gab und gibt es in Ost und West. Aber klar ist: Im Osten waren und sind die Gegner stärker vertreten als im Westen. Und nur im Osten wird von manchen die gegenwärtige gesellschaftliche und politische Situation als Fortsetzung der DDR-Verhältnisse gedeutet. Im Wahlkampf für den Brandenburger Landtag plakatierte die AfD gar: «Vollende die Wende!» Was bewegt diese ostdeutschen «Wutbürger»? Es sind meist westdeutsche Ostexperten, die ethnologische Expeditionen in die Abgründe der ostdeutschen Seele unternehmen. Oft entdecken sie dabei Nationalismus und Ausländerfeindlichkeit, die sie als unbewältigtes Erbe aus der Nazizeit deuten. Daran knüpfen sie die bange Frage, ob die Demokratie in Deutschland neuerdings vom Osten her gefährdet sei. Ostdeutsche empfinden solche Befürchtungen als kränkende kollektive Diskriminierung, und das nicht zu Unrecht, weil die entdeckten Gefahrenpotenziale pauschal oder doch mehrheitlich und «bis in die Mitte der Gesellschaft» hinein vermutet werden. Das verschärft die Polarisierung. Bleibt die Frage, ob das Migrationsproblem tatsächlich den tiefen Grund für die neuen Ost-West-Spannungen liefert. Vieles spricht dafür, so unter anderem die zeitliche Abfolge des Stimmungswandels, der Inhalt der öffentlichen Kontroversen und die Reaktion der Politik. All dies lässt sich gut belegen. Und der Ost-West-Unterschied ist auch historisch plausibel zu begründen, vor allem mit den sehr unterschiedlich intensiven Erfahrungen mit Ausländern in Ost und West zur Zeit der deutschen Teilung. Im Westen gab es eben einen über Jahrzehnte zunehmenden Kontakt mit dem Fremden, der im weitgehend isolierten Osten unterblieb. Wohlgemerkt: Erklären heißt nicht entschuldigen. Für tätliche Angriffe oder gar Mord und Brandstiftung gibt es keine Entschuldigung. Neuerdings wird aber die Bedeutung dieser Zusammenhänge bestritten. Es war wohl zuerst Petra Köpping, die damalige sächsische Ministerin für Integration, die in einer viel beachteten Streitschrift unter dem Titel Inte­ griert doch erst mal uns! Eine Streitschrift für den Osten (2018) eine andere Erklärung für ostdeutsche Wut vortrug. Demnach haben ostdeutsche Vorbehalte gegen Ausländer und Ausländerfeindlichkeit gar nichts mit den Erfahrun10


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gen in der DDR zu tun, sondern entstammen den Demütigungen, die Ostdeutsche nach der deutschen Wiedervereinigung, also nach dem Ende der DDR, erfahren haben, und zwar vor allem durch die Treuhandanstalt, die im Auftrag der westdeutschen Industrie die ostdeutsche Konkurrenz rücksichtslos kaputtmachte und so die Lebensleistungen Ostdeutscher vernichtete. Weil Ostdeutsche durch die Treuhandanstalt gedemütigt und betrogen wurden, sei bei manchen von ihnen das Bedürfnis entstanden, andere Gruppen von Menschen zu demütigen, und das sei der Grund für ostdeutschen Ausländerhass.1 Zum Zweck der Versöhnung zwischen Ost- und Westdeutschen forderte sie deshalb die Einrichtung von «Wahrheitskommissionen», die das den Ostdeutschen geschehene Unrecht aufklären und so den Weg zu einer innerdeutschen Versöhnung ebnen sollen. Am Anfang müsse es dabei «ein Geständnis der westdeutschen Politik und der Wirtschaft geben: «Ja, im Osten haben sich westdeutsche Unternehmen in hohem Maß eine potenzielle Konkurrenz vom Hals gehalten. Die ostdeutsche Nachfrage war wichtig, das ostdeutsche Angebot wurde beiseitegedrängt.»2 Köppings Buch fand in der Öffentlichkeit ein großes positives Echo. Ihre Behauptung, die Demütigungen der Ostdeutschen im Einigungsprozess seien die Ursache ihrer Ausländerfeindlichkeit – und nicht ihre Erfahrungen und Erfahrungsdefizite in der DDR – ist von den Medien nicht selten zustimmend aufgenommen worden, auch von Westmedien. Es folgte 2019 eine weitere prominente Publikation mit ähnlicher Stoßrichtung. Der ostdeutsche Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk legte in dem Buch Die Übernahme. Wie Ostdeutschland Teil der Bundesrepublik wurde (2019) eine Interpretation der Nachwendezeit vor, die an Materialreichtum und Detailtiefe Köppings Streitschrift überlegen ist, am Ende aber doch auf nahezu dieselbe Schlussfolgerung hinausläuft, nämlich: Die westdeutsche Politik habe es von 1990 an ausdrücklich und absichtlich auf die Demütigung der Ostdeutschen abgesehen.3 Wolfgang Schäuble, der als Bundesinnenminister von westlicher Seite die Einigungsverhandlungen führte, habe eine Tabula rasa angestrebt: «Nichts im Osten sollte bleiben wie bisher; alles sollte zur bloßen Kopie des Westens werden.»4 «Besonders ungerecht freilich empfanden die meisten Ostdeutschen, dass ihre ganz persönliche Lebensleistung über Nacht kaum noch etwas wert war.»5 11


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1  Zur Einleitung: Fakten und Mythen

Weiter moniert Kowalczuk: «Der rigide Austausch der gesamten ostdeutschen Elite, der Funktionärs- und Dienstklasse, der Führungskräfte, nicht nur der obersten Spitzen, trug erheblich zur Demütigung eines Teils der Ostdeutschen bei.»6 Er beruft sich dabei auf Erkenntnisse des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR), der an der Universität Leipzig eine Studie in Auftrag gegeben hatte, die 2016 unter dem Titel «Wer beherrscht den Osten? Ostdeutsche Eliten ein Vierteljahrhundert nach der deutschen Wiedervereinigung» erschien. Dort wird nachgewiesen, dass von den obersten Führungspositionen in Ostdeutschland, nämlich in Politik, Medien, Justiz, Wirtschaft und Hochschulen, lediglich 23 Prozent von Ostdeutschen besetzt sind.7 Diese unbestrittenen Ergebnisse werden von Kowalczuk so interpretiert, dass der Westen den Osten «beherrscht», also nach kolonialistischen Deutungsmustern lenkt. Andere vergleichen die Ostdeutschen mit Migranten, die wie diese ihre Heimat verloren hätten und nun unter Diskriminierung und verweigerter Anerkennung leiden.8 Viele Befragungen haben tatsächlich ergeben, dass sich ein beachtlicher Teil der Ostdeutschen als «Bürger zweiter Klasse» fühlt.9 Mit Koepping (2018) und Kowalczuk (2019) hat also eine neue Sicht der Wiedervereinigung Einzug gehalten. Auch politisch fand sie ihren Niederschlag. Mitte 2019 forderten Die Linke und die AfD, also die beiden Fraktionen im Bundestag, die im ideologischen Rechts-links-Spektrum den denkbar größten programmatischen Abstand voneinander haben, in je einem Antrag die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses des Bundestags zur Treuhandanstalt. Beide Anträge beginnen mit ganz ähnlichen Behauptungen: Die Linke erklärt in ihrem Antrag, die Treuhandanstalt habe «die weitgehende Zerstörung von Industrie und Wirtschaft in Ostdeutschland bis hin zu einem gesellschaftlichen Werteverlust und zu einer völligen Desillusionierung, etwa aufgrund des wirkungslosen Protests Betroffener gegen Unternehmensstillegungen, herbeigeführt. Dies verhindert bis heute eine wirkliche soziale und ökonomische Einheit.»10 Die AfD erklärt in ihrem Antrag: «Die Umsetzung der Leitlinien der Treuhandanstalt führte zur Zerstörung zum Teil hochprofitabler Unternehmen, zum Kahlschlag der Infrastruktur und zum Verlust eines großen Teils der landwirtschaftlichen und industriellen Produktionsmöglichkeiten. Von diesen strukturellen Verwerfungen hat sich Ostdeutschland bis heute nicht erholt.»11 Auch die vorgesehenen Untersuchungsaufträge sind sehr ähnlich. 12


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Auf den ersten Blick ist es erstaunlich, dass sehr unähnliche Parteien sehr ähnliche Anträge im Bundestag stellen. Die Erklärung dafür liegt allerdings auf der Hand: In drei ostdeutschen Bundesländern standen Landtagswahlen an, und beide Parteien rechneten wohl in populistischer Manier damit, sich bei den Wählerinnen und Wählern als Hüterin ostdeutscher Interessen profilieren zu können. Da die übrigen vier Parteien im Bundestag aufgrund einer anderen Beurteilung der Treuhandanstalt nicht bereit waren, das Projekt zu unterstützen, kam die geforderte Anzahl von Stimmen für die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses nicht zustande. Zudem haben 2019 die klimapolitische Bewegung Fridays for Future und 2020 das Coronavirus das Thema fast vollständig aus den Medien gefegt, aber keineswegs erledigt oder geklärt. Es kann jederzeit zurückkehren und erneut verwirren. Die Publikationen von Köpping und Kowalczuk sind kein Zufall, ebenso wenig wie die Anträge von Die Linke und AfD. Den Verfassern des vorliegenden Buchs erscheinen sie eher als starke Indikatoren für einen möglichen dauerhaften Aufstieg einer neuen Interpretation der Geschichte des wiedervereinten Deutschlands. Nur leicht überspitzt könnte man diese als «Opfermythos Ost» bezeichnen. In ihr erscheinen die Ostdeutschen als Opfer, die Westdeutschen als Täter in einer einmaligen Situation des historischen Umbruchs, die aber auf Dauer tiefe Spuren der Spaltung hinterlassen hat. Darin liegt eine grundlegend neue Deutung der Deutschen Einheit: nicht als ein gemeinsames Projekt von Ost und West zum Aufbau einer funktionierenden gesamtdeutschen Demokratie, sozialer Marktwirtschaft und Rechtstaatlichkeit, sondern als Akt eines einseitigen Kolonialismus des mächtigen Westens – eben so, wie Kowalczuks Buchtitel es nennt: «Die Übernahme». Was den wirtschaftlichen Kern betrifft, könnte man diese Deutung durchaus als eine neue Dolchstoßlegende bezeichnen. Sie lautet: Die Wirtschaft der DDR war trotz einiger Schwächen funktions- und leistungsfähig. Mit gutem Willen und ruhiger Hand hätte man sie Schritt für Schritt in die neue Welt der globalen Marktwirtschaft überführen können, aber das war nicht im Interesse der westdeutschen Industrie. Diese nutzte ihren politischen Einfluss, um die Substanz der DDR-Wirtschaft zu zerstören oder zumindest fatal zu schwächen. Handlanger dafür war die Treuhandanstalt. Die Analogie zur traditionellen militärischen Dolchstoßlegende nach dem Ersten Weltkrieg liegt nahe: Das deutsche Heer war danach – trotz einiger 13


