Jürg Müller: Turnaround. Ein Leitfaden für Manager und Verwaltungsräte

Page 1


www.claudia-wild.de: Mueller__Turnaround_[Druck-PDF]/12.06.2013/Seite 2


www.claudia-wild.de: Mueller__Turnaround_[Druck-PDF]/12.06.2013/Seite 3

Jürg Müller

Turnaround Ein Leitfaden für Manager und Verwaltungsräte

Verlag Neue Zürcher Zeitung


www.claudia-wild.de: Mueller__Turnaround_[Druck-PDF]/12.06.2013/Seite 4

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2013 Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich Umschlag: Atelier Mühlberg, Basel Gestaltung, Satz: Claudia Wild, Konstanz Druck, Einband: Kösel GmbH, Altusried-Krugzell Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts. ISBN 978-3-03823-855-3 www.nzz-libro.ch NZZ Libro ist ein Imprint der Neuen Zürcher Zeitung


www.claudia-wild.de: Mueller__Turnaround_[Druck-PDF]/12.06.2013/Seite 5

Inhaltsverzeichnis Vorwort

1 Einleitung  1.1 Ist Erfolg Zufall?  1.2 Ausgangslage  1.3 Reorganisation eines Unternehmens  1.4 «Kunden» einer Reorganisation  1.5 Endgültige Einleitung

13 13 14 17 21 24

2 Das MSB-Modell  2.1 Letztes Jahr standen wir am Abgrund (Geschichte)  2.2 Übersicht / Krisenbehebung  2.3 MSB-Modell (Markt, Service, Betrieb)  2.4 Marktmodell  2.5 Servicekonzept  2.6 Betriebsmodell  2.7 Leistungsmodell  2.8 EBITDA  2.9 Checklist für den Anwender

25 25 27 28 30 31 34 37 38 39

3 Marketing  3.1 Als sie das Ziel aus den Augen verloren (Geschichte)  3.2 Übersicht / Krisenbehebung  3.3 Strategische Marketingpositionierung  3.4 Operationelle Positionierung (Marketingmix)  3.5 Strukturansätze  3.6 Beispiel  3.7 Checklist für den Anwender

41 41 44 46 48 50 56 62

4 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5

63 63 65 66 68 74

Revision der Strategie  Die Lücke, die er hinterlässt (Geschichte)  Übersicht / Krisenbehebung  Vorbereitung einer Überprüfung  Revision der Strategie  Checklist für den Anwender

11

5


www.claudia-wild.de: Mueller__Turnaround_[Druck-PDF]/12.06.2013/Seite 6

Inhaltsverzeichnis

5 Auftragsabwicklung und Distribution  5.1 Nur ein toter Händler ist ein guter Händler (Geschichte)  5.2 Übersicht / Krisenbehebung  5.3 Absatzinstrumente  5.4 Organisation der Distribution  5.5 Auftragsabwicklung  5.6 Checklist für den Anwender

77 77 80 81 90 98 105

6 Sortiment  6.1 Eine Schwalbe macht noch keinen Frühling (Geschichte)  6.2 Übersicht / Krisenbehebung  6.3 Strukturansätze im Sortiment  6.4 Bestimmen eines Sortiments  6.5 Checklist für den Anwender

107 107 110 111 121 129

7 Logistik  7.1 Wir sparen, koste es, was es wolle! (Geschichte)  7.2 Übersicht / Krisenbehebung  7.3 Lager  7.4 Materialwirtschaft / Produktionsplanung  7.5 Ein- und Ausgangslogistik  7.6 Einkauf  7.7 Kapazität und Materialflüsse  7.8 Instrumente  7.9 Checklist für den Anwender

131 131 133 136 140 149 151 153 155 158

8 Grobabklärung  8.1 Lasst uns alles im Detail klären! (Geschichte)  8.2 Übersicht / Krisenbehebung  8.3 Leistungsmodell und Potenzialanalyse  8.4 Ablauf einer Grobabklärung  8.5 Rentabilitätsziel als Basis  8.6 Notwendige Verbesserungen  8.7 Klassifizierung der Projekte  8.8 Beispiel  8.9 Checklist für den Anwender

159 159 162 164 164 166 167 168 170 175

9 Projekte  9.1 Viele Projekte sind des Sanierers Tod (Geschichte)  9.2 Reorganisation und Projekte

177 177 179

6


www.claudia-wild.de: Mueller__Turnaround_[Druck-PDF]/12.06.2013/Seite 7

Inhaltsverzeichnis

9.3 Definitionen: Unterschied zwischen Tagesgeschäft und Projekt  9.4 Projektorganisation und Ablauf  9.5 Lieferanten  9.6 Zusammenfassen von Projekten  9.7 Projektüberwachung  9.8 Rentabilitätsrechnung  9.9 Risikomanagement  9.10 Checklist für den Anwender

180 182 185 186 187 189 190 193

10 Krisen  10.1 Murphys Gesetz (Geschichte)  10.2 Übersicht / Krisenbehebung  10.3 Krisen  10.4 Liquiditätskrise  10.5 Die «normale» Krise  10.6 Checklist für den Anwender

195 195 197 200 205 209 212

11 Sanierung und Restrukturierung  11.1 Wir sind die Besten, aber wir verdienen kein Geld (Geschichte)  11.2 Übersicht / Krisenbehebung  11.3 Operative Sanierungen  11.4 Beispiel eines Sanierungsplans  11.5 Ablauf einer Sanierung  11.6 Kommunikation  11.7 Zeitverhältnisse  11.8 Führen einer Sanierung  11.9 Checklist für den Anwender

213 213 218 219 224 226 230 231 231 233

12 Gewinnmaximierung / Innovation  12.1 Wie soll ich wissen, was ich denke? (Geschichte)  12.2 Einleitung  12.3 Voraussetzungen einer Verbesserung  12.4 Innovation als Motor  12.5 Planung der Innovation  12.6 Umsetzung  12.7 Checklist für den Anwender

235 235 238 241 243 252 258 260

13 Kauf von Unternehmen  13.1 Drum prüfe, wer sich ewig bindet (Geschichte)  13.2 Die multifunktionale Grobabklärung

261 261 262 7


www.claudia-wild.de: Mueller__Turnaround_[Druck-PDF]/12.06.2013/Seite 8

Inhaltsverzeichnis

13.3 Einleitung  13.4 Ziel der Grobabklärung  13.5 Modell eines Kaufentscheids  13.6 Beispiel  13.7 Checklist für den Anwender

263 264 267 268 271

14 Verkauf, Schliessung von Unternehmen  14.1 Operative Hektik ersetzt geistige Windstille (Geschichte)  14.2 Übersicht  14.3 Ziel der Grobabklärung  14.4 Gründung von Unternehmen  14.5 Checklist für den Anwender

273 273 275 275 277 277

15 Integration / Zentralisieren von Prozessen  15.1 Im Zweifel zentralisieren? (Geschichte)  15.2 Übersicht  15.3 Ziel der Grobabklärung  15.4 Planung der Integration  15.5 Umsetzung  15.6 Zentralisieren von Prozessen in KMUs  15.7 Checklist für den Anwender

279 279 282 283 285 287 288 289

16 Verlagerung von Unternehmen  16.1 Der billigere Standort (Geschichte)  16.2 Übersicht  16.3 Ziel der Grobabklärung  16.4 Vorgehen  16.5 Checklist für den Anwender

291 291 292 292 294 294

17 Nachfolgeregelungen  17.1 Lass die Emotionen zu Hause (Geschichte)  17.2 Übersicht  17.3 Ziel der Grobabklärung  17.4 Vorgehen  17.5 Checklist für den Anwender

295 295 296 298 299 301

18 Finanzierungen  18.1 Der Fuchs und der Hase (Geschichte)  18.2 Überleben durch Finanzierung  18.3 Finanzierung mit Eigenkapital

