LaKo 2008- Bildung

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F端r ein solidarisches

NRW!

Beschlussbuch 7. ordentliche Landeskonferenz des Juso-Landesverbandes NRW

Bonn 31.5.2008 bis 01.06.2008


Beschlüsse BILDUNG 1 Kompetenzstufen im integrierten Schulsystem verwirklichen! 2 Ein recht auf warmes Mittagessen bei Nachmittagsunterricht! 3 Kein Samstagsunterricht 5 Drittelparität 7 Hochschulen in NRW weiter entwickeln 10 Änderungsbedarf des Zweiten Bildungswegs

Beschlüsse Juso-Landeskonferenz 2008


Beschluss B1

Kompetenzstufen im integrierten Schulsystem verwirklichen! Schulen sind für uns NRW Jusos mehr als Orte der Vermittlung von Wissen. Im Vordergrund unseres Bildungsverständnisses als NRW Jusos stehen Kompetenzen. Kompetenzen verstehen wir als die Fähigkeit selbst tätig zu werden, Probleme zu erkennen und diese zu lösen. Leitend ist hier die Einsicht, dass nicht Fächer, sondern Schüler zu unterrichten sind. Die Schüler müssen genau dies spüren können. Kompetenzen gehen über Wissen hinaus, sie berücksichtigen stets die Anwendung von Wissen in einer konkreten Situation und schließen vor allem auch das Können ein. Der Begriff der Kompetenz als zentralen Begriff in der schulpolitischen Debatte ist durch unsere Beschlüsse auf Landesebene (Jusos und SPD) bereits verankert. Er soll in der weiteren Diskussion um die bessere Ausgestaltung unseres Bildungssystems ein Dreh- und Angelpunkt der Konzeption sowohl der äußeren als auch inneren Reform von Schulen werden. Mit Kompetenzen wollen wir das starre Fächersystem an Schulen aufbrechen. Interdisziplinäres Problemlösen statt fachbezogenem Wissen soll Vermittlungsinhalt von Schulen werden. Wir fordern als NRW Jusos, dass Schulen darauf abzielen sollen, Schülerinnen und Schülern Kompetenzen zu vermitteln. Die Geschwindigkeit des Kompetenzerwerbs unterscheidet sich allerdings von Schülerin und Schüler zu Schülerin und Schüler und von Fach zu Fach. Aus diesem Grund sind eine Abkehr vom Konzept altershomogener Jahrgangsstufen und eine Hinwendung zu fachspezifischen Kompetenzstufen notwendig. Erstes Ziel beim Besuch eines kompetenzstufenbasierten integrierten Schulsystems ist das Erreichen des gemeinsamen Basisabschlusses. Die individuelle Lernzeit in der Schule kann dabei durchaus unterschiedlich sein ohne, dass es ein „Sitzenbleiben“ und die komplette Rückstufung im Sinne eines Jahrgangsstufensystems gibt. Über das für den Basisabschluss notwendige Kompetenzprofil und die hierzu erforderliche Anzahl an Kursen wollen wir ein Mindestalter, das Schülerinnen und Schüler beim Verlassen der Schule erreicht haben müssen, vorgegeben. Es existieren unterschiedlich definierte Kompetenzen als erweiterter Lernbegriff: Neben den allgemeinen Fachkompetenzen werden zusätzlich folgende Kompetenzen unterschieden: die Methodenkompetenz, die Selbstkompetenz, also das Einschätzen von Stärken und Schwächen und die Fähigkeit zur Selbstreflexion etc., die Sozialkompetenz. Ziel eines kompetenzbasierten Schulsystems muss es nach Meinung der NRW Jusos sein, eine Handlungskompetenz der SchülerInnen herzustellen. Schüler und Schülerinnen sollen nicht nur in Lernsituationen bestehen können, sondern sollen auch in außerschulischen Situationen handlungsfähig sein. Als Ziele und Folgen aus dieser Definition von Kompetenzen ist uns klar, dass es ein Ab-wenden vom „Lernen von Fakten auf Vorrat“ bedeutet. Die unterschiedlichen Kompetenzen müssen in die innere Reform hin zu einem integrierten Schulsystem mit einbezogen werden. Es gilt, Kompetenzvermittlung gleichberechtigt als Unterrichtsziel an- und aufzunehmen. Dazu ist es erforderlich, den Unterricht und die Lehrpläne zu überarbeiten und die zu entwickelnden Kompetenzen sowohl aus fachlicher wie auch aus überfachlicher Sicht zu konkretisieren und dabei Lernsituationen zu schaffen, die zur Vermittlung der Kompetenzen geeignet sind. Wir wollen mit diesem Antrag keine „Umsetzungsverordnung“ zur Einführung und Regelung eines Kompetenzstufenmodells beschließen, sondern ein erstes Beschreiben von Rahmenbedingungen, Konsequenzen und Risiken der Umstellung von Jahrgangs- zu Kompetenzstufen in Schulen vornehmen. Es wird Aufgabe der nächsten Jahre sein, unsere Vorstellungen zu konkretisieren und ein integriertes Schulsystem zu beschreiben, dessen inhaltliche Ausgestaltungen unseren Vorstellungen, die wir als Beschlusslage bereits festgehalten haben, gerecht wird. Die generelle Möglichkeit zur Umsetzung eines Kompetenzstufenmodells ist nach Auffassung der NRW Jusos nur langfristig in einem integrierten Schulsystem möglich. Wir müssen zur Ausgestaltung des Modells die wichtigen und notwendigen Rahmenbedingungen beschreiben. Zwingend notwendig zu einer inneren Reform von Schule sind unsere bekannten Ziele, z. B. die Einführung neuer Lern- und Unterrichtsformen, der allgemeine Ganztagsbetrieb der Schulen und eine kostenfreie Bildung, die schon im frühkindlichen Bereich ansetzt. Unserer Auffassung nach müssen außerdem ergänzende zusätzliche Professionen an Schule eingebracht werden.

