npoR 2012, Heft 3

Page 1

npoR

www.npoR.de

Heft 3/2012

Seiten 101–176

Zeitschrift für Das Recht der Non ProfiT Organisationen

Herausgeber Prof. Dr. Birgit Weitemeyer (geschäftsführend), Dr. Wilhelm-Albrecht Achilles, Prof. Dr. Arnd Arnold, Prof. Dr. Michael Droege, Prof. Dr. Hans Fleisch, Prof. Dr. Stefan Geibel, Prof. Dr. Rainer Hüttemann, Prof. Dr. Monika Jachmann, Prof. Dr. Dominique Jakob, Prof. Dr. Peter Rawert, Prof. em. Dr. Dieter Reuter, Dr. Andreas Richter, Dr. Stephan Schauhoff, Dr. Ulrich Segna, Thomas Wachter, Dr. Reinmar Wolff

Aufsätze

Konzernrecht des Vereins? (Prof. em. Dr. Dieter Reuter) S. 101 Die Einbindung der Erhebung der Kirchensteuer als Zuschlag zur Kapitalertragsteuer in die Philosophie der Abgeltungsteuer (Dr. Jens Petersen) S. 108 „Mission Investing“ – Impulse für wirkungsvolles Stiftungsvermögen (Melinda Weber/ 115 Sascha Voigt de Oliveira/Dr. Alexander Becker) S.

Praxisforum Studie „Quo vadis Deutschlandstipendium?“ (Michael Beier, M.Sc.) Ermäßigter Umsatzsteuersatz nur auf originär gemeinnützige Leistungen? (Dr. Christian Kirchhain)

S. 121 S. 123

npoR-Report npoR-Report Stiftungsrecht, Vereinsrecht und Steuerrecht (Clara Lienicke/Janne Seelig/Peter Stark)

S. 130

Rechtsprechung VGH Baden-Württemberg: Nicht rechtsfähige Stiftung des bürgerlichen Rechts als Gewerbetreibende (mit Anmerkung Matthias Uhl) FG Hessen: Versagung der Gemeinnützigkeit bei Weiterleitung erwirtschafteter Mittel an andere Körperschaft VG Berlin: Institutionelle Förderung des Goethe-Instituts keine staatliche Beihilfe (mit Anmerkung Dr. Anika Gilberg)

S. 138 S. 152 S. 155

Verwaltungsanweisungen OFD Frankfurt a.M.: Wirtschaftliche Hilfsbedürftigkeit i.S.dd. § 53 Nr. 2 S. 1 AO (mit Hintergrund Dr. Robert Schütz/Prof. Dr. Birgit Weitemeyer)

S. 163


Das Institut wird gefördert durch die

npoR Zeitschrift für das Recht der Non Profit Organisationen Heft 3/2012

Titelbild: Das Titelbild zeigt einen Kirschbaum vor dem Auditorium der Bucerius Law School. Das Bäumchen wurde 2006 in Gedenken an Prof. Dr. W. Rainer Walz, Direktor des Instituts für Stiftungsrecht und das Recht der Non-Profit-Organisationen von 2002–2006, auf Initiative von Dr. Hansgeorg Jehner gepflanzt. Prof. Dr. Walz hatte zu Studentenzeiten in Tübingen hin und wieder Kirschen von fremden Bäumen genossen. Dies nahm sein Studienfreund Dr. Jehner, Gründer der Humanistischen Stiftung Frankfurt a.M., zum Anlass, ihm jährlich zum Geburtstag einen großen Korb Kirschen zu schenken. Diese Tradition lebt in dem Kirschbaum fort.

Herausgeber:

Prof. Dr. Birgit Weitemeyer (geschäftsführend) Dr. Wilhelm Albrecht Achilles Prof. Dr. Arnd Arnold Prof. Dr. Michael Droege Prof. Dr. Hans Fleisch Prof. Dr. Stefan Geibel Prof. Dr. Rainer Hüttemann Prof. Dr. Monika Jachmann Prof. Dr. Dominique Jakob Prof. Dr. Peter Rawert, LL.M. Prof. em. Dr. Dieter Reuter Dr. Andreas Richter, LL.M. Dr. Stephan Schauhoff Dr. Ulrich Segna Thomas Wachter Dr. Reinmar Wolff Schriftleitung: Dr. Gregor Roth Redaktionsleitung: Janne Seelig Redaktion: Julian Albrecht Clara Lienicke Peter Stark Julia Theele

Beirat des Instituts für Stiftungsrecht und das Recht der Non-Profit-Organisationen: Arndt P. Funken Prof. Dr. Rainer Hüttemann Prof. Dr. Thomas Koller Prof. Dr. Karl-Heinz Paqué Prof. Dr. Peter Rawert, LL.M. Prof. em. Dr. Dieter Reuter Dr. Andreas Richter, LL.M. Prof. Dr. Dres. h.c. Karsten Schmidt Prof. Dr. Verica Trstenjak Rolf Hunck (Ehrenmitglied)

Bibliographische Hinweise: Die Zeitschrift wurde als BLS NON PROFIT LAW NEWS eingeführt (Ausgaben 0/2003 bis 4/2008). Seit 2009 trägt sie den Namen „Zeitschrift für das Recht der Non Profit Organisationen“. Zitierweise: npoR ISSN 1868-3762 (Online-Ausgabe, Print-Ausgabe: 1868-3770) Herausgeber: Institut für Stiftungsrecht und das Recht der Non-Profit-Organisationen Bucerius Law School Hochschule für Rechtswissenschaft gemeinnützige GmbH Jungiusstraße 6 20355 Hamburg Geschäftsführer: Dr. Hariolf Wenzler, Benedikt Landgrebe (Stellvertreter) Vorsitzender des Aufsichtsrats: Prof. Dr. Michael Göring, Amtsgericht Hamburg, HRB 75325 Redaktionelle Gesamtverantwortung: Prof. Dr. Birgit Weitemeyer Schriftleitung: Dr. Gregor Roth; Redaktionsleitung: Janne Seelig; Redaktion: Julian Albrecht, Clara Lienicke, Peter Stark, Julia Theele. Institut für Stiftungsrecht und das Recht der Non-Profit-Organisationen, Bucerius Law School, Jungiusstraße 6, 20355 Hamburg. Telefon: (040) 30706 -270. Telefax: (040) 30706 -275. E-Mail: Redaktion@npoR.de. npoR im Internet:

www.npoR.de.


Vorwort

npoR Heft 3/2012

I

Liebe Leserinnen und Leser, Fußball Europameisterschaft, Olympische Spiele, Eurokrise und US-amerikanischer Präsidentschaftswahlkampf – die heutige Staatenwelt ist so miteinander verwoben, dass über die gegenseitigen Abhängigkeiten der Weltwirtschaft, die gemeinsamen oder gegenläufigen (politischen) Interessen und nicht zuletzt die internationalen Anforderungen an den Finanzsektor auch das Stiftungswesen zu einem mehr und mehr internationalen Geschäft wird. Grund genug, Sie zu einem kurzen Rundblick über die Grenzen des deutschen Stiftungswesens hinaus einzuladen. Etwa sind beim Nachbarn Schweiz neue Zahlen erhoben worden (vgl. zum Ganzen www.stiftungsreport.ch). Ende 2011 waren dort 12.715 klassische Stiftungen eingetragen, welche ein Gesamtvermögen – diese Zahl ist neu – von ca. 70 Mrd. CHF auf sich vereinigen. Die Zahl der Stiftungen ist nach wie vor steigend. In absoluten Zahlen führt der Kanton Zürich (2.203 Stiftungen); die höchste Stiftungsdichte herrscht in Basel-Stadt mit 46 Stiftungen/10.000 Einwohner; die niedrigste Stiftungsdichte in der Schweiz (Kanton Aargau mit 8 Stiftungen/10.000 Einwohner) ist aber höher als diejenige der stiftungsreichsten Stadt Deutschlands (Würzburg mit 7,7). In Liechtenstein ist die Zahl der hinterlegten Privatstiftungen signifikant gesunken, von ursprünglich ca. 50.000 auf ca. 35.000. Hauptgründe sind die bekannten Ereignisse steuerpolitischer Natur. Verstärkt möchte man im Fürstentum nun auf gemeinnützige Stiftungen setzen, für die das reformierte Recht eine beachtenswerte Grundlage bietet. Apropos: Interessant sind die Vorschläge, welche die Financial Action Task Force on Money Laundering (FATF) in ihren zum 16.2.2012 überarbeiteten „Recommendations“ vorlegt und in welchen auf die spezielle Gefährdungslage von Non-Profit-Organisationen, Stiftungen und Trusts hingewiesen wird. So seien auch gemeinnützige Stiftungen einer erhöhten Missbrauchsgefahr u.a. durch terroristische Organisationen ausgesetzt, so dass zu einer stärkeren Regulierung des Non-Profit-Sektors geraten wird. Ein großes Thema ist ferner der US Foreign Account Tax Compliance Act (FATCA), der ausländische Rechtsgebilde zur Meldung über die Vermögensverhältnisse von US-Steuerpflichtigen an die US-Steuerbehörden zwingen soll; auch der Stiftungssektor wird sich hierauf einzustellen haben. Die Abzugsfähigkeit grenzüberscheitender Spenden ist Thema des Crossborder Giving. Das „Persche“-Urteil des EuGH vom 27.1.2009 hat unionsweit zu Rechtsanpassungen bei derzeit knapp 20 Staaten geführt. Abgründe bieten freilich Blicke ins Detail, etwa das weitere Schicksal des Klägers der Rechtssache „Persche“, dem das FG Münster (Urteil v. 8.3.2012, 2 K 2608/09 E, s. npoR 2012, 77 ff.) im zweiten Rechtszug den Spendenabzug mit Blick auf die formalen Gemeinnützigkeitsvorgaben des deutschen Rechts versagte (überraschend, weil das FG Bremen v. 8.6.2011, 1 K 63/10 6, s. npoR 2012, 85 ff., deutlich liberaler geurteilt hatte). Nun liegt die Sache beim BFH und könnte erneut den EuGH beschäftigen. Auch in Österreich muss aufgrund eines Urteils des EuGH vom 16.6.2011 (Rs C-10/10) nachgebessert werden. Und so könnte man zu dem Schluss kommen, dass es der Europäischen Stiftung bedarf. Ein Blick in den Entwurf einer „Fundatio Europaea“, wie er am 8.2.2012 von der Europäischen Kommission vorgelegt wurde, bremst die Euphorie allerdings erheblich. Womöglich sollte man sich vielmehr auf ein europäisches Gemeinnützigkeitsrecht konzentrieren. Spannende Entwicklungen also, die die internationale Stiftungsszene in Atem halten und auch Auswirkungen auf Deutschland zeitigen werden. Stets für Sie am Ball bleibt daher – mit besten Wünschen – Ihr Dominique Jakob


II

npoR Heft 3/2012

Inhaltsverzeichnis

Aufsätze Prof. em. Dr. Dieter Reuter Konzernrecht des Vereins?