303 303 306 308

8


www.claudia-wild.de: Mueller__Turnaround_[Druck-PDF]/12.06.2013/Seite 9

Inhaltsverzeichnis

18.4 Finanzierung mit Fremdkapital  18.5 Krise  18.6 Kommunikation und Führung  18.7 Checklist für den Anwender

310 312 312 314

19 Führung und Organisation  19.1 Ehret einheimisches Schaffen (Geschichte)  19.2 Übersicht  19.3 Lohn der Mitarbeiter  19.4 Lohn der Kader  19.5 Führung  19.6 Führungsstil  19.7 Organisation  19.8 Unternehmenskultur und Krise  19.9 Checklist für den Anwender

315 315 317 318 326 328 336 338 344 345

Nachwort

347

Anhang Quellen  Der Autor

349 351

9


www.claudia-wild.de: Mueller__Turnaround_[Druck-PDF]/12.06.2013/Seite 10


www.claudia-wild.de: Mueller__Turnaround_[Druck-PDF]/12.06.2013/Seite 11

Vorwort Fachliteratur zur Restrukturierung, zur Sanierung und zum Turnaround von Unternehmungen gibt es wie Sand am Meer. Aber von Unternehmenskrisen, die – zu spät erkannt – zum Konkurs oder im besten Fall zu einem Aufkauf, zu einer Fusion geführt haben, lesen und hören wir trotz einer Flut von theoretischen Anleitungen zur Unternehmensführung alle Tage. Für die Mitarbeitenden wird in diesen Fällen gesorgt, wenn man der Kommunikation der Firmen glaubt. Fusionen führten in fast allen Fällen auch nicht zu Produktionsverlagerungen ins Ausland und auch nicht zu Stellenabbau, wird in der Regel behauptet. Mindestens nicht sofort. Fast immer werden aber die Betroffenen bereits nach kurzer Zeit eines Besseren belehrt: Die Produktion wird im günstigsten Fall nur teilweise verlagert, Stellen werden abgebaut. Nicht selten folgt nach einer schmerzhaften Leidenszeit für alle Betroffenen – Investoren, Management und Mitarbeitende – dennoch der Konkurs oder mindestens die Schliessung von Standorten. Die Fülle der Fachliteratur mit theoretischem Ansatz scheint in der Praxis nicht zu helfen. Im vorliegenden Buch werden als Einstimmung zu jedem Kapitel die Geschichten von zwei Unternehmen – der SONAG («So nicht AG») und der WKA («Wir kaufen alles») erzählt. Es sind Beispiele aus der Praxis, die sich leider so zugetragen haben, obwohl die beschriebenen Unternehmen – so die «communis opinio» – von einem fähigen Management geführt worden sind und auch über qualifiziertes Personal verfügt haben. Der Autor, Dr. sc. tech. ETH Jürg Müller, hat eine Zement- und Kalkfabrik geleitet und war über lange Jahre Generaldirektor der Papierfabrik Biberist, Schweiz, sowie Vorstandsvorsitzender der Zanders Feinpapiere, Deutschland. Die Analyse von Unternehmen, das frühzeitige Erkennen von Krisen, das Krisenmanagement und die operative Sanierung hat er in der Praxis oft erfolgreich durchgeführt. 2005 hat er zusammen mit führungserfahrenen Partnern die MKR Partner AG, Solothurn, gegründet, die sich auf die Sanierung von Unternehmen sowie von Betrieben der öffentlichen Hand und von NPOs spezialisiert hat. Die Erweiterung des Geschäftsfelds auf die öffentliche Verwaltung und auf Non-Profit-Organisationen mag auf den ersten Blick erstaunen. Allerdings nur auf den ersten Blick. Denn die öffentliche Verwaltung und ihre Betriebe sowie NPOs können letztlich nur Erfolg haben, wenn sie nach den gleichen Grundsätzen geführt werden wie gewinnorientierte Unternehmen.

11


www.claudia-wild.de: Mueller__Turnaround_[Druck-PDF]/12.06.2013/Seite 12

Vorwort

Aus den Erfahrungen an der Spitze von Unternehmen und als Berater ist das vorliegende Handbuch für Reorganisationswillige entstanden. Es ist vom Praktiker für den Praktiker geschrieben. Es beschreibt neben zahlreichen anderen Themata Schritt für Schritt, wie sowohl die strategische als auch die operative Führung eines Unternehmens vorgehen müssen, um Krisen rechtzeitig zu erkennen, wie mittels Projekten eine Reorganisation erfolgreich durchgeführt werden kann und wie die operative Sanierung anzugehen ist. Es ist kein Buch für Beratungsfirmen mit theoretischem Ansatz und für geistige Höhenflüge an Verwaltungsrats- und Geschäftsleitungssitzungen. Es ist ein Buch für Verwaltungsräte, für Inhaber von KMUs, für operativ Verantwortliche in Unternehmen und in der Verwaltung, die alle willens sind, ihr Unternehmen mit eigener Kraft oder mindestens nicht ausschliesslich mittels fremder Hilfe aus einer Krise wieder zum Erfolg zu führen. Kein Unternehmen ist vor Krisen geschützt. Sie gehören zum wirtschaftlichen Alltag. Durch Fehler des Managements können sie hausgemacht sein. Nicht selten sind es jedoch die Rahmenbedingungen, auf die das Unternehmen keinen Einfluss hat, die eine Krise entstehen lassen. Entscheidend ist in allen Fällen, dass die Krise rechtzeitig erkannt wird und dass zu ihrer Behebung auf der Basis ehrlicher Analysen des Unternehmens umfassende und nicht punktuelle Massnahmen getroffen und Projekte durchgeführt werden. Genau hier setzt das Buch an. Es gibt nicht Tipps, wie Krisen vermieden werden. Es zeigt Wege auf, die zur Wiederlangung des Erfolgs führen. Und es zeigt auch, wie diese Wege begangen werden können und sollen. Das ist die einmalige Stärke dieses Handbuchs. Andreas Marti Bellmund, im Februar 2013

12


www.claudia-wild.de: Mueller__Turnaround_[Druck-PDF]/12.06.2013/Seite 213

11 Sanierung und Restrukturierung Eine Sanierung besteht immer aus einem finanziellen und einem operativen Teil. Wir beschreiben die operative Sanierung. Nach der Festlegung des Rentabilitätsziels werden Sanierungswürdigkeit und Sanierungsfähigkeit abgeklärt. Die operative Sanierung wird wie folgt beschrieben: Die Aufgabenstellung wird mit einer Grobabklärung verdeutlicht. Sofortmassnahmen sparen Zeit und Energie. Die Projekte wiederum folgen den Schritten Detailkonzept, Realisierung und Konsolidierung. Die notwendige Kommunikation, eine Betrachtung der Zeitverhältnisse, Möglichkeiten der Führung und Organisation und die Ausbildung der Projektmitarbeiter runden das Bild ab. Eine Sanierung bedingt in der Regel Investitionen und verursacht Projektkosten. Die Finanzierung muss sichergestellt werden.