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Die NRW Jusos machen sich bei einer verstärkten Orientierung an der Idee des kompetenz-vermittelnden Lernens an Schulen für eine Ausgewogenheit zwischen Kontinuität (Klassenverband, Lehrer) und Flexibilität stark. Es ist aus unserer Sicht zwingend notwendig, dass die Ausgestaltung eines Kompetenzstufenmodells hier auch den Ansprüchen der Schülerinnen und Schülern gerecht wird. Wichtig ist uns außerdem, dass eine Stetigkeit der individuellen Förderung diese über Betreuungsteams sichergestellt wird. Diese wollen wir durch ein Bildungsbuch ergänzen, dass es zu etablieren gilt. Das Bildungsbuch soll als roter Faden während der gesamten Lernzeit die Bildungsvereinbarungen zwischen Schülerinnen und Schülern und der Schule festschreiben und als äußeren Rahmen für die individuelle Bildung dienen. Im Bildungsbuch werden langfristige Ziele und Perspektiven sowie der kurzfristige Weg der Schülerin oder des Schülers ebenso festgehalten wie die Pflichten aller für den Bildungserfolg Verantwortlicher, also Eltern, Lehrkräfte, Betreuungskräfte sowie der Schüler oder des Schülers selbst. Das Kompetenzstufenmodell muss in unsere Konzeption des Lebenslangen Lernens integriert sein. Frühkindliche Bildung und Grundschule müssen auf ein kompetenzorientiertes Lernen in der weiteren schulischen Bildung vorbereiten. Ausbildung, Hochschulbildung und Weiterbildung müssen das Modell aufgreifen und weiterführen. Nur so wird ein kompetenzbasiertes lebenslanges Lernen aus einem Guss etabliert, dass dazu beiträgt, die Herausforderungen der Wissensgesellschaft im Sinne der Chancengleichheit für Alle individuell zu meistern. Ein Kompetenzstufenmodell an Schulen soll dazu führen, dass SchülerInnen verstärkt das Gefühl haben, „für sich selber“ zu lernen. Hierdurch soll das grundlegende humboldtsche Bildungsideal wieder in den Vordergrund gerückt werden, nachdem es bekanntermaßen nicht um empirisches Wissen, sondern um die Ausbildung bzw. Vervollkommnung der Persönlichkeit des Einzelnen und das Erlangen von Individualität geht. Aber auch für die Lehrkräfte hat die Umsetzung eines kompetenzorientierten Schulsystems Konsequenzen: auch von ihnen werden andere und in letzter Zeit in den Hintergrund gerückte Kompetenzen verlangt. Neben Fach- und Faktenwissen wird es für die Umsetzung des Kompetenzstufenmodells für Lehrkräfte wichtig sein, durch die Ausbildung folgende Punkte in den Fokus zu rücken, um den notwendigen Ansprüchen gerecht zu werden: Gesellschaftsanalyse, Selbstreflexion, Situationsdiagnose betreiben. Lehrkräfte müssen sich darüber hinaus stärker als bisher fortbilden und für neue gesellschaftliche Situationen und Gegebenheiten öffnen. Außerdem müssen neue Lernformen (Unterrichtsgestaltung etc.) und der individuelle Bezug zu SchülerInnen (individuelles Lernen) vermittelt werden. Lehrkräfte in einem kompetenzorientierten Schulsystems müssen diese Punkte nicht nur während der Ausbildung „erlernen“, sondern auch in der Anwendung an Schulen umsetzen. Für die NRW Jusos leiten sich folgende Forderungen ab: Langfristig ist in einem integrierten Schulsystem und Bildungssystem eine verstärkte Vermittlung von Kompetenzen sinnvoll. Das Kompetenzstufenmodell soll hierfür an Schulen die Jahrgangsstufen unter bestimmten Rahmenbedingungen in einem voll umgesetzten integrativen Schulsystem ablösen. Die Grundidee des Kompetenzstufenmodells ist in die aktuelle Debatte um die Weiterentwicklung von Unterricht einzubringen und erste Modelle der Umsetzung sind zu begleiten. Wir NRW Jusos wollen in Zukunft zusammen mit Wissenschaft und Experten Jusos konkretere Umsetzungsmodelle erarbeiten In einer bildungspolitischen Kampagne soll die Grundkonzeption der „Kompetenzstufen“ und das „kompetenzorientierte Lernen“ aufgenommen werden. Für die anstehenden Wahlkämpfe ist wichtig, dass ein neues Lernen an neuen Schulen (integriertes Gemeinschaftsschulmodell) einer veralteten 3-gliedrigen Schulstruktur mit urzeitlichen Lernmethoden (Frontalunterricht) vorzuziehen ist. Unabhängig von der Frage des Modells, bleibt die Forderung der NRW Jusos nach einer bessern finanziellen Ausstattung der Bildungseinrichtungen bestehen, denn: „nur besser aber ohne Geld funktioniert nicht“!