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1  Zur Einleitung: Fakten und Mythen

Niederlagen im Ersten Weltkrieg – im Feld unbesiegt, und es wurde nur durch die Heimatfront politisch in die Knie gezwungen. Diese reichte der militärischen Macht nicht die Hand, um die Nation zu stärken, sondern sie nutzte die perfiden politischen Instrumente der Demokratie, um sie auf Dauer zu schwächen. Die Verfasser des vorliegenden Buchs wenden sich gegen das Entstehen eines Opfermythos Ost. Sie halten ihn für eine falsche und gefährliche Interpretation der Deutschen Einheit: falsch, weil sie den Fakten widerspricht; gefährlich, weil sie eine Spaltung erst schafft, die es noch gar nicht gibt. Deshalb auch der Titel dieses Buchs: Gespaltene Nation? Einspruch! Das Buch ist eine Streitschrift, und das soll es auch sein. Sein Zweck ist zu zeigen, wie nach 30 Jahren Deutscher Einheit vielfältig belegbar ist, dass das Zusammenwachsen der Nation im Wesentlichen funktioniert: nicht geradlinig und perfekt, nicht reibungslos und harmonisch, aber doch in der Summe erfolgreich – jedenfalls, wenn man die Fortschritte an realistischen (und nicht utopischen) Maßstäben misst. Und dies, so unsere Argumentation, hat viel mit den richtigen Weichenstellungen nach dem Mauerfall und nach der Deutschen Einheit und nicht mit kolonialer Attitüde und einem vermeintlichen Dolchstoß zu tun. Das Buch besteht nach dieser kurzen Einleitung (Kapitel 1) aus zwei großen Teilen, überschrieben mit «Fakten» als Kapitel 2 sowie «Mythen» als Kapitel 3. Im Zentrum der Fakten von Kapitel 2 steht die wirtschaftliche Domäne der Deutschen Einheit, und zwar aus gutem Grund: Sie liefert den scheinbar festen, harten Kern des Mythos vom Opfer Ost – mit der Treuhandanstalt als Hauptschurken. Deren Wirken gilt als eine Art Ursünde der Deutschen Einheit, die tiefe Spuren in der Leistungsfähigkeit der ostdeutschen Wirtschaft und im Stolz der Bevölkerung hinterlassen hat. Wir zeigen, dass diese Sichtweise faktisch falsch ist: Vom Erbe der DDRPlanwirtschaft über die Weichenstellungen der frühen 1990er-Jahre einschließlich der Privatisierung bis zum Stand der ostdeutschen Wirtschaft heute im Vergleich zum Westen und zum mitteleuropäischen Osten führt eine nachvollziehbare klare Linie. Deren Ergebnis ist unter Maßgabe der Umstände mehr als respektabel und bietet in den nächsten Jahrzehnten gute Chancen, die verbleibenden Lücken zu schließen. Auch die Gemütslage der ostdeutschen Bevölkerung ist dabei – ganz anders als Köpping und Kowal­ 14


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czuk suggerieren – keineswegs pessimistisch. Klar ist: Der Prozess dauert viel länger, als in den 1990er-Jahren erwartet, aber daraus ist keine Frustration entstanden. Nicht das heutige Ergebnis enttäuscht, sondern die damaligen Erwartungen waren zu hoch. In Kapitel 3 folgt die Domäne der Mythen. Hier geht es weit über das Wirtschaftliche hinaus. Wir unterscheiden dabei je nach Gegenstand drei Typen von Mythen, die seit den frühen 1990er-Jahren entstanden sind: Mythen über das Leben und den Staat in der DDR; Mythen über die friedliche Revolution, die nachfolgende wirtschaftliche Transformation sowie die politische Vereinigung; und schließlich Mythen, die über die aktuellen ge­­ sellschaftlichen Verhältnisse im wiedervereinigten Deutschland in jüngster Zeit Konjunktur haben. Jede Seite stellt dabei ihre eigenen Fragen. Die der Ostdeutschen lauten: Wer beherrscht den Osten? Wem gehört der Osten? Was hat die Treuhandanstalt angerichtet? Wird unsere Lebensleistung an­­ erkannt? Sind wir Bürger zweiter Klasse? Und im Westen wird gefragt: Hängt der Osten an reaktionären Werten wie Heimat, Volk und Vaterland? Und gefährdet er dadurch sogar die Stabilität unserer Demokratie? Wir zeigen, dass diese Mythen tatsächlich Mythen sind – und nicht die Wahrheit. Entweder sind sie sachlich falsch, oder sie verzerren bzw. dramatisieren die Realität in einer Weise, die es erlaubt, Sündenböcke aus der Zeit nach dem Mauerfall von 1989 zu identifizieren, die einen als bedauerlich empfundenen Zustand zu verantworten haben. Dieser Zustand ist fast immer das Ergebnis dessen, was man als «Schicksal» bezeichnen könnte – ein Schicksal, das sich wiederum nur aus der gesamten Geschichte seit Beginn der deutschen Teilung kurz nach dem Zweiten Weltkrieg erklären lässt. Dieses Schicksal war alles andere als fair und gerecht, denn es erlaubte dem Westen eine Entwicklung, die dem Osten verschlossen blieb und in den letzten 30 Jahren keineswegs einfach nachzuholen war. Eine Verkürzung der Kausalität auf die Zeit seit 1989 ist deshalb grob irreführend und unangemessen. Im abschließenden Kapitel 4 vertiefen wir diesen wichtigen Aspekt der Missverständnisse zwischen Ost und West. Wir sehen darin den Schlüssel, um die Geschichte der deutschen Teilung und Wiedervereinigung besser zu verstehen. Erst wenn es gelingt, die «wahre» Entwicklung von Ost und West als jenes Schicksal zu akzeptieren, das die europäische Geschichte für Deutschland bereithielt, besteht eine Chance, die Zeit der Schuldzuweisun15


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1  Zur Einleitung: Fakten und Mythen

gen hinter sich zu lassen. Erst dann wird das Bild vom Opfer des Ostens und vom Täter im Westen verblassen; und genauso das Bild von der Rückständigkeit des Ostens und der Fortschrittlichkeit des Westens. Kann das gelingen? Wir sind moderat optimistisch: Demoskopische Trends sprechen dafür, dass sich noch vorhandene Spaltungen mit der Zeit Schritt für Schritt schließen; demografische Trends unterstützen dies, weil für die nächste Generation junger Ost- und Westdeutscher die deutsche Wiedervereinigung doch immer mehr zum Teil längst vergangener Geschichte wird. Und auch die wirtschaftliche Entwicklung kann helfen, die Spaltung zu verringern, wenn die richtigen Weichen gestellt werden. Soweit zum Inhalt dieses Buchs. An dieser Stelle müssen wir noch eine Frage ergänzend beantworten: Was meinen wir mit «Wahrheit»? Wenn heute über die Deutsche Einheit diskutiert und gestritten wird, taucht oft ein Gegensatz auf, der die Autoren dieses Werks sehr beschäftigt und auch motiviert hat, dieses Buch zu schrei­ben. Es ist der Unterschied zwischen objektiver, tatsächlicher Wahrheit und subjektiver, gefühlter Wahrheit. Gelegentlich ist es den Autoren bei Podiumsdiskussionen passiert, dass ihnen entgegengehalten wurde, was sie da sagten, das sei durchaus wahr, aber es entspreche nicht dem, was die Menschen dächten und wahrnähmen. Freimütig bekennen die Autoren, dass dies so sein mag. Allerdings beharren sie auf der Bedeutung der objektiven Wahrheit für die Interpretation der Geschichte. Denn ohne diese können ganze Gesellschaften schnell auf die schiefe Bahn geraten. Die Dolchstoßlegende nach dem Ersten Weltkrieg ist ein herausragendes Beispiel dafür. Sie überlebte Jahrzehnte als Mythos in den Köpfen, und sie trug maßgeblich dazu bei, dass die Weimarer Republik als gelebte Demokratie scheiterte – mit allen verheerenden Folgen. Nun ist der ostdeutsche Opfermythos à la Köpping und Kowalczuk sicherlich weniger zerstörerisch als die damalige Dolchstoßlegende, zumal die heutige Berliner Republik unvergleichbar stabiler ist als die Weimarer Republik es jemals war. Gleichwohl steckt in diesem Mythos eine Menge Gift. Die Autoren des vorliegenden Buchs teilen die aufklärerische Überzeugung, dass es nur ein Mittel gibt, dieses Gift wirkungslos zu machen: die Wahrheit. Und zwar eben nicht die gefühlte, sondern die echte Wahrheit. Nun sind wir nicht so vermessen zu glauben, dass wir diese Wahrheit entdecken können. 16