S. 101

Dr. Jens Petersen Die Einbindung der Erhebung der Kirchensteuer als Zuschlag zur Kapitalertragsteuer in die Philosophie der Abgeltungsteuer – § 51a Abs. 2c und e EStG i.d.F. des BeitreibungsRL-Umsetzungsgesetzes S. 108 Melinda Weber/Sascha Voigt de Oliveira/Dr. Alexander Becker „Mission Investing“ – Impulse für wirkungsvolles Stiftungsvermögen

S. 115

Praxisforum Michael Beier, M.Sc. Studie „Quo vadis Deutschlandstipendium?“. Online-Umfrage der Stiftung Universität Hildesheim als Langzeitstudie zum Deutschland-Stipendium, 2012

Verkaufsstellen von Werkstätten für behinderte Menschen (OFD Frankfurt a.M., Rundverf. v. 2.3.2012 – S 0184 A - 8 - St 53) Wirtschaftliche Geschäftsbetriebe bei Krankenhäusern (OFD Frankfurt a.M., Rundverf. v. 2.3.2012 – S 0186 A - 6 - St 53)

S. 121

S. 130

Von den Finanzmärkten Veranstaltungshinweise npoR-Dokumentation Fachliteratur Veranstaltungsberichte 2. Zürcher Stiftungsrechtstag: „Stiften und Gestalten – Anforderungen an ein zeitgemäßes rechtliches Umfeld 9. Doktorandenseminar zum Non-Profit-Recht des Instituts für Stiftungsrecht und das Recht der Non-Profit-Organisationen

Rechtsprechung Fortführung eines Schwimmbades (wirtschaftlicher Verein) (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 30.8.2011 – 14 Wx 51/11) S. 135 S. 136

Nicht rechtsfähige Stiftung des bürgerlichen Rechts als Gewerbetreibende (VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 15.5.2012 – 6 S 998/1) S. 138 Anmerkung Matthias Uhl S. 141 Freiwilligendienst im Ausland ist keine Berufsausbildung (BFH, Urt. v. 9.2.2012 – III R 78/09)

Kein ermäßigter Steuersatz auf Leistungen einer gemeinnützigen GmbH im Rahmen eines Zweckbetriebs (BFH, Urt. v. 8.3.2012 – V R 14/11) Aberkennung der Gemeinnützigkeit wegen extremistischer Bestrebungen (BFH, Urt. v. 11.4.2012 – I R 11/11) Dass eine Körperschaft kommunale Pflichtaufgaben übernimmt, steht ihrer Gemeinnützigkeit nicht entgegen (FG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 7.2.2012 – 6 K 6086/808)

S. 143 S. 144

S. 147 S. 149

Versagung der Gemeinnützigkeit bei Weiterleitung erwirtschafteter Mittel an andere Körperschaft (FG Hessen, Urt. v. 26.4.2012 – 4 K 2239/09) S. 152

Institutionelle Förderung des Goethe-Instituts keine staatliche Beihilfe (VG Berlin, Urt. v. 21.2.2012 – 20 A 369.08) Anmerkung Dr. Anika Gilberg

S. 155 S. 160

Verwaltungsanweisungen Mit dem Betrieb von Krankenhäusern und ähnlichen Einrichtungen eng verbundene Umsätze (OFD Frankfurt a.M., Rundverf. v. 6.2.2012 – S 7170 A - 92 - St 112) S. 162

Wirtschaftliche Hilfsbedürftigkeit i.S.d. § 53 Nr. 2 S. 1 AO (OFD Frankfurt a.M., Rundverf. v. 19.2.2012 – S 0172 A - 3 - St 53) Hintergrund Dr. Robert Schütz und Prof. Dr. Birgit Weitemeyer

S. 167

Gemeinnützigkeitsrechtliche Behandlung von Forschungseinrichtungen des privaten Rechts (OFD Frankfurt a.M., Rundverf. v. 6.3.2012 – S 0187 - 12 - St 53) S. 170

npoR-Aktuell

npoR-Report

Umstand, dass Verein ausschließlich steuerbegünstigte Zwecke verfolgt, ändert nichts an seinem wirtschaftlichen Zweck (KG Berlin, Beschl. v. 7.3.2012 – 25 W 95/11)

S. 167

Rubriken

Dr. Christian Kirchhain Ermäßigter Umsatzsteuersatz nur auf originär gemeinnützige Leistungen? Wider die These eines eigenständigen umsatzsteuerrechtlichen Zweckbetriebsbegriffs. Zugleich Anmerkung zu BFH, Urteil vom 8. März 2012 – V R 14/11 S. 123

Clara Lienicke/Janne Seelig/Peter Stark npoR-Report Vereinsrecht, Stiftungsrecht, Steuerrecht

Rücklagenbildung und Vermögenszuführungen bei steuerbegünstigten Körperschaften (OFD Frankfurt a.M., Rundverf. v. 20.2.2012 – S 0177 A - 1 - St 53) S. 164

S.163 S.164

S. III

S. IV

S. V

S. 172 S. 174

S. 175 S. 175


npoR-Aktuell

npoR Heft 3/2012

III

npoR-Aktuell Gesetzgebung

Finanzverwaltung

Entwurf eines Gesetzes zur Entbürokratisierung des Gemeinnützigkeitsrechts Am 19.9.2012 hat das

Muster für Zuwendungsbestätigungen Mit Schreiben

Bundesfinanzministerium den Referentenentwurf für ein Gesetz zur Entbürokratisierung des Gemeinnützigkeitsrechts (Gemeinnützigkeitsentbürokratisierungsgesetz – GEG) veröffentlicht. Der Entwurf enthält einige seit längerem im Dritten Sektor diskutierte Vereinfachungen, etwa die Flexibilisierung der Rücklagenbildung und der zeitnahen Mittelverwendung und die Entschärfung der Haftung von Ehrenamtlichen für Steuerschulden der gemeinnützigen Organisationen.

vom 30.8.2012 hat das BMF die Muster für Zuwendungsbestätigungen aktualisiert. Die jeweiligen Muster finden sich im Anhang zu dem Schreiben. Die Muster sind – wie bisher – verbindlich (vgl. § 50 Abs. 1 EStDV), einschlägige Passagen müssen übernommen, Wortwahl und Reihenfolge der vorgegebenen Textpassagen müssen beibehalten werden. Die die Zuwendungsbestätigungen betreffenden vorausgehenden BMF-Schreiben vom 13.12.2007 und 17.6.2012 werden aufgehoben, die bisherigen Muster können jedoch bis zum 31.12.2012 verwendet werden.

Unterausschuss Bürgerschaftliches Engagement Die 24., 25. und 26. Sitzung des Unterausschusses Bürgerschaftliches Engagement haben im April, Mai und Juni 2012 stattgefunden. In der letzten Sitzung wurde das Gespräch mit dem Bundesministerium der Finanzen zu den Auswirkungen des geänderten Anwendungserlasses zur Abgabenordnung vom 17.1.2012 auf gemeinnützige Organisationen fortgesetzt und ein Gespräch mit Herrn Prof. Dr. Hans Fleisch (Generalsekretär des Bundesverbands Deutscher Stiftungen e.V.) zum weiteren Verbesserungsbedarf bei den Rahmenbedingungen für bürgerschaftliches Engagement im Steuer- und Gemeinnützigkeitsrecht geführt.

Entschlussantrag zum Bundesfreiwilligendienst Das Bundesland Nordrhein-Westfalen hat am 6.7.2012 auf der 899. Sitzung des Bundesrates einen Entschlussantrag zur „Weiterentwicklung des Bundesfreiwilligendienstes“ eingebracht ( BR-Drs. 373/12). Vorab waren die Länder Bremen und Schleswig-Holstein dem Antrag beigetreten. Gefordert wird u.a., die Kontingentierung der BFD-Plätze aufzuheben und weitere Mittel für den BFD in den Bundeshaushalt einzustellen. Hierdurch sollen die große Bereitschaft, sich im Rahmen eines Bundesfreiwilligendienstes zu engagieren und das damit verbundene Potenzial bürgerschaftlichen Engagements noch besser genutzt werden.

Rechtsprechung Versammlungsverbot Mit

Beschluss vom 30.8.2012 – 5 B 1025/12 hat das OVG Nordrhein-Westfalen eine Beschwerde zurückgewiesen, die sich gegen die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes gegenüber einem Versammlungsverbot richtete. Meldet ein Führungsmitglied einer verbotenen Vereinigung (hier der „Nationale Widerstand Dortmund“) eine Versammlung als Privatperson an, könne diese dem verbotenen Verein zugerechnet und daher untersagt werden.

Notwendiger Inhalt eines Eintragungsantrags für eine Satzungsänderung Nach einem Beschluss des OLG Nürnberg vom 15.8.2012 – 12 W 1474/12 darf die Eintragung einer Satzungsänderung hinsichtlich eines nicht nach §§ 71 Abs. 2, 64 BGB eintragungspflichtigen Umstands nicht mit der Begründung versagt werden, die Registeranmeldung enthalte keine Bezeichnung der betroffenen Satzungsbestimmung. Das Erfordernis der zumindest schlagwortartigen Benennung der Satzungsbestimmung bestehe nämlich nur für nach den genannten Vorschriften eintragungspflichtige Umstände.

Mitteilungen Deutscher Verein: Stellungnahme zu Vorschlägen der EU-Kommission In seiner Stellungnahme kommentiert der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. (Deutscher Verein) die Vorschläge der Kommission für die öffentliche Ausschreibung von Aufträgen und Dienstleistungskonzessionen. Er begrüßt, dass der nationale Gesetzgeber bei der Ausschreibung sozialer Dienste nun ausdrücklich mehr Spielraum erhalten soll, die geeignete Verfahrensart festzulegen, da so die Spezifika der sozialen Dienste in den verschiedenen EU-Mitgliedstaaten besser berücksichtigt werden können. Insgesamt sei die angekündigte Vereinfachung des Vergaberechts allerdings nur bedingt geglückt. Insbesondere die Einführung einer neuen Vorab-Bekanntmachungspflicht für größere soziale Dienste verfehle dieses Ziel. Ebenso wird die Kodifizierung der EuGH-Rechtsprechung zur interkommunalen Zusammenarbeit und Vergabe öffentlicher Dienstleistungskonzessionen abgelehnt.

Organisationsbefragung Die Projektgruppe Zivilengagement des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozial„Orforschung (WZB) hat die Organisationsbefragung ganisationen heute – zwischen eigenen Ansprüchen und ökonomischen Herausforderungen“ durchgeführt. Untersucht wurden aktuelle Entwicklungen und Problemlagen innerhalb des Sektors anhand einer fundierten Datengrundlage. Insgesamt beteiligten sich 3.111 Vereine, gemeinnützige GmbHs, Genossenschaften und Stiftungen an der Befragung, was einer Rücklaufquote von 26% entspricht. Die Studie ist ein Zwischenergebnis der Projekte „Veränderungen in Dritte-SektorOrganisationen und ihre Auswirkungen auf die Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisse“ und „Jugendliche in Zivilgesellschaftlichen Organisationen“. Mission Investing Der Bundesverband Deutscher Stiftungen hat im Juli 2012 in Partnerschaft mit der Impact in Motion GmbH die Studie „Mission Investing im deutschen Stiftungssektor. Impulse für wirkungsvolles Stiftungsvermögen“ vorgestellt. Danach könnte der deutsche Stiftungssektor um 300% wirksamer sein, wenn Stiftungen nur 3% ihres Vermögens zweckbezogen anlegen würden. Befragt wurden die 200 kapitalstärksten Stiftungen. Im Trend liegen Anlagestrategien, die im Einklang mit den gemeinnützigen Stiftungszwecken stehen. So können sich 45% der Stiftungen, die geantwortet


IV

npoR Heft 3/2012

Von den Finanzmärkten

haben, vorstellen, künftig soziale, ökologische und ethische Kriterien bei der Anlageentscheidung einzubeziehen. S. dazu auch den Beitrag in diesem Heft ab S. 115.

Aktionen von Stiftungen durchgeführt werden. Flankiert wird er von verschiedenen Unterstützungsangeboten und bundesweiter Öffentlichkeitsarbeit des Bundesverbandes.

Nachhaltige Kapitalanlagen Die Deutsche Bundes-

Memorandum zur Kooperation mit dem Stiftungssektor Der Parlamentarische Staatssekretär im Bun-

stiftung Umwelt (DBU, www.dbu.de) ist die erste gemeinnützige Organisation in Deutschland, die der UN-Initiative für Nachhaltige Kapitalanlagen beigetreten ist. Die Initiative (Initiative Principles for Responsible Investment, UN PRI, www.unpri.org) will Kapitalanleger unterstützen und begleiten, die ethische, soziale und ökologische Grundsätze in ihren Investmentprozess einbeziehen wollen.

Anlageverhalten der kapitalstärksten deutschen Stiftungen Am 12.9.2012 wurde die Studie „Anlageverhalten der kapitalstärksten deutschen Stiftungen“, ein Kooperationsvorhaben zwischen dem „Bundesverband Deutscher Stiftungen e.V.“ und dem „Centrum für soziale Investitionen und Innovationen (CSI)“, vorgestellt. Die Studie wird in Kürze auf der Webseite des Bundesverbands veröffentlicht.

desministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Dr. Hermann Kues, hat am 20.6.2012 gemeinsam mit zwei Vertretern des Forums Engagementförderung, Dr. Lothar Dittmer (Körber-Stiftung) und Dr. Christof Eichert (Herbert QuandtStiftung), ein Memorandum gezeichnet. Damit werden im Rahmen des Forums Engagementförderung im Bundesverband Deutscher Stiftungen e.V. zukünftige Kooperationen zwischen dem Bundesfamilienministerium und Stiftungen bei der Förderung von bürgerschaftlichem Engagement in Deutschland gestärkt.

„stiftungsrecht-plus“ zeichnet npoR aus Das Internet-Portal stiftungsrechtplus.de hat die npoR zur blikation des Jahres“ gewählt.