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Beschluss B2

Ein Recht auf ein warmes Mittagessen bei Nachmittagsunterricht! Wir, die NRW Jusos, sprechen uns für einen flächendeckenden Ausbau der Ganztagsangebote an allen Schulformen aus. Dabei muss gewährleistet werden, dass jeder Schülerin und jedem Schüler bei Bedarf die beitragsfreie Teilnahme an Ganztagsangeboten ermöglicht wird. Im Gymnasialbereich sind besondere Anstrengungen erforderlich. Hier steigt der Bedarf im Zuge der Schulzeitverkürzung auf 8 Gymnasialjahre besonders schnell und stark durch die Zunahme des Nachmittagsunterrichts. Halbtagsschulen entwickeln sich so schrittweise zu regelrechten Ganztagsschulen, ohne dass dafür momentan ausreichende Konzepte bestehen. Die Schulen stehen daher vor großen organisatorischen Problemen. Der Ausbau der Ganztagsangebote ist die richtige Antwort auf das Abitur nach 12 Schuljahren. Die Schulträger, ganz besonders die Kommunen, müssen für den Ausbau der Ganztagsangebote handlungsfähig gemacht werden. Die dringend notwendigen Investitionen sind finanziell für die Kommunen allein nicht umsetzbar. Daher ist das Land in der Verantwortung, durch eigene Investitionsprogramme für die Verbesserung der finanziellen Handlungsmöglichkeit der Kommunen in dieser Frage zu sorgen. Ganz konkret fordern wir die Landtagsfraktion der NRW-SPD auf, einen Gesetzentwurf für ein Recht auf ein warmes und nahrhaftes Mittagessen für alle SchülerInnen mit Nachmittagsunterricht auf den Weg zu bringen. Hier sehen wir das Land NRW in der Pflicht, für die Kosten aufzukommen. Die Nahrungsmittel für die Mahlzeiten sollten nicht nur nach Aspekten der ökonomischen Notwendigkeit ausgewählt werden. Auch ökologische Zusammenhänge der Nahrungsmittelproduktion sollen in Erwägung gezogen werden.“ Der Landesverband wird im Schulterschluss mit Aktionsbündnissen, Gewerkschaften und den Betroffenen Kampagnenbausteine und Aktionen erarbeiten, um diese politischen Forderungen Nachdruck zu verleihen und die Landesregierung bis zu ihrem Einlenken mit den Verfehlungen ihrer Schulpolitik zu konfrontieren. Die Einführung der Drittelparität zur Mitbestimmung von Schülern bei wichtigen Entscheidungen im Jahre 2005 war ein Meilenstein zur Demokratisierung des Schullebens. Deren Abschaffung kurz nach der Einführung ist ein herber Rückschlag für das Mitspracherecht der Schüler. Nur im Teamplay zwischen Lehrern, Eltern und Schülern kann ein optimales Ergebnis für die Schule erreicht werden. Einzelentscheidungen allein durch Lehrer führen aufgrund der eindimensionalen Sichtweise nur zu suboptimalen Entscheidungen. Die Demokratisierung von Schulentscheidungen darf nicht so einfach abgeschafft werden! Schülerinnen und Schüler bekommen in NRW ab dem ersten Halbjahreszeugnis Ziffernnoten in den abstrakten Kategorien Betragen, Fleiß, Ordentlich- und Pünktlichkeit. Kopfnoten geben aber keine Auskunft über menschliche oder soziale Eigenschaften. Das Arbeits- und Sozialverhalten ist für LehrerInnen in der Regel intransparent. Die Pädagogen haben keinen Einblick in das soziale Umfeld der SchülerInnen. Die familiären Faktoren sind normalerweise nicht einsehbar und somit auch nicht bewertbar. SchülerInnen mit sozial benachteiligtem Hintergrund z.B. durch Migration und fehlende Kompetenzen der Eltern werden an den Pranger gestellt statt gefördert. Nach Willen der Düsseldorfer Regierung soll es in der Schule von Morgen nicht mehr darum gehen, SchülerInnen zu kritischen und mündigen BürgerInnen zu erziehen und sie individuell nach ihren Kompetenzen zu fördern. Schule verkommt – betrachtet man das Schulgesetz und dessen Konsequenzen genau – zu einem Ort, an dem SchülerInnen stupide Fakten auswendig lernen und reproduzieren müssen. Wir lehnen Kopfnoten generell ab. Und wünschen uns einen direkteren Umgang in den Schulen miteinander. Feedback muss situativ erfolgen und nicht ein halbes Jahr später auf dem Zeugnis durch eine Zahl ausgedrückt werden. So wird keine konstruktive Rückmeldung über das Verhalten der SchülerInnen gegeben. Für ein gutes miteinander sollte es stattdessen eine ehrliche Feedbackkultur in den Schulen geben. Dafür sind die Kopfnoten allerdings kontraproduktiv. Wir fordern deswegen die reguläre Einführung von Klassenstunden, um auf die persönlichen und gruppendynamischen Probleme der SchülerInnen einzugehen und diese gemeinsam zu lösen. Im Zuge der Schulzeitreform („G 8“) wird die gymnasiale Schulzeit bis zum Abitur von bisher neun auf acht Jahre verkürzt. Das Curriculum selbst bleibt von dieser Kürzung unberücksichtigt. Durch die Komprimierung der Lerninhalte auf acht Jahre, ohne die