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Das kann niemand. Aber immerhin können wir versuchen, ihr möglichst nahezukommen, um dann vernünftig weiterzudiskutieren. Das ist unser Ziel, nicht mehr und nicht weniger. Zum Schluss der Einleitung ein paar persönliche Bemerkungen zu uns selbst, den Autoren dieses Buchs. Karl-Heinz Paqué (63) ist Volkswirt und in Westdeutschland aufgewachsen. Seit 1996 ist er im Osten als Universitätsprofessor tätig und war einige Jahre dort auch politisch aktiv, unter anderem von 2002 bis 2006 als Landesfinanzminister von Sachsen-Anhalt für die FDP (Freie Demokratische Partei). Er ist kein Zeitzeuge der frühen Jahre der Deutschen Einheit, aber ein langjähriger Beobachter der Entwicklung im Osten, wo er zu Hause ist und Wurzeln geschlagen hat, beruflich wie persönlich mit seiner Frau Sabine. Wirtschaft und Gesellschaft der Region sind zu einem seiner Lebensthemen geworden; und in bescheidenem Rahmen hat er bei deren Umgestaltung mitgewirkt, akademisch wie politisch. Richard Schröder (77) ist Philosoph und Theologe und in Ostdeutschland aufgewachsen. Dort war er in der DDR-Zeit als evangelischer Pfarrer und dann als Dozent für Philosophie an kirchlichen Institutionen tätig. Er ging 1989 in die Politik und war in der letzten – und einzig frei gewählten – DDR-Volkskammer Vorsitzender der Fraktion der SPD (Sozialdemokratische Partei Deutschlands). Danach wurde er Professor für Theologie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Er ist das, was man einen Zeitzeugen nennt: für die Zeit der DDR, der Wiedervereinigung und der drei Jahrzehnte danach. Er berichtet deshalb in Kapitel 3 gelegentlich in der Ichform. Beide Autoren verstehen sich im Übrigen als intellektuelle Individualisten mit bürgerlichen Werten. Ihre biografischen Wege und ihre fachlichen Schwerpunkte sind dabei sehr unterschiedlich – ebenso ihr Argumentationsstil und ihr Erzähltemperament. Wir haben in diesem Buch nicht versucht, diese Unterschiede zu verwischen, weil dies nur zulasten der Originalität des Inhalts und vielleicht auch der Freude am Lesen gegangen wäre. Ecken und Kanten gehören eben zu einer Streitschrift dazu. Lediglich die kurze Einleitung und das knappe abschließende Kapitel haben wir gemeinsam verfasst. Die beiden umfangreichen Kapitel dazwischen sind dagegen das Ergebnis getrennter Arbeit, aber intensiver gemeinsamer Diskussion: Der politische Ökonom Karl-Heinz Paqué verfasste das Kapitel 2 zu den «Fakten», der philosophische Theologe Richard Schröder das Kapitel 3 zu 17


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1  Zur Einleitung: Fakten und Mythen

den «Mythen». Gleichwohl sind wir uns natürlich einig, und zwar in praktisch allen Aussagen, die dieses Buch enthält. Das Buch ist zwar eine Streitschrift, aber wir streiten eben gemeinsam mit anderen – und nicht untereinander.

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2 Fakten

2.1 Das Erbe der DDR Im Anfang war die Planwirtschaft. Wer die ökonomische Seite der Deutschen Einheit ab 1990 verstehen will, muss sich zunächst mit dem beschäftigen, was die Planwirtschaft der DDR in den vier Jahrzehnten ihrer Existenz geschaffen und hinterlassen hat. Vor allem müssen die Entwicklung und der Zustand der DDR-Wirtschaft zu dem in Vergleich gesetzt werden, was sich im marktwirtschaftlichen Westen und im gleichfalls planwirtschaftlichen Osten Europas abspielte. Nur so lässt sich in etwa nachvollziehen, wie nach dem Mauerfall am 9. November 1989 das Erbe der DDR wirtschaftlich einzuschätzen ist. Machen wir also im Zeitraffer eine Reise zurück zu den Anfängen der DDR-Planwirtschaft in die späten 1940er-Jahre und fassen die dann folgende Entwicklung in einer Art Holzschnitt zusammen. Dies geschieht ohne den Blick auf Details, die längst historisch aufgearbeitet sind.12 Im Vordergrund stehen für uns allein die großen Wegmarken und Trends, soweit sie ihren Niederschlag in jener Volkswirtschaft hinterließen, die 1989/90 in die globale Marktwirtschaft zurückgeführt werden musste. Zunächst aber folgende Frage: Was ist überhaupt eine Planwirtschaft? Die Antwort lautet: eine Wirtschaftsordnung, in der die Lenkung der wirtschaftlichen Aktivitäten durch eine zentrale Planbehörde erfolgt – und eben nicht durch die Signale freier Marktpreise. Nach dieser groben Definition war die DDR-Wirtschaft tatsächlich spätestens seit dem faktischen Entstehen zweier deutscher Staaten im Jahr 1949 eine Planwirtschaft. Die Preise der Güter und Dienstleistungen wurden politisch festgelegt, die zu produzierenden Mengen im Voraus geplant und die Unternehmen grundsätzlich zur Einhaltung der Pläne verpflichtet. Um diese Verpflichtung durch Pläne in die Realität umzusetzen, be­­ durfte es natürlich einer zentralstaatlichen Kontrolle. Genau darin lag permanent ein riesiges Problem der Organisation. Zu dessen Lösung wurden 19


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2  Fakten

die Betriebe entweder verstaatlicht oder als private Unternehmen unter staatlicher Lenkung geführt. Der erste Weg, die Verstaatlichung, überwog von Beginn an in der Industrie. Die zweite Variante, die staatliche Lenkung nach wie vor privater Unternehmen, überlebte zunächst in der Landwirtschaft, in Handel, Handwerk und Dienstleistungen sowie in kleineren Industriebetrieben (mit bis zu 100 Beschäftigten). Im Lauf der DDR-Geschichte wurde allerdings die zumindest faktische Übernahme durch den Staat das dominierende Modell, weil sich die Kontrolle eigenständiger, oft renitenter privater Eigentümer als sehr schwierig erwies. Es kam deshalb zu mehreren sukzessiven Wellen der Verstaatlichung, deren letzte 1972 die verbliebenen Industrie- und größere Handwerksbetriebe (ab zehn Beschäftigte) betraf.13 Spätestens zu diesem Zeitpunkt wurde die DDR-Planwirtschaft zu einer Zentralverwaltungswirtschaft, in der alle wesentlichen Sektoren in staatlicher Hand lagen. Soweit zum Rahmen der DDR-Wirtschaft in den rund vier Jahrzehnten ihrer Existenz. Bevor wir über die Leistungen dieser Wirtschaft Bilanz ziehen, ist eine Vorbemerkung nötig. Sie betrifft die östlichen Nachbarländer in Mitteleuropa, die gleichfalls unter sowjetischer Führung zum sozialistischen Ostblock gehörten. Ihnen wurde von moskautreuen nationalen kommunistischen Parteien eine im Kern ganz ähnlich funktionierende Planwirtschaft oktroyiert. Zwar gab es graduelle Unterschiede, zum Beispiel im Ausmaß und in der Art der Verstaatlichung zwischen den «Modellen» von DDR und Polen, Tschechoslowakei und Ungarn sowie Rumänien, Bulgarien und der Sowjetunion, aber im Wesentlichen handelte es sich überall um Planwirtschaften mit durchgreifender staatlicher Kontrolle. Hinzu kam, dass die Länder Teil einer umfassenden planwirtschaftlichen Arbeitsteilung innerhalb des östlichen Europas waren, die mit der 1949 erfolgten Gründung des Rats für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) von der Sowjetunion politisch und wirtschaftlich dominiert wurde. Besondere Bedeutung hatte dies für die Währungen, die – technisch formuliert – gegenüber dem Rest der Welt nicht konvertibel waren. Praktisch bedeutete dies, dass Güter aus dem marktwirtschaftlichen Rest der Welt, einschließlich des benachbarten Westeuropa, nicht am freien Weltmarkt mit eigener Währung gekauft werden konnten, was all diese Länder zu einer Existenz im isolierten «Ostblock der Planwirtschaft» verurteilte. Sie teilten also das gleiche Schicksal und begannen auch 20


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2.1  Das Erbe der DDR

etwa zur gleichen Zeit nach 1989/90 mit der Transformation ihrer Plan- in Marktwirtschaften. Sie sind (und bleiben!) deshalb überaus interessante Vergleichsländer zu Ostdeutschland.14 Zurück zur DDR: Was war die Bilanz ihrer Wirtschaftsleistungen? Wir unterscheiden im Folgenden – mit Mut zur nötigen Vereinfachung – zwischen positiven und negativen Ergebnissen, die sich innerhalb der vier Jahrzehnte zeigten und tatsächlich zur Zeit der Wende 1989/90 das wirtschaftliche Erbe der DDR darstellten. 2.1.1 Wachstum Das Wachstum der DDR-Wirtschaft war über vier Jahrzehnte ohne Zweifel positiv.15 Die volkswirtschaftliche Bruttowertschöpfung pro Einwohner – als Näherungsgröße für das Pro-Kopf-Einkommen16 – nahm laut DDR-Statistik in jedem Jahr von 1950 bis 1989 zu. In den frühen 1950er-Jahren des Wiederaufbaus lagen die Zuwachsraten sehr hoch im zweistelligen Bereich, gingen dann in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts deutlich zurück und erreichten im Jahr des Mauerbaus 1961 einen Tiefpunkt von unter 3 Prozent. Danach fluktuierte die Wachstumsrate im Wesentlichen zwischen 2 und 6 Prozent, in normalen Jahren zwischen 3 und 5 Prozent.17 Erst in der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre, also in den letzten Jahren der DDR, gab es nochmals einen mehrjährigen Trend nach unten. Rein rechnerisch bedeutete dies sogar, dass die Wertschöpfung der DDR pro Kopf im Trend schneller wuchs als in der Bundesrepublik und damit die Relation Ost- zu Westeinkommen pro Kopf von unter 40 Prozent 1950 recht kontinuierlich bis auf fast 55 Prozent in den späten 1980er-Jahren anstieg.18 Allerdings ist eine derartige Rechnung in hohem Maß fragwürdig, weil eine angemessene Bewertung der DDR-Wertschöpfung zu (Welt)Marktpreisen nicht möglich ist. Gleichwohl kann kein Zweifel darüber bestehen, dass sich der Lebensstandard in der DDR über die vier Jahrzehnte kontinuierlich verbesserte. Dies lässt sich auch aus Statistiken über die Ausstattung mit langlebigen Gebrauchsgütern wie Fernsehgerät, Kühlschrank und Waschmaschine in privaten Haushalten ablesen, die vor allem im Zeitraum von 1960 bis 1980 zunahm, sodass 1980 praktisch eine Vollversorgung gewährleistet war. Auch der Besitz von Automobilen ging in diesem Zeitraum deutlich nach oben: Fast 40 Prozent aller Haushalte hatte 1980 einen PKW zur Verfügung.19 Tat21