„Praxispu-

Tag der Stiftungen in Europa Der Bundesverband Deutscher Stiftungen e.V. ( www.stiftungen.org) stimmt derzeit die Konzeption der Veranstaltungen zum „Tag der Stiftungen in Europa“, der erstmals am 1.10.2013 stattfinden soll, mit seinen Schwesterverbänden ab. An dem bundesweiten Aktionstag sollen vor allem lokale öffentlichkeitswirksame

Von den Finanzmärkten Stiftungsmanagement: Etabliertes Spitzenfeld Die Herausforderungen an die Beratung von gemeinnützigen Organisationen bei der optimalen Verwaltung ihres Vermögens werden von vielen Anbietern massiv unterschätzt. Die meisten Vermögensverwalter glauben, Basiskenntnisse zu den spezifischen gesetzlichen Vorgaben für Stiftungen wie der langfristige Kapitalerhalt und regelmäßige Ausschüttungen reichten dazu aus. Das ist eines der zentralen Ergebnisse, die bei den bisherigen Qualitätstests der Stiftungsmanager für deutsche gemeinnützige Stiftungen durch den Verlag FUCHSBRIEFE herauskamen. Bereits zum fünften Mal in Folge prüfte die Redaktion FUCHSBRIEFE anhand einer Ausschreibung für eine Stiftung die Leistungsfähigkeit der Anbieter. Dabei ragten 2012 die Deutsche Bank Private Wealth Management, Sal. Oppenheim, die Nord/LB, die Wilhelm von Finck Deutsche Family Office sowie die Fürst Fugger Bank mit ihren Ausarbeitungen klar heraus. In der Ewigen Bestenliste Stiftungsmanagement, die die Leistungen über mehrere Jahre einbezieht, liegt Sal. Oppenheim vor der Deutschen Bank und der Nord/ LB. FUCHSBRIEFE führten den diesjährigen Test in Zusammenarbeit erneut mit Dr. Richter/IQF in Hannover und dem Risiko-Analyseinstitut Quanvest in Bad Homburg durch. Zu einer gerade auch für Laien verständlichen Darlegung eines Anlagevorschlags sind nur wenige Institute in der Lage, zeig-

te sich als weiteres Ergebnis des Markttests. Die Expertise für die Zusammenstellung eines auf Nachhaltigkeitskriterien basierenden Portfolios beherrscht nur eine Handvoll Institute.

Markttest 2012: Drei Millionen Euro Stiftungsvermögen anzulegen Der Markttest basierte auf einer Ausschreibung für die ErnstChristoffel-Stiftung (ECS), die einen neuen Vermögensmanager suchte. Die ECS verfügt über ein Vermögen von knapp drei Mio. Euro. Der Großteil ist in einem Hauptdepot angelegt. Gut 200.000 Euro sind jedoch auf Unterkonten geparkt. Dieses Teilvermögen ist einzelnen Spendern zugeordnet, die genau sehen wollen, was mit ihrem Geld passiert. Die Stiftung erfreut sich zudem regelmäßiger Zustiftungen von 300.000 bis 400.000 Euro pro Jahr, die das Stiftungsvermögen erhöhen. 90 Institute aus dem In- und Ausland waren aufgefordert worden, an der Ausschreibung teilzunehmen. Nach den Anlagerichtlinien der Stiftung sollte der Vermögensverwalter durchschnittlich 4% Rendite p. a. vor Kosten erwirtschaften und zwar ausschließlich auf Basis von Aktien, Anleihen und Geldmarktprodukten. Das Anlagevermögen musste aber zugleich erhalten werden, Verluste sollten nach einem Jahr wieder aufgeholt sein. Die Anlagen sollten zudem Nachhaltigkeitskriterien entsprechen.


Veranstaltungshinweise

npoR Heft 3/2012

Sechs Auswertungskategorien Die eingegangenen Unterlagen wurden in sechs Auswertungskategorien mit unterschiedlicher Gewichtung geprüft: 1. Zunächst die Transparenz mit 10% – informiert ein Anbieter über seine Stiftungskompetenz, über Stiftungserfahrung und spezialisierte Mitarbeiter etc.? 2. Dann das Serviceangebot für Stiftungen, das mit 5% gewichtet wurde. 3. Danach das anonymisierte Referenzportfolio mit 10%, das jeder Anbieter zur Analyse einreichen sollte und anhand dessen überprüft wurde, ob und wie ein Anbieter schon einmal eine Stiftung mit ähnlichen Anforderungen begleitet hat. 4. Schließlich der eigentliche Anlagevorschlag, der zeigen sollte, ob die Empfehlungen tatsächlich den Wünschen der Stiftung entsprachen und der mit 45% das stärkste Gewicht in der Auswertung hatte. 5. Außerdem die Qualität des neu strukturierten Portfolios, gemessen an der Renditeerwartung und dem prognostizierten Verlustrisiko mit 15% Gewicht. 6. Zuletzt die Stiftungsexpertise, die sich in der Hochrechnung des Vermögens, einer Ausschüttungsplanung und Rücklagenentwicklung ausdrückte und ebenfalls 15% Gewicht hatte.

Deutsche Bank Wealth Management herausragend Die Deutsche Bank wie auch die anderen führenden Institute machten zunächst das einzig Richtige: Sie stellten die Anlagevorgaben der ECS infrage und bemühte sich neben den vorgegebenen Ausschreibungsrichtlinien um weitere Informationsdetails. So half sie der Stiftung, ihre Ziele in die richtige Reihenfolge zu bringen und überarbeitete auf dieser Basis auch die Anlagerichtlinie der ECS. Die Bank legte treffsicher, detailliert und anschaulich durch Grafiken die Schwächen des bestehenden Anlagedepots der Stiftung offen. Sie zeigte auf, dass eigentlich eine Zielrendite von 4,6% benötigt wird, um die Wünsche der Stiftung zu erfüllen. Dazu bedürfe es chancenorientierter Anlagen mit der Möglichkeit der Rücklagenbildung.

Gebühren: Breite Spreizung Die Bandbreite der Kosten, die die Teilnehmer für ihre Vermögensverwaltung berechnen, lagen am unteren Ende bei 0,5% p. a. Dieses Angebot unterbreitete die Hamburger Sparkasse. Leicht darüber lagen die Deutsche Bank und Wilhelm von Finck mit 0,6%. Am häufigsten wurden 0,7% verlangt. Alle Angaben verstehen sich zuzüglich Umsatzsteuer. In der Spitze verlangte ein ausländisches Institut eine Pauschalgebühr von 1,0%. Kickbacks werden von den Anbietern standardmäßig ausgeschüttet. Ralf Vielhaber, Chefredakteur FUCHSBRIEFE, Berlin

V

Veranstaltungshinweise 5. Liechtensteinischer Stiftungsrechtstag 2012: Wandel im materiellen Stiftungsrecht und grenzüberschreitende Rechtsdurchsetzung durch Schiedsgerichte Termin: 24. Oktober 2012 Veranstalter: Universität Liechtenstein, Lehrstuhl für Gesellschafts- , Stiftungs- und Trustrecht Ort: Universität Liechtenstein, Vaduz Kontakt: gesellschaftsrecht@uni.li

ConSozial 2012: 14. Fachmesse und Congress des Sozialmarktes Termin: Veranstalter: Ort: Kontakt:

7. und 8. November 2012 Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen Messezentrum Nürnberg www.consozial.de

Der Schweizer Stiftungstag 2012 Termin: 8. November 2012 Veranstalter: proFonds Dachverband gemeinnütziger Stiftungen der Schweiz Ort: Anckermannshof, St. Johanns-Vorstadt 19-21, Basel Kontakt: www.profonds.org

12. Hamburger Tage des Stiftungs- und Non-ProfitRechts: Rechtliche und gesellschaftliche Rahmenbedingungen für den Dritten Sektor – Subsidiarität oder Primat des Staates? Termin: 9. und 10. November 2012 Veranstalter: Institut für Stiftungsrecht und das Recht der Non-Profit-Organisationen Prof. Dr. Birgit Weitemeyer Ort: Bucerius Law School, Hamburg Kontakt: julia.theele@law-school.de; http://www.hamburger-tage.org

Genossenschaften International. 7. Tagung zur Genossenschaftsgeschichte Termin: 9. und 10. November 2012 Veranstalter: Heinrich Kaufmann Stiftung, Adolph von Elm Institut für Genossenschaftsgeschichte e.V., Universität Hamburg (Historisches Seminar, Arbeitsstelle für Genossenschafts geschichte), Stiftung Genossenschaftliches Informationszentrum (GIZ), Stiftung Genos- senschaftliches Archiv, Historiker-Genos senschaft eG Ort: Warburg-Haus, Heilwigstraße 116, 20249 Hamburg Kontakt: Dr. Burchard Bösche, Tel. 040-23519790, boesche@kaufmann-stiftung.de



npoR

Heft 3/2012 Seiten 101-176 4. Jahrgang 29.10.2012

Zeitschrift für Das Recht der Non ProfiT Organisationen

Herausgeber: Prof. Dr. Birgit Weitemeyer (geschäftsführend), Dr. Wilhelm-Albrecht Achilles, Prof. Dr. Arnd Arnold, Prof. Dr. Michael Droege, Prof. Dr. Hans Fleisch, Prof. Dr. Stefan Geibel, Prof. Dr. Rainer Hüttemann, Prof. Dr. Monika Jachmann, Prof. Dr. Dominique Jakob, Prof. Dr. Peter Rawert, Prof. em. Dr. Dieter Reuter, Dr. Andreas Richter, Dr. Stephan Schauhoff, Dr. Ulrich Segna, Thomas Wachter, Dr. Reinmar Wolff

Aufsätze Prof. em. Dr. Dieter Reuter*

Konzernrecht des Vereins?** I . Einleitung Im Jahre 1991 habe ich zusammen mit einem Kollegen aus der Kieler wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät ein Seminar für Habilitanden aus dem Bereich des wirtschaftlich relevanten Privatrechts und der Wirtschaftswissenschaft veranstaltet. Die damaligen Teilnehmer aus der Rechtswissenschaft sind heute ganz überwiegend angesehene Lehrstuhlinhaber. Einer davon referierte über ein konzernrechtliches Thema und leitete seinen Vortrag mit der Bemerkung ein: Nahezu jede gesellschaftsrechtliche Frage, mit der er sich beschäftige, entpuppe sich bei näherem Zusehen als ein konzernrechtliches Problem. Diese Bemerkung kam mir immer wieder in den Sinn, als ich die immanent durchaus kenntnis- und ideenreiche Habilitationsschrift von Lars Leuschner über „Das Konzernrecht des Vereins“1 las. Denn auch bei Leuschner mutiert eine Fülle von Rechtsfragen zu konzernrechtlichen Fragen, die in meinem Verständnis allgemeine vereinsrechtliche Probleme sind. Das beginnt schon bei seiner Sicht des (von Leuschner selbst so genannten) „strukturbildenden Kernproblems des Konzernrechts“, nämlich der Gefahr, dass statt des Verbandsinteresses verbandsfremde Sonderinteressen verfolgt werden. Die Möglichkeit, statt des Verbandsinteresses Sonderinteressen zu verfolgen, hat unter der Geltung des für Körperschaften charakteristischen Mehrheitsprinzips jede stabile Mehrheit, die nicht fürchten muss, dass sie dadurch für sich schädliche Reaktionen der Minderheit hervorruft.2 Diese Möglichkeit wird in herkömmlicher Sicht erst dadurch zur „Konzerngefahr“, dass die Mehrheit sich in einer Situation befindet, in der es für sie typischerweise von Vorteil ist, statt des Verbandsinteresses ihre Sonderinteressen zu verfolgen. Das wiederum wird angenommen, wenn der Verband ein Unternehmen betreibt und der Inhaber der Mehrheit selbst ein Unternehmen hat.3 Eben die Sinnfälligkeit dieser Annahme wird von Leuschner bestritten. Zur Begründung verweist er u.a. auf den GmbH-Konzern, für den nach inzwischen ganz h.M. die Unternehmenseigenschaft keine Rolle mehr spiele.4 Doch ist die Rechtsentwicklung im Recht des GmbH-Konzerns insgesamt dadurch ge-

kennzeichnet, dass man die Konzernprobleme gar nicht mehr mittels eines besonderen, mehr oder weniger dem Aktienkonzernrecht nachgebildeten Konzernrechts, sondern durch den Rückgriff auf allgemeine gesellschaftsrechtliche und privatrechtliche Rechtsinstitute und -normen zu lösen versucht – die Treuepflicht der Mehrheit, die actio negatoria einschließlich des Rechts zur Anfechtung rechtswidriger Mehrheitsbeschlüsse sowie die actio pro socio der Minderheitsgesellschafter, das deliktsrechtliche Verbot der sittenwidrigen Schädigung der GmbH u.ä.m.5 Die h.M. im GmbH-Recht hat sich also nicht nur von der Unternehmenseigenschaft als Anknüpfungspunkt für ein Sonderrecht des Konzerns, sondern überhaupt von der Vorstellung verabschiedet, die Interessenlage im Konzern sei mit Hilfe des allgemeinen Gesellschaftsrechts nicht zu bewältigen, sondern erfordere – wie im Aktienrecht – ein Sonderrecht. Soll die Sonderrechtsidee, die als allgemeines Postulat des Kapitalgesellschaftsrechts praktisch abgedankt hat, im Non-Profit-Recht, also im Vereins- und Stiftungsrecht, fröhliche Urständ feiern? Gewiss hat sich die h.M. den Abschied vom Sonderrecht des GmbH-Konzerns dadurch entscheidend erleichtert, dass sie insbesondere der Einpersonen-GmbH im Verhältnis zum alleinigen Gesellschafter ein schutzwürdiges Eigeninteresse * Der Autor ist emeritierter Ordinarius der Christian-AlbrechtsUniversität zu Kiel. Der Beitrag beruht auf einem Vortrag, den er anlässlich des 9. Doktorandenseminars zum Non-Profit-Recht gehalten hat. ** Stellungnahme zu Lars Leuschner, Das Konzernrecht des Vereins, Tübingen 2011. 1 Leuschner, Das Konzernrecht des Vereins (Ius privatum 160), 2011. 2 Ausführlich Reuter, MüKo-BGB, 6. Aufl. 2011, Vor § 21 Rn. 120 ff. 3 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, 1980, S. 347 f. 4 Leuschner a.a.O (Fn. 1), S. 38 ff. (mit Fn. 99). 5 Zusammenfassend Zöllner, Baumbach/Hueck-GmbHG, 19. Aufl. 2010, Schlussanhang Rn. 77 ff.