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notwendige Entlastung der Lehrpläne und eines umfangreichen Ganztagsschulkonzeptes, lassen wir unsere Schülerinnen und Schüler im Akkord lernen. Damit wächst gleichzeitig der Unmut über eine gescheiterte Bildungspolitik, deren Folgen nun von Lehrern, Eltern und Schülern getragen werden müssen. Eine erste sichtbare Reaktion sind die gesteigerten Anmeldezahlen von Gesamtschulen, die die Verkürzung bislang nicht mittragen müssen. Somit ist offensichtlich, dass diese Verkürzung auch in der breiten Öffentlichkeit keinen Rückhalt gefunden hat. Die von der schwarz-gelben Landesregierung eingeführte Schulzeitreform ist überstürzt, schlecht vorbereitet, sozial ungerecht und im Sinne eines Erziehung unserer Kinder zu selbständigen, kritischen und aufgeklärten Bürgern kontraproduktiv, nimmt sie ihnen durch die massiv erhöhte Arbeitsbelastung doch einen großen Teil ihrer Freizeit und damit die Möglichkeiten, wichtige Erfahrungen außerhalb der Schule zu sammeln, sei es durch Vereine, Ehrenamt, soziale Aktivitäten oder normales kindgerechtes Spielen. Auch das Wagnis eines Auslandsjahres als Austauschschüler rückt damit für viele in weite Ferne. Professionelle Nachhilfeeinrichtungen sind die großen Gewinner dieser Reform. Doch die Versäumnisse der Bildungsreform gehen gerade zu Lasten der Schüler aus bildungsfernen Schichten, die sich einen Nachhilfeunterricht nicht leisten können. Zudem wird durch das “Turbo-Abi” gerade diesen Schülern aus Haupt- und Realschulen der Zugang zur gymnasialen Oberstufe verbaut. Somit werden durch die schwarz-gelbe Bildungspolitik die ohnehin schon hohe Chancenungleichheit und mangelnde Durchlässigkeit unseres Bildungssystems, die uns die OECD und Pisa attestiert haben, zusätzlich verstärkt. Die NRW Jusos fordern die Landesregierung auf, die Konsequenzen aus ihrer fatalen Schulpolitik zu ziehen. Wir fordern Frau Sommer auf, die Verantwortung für diese Politik der Selektion und Spaltung zu übernehmen und zurückzutreten!