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2  Fakten

sächlich war die rein quantitative Ausstattung mit den üblichen Geräten des täglichen Gebrauchs in der DDR zwar schlechter als in der Bundesrepublik, aber der Unterschied fiel keineswegs dramatisch aus. Die Planwirtschaft war also im Ergebnis sehr wohl in der Lage, die Versorgungslage einigermaßen stabil zu halten und an wesentlichen Veränderungen der in Industrieländern üblichen technologischen Möglichkeiten rein quantitativ teilzuhaben. Das eigentliche wirtschaftliche Kernproblem lag auf der Seite der Qualität und Vielfalt der Produkte sowie auf deren schneller Verfügbarkeit. Dies war und blieb über die gesamte Zeit der DDR-Geschichte die zentrale Herausforderung für die Planungsbürokratie, an der sie immer wieder scheiterte – trotz wiederholter Anläufe zu Reformen. Mit Blick auf das Erbe der DDR 1989/90 ist es dabei nützlich, zwischen zwei Arten von Schwierigkeiten der Planwirtschaft zu unterscheiden: zwischen fehlender Effizienz und mangelnder Innovationskraft. 2.1.2 Fehlende Effizienz Was die fehlende Effizienz des Systems betrifft, so waren die Probleme ganz offensichtlich – und deshalb schon immer auch Gegenstand des manchmal bitteren Spotts der Menschen. Da auf die Signalwirkung der Marktpreise verzichtet wurde und auch die Verbindung zu den Weltmärkten durch die fehlende Konvertibilität der Währung durchgängig gekappt blieb, erwies sich die Planungsbürokratie als viel zu schwerfällig, die Knappheit der Güterversorgung im konkreten Fall zu orten und die Produktion entsprechend umzulenken. Hinzu kam phasenweise der Unwille, es überhaupt zu tun: Immer wieder wurde aus übergeordneten politischen Gesichtspunkten die Herstellung von Konsumgütern für die breite Masse der Menschen in der Priorität hintangestellt. Besondere Förderung erhielt dann die Produktion von Grundstoffen und Investitionsgütern, die keineswegs dem direkten Nutzen der Verbraucher, sondern nur der volkswirtschaftlichen Produktivkraft dienten – und dies auch bestenfalls langfristig und indirekt. Aufgrund der planerischen Willkür kam es dabei auch oft zu massiven Fehlinvestitionen, weil es an marktwirtschaftlichen Informationen über die Rentabilität der staatlichen Lenkung von Ressourcen weg vom Konsum fehlte. Ineffizienz gab es natürlich auch im Produktionsablauf selbst. Es fehlte häufig an den nötigen Vor- und Zwischenprodukten – wegen Schwächen in 22


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3.4  Heimat, Volk und Vaterland

verärgern. Das alles erscheint recht diffus. Dennoch bestehen unsere Nachbarn darauf, dass sie an uns und bei uns Üblichkeiten wahrnehmen, die sie als «typisch deutsch» bezeichnen. 3.4.4 Verbleibende Ost-West-Unterschiede Und was hat all dies nun mit Ost und West zu tun? Die erste Antwort mag überraschen: Herzlich wenig, wenn es um die Frage geht: Was ist deutsch? Umfragen des Instituts für Demoskopie Allensbach221 haben ergeben, dass die Frage «Gibt es einen deutschen Nationalcharakter?» von 57 Prozent der Deutschen bejaht und von 26 Prozent verneint wird. Bei den Anhängern der Linken und von Bündnis 90/Die Grünen ist die Zustimmung am niedrigsten (46 %), aber immer noch höher als die Ablehnung (36 bzw. 34 %). Markante Unterschiede zwischen Ost und West gibt es dabei nicht. «Deutsch sein hat auch mit Herkunft und Tradition zu tun», bejahen in Ost und West 49 Prozent. Die Feststellung «Deutsch sein hat nicht unbedingt etwas mit Herkunft und Tradition zu tun. Für mich sind alle diejenigen Deutsche, die den deutschen Pass besitzen, das Grundgesetz und unsere freiheitliche demokratische Ordnung akzeptieren und danach leben» – also die Position des reinen Verfassungspatriotismus – bejahen im Westen 40 Prozent, im Osten 34 Prozent, also jeweils die Minderheit. «Sollte für Ausländer, die hier leben, die deutsche Kultur Leitkultur sein?» bejahen in Deutschland 76 Prozent, 16 Prozent verneinen dies. Trotzdem gibt es auf diesem Feld markante Unterschiede. Die postnationale Position wird im Westen bis heute offenkundig weit stärker vertreten als im Osten. Robert Habeck, der heutige Co-Vorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, hat 2010 geschrieben: «Patriotismus, Vaterlandsliebe also, fand ich stets zum Kotzen. Ich wusste mit Deutschland nichts anzufangen und weiß es bis heute nicht.»222 Es wird schwer werden, eine vergleichbar dezidierte Absage von einem bekannten Ostdeutschen zu finden. Die allermeisten Ostdeutschen werden diese Aussage seltsam finden. Wenn jemand unmusikalisch ist, ist ihm das nicht vorzuwerfen. Sollte er aber behaupten, Musikfreunde seien zurückgeblieben, weil sie Musik mögen, wird er Widerspruch ernten. Der Zürcher Soziologe Gerhard Schmidtchen, der von 1990 bis 1992 auch in Leipzig lehrte, bemerkte 1999: «Der Westen betreibt Ostethnolo213


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3  Mythen

gie.»223 Man schreibt Reiseberichte über ein exotisches Land und liefert gern freihändige Erklärungen. Wenn in Hamburg ein Paar sein Kind verhungern lässt oder in Saarbrücken die Wirtin der Tosaklause sexuellen Kindsmissbrauch organisiert, ist die Öffentlichkeit zu Recht schockiert. Aber niemand kommt auf die Idee, zu diskutieren, ob das typisch für den Westen sei. Wenn aber bei Frankfurt (Oder) eine Frau neun ihrer Neugeborenen heimlich tötet und in Blumentöpfen auf dem Balkon bestattet – ein monströs singulärer Vorgang –, gibt es eine Diskussion, ob das typisch sei für den Osten und sich aus dortigen Verhältnissen erkläre. Der makaberste Beleg für Ostethnologie war der Fall Sebnitz im Jahr 2000. Ein irakisch-deutsches Apothekerehepaar aus dem Westen hatte in Sebnitz eine Apotheke eröffnet, aber die Sebnitzer gingen weiter zu den alteingesessenen Apotheken. Als ihr siebenjähriger Sohn 1997 beim Baden starb, wollte die Apothekerin die Diagnose «plötzlicher Herztod» nicht glauben. Über Jahre sammelte sie Aussagen von Kindern und kam zu dem Schluss, Neonazis hätten unter Anstiftung einer Apothekerstochter ihren Sohn vor 300 Zeugen im Stadtbad betäubt, geschlagen und ertränkt. Sie bot ihre Geschichte mehreren Zeitungen an, aber denen erschien sie nicht glaubwürdig. Im November 2000 jedoch brachte Bild die Meldung: «Viele hörten seine Hilferufe, keiner half.» Es kam zu drei Verhaftungen. Die meisten deutschen Medien meldeten darauf die Geschichte als Tatsache. Wenige Tage später stellte sich heraus, dass nichts davon stimmte. Einige Zeitungen entschuldigten sich bei ihren Lesern. Andere warnten vor Entwarnung. «Es hätte passieren können», titelte die taz. Man könnte das Inländerfeindlichkeit nennen: Denen im Osten ist einfach alles Schlechte zuzutrauen. Auch dass 300 Zeugen in einem Stadtbad einen öffentlichen Kindermord trotz der Hilferufe des Kinds geschehen lassen.224 Was sagt nun die Statistik? Tatsache ist, dass es im Osten zu mehr rassistischen Übergriffen, rechtsextremistisch motivierten Taten (worunter auch sogenannte Propagandadelikte zählen), rechtsextremistischer körperlicher Gewalt und Übergriffen auf Asylbewerber und Flüchtlinge als im Westen gekommen ist. Relativ zur Einwohnerzahl liegt die Zahl der Vorfälle ziemlich konstant über die Jahre dreimal höher.225 Wie erklärt sich das? Auch hier lohnt ein Blick in die Geschichte: Bereits in der DDR gab es eine rechtsextreme Skinheadszene. Zu Altnazis und zu westdeutschen Skinheads 214


