Technik
Studiobericht Chris Liebing
Chris Liebing ist nicht nur der Schöpfer des Begriffs „Schranz“, über den er heute lachend sagt: „Hätte ich gewusst, wie populär das wird, hätte ich mir was Schöneres überlegt.“ Sondern als DJ und Produzent auch einer der beständigsten Namen auf den obersten Plätzen fast aller relevanten DJ-Polls – und gleichzeitig einer der ersten und konsequentesten Digital-DJs. Was zeigt, dass dem Publikum am Ende herzlich egal ist, womit jemand auflegt und dass vielmehr das Was das entscheidende Kriterium für ein gelungenes DJ-Set ist. Wir können uns also, zeitgleich zum Erscheinen von Traktor Pro, kaum einen kompetenteren Gesprächspartner in Bezug auf digitales Auflegen wünschen. TEXT: Numinos FOTOS: Bernd Bodtländer
Schon sehr früh fand Liebing für sich heraus, dass das einfache Mixen von Platten ihm nicht die kreativen Eingriffsmöglichkeiten bietet, die er sich wünschte. Darum erweiterte er sein Setup kontinuierlich in Richtung umfassender Echtzeit-Manipulation. Ein erster Schritt dahin war ein Cyloops-Sampler, dem bald ein Alesis
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Groove
Air Fx und ein Korg Kaoss-Pad folgten. Und auch als er bereits mit Final Scratch auflegte, stellte Liebing sich einen zweiten Rechner dazu, auf dem Ableton Live mit diversen Loops und Effekt-Plugins lief. Dadurch konnte er ihn über seine Hammerfall-Soundkarte in Echtzeit als Effektgerät nutzen. Dabei hatte er mit einigen Anfangsschwierigkeiten in Bezug auf das Equipment zu kämpfen, das damals in den Clubs bereitsteht. So erinnert er sich, dass er anfangs mit einem Allen & Heath Xone 1D und Xone 92 gearbeitet hat, wobei er insbesondere die 4-Band EQs und das flexible Effekt-Routing des 92ers zu schätzen lernte. Das war allerdings zu einer Zeit, in der Veranstalter noch nicht einmal wussten, was ein Xone 92 ist. Weshalb Liebing vorübergehend einen Xone 3D benutzte, der ja Mischpult und Controller in einem ist. Heute, wo in vielen Clubs der Xone 92 zur Standardausstattung gehört, muss er nur noch seine beiden „Seitenteile“ (die Xone 1D) dazupacken. Liebings Faszination an umfassenden technischen Eingriffsmöglichkeiten hat ihren Ursprung vor allem in jenen Liveauftritten, die er einst gemeinsam mit Jochen Paap alias Speedy J bestritten hat und an die er sich begeistert erinnert: „Wir haben da auf den Gigs ein riesiges Equipment aufgebaut und entsprechend viel Spaß gehabt, damit dann zu spielen. Und wenn man einmal so viel Kontrolle und so viele Möglichkeiten hatte, dann will man nicht mehr zurückgehen.“ Und hier sieht Liebing die Entsprechung zum Auflegen mit
Digitalcontrollern und Traktor: „Ich will immer an Knöpfen drehen – da muss was passieren. Das ist für mich auch die Arbeit, die die Leute dann nachvollziehen können. Und es entkräftet alle Vorurteile, man könne bei DJs, die mit Computern auflegen, nicht sehen, was sie machen.“ T, B, G, D, M Im Gespräch erweist sich Liebing als durch und durch Controller-affin und kann sogar der Inkompatibilität zwischen den ControllerZuweisungen von Traktor 3 und Pro positive Seiten abgewinnen, die ja von vielen Anwendern kritisiert wird und mit entsprechender Neuprogrammierung verbunden ist. „Ich finde das nicht ärgerlich, sondern gut, denn es ist eine gute Gelegenheit, sich und seine Arbeitsweise auch mal wieder neu zu hinterfragen“, sagt Liebing. Er habe mit Traktor 3 und den Controllern mittlerweile sturzbesoffen und blind seine Auftritte bestreiten können. „Aber indem man gezwungen ist, alle Zuweisungen und Strukturen noch mal zu überdenken, kommt man im günstigsten Fall auf neue, interessantere und vielleicht sogar bessere Möglichkeiten – von alleine setzt man sich ja nicht hin und macht das mal eben.“ Bemerkenswert ist dabei, dass Liebing das Auflegen mit Traktor als fordernder empfindet als früher das Arbeiten mit Vinyl, was er damit begründet, dass er heute permanent mixt und neu arrangiert. Das sei mit dem Auflegen vergangener Tage, bei dem man eine Platte bis zum