Beschluss B3

Kein Samstagsunterricht Die NRW Jusos sprechen sich gegen die Einführung von Schulunterricht an Samstagen aus.

Beschluss B5

Drittelparität Die NRW Jusos verurteilen die verfehlte und rückwärtsgewandte Schulpolitik der Landesregierung! Wir fordern die Wiedereinführung der Drittelparität! Wir fordern eine Aussetzung der Einführung einer Schulzeitverkürzung („G8“)! Wir fordern die Rücknahme und Abschaffung von Kopfnoten! Der Landesverband wird im Schulterschluss mit Aktionsbündnissen, Gewerkschaften und den Betroffenen Kampagnenbausteine und Aktionen erarbeiten, um diese politischen Forderungen Nachdruck zu verleihen und die Landesregierung bis zu ihrem Einlenken mit den Verfehlungen ihrer Schulpolitik zu konfrontieren. Die Einführung der Drittelparität zur Mitbestimmung von Schülern bei wichtigen Entscheidungen im Jahre 2005 war ein Meilenstein zur Demokratisierung des Schullebens. Deren Abschaffung kurz nach der Einführung ist ein herber Rückschlag für das Mitspracherecht der Schüler. Nur im Teamplay zwischen Lehrern, Eltern und Schülern kann ein optimales Ergebnis für die

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Schule erreicht werden. Einzelentscheidungen allein durch Lehrer führen aufgrund der eindimensionalen Sichtweise nur zu suboptimalen Entscheidungen. Die Demokratisierung von Schulentscheidungen darf nicht so einfach abgeschafft werden! Schülerinnen und Schüler bekommen in NRW ab dem ersten Halbjahreszeugnis Ziffernnoten in den abstrakten Kategorien Betragen, Fleiß, Ordentlich- und Pünktlichkeit. Kopfnoten geben aber keine Auskunft über menschliche oder soziale Eigenschaften. Das Arbeits- und Sozialverhalten ist für LehrerInnen in der Regel intransparent. Die Pädagogen haben keinen Einblick in das soziale Umfeld der SchülerInnen. Die familiären Faktoren sind normalerweise nicht einsehbar und somit auch nicht bewertbar. SchülerInnen mit sozial benachteiligtem Hintergrund z.B. durch Migration und fehlende Kompetenzen der Eltern werden an den Pranger gestellt statt gefördert. Nach Willen der Düsseldorfer Regierung soll es in der Schule von Morgen nicht mehr darum gehen, SchülerInnen zu kritischen und mündigen BürgerInnen zu erziehen und sie individuell nach ihren Kompetenzen zu fördern. Schule verkommt – betrachtet man das Schulgesetz und dessen Konsequenzen genau – zu einem Ort, an dem SchülerInnen stupide Fakten auswendig lernen und reproduzieren müssen. Wir lehnen Kopfnoten generell ab. Und wünschen uns einen direkteren Umgang in den Schulen miteinander. Feedback muss situativ erfolgen und nicht ein halbes Jahr später auf dem Zeugnis durch eine Zahl ausgedrückt werden. So wird keine konstruktive Rückmeldung über das Verhalten der SchülerInnen gegeben. Für ein gutes miteinander sollte es stattdessen eine ehrliche Feedbackkultur in den Schulen geben. Dafür sind die Kopfnoten allerdings kontraproduktiv. Wir fordern deswegen die reguläre Einführung von Klassenstunden, um auf die persönlichen und gruppendynamischen Probleme der SchülerInnen einzugehen und diese gemeinsam zu lösen. Im Zuge der Schulzeitreform („G 8“) wird die gymnasiale Schulzeit bis zum Abitur von bisher neun auf acht Jahre verkürzt. Das Curriculum selbst bleibt von dieser Kürzung unberücksichtigt. Durch die Komprimierung der Lerninhalte auf acht Jahre, ohne die notwendige Entlastung der Lehrpläne und eines umfangreichen Ganztagsschulkonzeptes, lassen wir unsere Schülerinnen und Schüler im Akkord lernen. Damit wächst gleichzeitig der Unmut über eine gescheiterte Bildungspolitik, deren Folgen nun von Lehrern, Eltern und Schülern getragen werden müssen. Eine erste sichtbare Reaktion sind die gesteigerten Anmeldezahlen von Gesamtschulen, die die Verkürzung bislang nicht mittragen müssen. Somit ist offensichtlich, dass diese Verkürzung auch in der breiten Öffentlichkeit keinen Rückhalt gefunden hat. Die von der schwarz-gelben Landesregierung eingeführte Schulzeitreform ist überstürzt, schlecht vorbereitet, sozial ungerecht und im Sinne eines Erziehung unserer Kinder zu selbständigen, kritischen und aufgeklärten Bürgern kontraproduktiv, nimmt sie ihnen durch die massiv erhöhte Arbeitsbelastung doch einen großen Teil ihrer Freizeit und damit die Möglichkeiten, wichtige Erfahrungen außerhalb der Schule zu sammeln, sei es durch Vereine, Ehrenamt, soziale Aktivitäten oder normales kindgerechtes Spielen. Auch das Wagnis eines Auslandsjahres als Austauschschüler rückt damit für viele in weite Ferne. Professionelle Nachhilfeeinrichtungen sind die großen Gewinner dieser Reform. Doch die Versäumnisse der Bildungsreform gehen gerade zu Lasten der Schüler aus bildungsfernen Schichten, die sich einen Nachhilfeunterricht nicht leisten können. Zudem wird durch das “Turbo-Abi” gerade diesen Schülern aus Haupt- und Realschulen der Zugang zur gymnasialen Oberstufe verbaut. Somit werden durch die schwarz-gelbe Bildungspolitik die ohnehin schon hohe Chancenungleichheit und mangelnde Durchlässigkeit unseres Bildungssystems, die uns die OECD und Pisa attestiert haben, zusätzlich verstärkt. Die NRW Jusos fordern die Landesregierung auf, die Konsequenzen aus ihrer fatalen Schulpolitik zu ziehen. Wir fordern Frau Sommer auf, die Verantwortung für diese Politik der Selektion und Spaltung zu übernehmen und zurückzutreten!