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3.4  Heimat, Volk und Vaterland

hatten sie keine Verbindung, aber zu skandinavischen. Öfters handelte es sich um opponierende Kinder von SED-Funktionären, die genau wussten, womit sie ihre Eltern zur Rotglut bringen konnten. Es gab in der DDR auch eine Punkerszene. In der sahen Skinheads ihre passenden Opfer. Die Stasi unterhielt zwar eine eigene Abteilung für Skinheads und Neonazis, blieb aber lange zurückhaltend. Schließlich schlug sie zu und steckte einige ins Gefängnis. Aber 1990 kamen diese durch die allgemeine Amnestie frei und fühlten sich als Sieger. Da die bisherige Jugendbetreuung der SED durch die FDJ 1990 ersatzlos zusammenbrach, konnten sie das postrevolutionäre Orientierungschaos für sich nutzen. Dabei spielte auch die Umkehrlogik «Was die SED verboten hat, ist jetzt erlaubt» eine fatale Rolle. Im Prozess gegen Beate Zschäpe und den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) ist am Beispiel der rechtsextremen Mörder Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos eine extreme Version jener postrevolutionären Desorientierungen zur Darstellung gekommen. Dagegen sind die rechtsextremen Parteien im Osten exklusiv Westimporte. Sie haben auch immer mehr Mitglieder im Westen als im Osten gehabt – außer der NPD. Denn die hat ihr Zentrum vom Westen nach Sachsen verlegt. Sie war von 2004 bis 2014 im Sächsischen Landtag vertreten. Einige ihrer Abgeordneten und sämtliche Fraktionsmitarbeiter waren Westdeutsche. Aber klar ist: Die nötigen Stimmen bekamen sie in Sachsen. Die höhere Zahl ausländerfeindlicher Straftaten sagt für sich noch nichts über die Verbreitung ausländerfeindlicher Überzeugungen im Osten aus. Zunächst aber auch hier eine Erinnerung an die DDR. Es gab in der DDR sogenannte Vertragsarbeiter aus Mozambique, Vietnam, Kuba und anderen Ländern. Aber es gab nicht die Erfahrung mit dem Ausländer nebenan, weder im Wohnbezirk noch am Arbeitsplatz. Denn sie waren kaserniert und arbeiteten in geschlossenen Brigaden. Kontakte mit der einheimischen Bevölkerung waren unerwünscht. Wenn Frauen schwanger wurden, mussten sie umgehend in ihr Herkunftsland zurückkehren. Echte Zuwanderung begann erst 1990, und zwar sehr zögerlich. Das Erstaunen über Ausländerfeindlichkeit ohne Ausländer ist ein Denkfehler. Am meisten Angst macht das Unbekannte und Ungewohnte. Die meisten Menschen fürchten den Verlust gewohnter Normalität. Das Ausmaß der Ängstlichkeit auf diesem Gebiet hat etwas mit Bildung und mit persönlicher Souveränität zu tun. Die passende westliche Vergleichssitua215


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3  Mythen

tion wären die frühen 1960er-Jahre gewesen, als nach dem Wegfall der ostdeutschen Flüchtlinge aufgrund des Mauerbaus die Anwerbung ausländischer «Gastarbeiter» in Fahrt kam. Sie konnten sich damals noch nicht einer wohlwollenden Willkommenskultur erfreuen. Aus der Tatsache, dass ausländerfeindliche Akte im Osten relativ zum Bevölkerungsanteil dreimal häufiger vorkommen als im Westen, darf man nicht folgern, dass drei Viertel der Ostdeutschen oder auch gleich der ge­­ samte Osten negativ gegen Ausländer eingestellt sei. Befragungen haben nämlich dokumentiert, dass auch im Osten nur eine Minderheit ausländerfeindlich gesonnen ist. «Nimmt die Bundesregierung die Sorgen beim Thema Zuwanderung ernst?» Das verneinen im Osten 66 Prozent, im Westen zwar weniger als die Hälfte, aber immerhin 46 Prozent. «Welche Erfahrungen haben Sie mit Ausländern gemacht?» Sehr gute oder eher positive Erfahrungen haben im Westen 37,1, im Osten 37,3 Prozent gemacht – sogar etwas mehr als im Westen! Gar keine Erfahrungen haben im Westen 33,1 Prozent, im Osten aber 40,1 Prozent gemacht. Na, was lehrt uns das? Jedenfalls nicht, dass der Osten unbelehrbar ausländerfeindlich sei. «Wird Deutschland die Flüchtlingskrise bewältigen?» Das verneinen im Westen 32 Prozent und im Osten 45 Prozent. Man kann plausibel vermuten, dass diejenigen, die keine Erfahrung mit Ausländern gemacht haben, besonders oft befürchten, dass das nicht gut ausgehen werde.226

3.5 Gefährdet der Osten die Demokratie? Nach der Bundestagswahl von 2017 war von westlichen Kommentatoren zu hören, die Demokratie werde in Deutschland vom Osten aus in Gefahr gebracht. Grund war der Wahlerfolg der rechtspopulistischen AfD. Sie erreichte im Westen 10,7 und im Osten 21,9 Prozent, also fast genau doppelt so viele Prozentpunkte. Allerdings heißt dies auch, dass fast 80 Prozent der Ostdeutschen – und fast 90 Prozent der Westdeutschen – die AfD nicht gewählt haben, was das Gefälle etwas relativiert. Hinzu kommt, dass es bei dieser Wahl innerhalb der beiden Großräume West und Ost ein sehr deutliches Südost-Nordwest-Gefälle gab (Schaubild 34): Bayern und Baden-Württemberg wählten viel stärker die AfD als Schleswig-Holstein, Niedersachsen 216


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Schaubilderverzeichnis

Schaubild 1: Entwicklung der Industrie (1991–2019)  Schaubild 2: Jährliches Wachstum in der Industrie (1992–2019)  Schaubild 3: Arbeitsproduktivität im Osten (1991–2019)  Schaubild 4: Entwicklung der Landwirtschaft (1991–2019)  Schaubild 5: Bruttowertschöpfung des verarbeitenden Gewerbes (1991–2019)  Schaubild 6: Entwicklung der Bauwirtschaft (1991–2019)  Schaubild 7: Arbeitslosenquote (1950–2019)  Schaubild 8: Lohnentwicklung im Osten (1991–2019)  Schaubild 9: Produktionsniveau in der Gesamtwirtschaft (1991–2019)  Schaubild 10: Produktionsniveau in der Gesamtwirtschaft A (2004–2019)  Schaubild 11: Produktionsniveau in der Gesamtwirtschaft B (2004–2019)  Schaubild 12: Arbeitsproduktivität in der Gesamtwirtschaft (2019)  Schaubild 13: Binnenwanderungssaldo zwischen Ost und West (1991–2018)  Schaubild 14: Binnenwanderungssaldo zwischen dem früheren Bundesgebiet und den neuen Ländern (1991–2018)  Schaubild 15: Leistungsbilanz Ostdeutschlands (1991–2016)  Schaubild 16: Arbeitsproduktivität im verarbeitenden Gewerbe (2018)  Schaubild 17: Monatliche Bruttolöhne im verarbeitenden Gewerbe (2017)  Schaubild 18: Anteil der Industrie an der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung (2018)  Schaubild 19: Technologieindikatoren

59 60 61 63 64 65 66 68 69 70 71 72 74 75 76 78 79 81 82 277


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Schaubilderverzeichnis

Schaubild 20: F&E-Ausgaben der privaten Wirtschaft (2017)  83 Schaubild 21: F&E-Personal der privaten Wirtschaft (2017)  84 Schaubild 22: Personal nach Betriebsgrößenklassen im verarbeitenden Gewerbe (2019)  85 Schaubild 23: Personal in Großunternehmen der Länder (2019)  86 Schaubild 24: Börsennotierte Unternehmen nach Bundesländern  87 Schaubild 25: Exportquoten (1950–2019)  88 Schaubild 26: F&E-Ausgaben im internationalen Vergleich (2018)  89 Schaubild 27: Wachstum der ostdeutschen Großstädte (2010–2018)  95 Schaubild 28: Allgemeine regionale Lebenszufriedenheit (2019)  102 Schaubild 29: Umfrageergebnisse zur Wiedervereinigung (2019)  103 Schaubild 30: Umfrageergebnisse zur Zufriedenheit über die Angleichung zwischen Ost- und Westdeutschland (2019)  104 Schaubild 31: Umfrageergebnisse zur Arbeit der Treuhandanstalt (2019)  105 Schaubild 32: Bewertung der Treuhandanstalt, der wirtschaftlichen Entwicklung Ostdeutschlands und der Wieder­ vereinigung nach soziodemografischen Merkmalen (2017)  106 Schaubild 33: Durchschnittliche fernere Lebenserwartung im Alter von 65 Jahren in West- und Ostdeutschland (1957/58–2016/18)  142 Schaubild 34: Zweitstimmenanteil der AfD in der Bundestagswahl 2017  217 Schaubild 35: Umfrageergebnisse zur Präferenz für mehr direkte oder repräsentative Demokratie (2019)  231

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Register

A Abschottung  26, 30 Absolutismus  131, 196, 206 Abwanderung  23, 36–41, 47, 74 f., 92, 110, 139, 172, 177 f., 239 Acquis communautaire  252 Adenauer, Konrad  200 Alternative für Deutschland, AfD  9 f., 12 f., 94, 112 f., 216–223, 232 f. Altschulden  46, 176 Appenzell-Innerrhoden  230 Arbeitslosigkeit  27, 55 f., 65, 92, 109, 124 f., 140, 180 f., 187, 191, 237 – Arbeitslosengeld  57 – Arbeitslosenhilfe  57 – Arbeitslosenquote  36, 65–67, 92 – Langzeitarbeitslose  57 – Verdeckte Arbeitslosigkeit  125, 140 Arbeits- und Sozialministerium  58 Arbeitsmarkt  47, 66–69, 91–93, 105 f. Arbeitskräftemangel  93, 211 – Arbeitsnachfrage  91 – Erwerbstätige  59–63, 71, 73, 76, 80, 82, 84, 90, 92, 99 – Arbeitskräfteknappheit/ Fachkräfteknappheit  66, 91 f., 94 f. – Hartz-IV-Reformen  67 – Unterbeschäftigung  65, 67, 95 – Überbeschäftigung  140, 249 – Vollbeschäftigung  66, 91–93, 249 Arbeitsmarktpolitik  5, 56 Arbeitsproduktivität  60 f., 63, 71 f., 78–80, 92, 185, 249

Ardenne, Manfred von  162 Arendt, Hannah  136 Aristoteles  222 f. Arndt, Ernst Moritz  197 f. Asylbewerber  214 Auschwitz  206 Auschwitzprozesse  127, 130 Ausländerfeindlichkeit  10 f., 186–88, 215 Ausländerhass  11, 187 Auslandsverschuldung  28 B Babyboom(er)  91, 259 Baden-Württemberg  24, 72 f., 83–91, 95, 216 Ballhausschwur  196 Baron de Montesquieu, Charles de Secondat  222 BASF  174 Bauer, Fritz  127, 130 f., 135 Bauboom  55, 67, 75, 176 Bauwirtschaft  64 f. Bayer Leverkusen  86 Bayerischer Wald  73 Bayern  24, 72 f., 83–91, 197, 216 Beer, Angelika  257 Belgien  148 Berlin  17, 25, 49, 59–89, 95 f., 100, 102, 104, 110, 122, 142, 145, 155, 166, 176, 187, 225, 236, 240, 243, 246, 248, 254 Betriebsgrößenklasse  85, 90