11.1 Wir sind die Besten, aber wir verdienen kein Geld Fakten Die SONAG wies seit zehn Jahre rote Zahlen aus. Man hatte sich daran gewöhnt und nie­ mand konnte die Frage beantworten, wie hoch der minimale Gewinn sein musste, damit ein langfristiges Überleben sichergestellt werden konnte. Die Produktionsleiter der drei Werke waren der Ansicht, noch mehr Kosten einzusparen sei nach den Übungen der letz­ ten Jahre nicht möglich. Der CEO verbat sich, das Wörtchen Sanierung überhaupt auszu­ sprechen, da im letzten Jahr erstmals EBIT = 0 (und somit der Turnaround) geschafft wor­ den sei. Der Finanzchef machte auf die «gewaltigen» Abschreibungen aufmerksam, ohne die das Resultat ja gar nicht so schlecht ausschauen würde. Der Entwicklungschef wiede­ rum glaubte, genügend neue Produkte entwickelt zu haben, aber deren Vermarktung sei kaum zufriedenstellend. Darauf konterte der Verkaufschef, die neuen Produkte seien doch recht zufällig entstanden, würden kein Sortiment ergeben und seien zu teuer. Der Produk­ tionsleiter des kleineren Werks bemängelte die zufälligen Umlagen im Rechnungswesen, die seine Produkte verteuern würden. Eine Analyse brachte folgende Aussagen:

1 Auf Stufe EBITDA fehlten 50 Mio. EUR pro Jahr (bei einem Umsatz von 600 Mio. EUR), um langfristig ein Überleben zu sichern.

2 Die SONAG war praktisch auf den Markt Deutschland limitiert und in allen ande­ ren Märkten nur punktuell präsent.

3 Das letzte erfolgreiche Produkt war vor 24 Jahren eingeführt worden.

213


www.claudia-wild.de: Mueller__Turnaround_[Druck-PDF]/12.06.2013/Seite 214

11  Sanierung und Restrukturierung

4 Von den rund 2500 Produkten zeigten 42 % einen negativen EBITDA.  5 Die Liquidität reichte bei wohlwollender Betrachtung noch für vier Monate.  6 Die Produktivität betrug 120 t/Jahr und Mitarbeiter. Erfolgreiche Konkurrenten wiesen 600 t/Jahr und mehr aus.

7 Die Fixkosten waren rund dreimal höher als jene der erfolgreichen Konkurrenz.  8 Die durchschnittliche Lieferzeit betrug mehr als vier Wochen. Der Markt verlangte eine Woche.

9 Das Nettoumlaufvermögen entsprach einem Drittel des Jahresumsatzes. 10 Die durchschnittliche Entwicklungszeit eines neuen Produktes lag bei acht Jahren. Analyse Messbar machen Sämtliche Zahlen des Rechnungswesens wurden angezweifelt («Der EBITDA des Produkts x ist zwar negativ, aber die Fixkostenbelastung ist völlig falsch angesetzt. Eigentlich ist das Produkt x profitabel»). Als erste Massnahme wurde folglich ein Rechnungswesen eingeführt, das Gültigkeit hatte. Diskussionen über Fixkostenzuteilung wurden verboten. Verboten wurde insbeson­ dere eine andere Verteilung der Fixkosten. Ein Beispiel wird dauernd in Erinnerung blei­ ben: Auf die Frage, wie lange es daure, bis eine Produktekalkulation eingeführt sei, lautete die Antwort sechs Monate. Man hat in einem ersten Schritt – quasi als Demonstration – ein vereinfachtes System in zwei Wochen bereitgestellt, das ab der Woche drei erlaubte, nicht rentable Produkte zu lokalisieren. Ab Woche drei wurde zudem verboten, über die Zahlen des Rechnungswesens zu diskutieren. Die Zahlen wurden als richtig angenommen.

Führbar machen Kaum nötig zu erwähnen, dass die bestehende Organisation der SONAG eine Führung gar nicht erlaubte. In der Not wurde eine einfache Struktur entlang der drei Produktelinien gewählt, die pro Produktelinie Produktion, Verkauf, Distribution und Logistik zusammen­ fasste. Sie war keinesfalls ideal, da nach wie vor viel zu viele Schnittstellen vorhanden waren, aber sie erlaubte erstmals, die Verantwortung für Verbesserungsmassnahmen zuzuordnen. Hier stellte sich erstmals die zentrale Frage, mit wem der Turnaround zu schaffen sei. Nach meiner Erfahrung wäre es sinnvoll, die obersten Führungsstufen (die Führungs­ stufe 1 der SONAG bildeten die vier Mitglieder der Geschäftsleitung, die Führungsstufe 2 umfasste 24 Mitglieder) zu ersetzen, da diese ihr Tagwerk sehr wahrscheinlich mit Vertei­ digungspalavern ausfüllen werden. Aus psychologischen Gründen und aus Gründen der für das Geschäft nötigen Erfahrung sind dieser radikalen Auswechslung jedoch Grenzen gesetzt. Man hat sich entschieden, in einem ersten Schritt die Hälfte der Geschäftsleitung

214


www.claudia-wild.de: Mueller__Turnaround_[Druck-PDF]/12.06.2013/Seite 215

11.1  Wir sind die Besten, aber wir verdienen kein Geld und 30 % der Führungsstufe 2 zu ersetzen. Bei diesem Schritt wurde übrigens weniger Gewicht auf das Fachwissen gelegt, sondern mehr auf den sichtbaren Willen, Änderungen mitzutragen. Der beste Sanierer kann nicht allein sanieren. Er kann lediglich ein Team anleiten. Er ist verurteilt, aus vorhandenen Mitteln ein verschworenes Team zu zimmern. Der Nachteil dieser Methode liegt darin, dass eher früher als später das fehlende Fach­ wissen seinen Tribut fordern wird.

Kommunikation Die SONAG war ein konservatives Unternehmen. Die Information der Mitarbeiter folgte einem Schema, das seit Menschengedenken immer Bestand hatte. Im Wesentlichen folgte die Information der Linienorganisation. Die Geschäftsleitung informierte die Bereichslei­ ter, diese ihre Abteilungsleiter, diese wiederum ihre unterstellten Kaderleute und so wei­ ter. Einige gewichtige Nachteile führten dazu, dass die Mitarbeiter das Gefühl hatten, schlecht informiert zu sein («Wir erfahren wichtige Dinge ohnehin aus der Zeitung»). Was war das Problem? ■■

In einer n-dimensionalen Matrix kann man nicht erwarten, dass die Informationen alle Mitarbeiter erreichen.

■■

Die Kaskade der Informationsübermittlung hat in der Regel zwei Schwachstellen: Einmal ist der Zeitbedarf unheimlich gross, und dann ist der Interpretationslust der Zwischenstufen kaum Grenzen gesetzt.

Die Führung der SONAG schaffte Abhilfe mit Betriebsversammlungen, die zwei- oder drei­ mal pro Jahr stattfanden. Organisiert wurden diese Betriebsversammlungen durch die Gewerkschaft und die Geschäftsleitung erhielt Rederecht. So wurde sichergestellt, dass alle Mitarbeiter das Gefühl erhielten, die Gewerkschaft zwinge die Geschäftsleitung dazu, ein Minimum an Informationen preiszugeben. Für die Belange einer Sanierung, aber auch für andere wichtige Dinge ist dieses Vorgehen unbrauchbar. Die Mitarbeiter haben ein Recht darauf, Informationen aus erster Hand zu erhalten. Das bedeutet wohl, dass die Geschäfts­ leitung ihren Standpunkt direkt klarmachen muss und dass bei wichtigen Geschehnissen ohne Zeitverlust informiert wird. Meine Erfahrung in Sachen Sanierung ist düster. Sanie­ rungen kommen zum Erliegen, bevor sie begonnen haben, weil die Mitarbeiter ihre Infor­ mationen nur aus Gerüchten alimentieren und gar nicht wissen können, warum und wie eine Sanierung stattfinden soll. Ähnliches gilt es für alle Zielgruppen eines Unternehmens zu formulieren. Zielgruppe sind nicht nur die Mitarbeiter, sondern Kunden, Lieferanten, Besitzer, Vorgesetzte, die Öffentlichkeit. Die Kommunikation in einer Anfangsphase der Sanierung wird ebenso wichtig wie die Bearbeitung des Sanierungskonzepts. Die Kommunikation während einer Sanierung darf nicht unterschätzt werden. Wir haben dargestellt, wie wichtig die Kommunikation zu den Mitarbeitern aller Stufen ist.