102

Aufsätze | Reuter

abspricht und sie stattdessen als ein Sondervermögen ihres Gesellschafters ansieht.6 Schutz vor den Sonderinteressen des einzigen Gesellschafters verlangt deshalb nicht das Interesse der GmbH, sondern erst das Interesse ihrer Gläubiger daran, dass ihr nicht die zu ihrer Existenz notwendigen Mittel entzogen werden und sie dadurch zur Gläubigerfalle wird. Anders als im Fall der AG braucht der Alleingesellschafter im Fall der GmbH kein – so richtig Leuschner7 – privilegierendes Sonderrecht, um sie in den von ihm einheitlich geleiteten Unternehmensverbund einzugliedern: Auch ohne Beherrschungsvertrag (§§ 291 ff. AktG) kann er die GmbH in den Dienst seines (alias: des Konzern-) Interesses stellen. Auch das Privileg, Schädigungen der beherrschten Gesellschaft nicht schlechthin vermeiden zu müssen, sondern innerhalb einer Periode ausgleichen zu können (§§ 311 ff. AktG), benötigt er dafür nicht. Ein Verein kann nicht in dieser Weise zum Sondervermögen von Mitgliedern werden. Zwar kennt die Praxis Vereine, die selbständige Untergliederungen (Zweigvereine) eines Hauptvereins sind mit der Folge, dass sie, regional oder fachlich begrenzt, auf das gleiche Interesse wie der – übergeordnete – Hauptverein verpflichtet sind (sogenannter Gesamtverein).8 Ähnlich wie der Alleingesellschafter der GmbH schädigt der Hauptverein also quasi sich selbst, wenn er einen Zweigverein schädigt; erst die auf die Gläubiger durchschlagende Existenzvernichtung wird zum Problem. Darüber hinaus reduziert sich die angebliche Konzernproblematik auf den auch im Normalverein bestehenden Mehrheits-Minderheits-Konflikt: Da die Mitglieder der Zweigvereine zugleich Mitglieder des Hauptvereins sind, sind die Konflikte zwischen Haupt- und Zweigverein mit den Konflikten zwischen Mehrheit und Minderheit im Hauptverein identisch und nach den dafür geltenden Regeln zu lösen.9 Jenseits des Gesamtvereins stellt sich die Frage, ob ein Verein überhaupt mit organisationsrechtlichen Mitteln so fremder Herrschaft unterworfen werden kann, dass die Möglichkeit seiner Indienstnahme zur Verfolgung vereinsfremder Sonderinteressen besteht. In der Literatur wird die nur vereinzelt angesprochene Tauglichkeit des Vereins zur abhängigen Partei eines Beherrschungsvertrags viel zu schnell bejaht.10 Denn damit stellt man den bislang unangefochtenen Grundsatz in Frage, dass ein Verein nicht zur Verwaltungsstelle (Betriebsabteilung) einer anderen natürlichen oder juristischen Person werden darf.11 Auch die Zulässigkeit von Satzungsregelungen, die einzelnen Mitgliedern oder gar Dritten in mehr oder weniger großem Umfang die Verfolgung vereinsfremder Sonderinteressen ermöglichen, ist eher zweifelhaft. Nicht von ungefähr muss Leuschner sich kritisch mit dem von der ganz h.M.12 vertretenen Grundsatz der Verbandssouveränität auseinandersetzen, um zu einem positiven Urteil sowohl zur Zulässigkeit rechtlich abgesicherten Einflusses von Sonderinteressen allgemein als auch zur Zulässigkeit einer Abhängigkeit kraft Beherrschungsvertrags zu gelangen.13 Die Tauglichkeit des Vereins zum herrschenden Gesellschafter einer AG oder GmbH ist zwar grundsätzlich unproblematisch: Die §§ 291 ff., 311 ff. AktG schließen den Verein weder als Spitze eines Vertragskonzerns noch als Spitze eines faktischen Konzerns aus. Auch dass ein Verein ein Sondervermögen in GmbH-Form unterhält, um einzelne Tätigkeitsbereiche nicht nur faktisch, sondern auch rechtlich zu verselbständigen, wirft keine anderen Probleme auf, als wenn eine andere natürliche oder juristische Person so verfährt. Dass der ADAC seine Pannenhilfe nicht als Eigenbetrieb, sondern in der Tochtergesellschaft ADAC Stiftung Gelber Engel GmbH organisiert hat,14 ist sicher nicht zu beanstanden. Die vereins-

npoR Heft 3/2012

rechtlichen Alarmglocken schrillen erst, wenn der Verein über die Tochter-AG oder die Tochter-GmbH wirtschaftliche Tätigkeiten zu entfalten versucht, die ihm als unmittelbare Vereinstätigkeiten durch § 22 BGB verwehrt sind. In der Praxis ist die Zahl solcher Versuche regelrecht explodiert, seitdem der BGH sie im ADAC-Urteil abgesegnet hat,15 obwohl das ADAC-Urteil nicht nur im Schrifttum fast einhellig – wenn auch unterschiedlich radikal – abgelehnt wird,16 sondern auch in seinem theoretischen Grundansatz, dem Verständnis des § 22 BGB als ausschließlicher Gläubigerschutznorm,17 im Gegensatz zur Rechtsprechung des BVerwG18 steht. Außer dem ADAC selbst haben sich vor allem die in Vereinsform bestehenden Sachverständigenorganisationen, die Verbände der freien Wohlfahrtspflege und große Sportvereine kommerziell tätige Tochtergesellschaften zugelegt, die die Grenzen des seit jeher für die nichtwirtschaftlichen Vereine im Sinne des § 21 BGB geltenden Nebentätigkeitsprivilegs mehr oder weniger deutlich überschreiten.19 Die Bemühungen der Verbandslobby, die Sichtweise des ADAC-Urteils gesetzlich festschreiben zu lassen, sind mit dem Scheitern der Vereinsrechtsreform 2005 vorerst gebremst worden, so dass weiterhin über das Verständnis der §§ 21, 22 BGB in ihrer überkommenen Gestalt zu streiten ist.20 Leuschner stellt sich zwar nicht auf die Seite der wenigen Befürworter des ADAC-Urteils, vertritt aber eine Variante der im Schrifttum auch sonst dominierenden Theorie der so genannten konzernrechtlichen Zurechnung der Tätigkeit der Tochtergesellschaft zum Mutterverein, die der Praxis weit entgegenkommt. Insbesondere spricht er sich in der Schlüsselfrage nach dem Schutzzweck des § 22 BGB gegen den Schutz der Mitglieder neben dem Schutz der Gläubiger aus und beschränkt den Gläubigerschutz auf den Schutz der Gläubiger des Vereins (im Gegensatz zum Schutz der Gläubiger der Tochtergesellschaft).21 Das deckt sich mit der Sichtweise von Rücker, der die Diskussion über „Die Vereinsklassenabgrenzung“ in seiner kürzlich erschienenen Monographie mit gleichem Titel im Wesentlichen auf ein Duell zwischen Karsten Schmidt und mir reduzieren zu können glaubt, das ich

6 BGHZ 119, 257, 262; 122, 333, 336; Röhricht, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion, 2001, S. 3, 13 f. 7 Leuschner a.a.O. (Fn. 1), S. 45 ff. 8 Ausführlich dazu Reuter, MüKo-BGB (Fn. 2), Vor § 21 Rn. 138 ff. 9 Reuter, MüKo-BGB (Fn. 2), Vor § 21 Rn. 149. 10 Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 9. Aufl. 2008, § 37 Rn. 14; Sprengel, Vereinskonzernrecht, 1998, S. 161 ff. 11 BVerfG, Beschl. v. 5.2.1991 – 3 BvR 263/86, Baha’i, NJW 1991, 2623, 2626; KG Berlin, Beschl. v. 12.10.1973 – 1 W 1332/71, OLGZ 1974, 385, 390; BayObLG, Beschl. v. 23.8.1979 – BReg. 2 Z 14/79, BayObLGZ 1979, 303, 308 ff. 12 Wiedemann (Fn. 3), S. 371; grundlegend ders., Verbandsautonomie und Außeneinfluss, in: FS Schilling, 1973, S. 105, 111. 13 Leuschner (Fn. 1), S. 267 ff. 14 Vgl. dazu Leuschner (Fn. 1), S. 7; Rücker, Die Vereinsklassenabgrenzung, 2012, S. 31 f. 15 BGH, Urt. v. 29.9.1980 – I ZR 88/80, BGHZ 85, 84 ff. = BGH NJW 1983, 569 ff. 16 Statt aller Flume, Die juristische Person, 1983, S. 106; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 672; Reuter, Rechtliche Grenzen ausgegliederter Wirtschaftstätigkeit von Idealvereinen, ZIP 1984, 1052, 1056. 17 BGH (Fn. 15), NJW 1983, 569, 570. 18 BVerwG, Urt. v. 24.4.1070 – 1 C 8/74, NJW 1979, 2261, 2264. 19 Leuschner (Fn. 1), S. 8 ff.; Rücker (Fn. 14), S. 32 ff. 20 Kritisch zu diesem Versuch Reuter, Die Reform des Vereinsrechts, NZG 2005, 738. 21 Leuschner (Fn. 1), S. 164 ff., 160 ff.


npoR Heft 3/2012

mit gefühlten 0:10 Toren verliere.22 Nun läuft, wer sich auf ein fachwissenschaftliches Duell mit Karsten Schmidt einlässt, natürlich die große Gefahr, ein Debakel zu erleiden. Aber vielleicht gelingt mir im Folgenden doch noch der eine oder andere Ehrentreffer. II. Der Verein als Obergesellschaft eines Wirtschaftskon- zerns 1. Unerheblichkeit des nichtvermögensrechtlichen Charak- ters der BGB-Vereins-Mitgliedschaft? Die Bedeutung der Schutzzweckdiskussion zu § 22 BGB für die Tauglichkeit des BGB-Vereins als Obergesellschaft wirtschaftlich tätiger Untergesellschaften liegt auf der Hand: Wer den Grund der Verweisung wirtschaftlicher Tätigkeit auf das Handelsvereinsrecht auch in dem unter solchen Bedingungen defizitären Mitgliederschutz des Vereinsrechts sieht, kann die Zulässigkeit wirtschaftlicher Tätigkeit des nichtwirtschaftlichen Vereins nicht unterschiedlich beurteilen je nachdem, ob sie unmittelbar im Verein oder in einer Tochtergesellschaft stattfindet. Das zwingende kurzfristige Austrittsrecht des Mitglieds nach § 39 BGB kann weder die Mehrheit zur Rücksichtnahme auf die Minderheit anhalten noch das Mitglied zum Selbstschutz gegen nachteilige Folgen durch „Flucht“ befähigen, wenn die Mehrheit nicht auf die Mitarbeit und/ oder den Beitrag der Mitglieder angewiesen ist, sondern den Vereinszweck mittels eines Vermögens, insbesondere eines Unternehmens (sei es gewinnbringender Zweckbetrieb, sei es Mittelbeschaffungsbetrieb) verfolgt, gleichgültig, ob das Vermögen seinerseits in einer Tochtergesellschaft rechtlich verselbständigt ist oder nicht. Denn da das Austrittsrecht nicht mit einem Abfindungsanspruch verbunden ist, hat die Mehrheit sogar ein Interesse am Ausscheiden der Minderheit, wird sie dadurch doch zumindest lästigen Widerspruch gegen ihre Vorstellungen los.23 Umgekehrt ist die Ausübung des Austrittsrechts jedenfalls in den Fällen unzumutbar erschwert, in denen es den ersatzlosen Verzicht auf wesentliche Vermögensvorteile – sei es in Gestalt von Sachvermögen, sei es in Gestalt von Kapitalgesellschaftsanteilen (einschließlich der damit verbundenen wirtschaftlichen Vorteile wie z.B. dem Zugang zu Geschäftsführer- und Aufsichtsratsposten) – erfordert. Im Personengesellschaftsrecht ist diese Einsicht bekanntlich ein Anlass, unzumutbar kündigungserschwerende Abfindungsregelungen von Rechts wegen nicht zuzulassen.24 Leuschner hält dem entgegen, es bestehe gar kein zwingender Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Betätigung des Vereins und der Existenz von Vermögensinteressen auf Seiten der Mitglieder.25 Indessen hat der historische Gesetzgeber in den §§ 21, 22 BGB einen solchen Zusammenhang nachweislich zugrunde gelegt. Gebhard, der zuständige Redaktor der 1. Kommission, bezeichnete den nichtwirtschaftlichen Verein als einen „nicht auf Erwerb, Gewinn oder (!) einen eigentlichen Geschäftsbetrieb“ abzielenden Verein, während er in dem von § 22 BGB abgeschirmten Handelsvereinsrecht im Geschäftsinteresse den Orientierungspunkt und im Geschäftsgewinn und wirtschaftlichen Vorteil der einzelnen Mitglieder das Endziel sah.26 Die 2. Kommission beschränkte den nichtwirtschaftlichen Verein auf einen solchen zu „gemeinnützigen, wohlthätigen, geselligen, wissenschaftlichen, künstlerischen oder anderen nicht auf einen wirthschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichteten Zwecken“.27 Gemeint war also ein Idealverein, dem die Mitglieder durch ideelle Interessen verbunden waren. Daran hat auch die Streichung des Beispielkatalogs durch die Reichstagskommission nichts geändert, die zur Vereinfachung, nicht zur inhaltlichen Verän-