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Register Binnenwanderung  74–76 Binnenwirtschaft  97 Bitterfeld-Wolfen  50, 86, 256 Blockparteien  120, 153, 162 Blühende Landschaften  56, 237 Böckenförde, Ernst-Wolfgang  127 Bodenreform  124 Börsennotierte Unternehmen  87 f. – DAX  87 f. – MDAX  87 f. – SDAX  87 f. Bohley, Bärbel  151 Bombardier  174 Bonaparte, Napoleon  196 Boston Consultiung  45 Brandenburg  10, 25, 69–76, 83–87, 102, 145 f., 173, 187, 225, 230, 236, 240 Brandt, Willy  157, 164, 200 f., 252 Braun, Volker  159 Braunkohlebergbau/ -förderung  28, 52, 256 Brecht, Bertolt  212, 258 Bremen  72, 83 f., 86 f. Breschnew, Leonid Iljitsch  121, 156 Breuel, Birgit  45 Brexit  219, 227, 229, 241 Brüssel  40, 159, 232 Bruttowertschöpfung  21, 59–65, 69–72, 77–84 Bulgarien  20, 193 Buna  29 Bund Freier Demokraten, BFD  163 Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben, BvS  43 Bundesarchiv  183 Bundesfinanzministerium  45, 182 f. Bundesländer  13, 72, 78–88, 103, 111, 128, 145, 169, 187, 219, 230 f., 249

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Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz  257 Bündnis 90  153, 158, 185 Bündnis 90/Die Grünen  126, 213 Bürger zweiter Klasse  12, 15, 112, 192 C Carl-Zeiss-Werke  25 Chemie- und Grundstoffindustrie  50, 70, 72, 256 Chemnitz  95, 240 Chirac, Jacques  226 f. Christlich Demokratische Union Deutschlands, CDU  37, 45, 53, 120, 125, 161–63, 195, 219, 233, 254 f. Chruschtschow, Nikita Sergejewitsch  134, 250 Coronakrise, -virus  13, 66, 240, 249 Cottbus  95, 240 D D-Mark  30, 36, 38 f., 42–44, 50, 57, 142 f., 147, 152, 176, 178, 180 f., 186 DDR  5 f., 9–58, 103–47, 151–207, 212–21, 237 f., 240, 245 f., 250– 74 – Bildungswesen  123 – DDR-Bürger  39, 42, 45, 57, 103, 109, 114, 116, 119, 124, 127–30, 138, 141 f., 152, 157, 159, 164, 177, 193, 202–04, 238, 253, 256 – DDR-Justiz  129 – DDR-Verfassung  129 – DDR-Witz  115–17, 119, 228, 202 f. – Volkseigentum  41, 121, 161, 177 – Volkskammer  17, 36, 38, 41, 115, 129, 145, 153, 158, 160, 161–63, 167 f., 195, 218


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– Volkskammerwahlen  38, 153, 158, 161, 163, 168  de Maizière, Lothar  37 f., 42 f., 154, 162 f. Deindustrialisierung  59, 81 f., 241 Demke, Christoph  159 Demografische Entwicklung  16, 36, 78, 94, 97, 236 – Schrumpfung  94 – Alterung  94 Demokratie  10, 13–16, 113 f., 131–34, 163 f., 168, 195, 199, 203, 205, 207, 216–33, 252, 258 – Direkte Demokratie  221, 224 f., 228, 230 f., 233 – Gewaltenteilung  126, 132 f., 135, 161, 222–24 – Grundrechtsdemokratie  223 – Konsens- und Verhandlungs­ demokratie  231 – Mehrheitsdemokratie  222 f. – Mehrheitsprinzip  132, 223 – Parlamentarische Demokratie  153, 158, 161, 163, 168, 218, 228, 232, 251 – Rechtsstaatlichkeit  131 f., 153 – Repräsentative Demokratie  224, 227, 229, 231, 233 Demokratie Jetzt  42, 157 Deutsche Einheit  9–19, 24, 32 f., 37, 40 f., 47, 53, 55–57, 62, 67, 74, 78 f., 90 f., 98, 100–12, 137, 147– 54, 157–59, 164–68, 171 f., 181, 183, 194, 218, 233, 235 f., 238–44, 248, 251, 253, 259 – Wirtschafts- und Währungsunion  37 f., 56 – Sozialunion  38 – Einigungsvertrag  37, 145 f., 177, 190

– Zwei-plus-Vier-Abkommen  37 – Zehn-Punkte-Programm  37, 160 Deutsche Forumpartei, DFP  163 Deutsche Gesellschaft e. V.  243 Deutsch-Koreanisches Konsultations­ gremium für Vereinigungs­ fragen  243 Deutsche Staatsbürgerschaft  199, 204, 211 Deutsche Teilung  10, 15, 24, 83, 97, 111, 193, 200, 240 f., 246 Deutscher Bundestag  37 Devisenknappheit  30, 41, 141 Die Linke  12 f., 126 Diktatur  114–16, 123 f., 126, 134 f., 139, 145, 149, 151, 153, 155, 158, 163–67, 170, 192, 195, 222, 258 Diktatur des Proletariats  114 f., 134, 222 Diktatur des Wohlfahrtsausschusses  131, 156, 223 Dimitrow, Georgi  200 Diskriminierende Benachteiligung  123, 193 Ditfurth, Jutta  257 Dolchstoßlegende  13 f., 16 Dresden  9, 29, 95 f., 112, 155, 159, 162, 219, 240 Duale Berufsausbildung  94 E Effizienz  22, 24, 31 f., 50, 62, 155, 237 Eingabe, Eingabewesen  117, 125, 169 Einigungsprozess  11, 145, 150, 183, 188, 193 f., 239 Einigungsschock  182, 187–89 Einkommen  21, 29, 67, 73, 105, 193, 246 Eiserner Vorhang  41, 79, 148, 235

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Register Elite  12, 54, 56, 153, 169–73 Endogene Wachstumstheorie  33, 247 Erfurt  95 f., 164, 201, 240 Erhard, Ludwig  56 Erster Weltkrieg  13 f., 16, 235 Erwerbslosigkeit  24, 36 Erzgebirge  73 Europäische Gemeinschaft, EG  40, 158 f., 168 Europäische Union  78, 168, 232, 252 Exportfähigkeit  89 Exportnation  90 Exportquoten  88–90 F Februarrevolution  156 Freie Demokratische Partei, FDP  17, 37, 53, 161, 219, 254 Flächentarifvertrag  47 Flüchtlinge  121, 139, 187, 199, 214, 216, 245 Flüchtlingsheime  9, 187 Flurschaden  29 f., 109, 137 Fontane, Theodor  191 Forsa  103 Forschung und Entwicklung, F&E  30, 33, 84, 87, 90, 97 f. – Exzellenz  98 – F&E-Ausgaben  82 f., 85, 89 – F&E-Personal  82, 84 f. – Förderpolitik  97–99 – Grundlagenforschung  98 – Hochtechnologie  96, 241 – Start-up-, Günderkultur  96, 110 Forschungsgruppe Wahlen  103 Frankreich  131, 140, 198, 200, 226, 241 Französische Revolution  156, 196 f., 223 f.

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Frauenwahlrecht  226, 259 Freie Deutsche Jugend, FDJ  122 Freihandel  40 Fridays for Future  13 Friedensvertrag  199, 206 Friedliche Revolution  15, 156 Friedrich der Große  202 Friedrich-Naumann-Stiftung für die ­Freiheit  243 Front National  241 Frühverrentung  57, 66 Für unser Land  159, 161 f., 179, 202 G Gauland, Alexander  206, 219 f. Generationenvertrag  57 Genscher, Hans-Dietrich  37, 108 Gerlach, Manfred  163 Gesellschaft für Deutschland­ forschung  243 Gesellschaftsvertrag  223 Gewerbe, verarbeitendes (Industrie)  12, 20, 24–31, 35 f., 41–44, 47–65, 68, 70, 72 f., 78–86, 91–99, 142 f., 161, 236, 246, 249, Gewerkschaften  40, 47, 67, 126, 129 Glasnost  152 Globalisierung  97, 240–42 Glorious revolution  131 Goethe, Johann Wolfgang von  150, 197, 205 Goodhart, David  241 Gorbatschow, Michail Sergejewitsch  41, 43, 152, 156 f., 167, 250 f. Greenfield investments  55 Großbritannien  29, 131, 148, 198, 227, 229, 241 Großdubrau  184, 188, 190, 255 Großunternehmen  86–88


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Gründerkultur siehe Forschung und ­Entwicklung Grundgesetz  145 f., 167, 172, 199, 204, 209, 211, 213, 219 f. Gulag  131, 134 Gutehoffnungshütte, GHH  45 H Habeck, Robert  213 Halle (Saale)  95, 179, 209, 240 Halloren  49 Hamburg  72, 83 f., 86–88, 102, 121, 166, 214, 257 Hayek, Friedrich  259 Heiliges Römisches Reich  196 f. Heine, Heinrich  197, 206 f. Herbst 1989  9, 123, 125, 129, 145, 154, 156–58, 161, 221 Herbstrevolution  112, 126, 149, 151 f., 155, 157 f., 166, 171, 189, 219, 221 Herodot  222 Hessen  24, 72, 83–88, 92, 102, 166, 197 Heuer, Uwe-Jens  125 Heym, Stefan  159 Hildebrandt, Regine  146 Hilsberg, Stephan  252 Hitler, Adolf  206, 228, 235 Höcke, Björn  220 Hoesch  44 Honecker, Erich E. P.  27 f., 33, 52, 118, 125, 139, 152 f., 155, 161, 164–66, 171, 174, 177 Honecker, Margot  115 Huber, Ellis  146 Humboldt-Universität zu Berlin  17, 122 Hyperinflation  26