215


www.claudia-wild.de: Mueller__Turnaround_[Druck-PDF]/12.06.2013/Seite 216

11  Sanierung und Restrukturierung Wenn nach Abschluss der Planung die Besitzer die benötigten Investitionen nicht gewäh­ ren, kommt die Sanierung zum Erliegen. Wenn im zweiten Jahr der Sanierung die Kunden das Vertrauen verlieren, wird die Sicherung des Umsatzes wichtiger als alle Sanierungs­ projekte. Wenn dasselbe mit den Lieferanten geschieht, haben Sie ein Problem der Verfüg­ barkeit. Wenn bei der ersten Krise die Presse alle ihre Sünden veröffentlicht, werden Sie nichts mehr anderes im Sinn haben, als Richtigstellungen zu verfassen. Alle diese Erschwer­ nisse können mit kommunikativen Massnahmen gemildert (aber nicht ausgeschlossen) werden. Der Sanierer hat seine Ziele und Massnahmen dauernd zu erklären, nicht um der Information willen, sondern um Vertrauen zu schaffen. Die fünf Zielgruppen sind: ■■

die Mitarbeiter aller Stufen,

■■

die Vorgesetzten, die Besitzer oder der Verwaltungsrat,

■■

die Kunden,

■■

die Lieferanten,

■■

die Öffentlichkeit.

Führung in der Sanierung Zusammenfassend gilt: Eine Sanierung braucht einen Verantwortlichen. Schöne Füh­ rungsmodelle sind zwar nett, aber sie nützen in dieser Situation nichts. Tägliche Sitzun­ gen haben zum Ziel, die Ideen der Sanierung unter die Leute zu bringen und diese davon zu überzeugen, dass das Ziel erreichbar ist. Diese Kommunikation richtet sich nicht nur an die Kaderleute, sondern an alle Mitarbeiter, an die Besitzer, an die Kunden und Lieferanten und nicht zuletzt an die Öffentlichkeit. Alle diese Zielgruppen müssen über das Ziel infor­ miert werden. Es ist klar, dass die Pläne Fehler enthalten werden. Es ist ebenso leicht einzusehen, dass der Verantwortliche eine Gratwanderung zwischen Richtigkeit und Schnelligkeit bestehen muss. Nach meiner Erfahrung ist Richtigkeit nur bis zu einem gewissen Grad möglich. Aber ich habe Schnelligkeit (in der Anfangsphase der Sanierung) immer höher bewertet als Richtigkeit.

Entlassungen Jede Sanierung führt mindestens in der Planung zu Fixkostensenkung. Die einfachste Art, Fixkosten zu reduzieren, scheint die Verminderung der Personalkosten zu sein. Wäh­ rend sich Entlassungen in der Planung gut ausmachen (und sehr oft von der Börse positiv vermerkt werden), sind in der Realisierung sehr unangenehme Dinge zu bewältigen. In allen Ländern Europas – vielleicht mit Ausnahme von Frankreich und Italien – erlaubt die Rechtsprechung Entlassungen. Aber Recht und Moral sind nicht deckungsgleich. Es ist jedem Sanierer wärmstens zu empfehlen, Entlassungen mit Anstand und einer minima­ len Solidarität zu begleiten. Mich haben sogenannte harte Sanierer immer misstrauisch

216


www.claudia-wild.de: Mueller__Turnaround_[Druck-PDF]/12.06.2013/Seite 217

11.1  Wir sind die Besten, aber wir verdienen kein Geld gestimmt. Wer Entlassungen als mathematische Aufgabe versteht, wird zwar Einsparun­ gen generieren, aber langfristig das Zusammenleben in der sanierten Umgebung gefähr­ den. Was ist zu tun? ■■

Abklären, ob Entlassungen wirklich nötig sind. Erster Reflex müsste sein, die vor­ handene Kapazität zu nutzen und nicht, sie zu verkleinern.

■■

Falls Entlassungen unumgänglich sind, hat man Sozialpläne bereitzustellen. Es ist nicht verboten, eine Vermittlungsorganisation aufzubauen.

■■

Entlassene Personen verdienen es, begleitet zu werden, bis sie eine neue Stelle gefunden haben.

■■

Wenn Gewerkschaften und Betriebsräte überzeugt werden können, dass der Fort­ bestand des Unternehmens mit Entlassungen erreicht werden kann, sind sie in der Regel bereit, mitzuhelfen.

■■

Vermeiden der Todsünde Nummer eins: Der Sanierer tritt vor die Presse und erklärt, er müsse leider, leider 500 Personen entlassen. Er hat allerdings vergessen, vorgän­ gig seine Mitarbeiter zu informieren und er weiss nicht, wo genau die 500 Perso­ nen eingespart werden sollen. Die Ausrede von der «Information zu einem mög­ lichst frühen Zeitpunkt» ist dann dummes Geschwätz.

Gewerkschaften Nach der Analyse vieler Sanierungen komme ich zum Schluss, dass Gewerkschaften und Betriebsräte (oder Betriebskommissionen) wesentlicher Bestandteil einer erfolgreichen Sanierung sind. Sie garantieren oft, dass Entlassungen einigermassen anständig über die Bühne gehen und erinnern die Arbeitgeber an eine (in Vergessenheit geratene) Verpflich­ tung. Man kann so ohne Weiteres nachvollziehen, dass die Gewerkschaft in diesen Fällen die Moral vertritt und gegen die Sparwut der Arbeitgeber ankämpft. Wir haben gute Erfahrungen mit frühzeitiger und umfassender Information der Arbeitnehmer gemacht. Dadurch wird zwar die Schwere des Eingriffs kaum gemildert, aber eine gewisse Ordnung hergestellt. Sanierer, die Entlassungen ohne Sozialplan durchziehen, sind planerische und moralische Stümper. Diese Lanze für die Gewerkschaften heisst keineswegs, dass man mit ihnen einig geht. Besonders in Deutschland, mit der unseligen Arbeitnehmervertretung in Auf­ sichtsräten, haben die Gewerkschaften mit übertriebenen Forderungen bezüglich Sozi­ alstaat ein gerüttelt Mass an Verantwortung für die Misere des Wirtschaftsstandortes auf sich geladen. Interessant ist auf der anderen Seite die unterschiedliche Macht der Gewerkschaften in Europa. Internationale Konzerne überlegen sich sehr genau, in welchem Land sie Entlas­ sungen realisieren wollen. Ein Beispiel gefällig? Ich erinnere mich an einen Konzern, der Werke in Deutschland, Frankreich, Skandinavien und der Schweiz hatte. Eines der Werke

217


www.claudia-wild.de: Mueller__Turnaround_[Druck-PDF]/12.06.2013/Seite 218

11  Sanierung und Restrukturierung musste geschlossen werden. Obschon das Werk in der Schweiz das profitabelste war, wurde es geschlossen. Man nahm an, die lokalen Gewerkschaften seien die schwächsten.

Medien Aus Sicht eines Unternehmens gibt es gute und schlechte Medienleute. Gute erzählen in ihren Beiträgen, was dem Unternehmen gefällt, schlechte, was dem Unternehmen miss­ fällt. In der Regel wird dabei die Arbeit der Medien unterschätzt. Deren Triebfeder ist sehr oft die Suche nach der Wahrheit, wobei es eine untergeordnete Rolle spielt, dass «Wahr­ heit» interpretierbar ist. Zusätzlich kommt in jedem Fall hinzu, dass Medienarbeit Neuig­ keiten sucht (nichts ist so abgestanden wie die Zeitung von gestern). Deshalb ist in der Zusammenarbeit mit den Medien darauf zu achten, dass nur Wahrheiten erzählt werden und dass eine Selektion bezüglich des Neuigkeitswerts gemacht wird. Unangenehm wird die Sache, wenn der Pressemann den Sprecher des Unternehmens mit Fakten widerlegen kann. Ich habe in meiner Sanierungstätigkeit viele Unternehmer erlebt, welche die Infor­ mationen lenken wollten. Langfristig kam das nie gut heraus. Ein drohender Konkurs kann lange schöngeredet werden, aber der Gang zum Richter bringt die Wahrheit an den Tag.