Reuter | Aufsätze

103

derung des Textes vorgenommen worden ist.28 Umgekehrt war der Begriff wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb in § 22 BGB weiter als der auch dem historischen Gesetzgeber ausweislich des HGB und der GewO bereits geläufige Begriff des Gewerbebetriebs. Er bezog sich auf die Vereine, die im Gegensatz zu den Vereinen i.S. des § 21 BGB nicht die ideellen, sondern die Vermögensinteressen ihrer Mitglieder wahrnahmen, sei es durch den Betrieb eines Gewerbes, sei es durch die schlichte Verwaltung eines Vermögens.29 Die Vorstellung Leuschners, es könne eine wirtschaftliche Betätigung von Vereinen ohne Förderung von Vermögensinteressen der Mitglieder geben, mag dem Stand der heutigen Diskussion entsprechen. Dem historischen Gesetzgeber war sie jedenfalls als Regelfall fremd. Die Auffassung, die Absicht der Gewinnerzielung gehöre nicht zum Betreiben eines Gewerbes, hat sich erst in den letzten 30 Jahren durchgesetzt.30 Folgerichtig unterscheiden sich sämtliche Vereine des Handelsrechts (AG, KGaA, GmbH, eG) seit jeher vom BGB-Verein essentiell dadurch, dass die Mitgliedschaften vermögensrechtliche Mitgliedschaften sind, die entweder im Wege der Veräußerung oder im Wege des Austritts zu Geld gemacht werden können. Die Non-ProfitForm des Vereins, der BGB-Verein, unterliegt als Verein mit dem Zweck wirtschaftlicher Betätigung nach § 22 BGB ebenfalls seit jeher der verwaltungsbehördlichen Zulassung, die je nach ausnahmsweisem Bedarf und Verkehrstauglichkeit der Vereinsverfassung im Einzelfall zu gewähren oder zu versagen ist.31 Dieser grundsätzliche Zusammenhang zwischen vermögensrechtlicher Natur der Mitgliedschaft und wirtschaftlicher Betätigung des Vereins entspricht nicht nur den Vorstellungen des historischen, sondern auch des modernen Gesetzgebers. So stellt etwa der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags in seiner Beschlussempfehlung zur kleinen GmbH-Reform von 1980 fest, es gehe im Zusammenhang mit der Stammkapitalgarantie nicht so sehr (!) um Gläubigerschutz im Sinne einer Sicherung der Haftmasse – dazu sei der Betrag viel zu gering – sondern darum, die Gesellschafter zugunsten der Gläubiger angemessen am Risiko der Gesellschaft zu beteiligen. Es fördere das verantwortungsbewusste Wirtschaften, wenn dieses mit einem spürbaren eigenen Risiko verbunden sei.32 Damit relativiert sich aber der Unterschied zwischen Mitglieder- und Gläubigerschutz, von dem Leuschner u.a. ausgehen. Gläubiger- und Mitgliederschutz sind im Recht der privatrechtlichen Körperschaften siamesische Zwillinge. Die Rechte, die dem Gesellschafter aufgrund seiner Beteiligung am Risiko der wirtschaftlichen Betätigung

22 Rücker (Fn. 14), S. 36, 47 f., 51 f. 23 Vgl. schon Reuter, MüKo-BGB (Fn. 2), Vor § 21 Rn. 120. 24 Vgl. dazu K. Schmidt (Fn. 16), S. 1486 ff. 25 Leuschner (Fn. 1), S. 164 f. 26 Vgl. das Zitat bei K. Schmidt, Verbandszweck und Rechtsfähigkeit im Vereinsrecht, 1984, S. 100 Fn. 75. 27 Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich I, 1899, S. 603 f. 28 Mugdan (Fn. 27), S. 955. 29 Flume (Fn. 16), S. 106; Schwarz von Bek, Münchner Handbuch GesR V, 2010, § 3 Rn. 34; Lettl, Das Wertrecht der Mitgliedschaft beim Idealverein, 1999, S. 90 f.; ausführlich Schwierkus, Der rechtsfähige ideelle und wirtschaftliche Verein (§§ 21, 22 BGB), Diss. Berlin, 1981, S. 165 ff., 170 ff. 30 Grundlegend K. Schmidt, Handelsrecht, 5. Aufl. 1999, § 9 IV 2 b, d; ebenso Canaris, Handelsrecht, 24. Aufl. 2006, § 2 Rn. 14. 31 Vgl. dazu Reuter, MüKo-BGB (Fn. 2), §§ 21, 22 Rn. 74–76. 32 BT-Drs. 8/3908, S. 69.


104

Aufsätze | Reuter

der Gesellschaft zustehen, sind Folgen einer Anforderung an die Struktur der Mitgliedschaft, die das Handelsvereinsrecht zum Schutz der Gläubiger stellt. Nur weil die Mitgliedschaft im Handelsvereinsrecht eine (mittelbare) Beteiligung am Vereinsvermögen beinhaltet, gibt es ein Mitgliedschaftsrecht auf Teilhabe am Ertrag während der Zugehörigkeit und auf Teilhabe an der Substanz beim Ausscheiden aus dem Verein. Allein wegen der Beteiligung der Mitglieder am Vereinsvermögen verbindet das Handelsvereinsrecht den Ausschluss der Mitglieder von der Haftung für die Vereinsschulden mit Ausschüttungsbeschränkungen. Denn im Fall von nichtvermögensrechtlichen Mitgliedschaften kommen Ausschüttungen im Sinne von Leistungen auf im Mitgliedschaftsrecht enthaltende Wertrechte von vornherein gar nicht in Betracht.33 Wenn ein BGB-Verein seine wie auch immer entstandenen Kassenüberschüsse an seine Mitglieder verteilt, dann sind das keine Ausschüttungen, sondern genauso Schenkungen, wie wenn die Empfänger vereinsfremde Dritte sind. Der Schutz der Gläubiger richtet sich insoweit nach den Vorschriften über die Schenkungsanfechtung nach der InsO und dem AnfG, genauso wie im Fall von Schenkungen an Dritte, die die Geschäftsführung der GmbH oder der Vorstand der AG mit Zustimmung der Gesellschafter tätigen. Es ist also zumindest schief, wenn im fast gesamten vereinsrechtlichen Schrifttum behauptet wird, das BGB-Vereinsrecht leide wegen des Fehlens von Ausschüttungsbeschränkungen nach dem Vorbild der §§ 30, 31 GmbHG an einem gläubigerschutzrechtlichen Defizit, und das sei der Grund dafür, dass wirtschaftliche Betätigung in der Form des BGB-Vereins nach § 22 BGB grundsätzlich ausgeschlossen sei. In Wirklichkeit reagieren die §§ 30, 31 GmbHG auf eine Gefahr für die Gläubiger, die im BGB-Vereinsrecht wegen der nichtvermögensrechtlichen Natur der Mitgliedschaft gar nicht besteht. Ebenso nicht Grund für die Sperre des § 22 BGB, sondern Folge der gesetzgeberischen Beschränkung der wirtschaftlichen Betätigung, hier: speziell der Teilnahme am Handelsverkehr, auf Vereine mit vermögensrechtlichen Mitgliedschaften sind die anderen Schwächen des BGB-vereinsrechtlichen Gläubigerschutzes: die fehlende Strafbewehrung der Insolvenzantragspflicht und der Ausfall der für die Kapitalgesellschaften und Genossenschaften geltenden besonderen Rechnungslegungs- und Publizitätspflichten.34 Sie stehen auf einer Stufe mit dem eingeschränkten Verkehrsschutz, der sich im Vergleich mit dem Vertretungs- und Registerrecht des Handelsvereinsrechts manifestiert.35 2. Nichtvermögensrechtliche BGB-Vereinsmitgliedschaft und externe wirtschaftliche Betätigung des BGB-Vereins

a) Externe Haupttätigkeit Die herrschende Annahme, die fehlenden Ausschüttungsbeschränkungen, die fehlende Strafbewehrung der Insolvenzantragspflicht und die abgeschwächte Rechnungslegungs- und Publizitätspflicht des BGB-Vereinsrechts seien der Grund für den grundsätzlichen Ausschluss des BGB-Vereins von der wirtschaftlichen Betätigung, hat eine groteske Konsequenz: Während es sonst selbstverständlich als ein Nachteil für die Gläubiger angesehen wird, wenn jemand seine Haftung durch Ausgliederung der wirtschaftlichen Tätigkeit in eine Tochter-GmbH oder -AG beschränkt, wird das entsprechende Verhalten des BGB-Vereins zum Gläubigervorteil, der die Vorbehalte gegen die wirtschaftliche Tätigkeit des BGBVereins ausräumt. Die evidente Fragwürdigkeit einer solchen Sicht hat Karsten Schmidt zu der sarkastischen Frage veran-