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Beschluss B7

Hochschulen in NRW weiter entwickeln 1. Situation an den HS In Deutschland existieren 109 Universitäten und 181 Fachhochschulen. In NRW 14 staatliche Universitäten, eine private Universität, sowie 12 staatliche Fachhochschulen, 4 Verwaltungsfachhochschulen und 11 nicht-staatliche Fachhochschulen. Neben den allgemein verbreiteten Universitäten und Fachhochschulen existieren in kleinerer Zahl auch kirchliche Hochschulen etc. Deutschlandweit besuchen 1,4 Millionen Studierende die Universitäten und 0,55 Millionen Studierende eine Fachhochschule. Hieraus lässt sich statistisch ableiten, dass Universitäten in der Regel größere Einrichtungen mit mehr Studierenden und einer größeren Anzahl an Studiengängen sind. Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass die soziale Herkunft der Studierenden an Universitäten im Vergleich zu Fachhochschulen durchaus verschieden ist. So haben rd. 61-73% der Studierenden an Universitäten eine gehobene und höhere soziale Herkunft, an Fachhochschulen liegt dieser Anteil bei rd. 51%. Universitäten unterscheiden sich in der Frage der Zugangsberichtigung (Hochschulreife und Fachhochschulreife) und der Berechtigung zur Promotion, die es an Fachhochschulen nicht gibt. Der Anteil der Studierenden mit allgemeiner Hochschulzugangsberechtigung an Universitäten beträgt 95 %, an Fachhochschulen 55 %. Dabei handelt es sich nicht um ‚Ausweich-Strategien‘ – in der Regel ist der Numerus Clausus an FHn ‚schärfer‘ als an Universitäten. Beiden Systemen ist der Auftrag zu Lehre und Forschung gemein. Auch das Personal und insbesondere die Professoren sind formal gleichgestellt, obwohl es faktische Unterschiede bei Lehrdeputation und Eingruppierungen gibt.