Fazit Eine Sanierung lebt von Emotionen. Nichts ist gefährlicher, als die Information dem Ziel­ publikum anzupassen. Unangenehme Dinge werden nicht besser, wenn sie verschwiegen werden.

11.2 Übersicht / Krisenbehebung In der Regel nützen finanzielle Sanierungen allein nichts. In der finanziellen Sanierung wird bilanztechnisch Ordnung geschaffen (sie behandelt das Gebiet zwischen EBITDA und Erfolg). Falls jedoch negative EBITDA erwirtschaftet werden, sind mindestens die Ursachen der negativen Werte zu beheben, da sonst die finanzielle Sanierung nur kurzzeitige Wirkung haben wird. Während einer Sanierung ist der Liquiditätsplan das wichtigste Instrument. Die Liquidität muss sicherstellen, dass die Sanierung überhaupt stattfinden kann. In diesem Zusammenhang ist auf die Schwierigkeit aufmerksam zu machen, die darin besteht, dass neues Geld für die Belange der Sanierung eingeschossen werden muss. Die Banken lieben es in der Regel nicht, dass bei negativen Resultaten (dem Ausgangspunkt einer Sanierung) zusätzliche Mittel benötigt werden. Sie verlangen mindestens eine Beteiligung der Aktionäre an der Finanzierung der Sanierung. Die Sanierungswürdigkeit wird mit einem Businessplan beschrieben. Die Qualität dieses Businessplans wird die Möglich218


www.claudia-wild.de: Mueller__Turnaround_[Druck-PDF]/12.06.2013/Seite 219

11.3  Operative Sanierungen

keit, neues Geld zu beschaffen, beeinflussen. Die Sanierungsfähigkeit beurteilt die Qualität der Mitarbeiter, der Anlagen und vor allem die Finanzierung. Die Finanzierung stellt sicher, dass die Kosten der Sanierung und die Investitionen in Projekte der Sanierung bezahlt werden können. Wir behandeln hier operative Sanierungen. Obschon in einer Sanierung der Zeitfaktor von grosser Bedeutung ist, muss die Planung umfassend durchgeführt werden. Es hat sich gezeigt, dass in der Planungsphase selten Zeit verloren geht, sondern Verzögerungen des Projektes treten immer in der Realisierungsphase auf (ungenügende Planung und Projektmanagement). Die Grobabklärung beurteilt die Sanierungswürdigkeit und die Sanierungsfähigkeit. Wird die Sanierungswürdigkeit verneint, muss entschieden werden, ob das Unternehmen in alter Weise weiteroperiert, ob das Unternehmen verkauft oder geschlossen werden soll. Der Entscheid, eine Sanierung durchzuführen, macht folgende Voraussetzungen nötig: ■■

■■ ■■

■■

Festlegen des Sanierungsziels. Erreichbarkeit des Ziels ist abzuklären (Sanierungswürdigkeit und Sanierungsfähigkeit); Sicherstellen der Liquidität während der Sanierung; nötige Änderungen in Aufbau- und Ablauforganisation, um die Führung sicherzustellen; Vorbereitung des Risikomanagements und der Kommunikation.

Die Detailplanung setzt Ziele der Projekte und legt den Fahrplan fest. Die Realisierung ist flexibel zu handhaben: Alle Änderungen, die mithelfen, das Ziel besser zu erreichen, sind willkommen.

11.3 Operative Sanierungen Übersicht Sanierungen lassen sich nicht in ein modellartiges Vorgehen einbinden. Jede Sanierung hat andere Schwerpunkte. Der Ablauf muss jedoch sicherstellen, dass wichtige Entscheidungsschritte möglich sind. Am Anfang steht das Rentabilitätsziel. Man hat sich zu fragen, wie hoch der jährliche Erfolg des Objektes sein muss, um ein langfristiges Überleben zu sichern. Das Rentabilitätsziel kann nur in einem geordneten strategischen Umfeld bestimmt werden. Das Marktmodell und ein daraus abgeleitetes Betriebsmodell sind grob festzulegen. Beide erfahren im Lauf der Sanierung Anpassungen.

219


www.claudia-wild.de: Mueller__Turnaround_[Druck-PDF]/12.06.2013/Seite 220

11  Sanierung und Restrukturierung

Daran schliesst sich eine Grobabklärung an, die Auskunft geben muss, ob sich die Sanierung überhaupt lohnt (Sanierungswürdigkeit). Die Grobabklärung soll über die wesentlichen Teile einer Sanierung Auskunft geben. Es geht insbesondere um die Fragen der Investitionen, der Kosten und der zu erwartenden Einsparungen (verglichen mit dem Ist-Zustand). Neben der Sanierungswürdigkeit bleibt die Sanierungsfähigkeit zu beleuchten. Die Kompetenz der Führung spielt die entscheidende Rolle. Die Grobabklärung wird den Aufwand der Sanierung bestimmen. Zur Sanierungsfähigkeit gehört auch die Abklärung der Finanzierung einer Sanierung. Nach dem Entscheid, die Sanierung durchzuführen, folgt die Definition der Sofortmassnahmen. Es ist sinnvoll, ins Auge stechende Änderungen ohne Zeitverzug in Angriff zu nehmen. Die Sofortmassnahmen sind gefährliche

Übersicht Sanierungen

11.01

Rentabilitätsziel der Sanierung Grobabklärung:

Grobabklärung

Marktmodell

Schwachstellenanalyse Potenzial, Kosten, Investitionen Rentabilität, Risikoanalyse

Sanierungswürdigkeit und Sanierungsfähigkeit? ja

Servicekonzept nein

Betriebsmodell

Stopp

Projektorganisation, SOMA Operationelle Sanierung Detailkonzept

Ist / Analyse / Soll Projekte beschreiben (FITEO)

Wahl der nötigen Projekte (nach Priorität) Messbarkeit, Messgrössen, Organisation, Terminplan Entscheid Sollzustand? Erfolgsziel, Investitionen, Kosten, Organisation, Qualität, Termine ja Realisierung, Risikomanagement Konsolidierung Abschluss, Kontrolle Zielerreichung, Übergabe an Betreiber SOMA Sofortmassnahmen

220

nein

Stopp


www.claudia-wild.de: Mueller__Turnaround_[Druck-PDF]/12.06.2013/Seite 221

11.3  Operative Sanierungen

Elemente, da sie einer genaueren Planung (Detailkonzept) nicht im Wege stehen dürfen. Das Detailkonzept ist wohl das wichtigste Planungselement. Hier werden alle benötigten Projekte mit Qualitätsziel, Investitionen, Kosten und Einsparung beschrieben. Nicht zu vergessen ist die Organisation der Projekte (wer ist für was verantwortlich). Die detaillierten Projekte führen zum Entscheid, wie die Sanierung durchzuführen ist. Die Realisierung wird überwacht, Änderungen in Zielsetzung, Investitionen, Terminen oder Kosten müssen verarbeitet werden, um das Sanierungsziel erfüllen zu können. Nach Abschluss einer Sanierung ist eine Konsolidierungsphase unbedingt vorzusehen. Es geht darum, die Mitarbeiter mit den neuen Prozessen vertraut zu machen (Prozessfähigkeit).