npoR Heft 3/2012

lasst, welcher Vorteil für die Gläubiger darin liegt, dass ihnen statt der fetten Mutter eine magere Tochter vorgesetzt wird.36 Diese Metapher aus dem Zeitalter des Kannibalismus wird von vielen – u.a. auch von Leuschner – durch die Behauptung gekontert, es gehe nur um einen Vorteil für die nach Ausgliederung in die Tochtergesellschaft verbliebenen Vereinsgläubiger. Die Geschäftsgläubiger seien nach der Ausgliederung gar nicht mehr vom Schutzbereich des § 22 BGB erfasst.37 Aber eine solche Sicht ist schon im methodischen Ansatz fehlerhaft. Der Schutzbereich einer Norm bestimmt sich nach ihrem Schutzzweck. Wenn die wirtschaftliche Betätigung eines BGB-Vereins wegen der Gefährdung von Gläubigerinteressen gesperrt ist, dann darf man diese Interessen nicht schon deshalb aus dem Schutzbereich ausklammern, weil sie infolge der rechtlichen Verselbständigung der wirtschaftlichen Tätigkeit in einer Tochtergesellschaft nicht Vereinsgläubiger, sondern Gläubiger der Tochtergesellschaft sind. Vielmehr ist zu fragen, ob die rechtliche Verselbständigung die bei unmittelbarer wirtschaftlicher Tätigkeit bestehende Gefährdung der Gläubigerinteressen beseitigt oder nicht.38 Verneint man das, so verlangt der Schutzzweck des § 22 BGB, dass man die Gläubiger der Tochtergesellschaft in seinen Schutzbereich einbezieht. Tatsächlich zeigt die Praxis, dass die Gefährlichkeit der wirtschaftlichen Haupttätigkeit von BGB-Vereinen für die Gläubiger nicht am Fehlen kapitalgesellschaftsrechtlicher oder genossenschaftsrechtlicher Gläubigerschutzbestimmungen liegt, die ganz überwiegend wegen der nichtvermögensrechtlichen Natur der BGB-Vereinsmitgliedschaft ohnehin gegenstandslos sind, sondern an der nichtvermögensrechtlichen Natur der BGB-Vereinsmitgliedschaft selbst. Die Mitglieder der Profisportvereine orientieren ihr Verhalten mangels Vermögensinteresses tendenziell nicht an der wirtschaftlichen, sondern an der sportlichen Leistungsbilanz des Vereins. Ihre Vorstände geraten seitens der Mitglieder nicht unter Druck, wenn sie Schulden machen, sondern wenn sie wegen Unvertretbarkeit des wirtschaftlichen Risikos auf die sportliche Verstärkung der Profimannschaft durch den Kauf teurer Stars oder die teure Vertragsverlängerung anderwärts begehrter Leistungsträger verzichten, und zwar unabhängig davon, ob die Profisportabteilung als Eigenbetrieb organisiert oder als Tochtergesellschaft rechtlich verselbständigt ist. Der heute wie damals sportlich erfolgreiche Fußballverein Borussia Dortmund ist vor wenigen Jahren mit einer damals schon rechtlich verselbständigten Profiabteilung fast in Insolvenz geraten, weil der Vorstand, um Bayern München sportlich Paroli bieten zu können, mit Billigung der ganz überwiegenden 33 Ausführlich Reuter, Die Durchgriffshaftung beim Verein, in: Hüttemann/Rawert/Schmidt/Weitemeyer (Hrsg.), Non Profit Law Yearbook 2007, 2008, S. 63, 71–75. 34 Vgl. Reuter (Fn. 33), S. 75 f. 35 Vgl. Leuschner (Fn. 1), S. 143 f. 36 K. Schmidt, Der bürgerlich-rechtliche Verein mit wirtschaftlicher Tätigkeit, AcP 182 (1982), 1, 29. 37 Leuschner (Fn. 1), S. 160 ff.; Rücker (Fn. 14), S. 51 f.; Korsch, Der Fußballbundesligaverein als Wirtschaftsunternehmen und Arbeitgeber, 2006, S. 59 f.; Steinbeck/Menke, Die Aktiengesellschaft im Profifußball, SpuRT 1998, 226, 228; ähnlich Hadding, Soergel-BGB, 13. Aufl. 2000, §§ 21, 22 Rn. 41; Henze, Ein neuer Blick auf das ADAC-Urteil, in: Walz/Kötz/Schmidt (Hrsg.), Non Profit Law Yearbook 2004, 2005, 17, 37. 38 Im Ansatz zutreffend BGH (Fn. 15), NJW 1983, 569, 571; K. Schmidt (Fn. 26), S. 123. 39 Rücker (Fn. 14), S. 28 f.


npoR Heft 3/2012

Mitgliedermehrheit wirtschaftlich unverantwortliche Risiken eingegangen ist.39 Die Praktiker in den Sportverbänden haben denn auch im Gegensatz zu den hier kritisierten Stimmen im vereinsrechtlichen Schrifttum längst erkannt, dass die Ausgliederung des Profisports aus dem Verein in TochterGmbHs oder -AGs die Anfälligkeit für wirtschaftliches Missmanagement und damit die Gefährlichkeit für die Gläubiger nicht verändert. Auch Vereine, die ihre Profisportabteilungen in Tochtergesellschaften rechtlich verselbständigt haben, benötigen nach den Verbandsstatuten für die Zulassung zum Profisportbetrieb eine Lizenz, die ihnen die Wirtschaftsfähigkeit bescheinigt.40 Das Lizenzierungsverfahren entspricht nach Zielsetzung und Gegenstand dem Konzessionsverfahren nach § 22 BGB. In beiden Fällen geht es darum, durch „hoheitliche Kontrolle“ das verantwortungsbewusste Wirtschaften sicherzustellen, das der Gesetzgeber sich im Handelsvereinsrecht von dem – durch die vermögensrechtliche Natur der Mitgliedschaft vermittelten – „spürbaren eigenen Risiko“ der Mitglieder verspricht.41 De lege ferenda ist zu erwägen, diese Praxis dadurch zu legalisieren, dass man die Sportverbände wegen ihrer Sachnähe mit der Konzessionsbefugnis im Sinne des § 22 BGB beleiht.42 Solange die Verbandslizenz lediglich ergänzend neben die Unterhaltung einer – sei es als Eigenbetrieb, sei es als Tochtergesellschaft organisierten – Profisportabteilung durch einen e.V. tritt, handelt es sich um eine rechtswidrig geduldete Rechtsformverfehlung.43

b) Externe Nebentätigkeit Mit § 22 BGB vereinbar ist die wirtschaftliche Betätigung des e.V., wenn sie lediglich eine Nebentätigkeit ist. 44 Auch das gilt unabhängig davon, ob sie in einem Eigenbetrieb oder in einer rechtlich verselbständigten Tochtergesellschaft stattfindet. Nach dem hier vertretenen Verständnis des § 22 BGB erklärt sich dies daraus, dass die Existenz einer dominanten nichtwirtschaftlichen Hauptsphäre die Mitglieder zwar nicht – wie ein vermögensrechtlicher Charakter der Mitgliedschaft – einem spürbaren eigenen wirtschaftlichen Risiko aussetzt, wohl aber ein Interesse der Mitglieder an verantwortungsbewusstem Wirtschaften begründet, das sich aus der Gefahr schädlicher Rückwirkungen einer allzu risikofreudigen wirtschaftlichen Betätigung auf die nichtwirtschaftliche („ideelle“) Haupttätigkeit des Vereins ergibt.45 Genau genommen liegt die wirtschaftliche Nebentätigkeit des BGB-Vereins über eine rechtlich verselbständigte Tochtergesellschaft unter diesem Gesichtspunkt näher bei § 22 BGB, wird doch die Risikoempfindlichkeit der Mitglieder durch die damit verbundene Haftungsbeschränkung abgeschwächt. Immerhin trägt auch der wirtschaftliche Erfolg der Tochtergesellschaft zur Effizienz der nichtwirtschaftlichen Haupttätigkeit bei, so dass ein Missmanagement dem Interesse der Mitglieder zuwiderläuft. Denn die Nebentätigkeit ist nur als untergeordnete, der Haupttätigkeit dienende Tätigkeit zulässig. Das seinerzeitige Management von Borussia Dortmund hätte seine wirtschaftlich waghalsige sportliche Aufrüstung der Bundesligafußballmannschaft schwerlich so unbehindert betreiben können, wenn nicht die Profifußballabteilung, sondern die diversen Amateursportarten im Leben des Vereins die Hauptsache gewesen wären.

Reuter | Aufsätze

105

III. Zulässigkeit eines abhängigen Vereins? 1. Zulässigkeit der Begründung von Herrschaftsrechten Dritter ? Die Vorstellung eines abhängigen Vereins setzt voraus, dass der BGB-Verein sich der Herrschaft eines anderen wirksam unterwerfen kann. Leuschner hält eine solche Unterwerfung durch entsprechende Satzungsregelung sogar gegenüber einem externen Dritten, d.h. gegenüber jemandem für möglich, der weder Organmitglied noch Vereinsmitglied ist. Wegen der Dispositivität sogar der Satzungsänderungskompetenz (arg. e §§ 40, 33 BGB) sollen weder rechtsgeschäftlich-konstruktive noch materiell-rechtliche Bedenken dagegen bestehen.46 Dabei folgt Leuschner nicht der verbreiteten Auffassung, der Dritte werde eben durch die satzungsmäßige Ausstattung mit (Herrschafts-)Rechten zum Vereinsorgan, so dass sich die Frage nach der Zulässigkeit von Herrschaftsrechten Dritter gar nicht stelle,47 und zwar zu Recht: Die Organeigenschaft beinhaltet die Bekleidung eines Amtes, das nicht subjektive Rechte, sondern Befugnisse verschafft, die der Inhaber im Interesse des Vereins auszuüben berechtigt, aber auch verpflichtet ist.48 Deshalb genügt zu ihrem Erwerb nicht die Berufung durch die Satzung, sondern es ist die Annahme durch den Berufenen erforderlich. Andererseits ist es nicht a priori ausgeschlossen, dass jemand, ohne Mitglied zu sein, ein Recht in Vereinsangelegenheiten erhält, das er – wie andere subjektive Rechte – nach seinem Gutdünken ausüben oder nicht ausüben, ja sogar bis zur Grenze der sittenwidrigen Schädigung (§ 826 BGB) zum Nachteil des Vereins ausüben kann. Zwar will Leuschner bei seinem Plädoyer für die Möglichkeit von Herrschaftsrechten Dritter eine so freie Rechtsposition nicht zugestehen. Seiner Ansicht nach unterliegt der Dritte grundsätzlich den gleichen Bindungen wie ein Organmitglied. Doch soll er immerhin im Gegensatz zu einem Organmitglied eine unentziehbare und eigennützige Rechtsstellung erhalten können.49 Im Hinblick auf die rechtsgeschäftlich-konstruktive Problematik der Begründung von Herrschaftsrechten Dritter hat Leuschner die h.M. auf seiner Seite. Die h.M. geht in der Tat davon aus, dass die Satzung Rechte externer Dritter begründen kann. Sie stützt sich dazu auf die analoge Anwendung des § 328 BGB50 (die nach Leuschner nicht

40 Ausführlich Aldermann, Lizenzfußball und Nebenzweckprivileg, 1996, S. 96 ff.; Galli, Rechtsformgestaltung und Lizenzierungspraxis im Berufsfußball, SpuRT 1998, 18, 19. 41 Aldermann (Fn. 40), S. 134. 42 Tendenziell in diesem Sinne Nahrwold, Die wirtschaftliche Betätigung von Idealvereinen am Beispiel der Ausgliederungsvorhaben der Fußballbundesligavereine, 2003, S. 196 f. 43 Zutreffend Nahrwold (Fn. 42) S. 70 f. 44 BGH, Urt. v. 29.9.1882 – I ZR 88/80, BGHZ 15, 315, 319; Hadding, Soergel-BGB (Fn. 37), §§ 21, 22 Rn. 33; Weick, Staudinger-BGB, Bearb. 2005, § 21 Rn. 12; K. Schmidt, Zur Abgrenzung der beiden Vereinsklassen – Bestandsaufnahme, Kritik und Neuorientierung, Rpfleger 1972, 343, 351 ff. 45 Ausführlich Reuter, MüKo-BGB (Fn. 2) §§ 21, 22 Rn. 19. 46 Leuschner (Fn. 1) S. 244 ff., 261 ff. 47 Flume (Fn. 16) S. 191; Beuthien/Gätsch, Vereinsautonomie und Satzungsrechte Dritter, ZHR 156 (1992), 459, 467 ff. 48 Leuschner (Fn. 1), S. 281; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 159, 161 f. 49 Leuschner (Fn. 1), S. 274 ff., 278 ff. 50 RG, Urt. v. 23.11.1922 – IV 167/22, RGZ 106, 120, 126; BGH, Urt. v. 29.6.1987 – II ZR 295/86, BGHZ 101, 193; Edenfeld, Die Rechtsbeziehungen des bürgerlichrechtlichen Vereins zu Nichtmitgliedern, 1996, S. 53 ff.