I IKEA  29 f., 246 Immobilienpreise  68 Industrienation  26, 97 f., 241 f. Informationsgesellschaft  236 Informationstechnologie  28 Infratest dimap  103, 106, 164, 192, 250 Inneffizienz  22–24, 30 f., 34, 58, 83, 236, 259 Innovationskraft  22, 24 f., 28 f., 31 f., 53, 58, 62, 82–90, 109, 236–38 Innovationslücke  89, 108 Institut für Demoskopie Allensbach  102, 213, 231 f. Institut für Zeitgeschichte München-Berlin, IfZ  49 Internationaler Währungsfonds, IWF  34 Investitionsschwäche  33, 53 Ipsos  102 Italien  147 f., 195, 198, 200 J Jauer, Joachim  157 Jena  15, 95, 186, 240 Jugoslawien  80, 148 Junge Gemeinde, JG  133 K Kalibergbau  32, 52 – Bischofferode  52 – Zielitz  52 Kalifornien  230 Kalter Krieg  199, 206, 235 Kanada  148 Kant, Immanuel  136, 222 f. Kapitalismus  26–28, 56, 58, 117, 124, 138, 149, 155, 160, 200, 237, 258 Karl-Hofer-Preis  251 Kartell  53

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Register Kassenärztliche Vereinigung, KV  146 Kaufhof AG  45 Kershaw, Ian  235, 238, 248 Kinderbetreuung  137, 140 f., 190 Klassenfeind  115, 133, 135 f., 194 Klassenkampf  133–35, 194 Klein, Dieter  159 Kohl, Helmut  37, 56, 108, 159 f., 179 f., 237 Kommunistische Partei der Sowjetunion, KPdSU  134, 152, 250 Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, KSZE  165, 201 Konkordanzprinzip  232 Kontrollratsbeschluss  133 Kopenhagener Kriterien  252 Köpping, Petra  10 f., 13 f., 16, 172–75, 183–90, 218 f., 221, 245, 254–56 Köppl, Bernd  146 Kowalczuk, Ilko-Sascha  11–13, 16, 168 f., 172 f., 175, 189–91 KPMG  45 Krenz, Egon  33, 152, 154, 156, 160, 162 f. Kriminalität, Kriminalitätsstatistik  124, 128 143, 168, 191 Krusche, Günter  159 Kurzarbeit  57 L Lafontaine, Oskar  39, 204, 207 Landwirtschaft  20, 31 f., 51 f., 62 f., 72, 85, 120 Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft, LPG  52, 114 f., 120 f., 190 Learning by Doing  149 Lebensglück, Lebenszufriedenheit  101 f.

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Lebensleistung  11, 15, 57, 112, 127, 183, 186, 189, 192, 238 Leibniz-Zentrum für Zeithistorische ­Forschung Potsdam, ZZF  248 Leipzig  9, 12, 73, 95, 150, 152, 156, 165, 169, 172, 195, 213, 240 Leistungsbilanz  76 ff. Lennings, Manfred  45 Leuna  29 Leuna-Merseburg  50 Liberal-Demokratische Partei Deutschlands, LDPD  161, 163 Lohnentwicklung  67 f. – Bruttolöhne und -gehälter  79 f. – Industrielöhne  79 – Lohnniveau  47, 68, 80, 110 – Lohndumping  30 – Lohnsubvention  55 – Ost-West-Lohnkonvergenz  69 – Ludewig, Johannes  238 Luther, Martin  202 Luther, Michael  125 M Madison, James  224 Magdeburg  95 f., 240, 243 Management-Buy-in, MBI  174 Management-Buy-out, MBO  46, 174, 176 Margarethenhütte  184–86 Marktwirtschaft  13, 19–26, 28, 31 f., 34, 38–45, 51, 56, 58, 78, 92, 105 f., 109, 118, 140, 158, 161f., 172, 180 Marshallplan  25 Marx, Karl  223 Marxismus-Leninismus, marxistisch-­ leninistisch  114 f., 118, 129, 133, 135, 155, 181, 190, 222 ff. Massenmigration  10


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Mauerbau  21, 23, 36, 137, 193, 216 Mauerfall, Fall der Mauer  14 f., 19, 32 f., 35, 39, 49, 58, 74, 112, 138, 157, 164 ff., 238 Maueröffnung  25, 36, 41, 152, 157, 159 f., 164 ff., 179, 181, 184, 236, 240 Maynard, John  191 McKinsey  45 Mecklenburg-Vorpommern  69–79, 75, 83–87, 102, 126 f., 218 Medizinische Versorgungszentren, MVZ  146 Mehrparteienregierung  37 Merkel, Angela  188 Migrationspolitik  188, 221 Mikroelektronik  28 Mitteldeutschland  96 f. – Mitteldeutscher Wirtschaftsraum  96 – Förderpolitik  97 ff. – Wirtschaftsförderung  97 Mittel- und Osteuropa  14, 20, 25 ff., 31, 39 ff., 43, 49, 58, 79–83, 90, 96, 180, 236, 239, 241, 248 f., 259 Mobilität, interindustrielle und inter­ sektorale  92 Modrow, Hans  36 f., 41, 161, 175, 179 Monarchien  131, 170 Montagsdemonstration  9, 39, 150, 152, 165 f., 169, 194 f. Murray, Charles  241 Mussolini, Benito Amilcare Andrea  200 N Napoleonische Kriege  235 Nationaldemokratische Partei Deutschlands, NPD  215, 220 Nationalismus  10, 197, 207 f., 211, 239

Nationalsozialismus  25, 114, 131, 200, 250 Nationalsozialistischer Untergrund, NSU  215 Nationalstaat  197, 202–05, 207 Nazizeit  9 f., 199, 207, 220 Neoliberalismus  47, 56–58, 247 f. Neue Bundesländer  82, 103, 111, 169, 219 Neues Forum  163 Niederlande  131, 147 Niedersachsen  24, 45, 72, 83–87, 102, 216, 230 Nikolaikirche, Leipzig  152 Nordhäuser Doppelkorn  49 Nordrhein-Westfalen  24, 72, 83 f., 86 ff., 218, 230 Nürnberger Rassengesetze  131 O Oberschule  122 f. Odewald, Jens  45 Offshoring  97 Oktoberrevolution  155, 236 Opel  50 Opfermythos  13 ff., 179 Ostblock  20 Österreich  150, 152, 164, 197, 199 Ostmark  30, 36, 38 f., 120, 142 f., 147, 184, 193 Otto-von-Guericke-Universität ­Magdeburg  243 Outsourcing  97 P Partei des Demokratischen Sozialismus, PDS  125, 158, 170, 190 Patentanmeldungen  82, 85

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Register Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes, PEGIDA  9, 112 f., 187 f., 219–23, 230 Perestroika  152 Petry, Frauke  219 Pflugbeil, Sebastian  160 Phrynichos  222 f. Planwirtschaft  14, 19–34, 53, 58, 78, 80, 83, 90, 105, 109, 120, 139, 145, 149, 151, 158, 161 f., 167, 177 ff., 192, 236 f. Platz des Himmlischen Friedens, Peking  156 Plebiszit  205, 229 ff., 258 Polen  20, 34, 78–81, 89 f., 95, 168, 179, 188, 203, 210, 218, 237 Poliklinik  141, 146 f. Politikverdrossenheit  230 Popper, Karl  259 Poppe, Ulrike  159 f. Populismus  216, 241 f. Potsdam  95, 199, 240, 243 Pötzl, Norbert  176 Prag  152, 157, 168 Privatisierung  14, 38, 41–62, 70, 80, 83, 168, 174 f., 179, 185 Produktionsniveau  69 ff. Q Quelle, Versandhaus  29 f., 246 R Radbruch, Gustav  130 f. Radeberger Pils  49 Ramelow, Bodo  126 f., 130 f. Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe, RGW  20, 29, 41 Rau, Johannes  183 Reallohn  68, 91

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Rechtsextremismus, rechtsextrem  9, 113 ff., 220 f. Rechtspopulismus siehe Populismus  Rechtsstaat, Rechtsstaatlichkeit  128, 131 ff., 137, 153, 169 f., 223 Reckwitz, Andreas  241 Reindustrialisierung  61 Reinhold, Otto  202, 205 Remerprozess  130 Renan, Ernest  205 Rentenanspruch, -ansprüche  57, 191 Reparationsleistungen  25 Republikflucht  119, 122 Reshoring  97 Rhein-Main-Gebiet  95 Rhein-Ruhr-Gebiet  95 Rheinland-Pfalz  24, 72, 83 f., 86 f., 102 Ritter, Gerhard A.  58 Robespierre, Maximilien de  223 Rohwedder, Detlef Carsten  42, 44, 182, 244 Rohwedder, Hergard  182, 244 Roland Berger  45, 176 Rote Armee  251 Roth, Claudia  257 Rotkäppchen, Sektkellerei  49 f., 174 Rousseau, Jean-Jacques  223 f. Ruhr-Universität Bochum  106 Rumänien  20 S Saarland  72 f., 83 f., 86 ff., 102 Sachsen  25, 69–75, 83–87, 102, 145, 166, 197, 215, 218 ff., 236, 240 Sachsen-Anhalt  17, 25, 52, 69–75, 83–87, 102, 236, 240 Schabowski, Günter  152 Schäuble, Wolfgang  11, 183


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Scheel, Walter  200 Scheider, Peter  206 Schewardnadse, Eduard  167 Schicksalsgemeinschaft  204 f., 239 Schiffbau  85 Schiller, Friedrich  197 Schleswig-Holstein  24, 72, 83–87, 102, 166, 216 Schloss Bellevue  183 ­Schmidt, Helmut  44, 121, 164 ­Schmidt, Ulla  146 Schmidtchen, Gerhard  213 Schneider, Jürgen  254 Schocktherapie  40, 248 Schorlemmer, Friedrich  160 Schroeder, Klaus  177 Schürer, Paul Gerhard  33 f., 160 f. Schürerbericht  32–35 Schwan, Gesine  126 f. Schwanitz, Wolfgang  160 Schwarzmarkt  30, 36, 120 f. Schweiz  93, 113, 147, 164, 184, 226, 230 ff. Schwesig, Manuela  127 Sellering, Erwin  126 Sendler, Horst  137 Siemens  122, 172, 174 Silicon Valley  28 Sindermann, Horst  115, 162 Slowakei  78–81, 89 f. Slowenien  78–81, 89 f. Solidarnóc´  168 Solidarpakt  53 Sowjetische Besatzungszone  130, 133, 163, 199 Sowjetunion  20, 25, 28, 41, 43, 124, 130, 134, 148, 151, 156, 165 f., 193, 200 f., 236