Marktmodell und Betriebsmodell Im Marktmodell werden folgende Fragen beantwortet: ■■

■■

■■ ■■

Mit welchen Produkten (mit welchem Sortiment) und mit welchen dazugehörigen Dienstleistungen soll auf den Märkten aufgetreten werden? Wie sind die Produkte (das Sortiment) positioniert? Positionierung bedeutet hier: Qualität, Preisstellung und Verfügbarkeit verglichen mit der Konkurrenz. Auf welchen Märkten wird mit welcher Distributionsart gearbeitet? Mit welcher Kommunikation werden die Produkte begleitet?

Das Servicekonzept fasst die Leistungen aus Sicht des Marktes zusammen: ■■ ■■ ■■ ■■

Sortiment, Qualität, Position Kundenstruktur (ABC-Kunden/Märkte) Preise, Konditionen maximale Menge, Verfügbarkeit, Liefertermine

Das Betriebsmodell übersetzt die Anforderungen des Marktmodells in die Sprache des Betriebs. ■■ ■■ ■■

■■

Mit welchen Prozessen und mit welcher Kostenstruktur? Mit welcher Aufbau- und Ablauforganisation? Mit welcher Logistik (Planung, Materialwirtschaft, Produktionsprogramme)? Mit welcher internen Kommunikation? 221


www.claudia-wild.de: Mueller__Turnaround_[Druck-PDF]/12.06.2013/Seite 222

11  Sanierung und Restrukturierung

Marktmodell / Betriebsmodell

11.02

Was ist das Ziel des Unternehmens? Marktmodell Was will der Markt? Was macht die Konkurrenz?

Servicekonzept Was bieten wir wie an?

Betriebsmodell Wie erfüllen wir das Servicekonzept?

Op. Sanierung

Ziel erreicht?

Welche Produkte und Dienstleistungen? Welche Positionierung? Welche Märkte, welche Distribution? Welche Kommunikation?

Welche Qualität? Welche Verfügbarkeit? Welche Mengen und Lieferzeiten? Welche Preise und Konditionen?

Kosten, Produktionsrhythmus Logistik (Planung, Materialwirtschaft) Aufbau-/Ablauforganisation Interne Kommunikation Kompetenzen, Verantwortung

Ziel, Grobabklärung, Detailkonzept Realisieren der Projekte Konsolidierung nein

Rentabilitätsziel und Grobabklärung Ziel der Grobabklärung ist, die Sanierungswürdigkeit zu ermitteln. Die Basis dazu ist ein Rentabilitätsziel. Dieses Ziel soll angeben, wie hoch die langfristige Rentabilität eines Unternehmens sein muss, damit das Überleben gesichert ist. Für die operationelle Sanierung bietet sich als Kenngrösse beispielsweise EBITDA in Umsatzprozent an. Je nach Art der Branche sind die Werte unterschiedlich beschaffen. In der Papierindustrie hat sich ein Wert von mindestens 15 % (über den Papierzyklus gerechnet) bewährt. Der Vergleich des Rentabilitätsziels mit dem Ist-Zustand beschreibt die Lücke, die durch die Sanierung geschlossen werden muss. Dieser Abschätzung kommt aus einem andern Grund grosse Bedeutung zu: Nach unserer Erfahrung wird das Sanierungsziel in der Regel zu tief angesetzt. Die Folge ist eine zweite Sanierung, die ungleich schwieriger zu behandeln ist als die erste, da die Motivation der Beteiligten Schaden erleiden wird. 222


www.claudia-wild.de: Mueller__Turnaround_[Druck-PDF]/12.06.2013/Seite 223

11.3  Operative Sanierungen

Ein ebenso wichtiges Instrument ist die Bearbeitung des Prozesses «Marktmodell/Servicekonzept/Betriebsmodell». Das Rentabilitätsziel und das Betriebsmodell unterliegen einer Iteration, da keines der beiden allein optimiert werden kann. Aus einer Schwachstellenanalyse und Vergleichen mit der Konkurrenz (Benchmark oder Best Practice) sind Projekte zu definieren. Diese können Leistungssteigerungen, Qualitätsaspekte, Sortimentsfragen, Preiserhöhungen oder Kostensenkungen umfassen. Jedes Projekt wird grob mit Investition und Einsparung beschrieben. Daraus leitet sich die Rentabilität des Projektes ab. Eine Liste der Projekte, sortiert nach absteigender Rentabilität, gibt Auskunft über die Anzahl und Art der Projekte der Sanierung. Das Resultat wird eine Anzahl Projekte sein, deren Gesamtheit die zu erwartende Investition und Einsparung ausweist. Daraus ist die Rentabilität der Sanierung zu berechnen. Falls es nicht gelingt, auf diese Übersicht Grobabklärung

11.03

Rentabilitätsziel für langfristiges Überleben z. B. nötiger EBITDA in Funktion des Umsatzes Einfluss des Markt- und des Betriebsmodells nötige Verbesserung, um Rentabilitätsziel zu erreichen Schwachstellenanalyse, Liste möglicher Projekte a) Leistungssteigerung b) Reduktion Kosten c) Kommunikation intern + extern Grobbeschrieb der einzelnen Projekte: a) Investition, Kosten der Sanierung b) Einsparungen, Erhöhen Gewinn c) Risiko Kosten der Sanierung a) Investitionen (Projekte) b) Kosten der Sanierung (Personal, Sozialpläne usw.) c) Sicherstellen der Liquidität während der Sanierung Rentabilitätsrechnung, Langfristplan der Entwicklungen Entscheid über Durchführung (Investitionen, Kosten, Einsparungen) Termine, Organisation, Qualität, Risiko Sanierung

Verkauf

Schliessung

223


www.claudia-wild.de: Mueller__Turnaround_[Druck-PDF]/12.06.2013/Seite 224

11  Sanierung und Restrukturierung

Weise eine positive Rentabilität der Sanierung zu belegen, ist die Sanierungswürdigkeit nicht gegeben. Die Auftraggeber haben nach Abschluss der Grobabklärung in Kenntnis der nötigen Investitionen und der zu erwartenden Verbesserungen zu entscheiden, ob die Sanierung durchgeführt werden soll.

Vorgehen 1 Das Ziel heisst «minimal notwendiger Gewinn» und nicht EBITDA = 0 oder EBIT = 0. Break-even kann nicht das Ziel einer Sanierung sein. 2 Eine Reserve von mindestens 20 % drängt sich auf, um Planungsfehler zu kompensieren. 3 Eine Sanierung ist genug. Eine Kaskade von aufeinanderfolgenden Sanierungen vermindert die Aussichten auf Erfolg. 4 Eine genügende Reserve in der Berechnung des Sanierungsziels verhindert, dass Überraschungen zu einer Neuorientierung des Gesamtprojektes führen.

11.4 Beispiel eines Sanierungsplans Modell: Grobabklärung

11.04

Ist Mio.

Ist CHF/t

Ziel San.

Nach Sanierung Mio.

CHF/t

Projekte nötig

Produktionsm. t

200 000

230 000

0

Absatzmenge t

200 000

230 000

0

V’Preis/Menge Mio. Umsatz brutto Mio.

2000

2000

400.0

2000

460.0

2000

20.0

100

20.7

90

Umsatz netto Mio.

380.0

1900

439.3

1910

Rohmaterial

150.0

750

156.4

680

MARGE

230.0

1150

282.9

1230

Var. Kosten

110.0

550

110.4

480

0

Lagerbestand

0.0

0

0.0

0

0

Lagerbewertung

0.0

0

0.0

0

120.0

600

172.5

750

80.0

400

60.0

261

Erlösminderung

DB Fixe Kosten

224

0 0

0


www.claudia-wild.de: Mueller__Turnaround_[Druck-PDF]/12.06.2013/Seite 225

11.4  Beispiel eines Sanierungsplans

Modell: Grobabklärung  Fortsetzung

Ist Mio.