2. Bologna Bis 2010 wird der Umstellungsprozess auf gestufte Studiengänge (auch für Staatsexamina) weitgehend abgeschlossen sein. Die Bachelor-Abschlüsse an Fachhochschulen und Universitäten sind gleichgestellt. Bachelor-Abschlüsse sind unter dem Gesichtspunkt der Berechtigungen den FH-Diplomen gleichgestellt. Jeder Bachelor-Abschluss berechtigt formal zur Aufnahme eines Master-Studiums egal an welcher Hochschulart. Die Bachelor- und Master-Abschlüsse sind dementsprechend nicht mehr durch einen Zusatz (Diplom FH) gekennzeichnet. Für den zukünftigen Arbeitgeber von BachelorabsolventInnen erschließt sich Hochschule und Kompetenzen allein durch das Diploma Supplement1. Alle Studienprogramme sind gleichermaßen zu akkreditieren. Durch unterschiedliche Regelstudienzeiten wird aber ein problemloser Wechsel zwischen FH-Bachelor zu Uni-Master erschwert und teilweise unterbunden. Ein problemloser Wechsel unter diesem Gesichtspunkt (Vorgabe: insgesamt 10 Sem. bis zum Master-Abschluss) ist i. d. R. nur innerhalb einer Hochschule gesichert. Universitäten versuchen durch spezielle Zugangsvoraussetzungen FH-Bachelor-Absolventen aus den universitären Masterprogrammen auszugrenzen. Trotz Bologna: Unterschiede! Traditionell werden Fachhochschulen eher als lehr- und praxisorientierte und Universitäten als forschungsorientierte Einrichtungen definiert. Im Zuge des Bolognaprozesses wird aber immer deutlicher, dass sich diese Unterscheidung von Lehr- und Forschungsbezug an den Abschlüssen Bachelor (Praxisorientierung) und Master (Forschung als zwingende Voraussetzung) festmachen. Die Auswahl der Lehrinhalte an Fachhochschulen beinhaltet neben den Grundlagen eine höhere Anwendungsorientierung. Fachhochschulen sind zudem stärker durch regionale Wirtschaftspartner be1 Das „Diploma Supplement“ (DS) ist ein Text mit einheitlichen Angaben zur Beschreibung von Hochschulabschlüssen und damit verbundener Qualifikationen. Als ergänzende Information zu den offiziellen Dokumenten über Hochschulabschlüsse (Verleihungs-Urkunden, Prüfungs-Zeugnisse) soll es - international und auch national - die Bewertung und Einstufung von akademischen Abschlüssen sowohl für Studien- als auch für Berufszwecke erleichtern und verbessern.

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einflusst, während Universitäten meist eher unabhängig angelegt sind. Es steht aber zu erwarten, dass sich dies mit der Umsetzung des Hochschulfreiheitsgesetzes in NRW gleichfalls ändert. Denn vor dem Hintergrund der landespolitischen Änderungen durch das Hochschulfreiheitsgesetz kommt es nun zu einer verschärften Konkurrenzsituation aller Hochschulen untereinander. Durch den finanziellen Druck durch Einführung der Globalhaushalte steigt die Notwendigkeit der Hochschulen zum Einwerben von Drittmitteln zur Forschung und Entwicklung bei staatlich getragenen Institutionen, KMUs und Industrie. Dies allerdings, ohne dass die Fachhochschulen gleichwertig mit den Universitäten im Bereich Forschung und Entwicklung ausgestattet wären. Nicht nur, dass die Fachhochschulen und Universitäten einzeln betrachtet schon mit unterschiedlichen Voraussetzungen in dieses Rennen gehen, so existiert eine institutionelle Benachteiligung der Fachhochschulen gegenüber den Universitäten im Bereich der Forschung, vor allem in der Unterausstattung im akademischen Mittelbau. Im Bereich der Lehre haben Fachhochschulen, insbesondere in den Bachelorstudiengängen, gegenüber Universitäten den Vorteil eines hohen Betreuungsverhältnisses der Studierenden.

3. Konsequenz Wir brauchen eine einzige starke Hochschulsäule, die Vorteile aus beiden Systemen intelligent verknüpft und weiterentwickelt sowie existierende Nachteile in beiden Systemen dadurch aufhebt. Nach Meinung der NRW Jusos muss das zweigliedrige Hochschulsystem in NRW langfristig aufgebrochen werden. Zur optimalen Entwicklung der Hochschulen in NRW muss ein Prozess der Verbesserung der strukturellen Situation an den Hochschulen eingeleitet werden. Hierzu müssen vielfältige bereits beschriebene Forderungen der Jusos umgesetzt werden.