106

Aufsätze | Reuter

einmal notwendig ist, sondern durch die Zustimmung des Dritten zu der Satzungsregelung ersetzt werden kann51). Doch wird dabei nicht berücksichtigt, dass die Satzung als Rechtsgeschäft des Innenorgans Mitgliederversammlung nur die Innenbeziehungen des Vereins regeln kann, und das aus gutem Grund: Der Verein ist definitionsgemäß auf Mitgliederwechsel angelegt. Wenn die Mitglieder – und sei es auch, wie Leuschner fordert, einstimmig – satzungsmäßige unentziehbare Herrschaftsrechte Dritter begründen, dann binden sie nicht nur sich selbst, sondern auch zukünftige Mitglieder. Ein Verein – und allgemein eine Körperschaft – lebt aber definitionsgemäß nach dem Willen seiner jeweiligen Mitglieder, nicht – wie eine Stiftung – nach dem Willen früherer Gründer.52 Gewiss muss niemand – wie eingewendet wird53 – Mitglied eines Vereins mit einer ihm nicht genehmen Satzung werden oder bleiben. Doch ist das allenfalls ein Argument für die Verzichtbarkeit von Individualschutz, nicht für die Verzichtbarkeit eines Elementes, das für das Funktionieren der sozialen Kontrolle und damit für die Entbehrlichkeit staatlicher Kontrolle erforderlich ist. In den Materialien zum BGB wird die Forderung, wie für den Verein auch für die Stiftung auf das Erfordernis einer Konzession zu verzichten, in diesem Sinne ausdrücklich mit der Begründung zurückgewiesen, im Gegensatz zur Stiftung werde das Dasein des Vereins von lebenden Mitgliedern bestimmt, die im weitesten Sinne der sozialen Kontrolle durch den Markt unterlägen.54 Zwar macht das Herrschaftsrecht eines lebenden Dritten den Verein nicht zur Quasi-Stiftung, sondern zur Quasi-Anstalt. Aber eine privatrechtliche Anstalt im Vereinsgewand ist noch bedenklicher als ein stiftungsartiger Verein, ist doch die Anstalt im numerus clausus der juristischen Personen des Privatrechts überhaupt nicht vorgesehen. Die Beschränkung der Satzung auf die Regelung der Rechte und Pflichten der Mitglieder und Organmitglieder des Vereins ist also im öffentlichen Interesse gebotenes und daher zwingendes Recht. Entgegen der von Leuschner kritisierten h.M. scheitern Herrschaftsrechte Dritter schon deshalb, nicht erst wegen eines ungeschriebenen Grundsatzes der Verbandssouveränität.55 Nur scheinbar steht diese Feststellung – wie Leuschner u.a. meinen – im Widerspruch zum Baha’i-Beschluss des BVerfG.56 Zwar trifft es nicht zu, dass – wie gelegentlich behauptet wird57 – durch die Entscheidung lediglich dem verfassungsrechtlich gebotenen Sonderstatus von Religionsgemeinschaften Rechnung getragen wird. Denn das BVerfG geht ausdrücklich davon aus, den Bedarf von Religionsvereinen für Herrschaftsrechte der Spitze einer (hierarchisch organisierten) Religionsgemeinschaftbefriedigenzukönnen,ohnedieGrenzen des allgemein geltenden Vereinsrechts zu überschreiten.58 Doch betont es, es sei der Zweck des konkret betroffenen, als Verein organisierten Geistigen Rats der Baha’i Tübingen, eine Teilgliederung der Baha’i-Religionsgemeinschaft zu sein und sich in deren religionsrechtlich bestimmte Struktur einzufügen. Solche selbstgesetzten Einordnungszwecke müssten nicht schlechthin als Preisgabe der Selbstbestimmung des Vereins beurteilt werden.59 Explizit zieht das BVerfG eine Parallele zum Gesamtverein, für den die Rechtsprechung seit langem sogar annimmt, die Verfassung des Zweigvereins könne sich aus der Satzung des Hauptvereins ergeben.60 Diese Parallele erklärt den Baha’i-Beschluss. Wie die Mitglieder des Zweigvereins zugleich Mitglieder des Hauptvereins sind, sind die Mitglieder der vereinsmäßig organisierten Teilgliederung einer Religionsgemeinschaft zugleich Mitglieder der Religionsgemeinschaft insgesamt. In beiden Fällen ist die Mitgliedschaft – beim Gesamtverein

npoR Heft 3/2012

de iure, bei der Religionsgemeinschaft mit ausländischem Sitz der Spitzenorganisation de facto – eine gestufte Mehrfachmitgliedschaft, bei der die mitgliedschaftlichen Rechte und Pflichten nach Maßgabe der Satzung der Spitzenorganisation teils gegenüber der Unter- bzw. Teilgliederung und teils gegenüber der Spitzenorganisation bestehen. Die Herrschaftsrechte stehen also gar nicht einem Dritten, sondern jemandem zu, der als Organ der Gesamtorganisation genauso zur Herrschaftsausübung legitimiert ist, als wenn die Untergliederungen nicht rechtlich verselbständigt wären, sondern rechtlich unselbständige Unterabteilungen bildeten.61 Einen Unterschied gibt es nur insofern, als die Herrschaft gegenüber der als Verein rechtlich verselbständigten Untergliederung keine umfassende sein darf. Wird die Untergliederung zur bloßen Verwaltungsstelle oder zum bloßen Sondervermögen, erfüllt sie – wie das BVerfG bestätigt62 – nicht mehr die Mindestanforderung an das Vorliegen eines Vereins. Die Überlegungen, durch die Leuschner die Zulässigkeit von Herrschaftsrechten Dritter im Verein belegen will, sind durchgängig nicht tragfähig. Es ist zwar richtig, dass der Zweck eines Vereins auch sein kann, sich in den nichtwirtschaftlichen Dienst einer anderen natürlichen oder juristischen Person zu stellen.63 Aber daraus folgt nicht, dass dieser anderen Person ein Herrschaftsrecht eingeräumt werden kann. Der Zweck allein gibt ihr überhaupt noch kein Recht. Ändert das zuständige Vereinsorgan den Zweck, so muss sie dies klaglos hinnehmen. Die Zulässigkeit des Zwecks selbst setzt voraus, dass Art und Umfang der Unterwerfung unter das fremde Interesse in einer Weise begrenzt sind, die eine die Folgen rational abschätzende Entscheidung ermöglicht. Gleiches gilt für den zur Erfüllung des Zwecks geschlossenen Vertrag. Der Beherrschungsvertrag nach den §§ 291 ff. AktG ist dafür kein geeigneter Maßstab. Bei einer beherrschten AG kann man die legitimen Interessen der (außenstehenden) Mitglieder dadurch befriedigen, dass man ihr Interesse daran schützt, wirtschaftlich nicht schlechter dazustehen, als wenn der Beherrschungsvertrag nicht geschlossen worden wäre (§§ 304, 305 AktG). Im Fall des Vereins geht es nicht um wirtschaftliche, sondern um nichtwirtschaftliche Mitgliederinteressen, denen man so nicht Rechnung tragen kann. Von der Frage nach der Zulässigkeit von Herrschaftsrechten Dritter zu unterscheiden ist diejenige nach der Möglichkeit, Dritte kraft Satzung an der Willensbildung des Vereins zu beteiligen. Die Satzung kann die Bestellung des Vorstands – durch Satzungsänderung jederzeit revozierbar – einem

51 Leuschner (Fn. 1), S. 251. 52 Reuter, MüKo-BGB (Fn. 2), § 25 Rn. 33; Flume (Fn. 16), S. 189; bezogen auf die GmbH grundlegend Ulmer, Nochmals: Begründung von Rechten für Dritte in der Satzung einer GmbH?, in: FS Wiedemann, 2002, S. 1297, 1314 ff. 53 Wolff, Der drittbestimmte Verein. Satzungsrechte Dritter zwischen Vereinigungsfreiheit und Vereinsautonomie, 2006, S. 120 ff. 54 Mugdan (Fn. 27), S. 961 f. 55 Gegen diesen Grundsatz Leuschner (Fn. 1), S. 262 ff. 56 BVerfG (Fn. 11), NJW 1991, 2623 ff. 57 Flume, Vereinigungsautonomie und kirchliche oder religiöse Vereinigungsfreiheit und das Vereinsrecht, JZ 1992, 238 ff. 58 BVerfG (Fn. 11), NJW 1991, 2623, 2625 f. 59 BVerfG (Fn. 11), NJW 1991, 2623, 2626. 60 BGH, Urt. v. 19.3.1984 – II ZR 168/83, BGHZ 90, 331, 333 f. 61 Ausführlich Reuter, MüKo-BGB (Fn. 2), Vor § 21 Rn. 147, 157. 62 BVerfG (Fn. 11), NJW 1991, 2623, 2626. 63 So Leuschner (Fn. 1), S. 278 ff.


Reuter | Aufsätze

npoR Heft 3/2012

Dritten überlassen. Sogar die Satzungsänderung selbst kann zwar nicht einem Dritten vorbehalten, wohl aber von seiner Zustimmung abhängig gemacht werden. Dabei handelt es sich nämlich nicht um ein Herrschaftsrecht des Dritten, sondern um eine Beschränkung der Mehrheitsherrschaft. Die Gesamtheit der Mitglieder kann das Zustimmungserfordernis jederzeit abschaffen, und zwar unabhängig davon, ob die Satzung einen entsprechenden Vorbehalt vorsieht oder nicht.64 2. Grenzen der Begründung von Herrschaftsrechten für Mitglieder Zuzustimmen ist Leuschner u.a. darin, dass die Organwalter von Vereinsorganen keine Herrschaftsrechte erhalten können. Qua Organmitgliedschaft gibt es nur ein Amt, das im Dienst des Vereins wahrzunehmen ist.65 Als Inhaber von Herrschaftsrechten kommen – sieht man von den Sonderfällen Gesamtverein und Religionsgemeinschaft ab – lediglich die Mitglieder des Vereins in Betracht. Einfallstor ist insoweit § 35 BGB, der in der Tat neben Sonderwertrechten (z.B. bevorzugtes Recht auf Benutzung von Vereinseinrichtungen), Sonderschutzrechten (Austrittsrecht mit verkürzter Frist) und Sonderinformationsrechten (z.B. Auskunfts- und Einsichtsrecht außerhalb der Mitgliederversammlung) auch Sondermitverwaltungsrechte (z.B. Mehrfachstimmrecht, Recht auf die Vorstandsposition oder doch wenigstens Recht zur Bestellung des Vorstands) umfasst. Leuschner meint, die Sonderverwaltungsrechte könnten zwar grundsätzlich nur unter Bindung an den Vereinszweck ausgeübt werden, doch könne die Gesamtheit der Mitglieder wegen ihrer Befugnis zur Disposition über den Vereinszweck von dieser Bindung, dem Schädigungsverbot, befreien und so die Verfolgung vereinsfremder Sonderinteressen legitimieren.66 Die Bedenken gegen diese Sicht ergeben sich aus Überlegungen, die ich bereits im Abschnitt über die Tauglichkeit des Vereins als Obergesellschafter eines Wirtschaftskonzerns entwickelt habe: Das Verbot der Verfolgung vereinsfremder Sonderinteressen dient nicht nur dem Schutz von Mitgliederinteressen, sondern – wie das Aktienkonzernrecht bestätigt (§§ 300–303 AktG) – auch dem Schutz der Gläubiger. Das Schädigungsverbot ist daher im Vereinsrecht nicht disponibel. Die überwiegend abweichende Beurteilung im GmbH-Recht67 lässt sich nicht auf den Verein übertragen. Denn diese beruht auf der Vorstellung, dass das Vermögen der GmbH ein Sondervermögen der Gesellschafter ist, der Schutz von Gläubigerinteressen mithin erst in Betracht kommt, wenn ein Gesellschafter die GmbH „durch Eingriffe in ihr Vermögen und ihre Ressourcen … der Fähigkeit beraubt, ihren Verbindlichkeiten nachzukommen.“68 Schon bei der AG ist das Schädigungsverbot vorbehaltlich der §§ 291, 311 ff. AktG umfassend.69 Erst recht gilt es für den BGB-Verein. Zu Unrecht behauptet Leuschner, die Vereinsmitglieder könnten sich mangels gesetzlicher Ausschüttungsbeschränkungen grundsätzlich das Vereinsvermögen unbegrenzt aneignen.70 Wie der BGH seit 1999 wiederholt bestätigt hat, scheidet eine Beschränkung der Haftung der Mitglieder für Gesellschafts- bzw. Vereinsschulden auf das Gesellschafts- bzw. Vereinsvermögen ohne Vermögensbindung – Originalton BGH – „nach dem System des geltenden Rechts“ aus.71 Wenn das Vereinsrecht nichts über Ausschüttungsbeschränkungen sagt, dann kann das deshalb nicht als unbeschränkte Zulassung von Ausschüttungen, sondern muss als unbeschränktes Verbot von Ausschüttungen verstanden werden. Das Vereinsrecht schweigt, weil die nichtvermögensrechtliche Natur der Vereinsmitgliedschaft Ausschüttungen a priori ausschließt.72 Im Übrigen indizieren die §§ 47 ff. BGB, dass die Umwandlung der nicht vermögens-

107

rechtlichen in eine vermögensrechtliche Mitgliedschaft, wenn man sie denn zulässt, zumindest eine Rechtsfortbildung durch die Schaffung von Ausschüttungsgarantien (im Interesse des Mitgliederschutzes) und Ausschüttungsbeschränkungen (im Interesse des Gläubigerschutzes) notwendig macht.73 Ob eine solche Rechtsfortbildung die auch nach Karsten Schmidt, dem Hauptvertreter einer solchen Lösung,74 erforderlichen engen Grenzen75 einhalten könnte, erscheint mehr als zweifelhaft. Vereinsmitglieder können danach zwar Rechte erhalten, die ihnen einen besonderen Einfluss sichern, nicht jedoch Herrschaftsrechte, die ihnen die Verfolgung von Sonderinteressen ermöglichen. Ein Verein kann daher auch unabhängig von seiner Wirtschaftsunfähigkeit nicht wie die AG (für die die §§ 291 ff., 311 ff. AktG die – begrenzte – Schädigung erlauben) und wie die GmbH (deren Eigenart als Sondervermögen der Gesellschafter Schädigungen bis zur Grenze der Existenzvernichtung gestattet) Konzerntochter sein. Gewiss schließt die Unzulässigkeit der Verfolgung von Sonderinteressen zum Nachteil des Vereins nicht aus, dass sie trotzdem geschieht. In diesem Fall ist der Schädiger auch dann zum Schadensersatz verpflichtet, wenn sein Verhalten durch einen Beschluss aller Mitglieder abgesegnet ist. Denn der Beschluss ist wegen Verstoßes gegen zwingendes Recht nichtig. Der Verein kann auf den Schadensersatzanspruch verzichten, doch wird man nach dem Gebot der Gleichbehandlung des Gleichartigen § 117 Abs. 4 und Abs. 5 AktG analog anzuwenden haben: Der Verzicht ist danach erst nach Ablauf von 3 Jahren zulässig und kann von einer Minderheit blockiert werden. Gänzlich unwirksam ist er gegenüber den Vereinsgläubigern, die den Schadensersatzanspruch selbst geltend machen können, wenn und soweit dies zur Befriedigung ihrer Forderungen notwendig ist. IV. Fazit Die weitgehende Unzulässigkeit des abhängigen BGB-Vereins verweist auch die externe nicht wirtschaftliche Betätigung auf die Gründung einer Tochter-Kapitalgesellschaft, insbesondere eine Tochter-GmbH. Ausnahmen sind nur für Gesamtvereine und ähnlich strukturierte Organisationen wie Religionsgemeinschaften anzuerkennen. Ein Konzernrecht des Vereins analog dem GmbH-Konzernrecht oder gar dem Aktienkonzernrecht gibt es nicht.