Ist CHF/t

11.04

Ziel San.

Mio.

CHF/t

EBDIT

40.0

EBDIT in % Umsatz netto

10.5

Abschreibungen

15.0

75

15.0

65

EBIT

25.0

125

97.5

424

Zinsen

10.0

50

10.0

43

3.0

15

3.0

13

12.0

60

84.5

367

Steuern PAFI PAFI in % Umsatz netto a. o. Aufwand

200

Nach Sanierung 112.5

25.0

489

25.6

3.2

19.2

1.0

5

1.0

4

Erfolg

11.0

55

83.5

363

PAFI

12.0

60

84.5

367

Abschreibungen

15.0

75

15.0

65

CF op.

27.0

135

99.5

433

NUV Änderung

0.0

0

0.0

0

CF I

27.0

135

99.5

433

Investitionen

12.0

60

12.0

52

CF II

15.0

75

87.5

380

Modell: Umlaufvermögen

Ist Mio. Umsatz brutto Mio.

Projekte nötig

0 0 0

11.05

Ist %Ums.

400.0

Ziel San.

Nach Sanierung Mio.

%Ums.

Projekte nötig

460.0

NUV Mio. Lager Rohmat.

15.0

3.8

17.5

3.8

2.0

0.5

2.0

0.4

Lager Halbf. / WiA

20.0

5.0

18.0

3.9

Lager Fertigprod.

5.0

1.3

7.0

1.5

Lager 2. Qualität

5.0

1.3

2.0

0.4

0

Sped., nicht fakt.

2.0

0.5

1.0

0.2

0

Lager Betriebsmittel

0

WiA Ware-in-Arbeit

225


www.claudia-wild.de: Mueller__Turnaround_[Druck-PDF]/12.06.2013/Seite 226

11  Sanierung und Restrukturierung

Modell: Umlaufvermögen  Fortsetzung Ist Mio.

Ist %Ums.

11.05 Ziel San.

Nach Sanierung Mio.

%Ums.

Projekte nötig

Debitoren

40.0

10.0

35.0

7.6

0

Kreditoren

0

–20.0

–5.0

–25.0

–5.4

Liq.

10.0

2.5

9.5

2.1

NUV

79.0

19.8

67.0

14.6

69.0

Differenz

–12.0

NUV Nettoumlaufvermögen

11.5 Ablauf einer Sanierung Sofortmassnahmen Nach dem Entscheid, die Sanierung durchzuführen, gilt es erstmals Zeit zu sparen. Aus der Grobanalyse fallen in der Regel derart viele Ideen an, dass es sinnvoll ist, einige davon sofort zu realisieren. In der Regel handelt es sich um die Vorbereitung der Sanierung (führbar und messbar machen) und um Projekte mit kleinem Investitionsbedarf und wenig Koordinationsbedarf mit anderen Projekten. In allen anderen Fällen lohnt es sich, auf die Resultate der Detailplanung zu warten. Führbar und messbar: ■■

■■

Im Zentrum steht der Entscheid, mit welcher Mannschaft die Sanierung durchgeführt werden soll. In der Regel sind die «alten» Manager eher geneigt, vergangene Leistungen zu verteidigen, als über Sanierung nachzudenken. Eine klare personelle Organisation (einhergehend mit den nötigen Auswechslungen) ist der erste Schritt, um die neue Denkart einzuführen. In jedem Fall ist ein funktionierendes Rechnungswesen (Erfolgsrechnung) vonnöten. Sehr oft kann das bestehende System soweit verbessert werden, dass es den Anforderungen der Sanierung genügt.

Beispiele für weitere Sofortmassnahmen sind: ■■

226

Produktbereinigung: Falls der Erfolg der Produkte bekannt ist, sind – soweit möglich – Verlustbringer zu eliminieren. Allerdings ist auf Sortimentsüberlegungen im Sinn der Marktakzeptanz Rücksicht zu nehmen.


www.claudia-wild.de: Mueller__Turnaround_[Druck-PDF]/12.06.2013/Seite 227

11.5  Ablauf einer Sanierung

Checklist Sofortmassnahmen

11.06

1 Führbarkeit: Führungspersonen bestimmen (evtl. für Tagesgeschäft oder für Sanierungsprojekt) 2 Führbarkeit: Aufbauorganisation festlegen Tagesgeschäft und Sanierungsprojekt 3 Führbarkeit und messbar machen: Rechnungswesen anpassen Finanzplanung (inkl. Liquidität) Projektkontrolle 4 Grundlage Sanierung: Businessplan Sanierung (welche Produkte und Dienstleistungen, auf welchen Märkten, mit welcher Distribution, welche Position der Produkte?) 5 Vorbereitung: Kommunikationsplan

■■

■■

Das Unternehmen führbar machen: Mittel dazu sind Aufbauorganisation und Teile der Ablauforganisation. Änderungen in EDV-Systemen eignen sich nicht als Kern von Sofortmassnahmen. Vorbereiten der Kommunikation und des Risikomanagements.

Detailkonzept Ziel des Detailkonzepts ist, die Projekte der Sanierung genau zu beschreiben. Die Wahl der Projekte ist der Kern einer erfolgreichen Sanierung. Jedes Projekt wird mit Investition, nötiger Qualität, Zielen, Meilensteinen und Projektorganisation beschrieben. Die Ideen aus der Grobabklärung (nötige Gesamteinsparung und max. Investition) sind zu berücksichtigen. Die Projekte sind nach absteigender Rentabilität zu ordnen. Projekte, die aus anderen Gründen als hoher Rentabilität nötig sind, werden speziell vermerkt (z. B. Qualität oder ganzheitliches Sortiment). In erster Näherung sind jene Projekte auszuwählen, deren Summe an Einsparungen es erlaubt, das Sanierungsziel zu erreichen. a) Liste der Projekte mit höchster Rentabilität (= Sanierung) b) Liste der aus andern Gründen nötigen Projekte (= Sanierung) c) Liste der übrigen Projekte (= Reserve) 227


www.claudia-wild.de: Mueller__Turnaround_[Druck-PDF]/12.06.2013/Seite 228

11  Sanierung und Restrukturierung

Nachdem jedes Projekt in obiger Weise beschrieben wurde, sind folgende Schritte für die Gesamtheit der Sanierungsprojekte notwendig: ■■

■■

■■ ■■

zeitlicher Verlauf der Projekte bezüglich Realisierung, Lieferfristen, Cash out, Einsparungen; funktionaler und zeitlicher Zusammenhang zwischen einzelnen Projekten (Netzplan); Kapazitätsplanung der am Sanierungsprojekt Beteiligten; Einfluss der Projekte auf das Marktmodell und das Betriebsmodell.