4. Forderungen der NRW Jusos: • Universitäten und Fachhochschulen müssen als Hochschulen in NRW ihre Individualität und Spezifität in Studiengängen und Forschungsbebieten entfalten können. Hier sind Unterschiede und eine breite Vielfältigkeit in der Hochschullandschaft erstrebenswert und insbesondere durch eine landesweite Steuerung zur Hochschulentwicklung zu unterstützen. • Hierbei ist allerdings zwingenderweise die Vergleichbarkeit und Durchlässigkeit zwischen gleichen Studiengängen zu garantieren. Der reibungslose Wechsel zwischen Bachelorabschluss und Masterstudiengängen muss ohne Quotierung garantiert sein (unabh. ob es sich um einen konsekutiven oder nicht konsekutiven Masterstudiengang handelt). Das bedeutet faktisch, dass die jeweiligen Studiengänge unabh. von der Art der HS (FH oder Universität) formal gleichen Ansprüchen genügen müssen (bei inhaltlichen studienspezifischen Unterschieden). • Um nicht noch eine (soziale) Hürde im Bildungssystem zu errichten, soll der Übergang zu einem Master-Studium für so viele Leute wie möglich offen stehen. Daher fordern wir NRW Jusos einen Rechtsanspruch auf ein Master-Studium für alle Studierende mit einem abgeschlossenen BachelorStudium. • Die beiden Hochschulsysteme (Uni und FH) sind gleichberechtigt zu behandeln und es ist eine gleichwertige finanzielle und personelle Ausstattung sicher zu stellen. Das bedeutet, dass Universitäten für die Bachelorstudiengänge verstärkt auf eine praxisbezogene Lehre setzen und Fachhochschulen für die Masterstudiengänge in Zukunft vermehrt Forschungsangebote machen müssen. • Jeder Masterabschluss muss zu einer entsprechenden fachbezogen Promotion führen können. Nach Umsetzung dieser und weiterer Maßnahmen wird die Entwicklung der Hochschullandschaft hin weg von einem zweigliedrigen System der natürliche Weg sein. Dieser ist zur optimalen Entfaltung und Entwicklung der Hochschulen zu unterstützen und nicht künstlich zu blockieren. Am Ende dieses Prozesses wird eine einzige Hochschulsäule stehen (müssen). Über die Wege und die unterstützenden Maßnahmen auf diesem Weg werden die NRW Jusos weiter beraten. Außerdem werden wir NRW Jusos die Politik der Landesregierung intensiv begleiten und die schwarzgelbe Landesregierung mit ihrer verheerenden Hochschulpolitik in den Wahlkämpfen stellen sowie das „einzig gültige Mantra“ von FDP und CDU: „Privat vor Staat“ mit unseren inhaltlichen Forderungen argumentativ widerlegen. Wir werden aber auch die Bundespolitik an dieser Stelle in die Pflicht nehmen, da nach Meinung der NRW Jusos Bildungspolitik in die Zuständigkeit des Bundes fallen sollte!

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Beschluss B 10

Änderungsbedarf des Zweiten Bildungswegs Die NRW Jusos fordern, dass das BAföG unter Beachtung des Zweiten Bildungsweges angepasst, der Anspruch auf Bildungsurlaub in diesem Rahmen erweitert und Aktionen gestartet werden, die den Zweiten Bildungsweg als Chance für mehr Bildung in das öffentliche Bewusstsein rücken. Im Einzelnen bedeutet dies: 1. Der Landesvorstand der NRW Jusos setzt sich innerhalb der Bundesverbände der Jusos und der SPD für eine einheitliche elternunabhängige BAföG-Förderung über den gesamten Bildungsabschnitt Zweiter Bildungsweg inklusive folgendem Studium ein, auch wenn das konsekutive Masterstudium erst nach dem 30. Lebensjahr aufgenommen wird 2. Der Landesvorstand der NRW Jusos setzt sich gegenüber der nordrhein-westfälischen Landesregierung und der NRW SPD dafür ein: - dass der derzeit bestehenden Anspruch auf Bildungsurlaub in NRW explizit auf die (Abitur-) Prüfungen des Zweiten Bildungswegs ausgeweitet wird - dass in diesem Zusammenhang §3, Absatz 7 des AWbG, der unter anderem eine Einschränkung des Anspruchs auf Bildungsurlaub auf Betriebe ab 10 Mitarbeitern beinhaltet, ersatzlos gestrichen wird 3. Der Landesvorstand in Verbindung mit den verschiedenen Gliederungen der NRW Jusos: - entwickelt Lösungen, die nicht nur auf den ersten Bildungsweg abzielen, sondern Wege aufzeichnen, wie die Besonderheiten in den Ansprüchen des Zweiten Bildungsweges in bestehende und neu entwickelte Bildungskonzepte integriert werden können - führt über die expliziten Chancen und den Reformbedarf des Zweiten Bildungswegs eine öffentliche Debatte und trägt diese Überlegungen auch in die nordrhein-westfälische SPD

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