Sozialdemokratische Partei Deutschlands, SPD  17, 44, 126, 146, 154, 161, 163, 233 Soziale Marktwirtschaft siehe Markt­ wirtschaft Sozialismus  109, 114, 117 f., 133, 135 f., 149, 155 f., 161, 189, 200, 202, 205, 237, 250, 258 f. Sozialistische Einheitspartei Deutschlands, SED  27, 42, 112, 115, 119–30, 133–38, 142 f., 150–67, 170–73, 189, 200–04, 215 – Politbüro  128, 150, 152 f., 156, 166 – Propaganda  124 – SED-Regime  112, 137, 143, 155 – SED-Willkür  126 – Zentralkomitee, ZK  27, 33, 150, 153, 160, 202 Sozialpolitik  28, 93 Sozioökonomisches Panel, SOEP  102 Spanien  131, 148 Staatliche Plankommission  33 Staatliches Investitionsprogramm  53 Staatskapitalismus  25 Staatsmonopolstruktur  53 Staatssicherheit, Stasi  116, 121 ff., 127, 129, 135, 145, 153, 160, 163, 170, 173, 181, 189 f., 215 Staatsterrorismus  131, 134 Stalin, Josef  124, 128, 131, 133–36 Standortpolitik  92 f. Standortwettbewerb  92 f. Stasi-Unterlagen-Gesetz, StUG  145 Sternberger, Dolf  203 Steuerdeckungsquoten  249 Strukturschwäche  73, 92 f., 97, 241 Strukturwandel  27, 50, 57, 236 Südkorea  243

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Register T Technologieindikatoren  82 Thüringen  52, 69–75, 83–88, 102, 126 f., 166 Tito, Josip Broz  80 Tourismus  72, 85 Trabant  29, 41, 50, 128, 180, 193, 240 Transferrubel  30, 41 Transformation  15, 21, 31, 34, 40, 43, 58, 71, 78, 105–08, 112, 138, 147– 67, 183, 194, 237 f., 248 Treuarbeit  45 Treuhandanstalt, Treuhand 11–15, 38, 41–53, 56 f., 105–09, 112, 174–88, 243 f. – Bad Bank der Deutschen Einheit  108 – Bruttoverkaufserlös  44 – Erblastentilgungsfonds  44 – Leitungsausschuss  45 ff. – Privatisierung  14, 38, 41–53, 56–62, 174 f., 179, 185 – Subvention  44 ff., 55, 60, 143 – Sündenbock  106, 109, 182 – Treuhandakten  183 – Volkseigene Betriebe  41, 43 f., 118, 140 Tridelta AG  185 f. Troika  227 Trump, Donald  241 Tschechien  78–81, 89 f., 188, 237 Tschechoslowakei, CSSR  20, 124 Tsipras, Alexis  227 U Ulbricht, Walter  27 f., 164 f., 177 Ullmann, Wolfgang  42, 157 Ungarn  20, 78–81, 89 f., 152, 157, 168, 188

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Unrechtsstaat  125–37 Untersuchungsausschuss  12 f. Urbane Ballungsräume, Zentren  68, 88, 94 f. V VEB Keramische Werke Hermsdorf  185 VEB- Kombinat SERO  147 Vereinigte Staaten, USA  203 f., 213 Vereinte Nationen, UNO  143 Verfassungspatriotismus  203 Verlängerte Werkbank  83 Verstaatlichung  20 Viermächteabkommen  166 Vogel, Hans-Jochen  252 Volk  9, 15, 112 f., 115, 129 f., 165, 171, 194–215, 221–32 – Das verfasste Volk  195 – Das bestimmte Volk  195 – unverfasste Volksmasse  195 Volkskammer siehe DDR  Volkssouveränität  132, 196, 207, 223 f., 131 Volkswagen, VW  50, 180, 195 Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder, VGRdL  59 ff., 63 ff., 68–85, 88 W Wachstumspol  95 f. Währungsreform  40, 56 – Umtauschkurs, Umstellungskurs  36, 40 – Konvertibilität der Währung/­ Währungskonvertibilität  22 f., 31, 38, 158 Wahrheitskommission  11, 183, 186 Warschau  152, 157 Washington Consensus  248


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Wartburg  29, 50, 240 Weiß, Konrad  160 Weizsäcker, Richard von  164 Weltfinanzkrise  60 f., 63, 65, 108 Weltwirtschaftskrise  26 Wertschöpfungsketten  97, 249 West-Ost-Mietgefälle  68 Wettbewerbsfähigkeit  30, 32, 35, 51, 67, 82 Wiederaufbau  21, 25 Wiedervereinigung siehe Deutsche ­Einheit  Wiener Kongress  235 Willkommenskultur  9, 93, 112, 216, 219 Winkler, H. A.  198

Wir sind das Volk – und keine ­Rowdies!  129, 195, 221 Wir sind das Volk  9, 112, 194 f., 221 ff. Wirtschaftspolitik  27, 47, 56, 115 Wohnungsknappheit, Wohnraum­ mangel  139 Wolf, Christa  159 Z Zentraler Runder Tisch  157, 218 Zoll- und Handelspolitik  40 Zürich  231 Zuwanderung  9, 76, 93 f., 99, 112, 215 f. Zwangskollektivierung  124 Zweiter Weltkrieg  15, 25 f., 165 ff. Zwickau  50

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Karl-Heinz Paqué (*1956), Prof. Dr. Dr. h. c., studierte Volkswirtschaftslehre in Saarbrücken, Kiel und Vancouver. Seit 1996 Professor für Interna­tionale Wirtschaft an der Otto-von-GuerickeUniversität Magdeburg. 2002–2006 Finanzminister des Landes Sachsen-Anhalt. Seit 2018 Vorstandsvorsitzender der Friedrich-Naumann-­ Stiftung für die Freiheit und Mitglied im Präsidium der FDP.

Richard Schröder (*1943), Prof. Dr. Dr. h. c., studierte Theologie und Philosophie. Ab 1977 Dozent für Philosophie an zwei staatlich nicht anerkannten theologischen Ausbildungsstätten. 1990 Wahl in die freie Volkskammer der DDR und zum Fraktionsvorsitzenden der SPD. 1991–2009 Professor für Philosophie an der Theologischen Fakultät der Humbolt-­ Universität zu Berlin.

In ihrem Buch zeigen Karl-Heinz Paqué und Richard Schröder, dass – bei allen verbleibenden West-Ost-Unterschieden – ­weder wirtschaftlich noch politisch oder sozial von einer ­dauerhaften und sich vertiefenden Spaltung die Rede sein kann. Allerdings sind die verbleibenden Unterschiede ernst zu nehmen, vor allem was die ökonomische Lage und die poli­ tische Kultur betrifft. Nach 30 Jahren Deutscher Einheit ist klar, dass sie das Ergebnis der Geschichte sind. Sie lassen sich nicht in wenigen Jahren beseitigen, sondern müssen in einem Geist des Verständnisses offen diskutiert werden. Die Autoren haben sich jahrzehntelang aktiv mit den Unterschieden und Gemeinsamkeiten der beiden Deutschland auseinander­ gesetzt.

Karl-Heinz Paqué, Richard Schröder   Gespaltene Nation? Einspruch!

Zwei politische Schwergewichte aus Ostdeutschland und Westdeutschland legen gemeinsam eine Streitschrift vor. Sie argumentieren gegen die zurzeit häufig vorgebrachte Behauptung, die Deutsche Einheit sei gescheitert, weil sie eine gespaltene Gesellschaft hinterlassen habe.

Karl-Heinz Paqué, Richard Schröder

Gespaltene Nation? Einspruch!

30 Jahre Deutsche Einheit

ISBN 978-3-03810-481-0

Umschlagabbildung: https://unsplash.com/@ansgarscheffold/portfolio

www.nzz-libro.ch

NZZ Libro

Die deutsche Wiedervereinigung vor 30 Jahren wird immer häufiger zum Gegenstand von Mythen. Dies gilt vor allem für ihre wirtschaftliche Seite. Währungsunion, Privatisierung und Aufbau Ost geraten in die Kritik. Die Politik hat versagt, so die Botschaft, und dies wider besseres Wissen und mit bösem Willen. Man hätte vieles anders und besser machen können, aber die Interessen der westdeutsch dominierten Politik und Wirtschaft standen dem entgegen. Manche gehen so weit, das Erbe der DDR als eine im Kern gesunde Grundlage für den Weg in die globale Marktwirtschaft anzusehen. Die wurde vom Westen zerstört, mit harter Hand und kühlem Kalkül. Und dies hinterließ in den Seelen der Ost­deutschen tiefe Wunden. Die Folge: ein politischer Ruck nach rechts, der in einer weit verbreiteten Neigung zum Populismus gemündet ist, wie die letzten Landtags- und Bundestagswahlen gezeigt haben. Soweit die neue Deutung der Deutschen Einheit. Diese Streitschrift wendet sich entschieden gegen diese Sicht der Dinge. Karl-Heinz Paqué und Richard Schröder sehen die Gefahr einer neuen Dolchstoßlegende. Deren Mythen stellen die Autoren die Fakten entgegen. Diese sprechen eine andere Sprache: der Zwang zum schnellen Handeln im Anblick einer zusammenbrechenden Ordnung und massiver Abwanderung nach dem Fall der Berliner Mauer; die gewaltige Schwierigkeit, mit neuen Produkten auf dem Weltmarkt Fuß zu fassen; das Bemühen des Staates, den Strukturwandel für die Menschen erträglich zu gestalten. In der Summe wenig von kaltem Kapitalismus, aber viel Soziale Marktwirtschaft in deutscher Tradition. Das Ergebnis heute kann sich sehen lassen, auch im internationalen Vergleich. Und die politischen Verwerfungen haben viel mehr zu tun mit dem Erbe der DDR-Diktatur als mit Demokratie, Rechtsstaat und Marktwirtschaft.


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