Realisierung Ziel ist, die einmal bestimmten Projekte entsprechend der Zielsetzung und der Detailpläne zu realisieren. Im Gesamtprojekt werden Zielsetzung, Liquidität des Unternehmens und die Konstanz der Rahmenbedingungen verfolgt. Daneben werden die einzelnen Projekte kontrolliert. Verfolgt werden: Investitionsbedarf, Kosten des Projekts, Einsparungen, Termine, zu erreichende Qualität und Organisation des Projekts. Jedes Projekt

Übersicht Detailkonzepte

11.07

Liste der nötigen Projekte aus Grobabklärung Pro Projekt:

Investitionen, Kosten Sanierung Einsparungen / Mehrertrag Terminplan, Projektkapazität Organisation des Projekts Qualitätsziel, Risiko Erfüllt Projekt Payback? ja

nein

Erfüllt Gesamtheit der Projekte das Sanierungsziel? ja Investitionsantrag pro Projekt Genehmigung? ja Organisation des Gesamtprojekts, zu verfolgende Meilensteine Realisierung

228

nein

Stopp


www.claudia-wild.de: Mueller__Turnaround_[Druck-PDF]/12.06.2013/Seite 347

Nachwort In Mailand ist Fussball das Wichtigste. Man ist entweder Milanista oder Interista. Beides zusammen geht nicht. So war das 1970 auch in Marketing und Management. Man war entweder ein Anhänger von Kotler oder von Drucker. Drucker war mir damals zu theoretisch und zu abgehoben. Ich habe den Zugang zu Drucker erst später gefunden und bin heute überzeugt, dass die Kombination der Ideen der beiden Verfasser, Marketing bei Kotler und Management bei Drucker, ein gemeinsames Ganzes ergibt. Ich bin jedoch im Studium und in den frühen Phasen der beruflichen Tätigkeit mit Kotler aufgewachsen. Viele der im vorliegenden Buch beschriebenen Methoden und Instrumente basieren auf Ideen aus seinen Büchern. So ist beispielsweise das MSB-Modell eine Methode, die bei Kotler in anderer Form viel früher schon beschrieben wurde. Das vorliegende Buch richtet sich an den Praktiker. Ich versuche, Methoden und Instrumente für die Praxis zu beschreiben. Jeder Manager möchte sein Unternehmen verbessern. Bevor jedoch Verbesserungsaktionen gestartet werden, ist eine Analyse des Ist-Zustandes unbedingt notwendig. Ich habe mich denn auch über weite Teile auf die Analyse von Unternehmen konzentriert. Wollen die so angesprochenen Manager ihr theoretisches Wissen vertiefen, seien ihnen Kotler und Drucker wärmstens empfohlen. Die Basis jeder Geschäftstätigkeit ist dort besser beschrieben als in meiner Praktikerfibel. Während in der modernen Literatur die praxisnahe Struktur der Marketinglehre mitunter zu fehlen scheint, habe ich in einem Buch aus dem Jahr 1988 mir zusagende Strukturierungen gefunden. Das Buch von Weinhold-Stünzi bietet eine klare Struktur der Marketinglehre. Ich habe seine Strukturansätze übernommen. Weinhold-Stünzi steht für «helvetisches Marketing». Während Kotler manchmal für die Tribüne schreibt, ist der Schweizer rigide, schreibt eher eine Vorlesung für Studierende. Einige der im Buch beschriebenen Methoden und Instrumente habe ich aus der täglichen Arbeit abgeleitet. So ist beispielsweise die Beschreibung der Lohnpyramide von E. Hauser ohne Änderung übernommen worden. Er hat diese Ideen in einer der von mir geleiteten Firmen eingeführt und ich habe später nie ein besseres System gefunden. Ich bin aufgewachsen in der Zeit divergierender Marktsysteme. Über sozialistische Planwirtschaft mag ich mich nicht äussern; sie hat sich ja selbst abgeschafft. Weit interessanter sind jedoch die Unterschiede zwischen sozialer Marktwirtschaft und «Neoliberalismus» oder «Ultraliberalismus». Ich glaube, jeder Manager, der Unternehmen geführt hat, neigt zur sozialen Marktwirtschaft, weil er begriffen hat, dass ohne Mitarbeiter nichts geht. Ich habe erst 347


www.claudia-wild.de: Mueller__Turnaround_[Druck-PDF]/12.06.2013/Seite 348

Nachwort

kürzlich ein Buch von Hans Küng gefunden. Es heisst Anständig wirtschaften. Ich erachte es als Pflichtlektüre für jeden Manager. Zwei Vorgesetzte haben meine Arbeitsweise und die anzuwendenden Methoden entscheidend beeinflusst: Dr. Hans Steinegger, CEO des JuraCement-Konzerns, und Aarre Metsävirta, Mitglied der Konzernleitung der m-real in Finnland. Da ich nie ein pflegeleichter Untergebener war, sei ihnen an dieser Stelle herzlich gedankt. Besser spät als nie. Steinegger und Metsävirta waren Vorgesetzte mit Ecken und Kanten, beide hielten ohne Kompromisse an einer Linie fest, und beiden war ein Stil eigen, der von Einfachheit und Ehrlichkeit geprägt war. Beide waren Vertreter der sozialen Marktwirtschaft. Die Methodik einer Problemlösung und die Führung von Mitarbeitenden habe ich weitgehend im Militär gelernt. Als Generalstabsoffizier und Regimentskommandant habe ich zwar oft über den militärischen Leerlauf geflucht, aber als ich endlich begriffen hatte, dass die Methodik der Lagebeurteilung reine Marketinglehre war, habe ich in hohem Mass profitiert. Ich will an dieser Stelle Divisionär Paul Ritschard danken, der mich mit seinem auf das Wesentliche fokussierten Vorgehen (für einen hohen Offizier eine seltene Gabe) noch und noch angeleitet hat. Seit 2005 arbeite ich in der Firma MKR Partner in Solothurn. Die acht Partner dieser Firma haben durch Diskussionen und Korrekturen wohl mehr zum Inhalt beigetragen als ich selbst. Sie waren allerdings keine einfachen Gesprächspartner. Andreas Marti möchte ich speziell erwähnen. Er war der kompetente Begleiter in allen Lagen. So bleibt abschliessend festzuhalten, dass der Innovationswert des vorliegenden Buchs bescheiden ist. Alle Ideen stammen aus der Praxis und sind mit vielen Diskussionen erhärtet worden. Der Verfasser hat eigentlich nur zusammengefasst. Ich hoffe, die Lektüre lohne sich trotzdem. Jürg Müller Kirchdorf, im Februar 2013

348


www.claudia-wild.de: Mueller__Turnaround_[Druck-PDF]/12.06.2013/Seite 349

Quellen Peter F. Drucker

Management, Band 1 und 2 Campus Frankfurt/New York

Peter Faulhaber, Norbert Landwehr

Turnaround-Management in der Praxis Campus Verlag, Frankfurt

Philip Kotler

Marketing-Management C. E. Poeschel Verlag, Stuttgart

Philip Kotler

Marketing für Nonprofit-Organisationen C. E. Poeschel Verlag, Stuttgart

Hans Küng

Anständig wirtschaften Piper München/Zürich

Jürg Leupold

Management Development Verlag Moderne Industrie, Landsberg/Lech

Kasimir M. Magyar

Das Marketing-Puzzle Verlag Moderne Industrie, Landsberg/Lech

Heinz Weinhold-Stünzi

Marketing in 20 Lektionen Fachmed AG, St. Gallen

349


www.claudia-wild.de: Mueller__Turnaround_[Druck-PDF]/12.06.2013/Seite 350


www.claudia-wild.de: Mueller__Turnaround_[Druck-PDF]/12.06.2013/Seite 351

Der Autor

Jürg Müller, geboren 1942. Diplom als Elektroing. ETH mit Schwergewicht Regelungstechnik (1968), Diplom als Betriebsing. ETH mit Schwergewicht Marketing (1969), Dr. sc. tech. ETH mit einer Arbeit über Kostenwirksamkeit technischer Systeme (1972). Kybernetiker (Erstellen mathematischer Modelle) bei der GRD in Bern (1969–1972). Abteilungsleiter der Abteilung Systemanalyse und Unternehmensberatung bei der BBC-Schweiz (1972–1978). Direktor der Cementfabrik + Kalkfabrik Wildegg und des Kraftwerkes Rüchlig in Aarau (1978–1990). Generaldirektor der Papierfabrik Biberist (1991–2004). Direktor der Papierfabrik Utzenstorf (1994–1996). Vorstandsvorsitzender der Zanders Feinpapiere AG in Bergisch-Gladbach, Deutschland (2000–2004). Geschäftsführer der MKR Partner AG in Solothurn (2005–2012). Präsident des VR der MKR Partner AG (seit 2013). 351


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.