64 Reuter, MüKo-BGB (Fn. 2), § 33 Rn. 19. 65 Schürnbrand (Fn. 48), S. 159, 161 f.; Ulmer (Fn. 52), S. 1297, 1304 f. 66 Leuschner (Fn. 1), S. 311 ff. 67 BGH, Urt. v. 21. 6. 1999 – II ZR 47/98, BGHZ 142, 92, 95; Zöllner, Gläubigerschutz durch Gesellschafterhaftung bei der GmbH, in: FS Konzen, 2006, S. 999, 1011. 68 Röhricht (Fn. 6), S. 3, 13. 69 Röhricht (Fn. 6), S. 3, 13 („im Gegensatz zum Aktienrecht). 70 Leuschner, Der eingetragene Verein im System des körperschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes, ZHR 175 (2011), 787, 818 ff. (der zu Unrecht die Verteilung von Vermögen mit geldwerten Vorteilen gleichsetzt, die das Mitglied aufgrund des Vereinszwecks – z.B. Benutzung der Golfanlage – erhält). 71 BGH, Urt. v. 27.9.1990 – II ZR 371/98, NJW 1999, 3483, 3485. 72 Ausführlicher Reuter (Fn. 33), S. 75. 73 Ausführlicher Reuter (Fn. 33), S. 71 f. 74 K. Schmidt (Fn. 36), S. 1, 15 f. 75 K. Schmidt (Fn. 16), S. 97.


108

npoR Heft 3/2012

Aufsätze | Petersen

Dr. Jens Petersen*

Die Einbindung der Erhebung der Kirchensteuer als Zuschlag zur Kapitalertragsteuer in die Philosophie der Abgeltungsteuer – § 51a Abs. 2c und e EStG i.d.F. des BeitreibungsRL-Umsetzungsgesetzes In Art. 2 Nr. 33 (§ 51a Abs. 2c und e EStG) und Nr. 35 b) (§ 52a Abs. 18 EStG) des BeitreibungsRL-Umsetzungsgesetzes1 ist der aus § 51a Abs. 2e EStG resultierende Auftrag an den Gesetzgeber, „die Auswirkungen der Absätze 2c bis 2d ... unter Beteiligung von Vertretern von Kirchensteuern erhebenden Religionsgemeinschaften und weiteren Sachverständigen durch die Bundesregierung mit dem Ziel [zu überprüfen], einen umfassenden verpflichtenden Quellensteuerabzug auf der Grundlage eines elektronischen Informationssystems, das den Abzugsverpflichteten Auskunft über die Zugehörigkeit zu einer Kirchensteuer erhebenden Religionsgemeinschaft gibt, einzuführen“, umgesetzt worden. Damit wird es möglich sein, auf Kapitalerträge, die nach dem 31.12.2013 zufließen, auch Kirchensteuer nach Maßgabe eines elektronischen Informationssystems zu erheben. Nachstehend wird die Neuregelung2 erläutert. I. § 51a Abs. 2c und e EStG i.d.F. des BeitreibungsRL-Umset zungsgesetzes 1. § 51a Abs. 2c S. 1 Nr. 1 EStG „(2c) 1Der zur Vornahme des Steuerabzugs vom Kapitalertrag Verpflichtete (Kirchensteuerabzugsverpflichteter) hat die auf die Kapitalertragsteuer nach Absatz 2b entfallende Kirchensteuer nach folgenden Maßgaben einzubehalten: 1. Das Bundeszentralamt für Steuern speichert unabhängig von und zusätzlich zu den in § 139b Abs. 3 der Abgabenordnung genannten und nach § 39e gespeicherten Daten des Steuerpflichtigen den Kirchensteuersatz der steuererhebenden Religionsgemeinschaft des Kirchensteuerpflichtigen sowie die ortsbezogenen Daten, mit deren Hilfe der Kirchensteuerpflichtige seiner Religionsgemeinschaft zugeordnet werden kann. Die Daten werden als automatisiert abrufbares Merkmal für den Kirchensteuerabzug bereitgestellt; [...]“ Das bisherige Antragsverfahren wird ersetzt. Die konkrete Konfessionszugehörigkeit wird dem Abzugsverpflichteten nunmehr elektronisch vom Bundeszentralamt für Steuern zur Verfügung gestellt. Dem Abzugsverpflichteten wird hierdurch ermöglicht, den Kirchensteuerabzug gezielt für die derzeit 67 Kirchensteuer erhebenden Religionsgemeinschaften durchzuführen. Die eindeutige Bezeichnung der steuererhebenden Religionsgemeinschaften (ortsbezogene Daten; „trennscharfer Religionsmerker“) als Gläubiger der Kirchensteuer ist für die Erhebung der Kirchensteuer als Zuschlag zur Kapitalertragsteuer unabdingbar notwendig, um sie der Religionsgemeinschaft zuzuleiten, der der Kirchensteuerpflichtige angehört.3 Ein anonym ausgestaltetes Erhebungsverfahren gewährt sonst keine Möglichkeit der unabdingbaren gläubigergenauen Zuordnung. Die bisherige Verteilung des Kirchensteueraufkommens im Übergangsverfahren nach § 51a Abs. 2c EStG mittels eines nachgelagerten Verteilungsverfahrens4 beruht auf Daten der Vergangenheit, die sich nicht in die Zukunft für ein elektronisches Verfahren fortschreiben lassen. So führt der Abzugsverpflichtete derzeit beispielsweise

zur „Sammelbezeichnung ev“ die Kirchensteuer der evangelischen Steuerpflichtigen über die Finanzverwaltung an die Steuergläubiger (bzw. eine zentrale Clearingstelle) ab, die die weitere Verteilung auf die 20 evangelischen Kirchensteuergläubiger (Landeskirchen) vornimmt. Mit dem trennscharfen Religionsmerker wird hingegen der Steuergläubiger unverwechselbar benannt und ermöglicht dem Abzugsverpflichteten eine direkte, genaue und endgültige Abführung (über die Finanzverwaltung), die für die steuererhebenden Religionsgemeinschaften sofort haushaltswirksam verfügbar ist.

* Der Autor ist Leiter des Steuerreferates im Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). 1 Gesetz v. 7.12.2011, BGBl. I 2011, 2592; BStBl. I 2011, 1171. 2 Zur bisherigen Regelung und dem Gesetzgebungsverfahren s. u.a.: Petersen, Kirchensteuer kompakt, 2010, S. 45 ff., 98 f., 119, 126 f., 141 f., 146; ders., K/S/M-EStG, Stand März 2012, § 51a Rn. A 96 ff., C 81 ff.; BT-Drs. 17/2865 v. 3.9.2010; BR-Drs. 552/10 v. 7.9.2010; Mitteilung: BT Plenarprotokoll 17/72, 7937B-7937C; BR-Drs. 253/11 v. 6.5.2011; BR-Drs. 253/11 v. 6.5.2011; BT-Drs. 17/ 6263 v. 22.6.2011; BT Plenarprotokoll 17/117, 13555 (D) sowie 13556 (B), 13557 (A); Gemeinsame Stellungnahme des Bevollmächtigten des Rates der EKD und des Leiters des Kommissariats der Deutschen Bischöfe zum Gesetzentwurf, Stellungnahmen von: Deutsche Kreditwirtschaft, Spitzenverbände der Deutschen Wirtschaft, Bundessteuerberaterkammer, Prof. Reimer, Prof. Loritz, Bundesdatenschutzbeauftragter, http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/a07/ anhoerungen/2011/060/060-21_09_11-____Mailfassung_.pdf; http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/a07/ anhoerungen/2011/060/Stellungnahmen/34-Die_Dt__Kreditwirtschaft.pdf; (vormals „Zentraler Kreditausschuß“) http:// www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/a07/anhoerungen/2011/060/Stellungnahmen/06-Spitzenverb__d__dt__Wirtschaft.pdf; http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/ a07/anhoerungen/2011/060/Stellungnahmen/05-BStBK.pdf http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/a07/ anhoerungen/2011/060/Stellungnahmen/30-Prof__Reimer.pdf; http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/a07/anhoerungen/2011/060/Stellungnahmen/29-Prof__Loritz.pdf; http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/a07/anhoerungen/2011/060/Stellungnahmen/04-BfDI.pdf; s. Wortprotokoll der 60. Sitzung des Finanzausschusses, Protokoll Nr. 17/60, 7 ff., 19 ff., 46 f., http://www.bundestag.de/bundestag/ ausschuesse17/a07/anhoerungen/2011/060/060-21_09_11-____ Mailfassung_.pdf; BT Plenarprotokoll 17/136, 16234 A – 16234 B; BT-Drs. 676/11 (Beschluss). 3 Die Kirchensteuer steht der Religionsgemeinschaft zu, zu der der Steuerpflichtige ein Mitgliedschaftsverhältnis begründet hat, mithin der Religionsgemeinschaft, in deren Gebiet der Steuerpflichtige seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat, s. z.B. § 3 KiStG Niedersachsen i.d.F. vom 10.7.1986, Nds. GVBI. 1986, 281, zuletzt geändert durch Gesetz zur Änderung des KiStRG v. 10.12.2008, Nds. GVBl. 2008, 396. 4 Für den Bereich der evangelischen Landeskirchen s. Richtlinie zur Verteilung der Kirchensteuer auf Abgeltungssteuer zwischen den Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland v. 4.4.2008, ABl. EKD 2008, 137, geändert durch ÄndRL vom 3.9.2010, ABl. EKD 2010, 278.


Petersen | Aufsätze

npoR Heft 3/2012

Zu diesem Zwecke wird – von den Religionsgemeinschaften5 – für jede steuererhebende Religionsgemeinschaft6 eine Kennziffer gebildet und dem Bundeszentralamt für Steuern nebst einer Hebesatztabelle zur Verfügung gestellt werden. Beispiel Kennziffernbildung steuererhebende Religionsgemeinschaft

Merker Bisher

Merker neu

Hebesatz

ev.-luth. Landeskirche Bayern

ev

002

8

ev.-luth. Landeskirche Hannover

lt

008

9

röm.-kath. Bistum Hildesheim

rk

062

9

jüdische Gemeinde Hamburg

jh

078

9

keine Zugehörigkeit

--

000

0

Diese Schlüsseldaten werden mit den Daten nach § 139b Abs. 3 AO und § 39e EStG in einer gesonderten Datenbank (KISTAM7) verknüpft, auf die der Abzugsverpflichtete zugreifen kann. 2. § 51a Abs. 2c S. 1 Nr. 2 EStG „2. sofern dem Kirchensteuerabzugsverpflichteten die Identifikationsnummer des Schuldners der Kapitalertragsteuer nicht bereits bekannt ist, kann er sie beim Bundeszentralamt für Steuern anfragen. 2In der Anfrage dürfen nur die in § 139b Absatz 3 der Abgabenordnung genannten Daten des Schuldners der Kapitalertragsteuer angegeben werden, soweit sie dem Kirchensteuerabzugsverpflichteten bekannt sind. 3Die Anfrage hat nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung zu erfolgen. 4Im Übrigen ist die Steuerdaten-Übermittlungsverordnung entsprechend anzuwenden. 5Das Bundeszentralamt für Steuern teilt dem Kirchensteuerabzugsverpflichteten die Identifikationsnummer mit, sofern die übermittelten Daten mit den nach § 139b Absatz 3 der Abgabenordnung beim Bundeszentralamt für Steuern gespeicherten Daten übereinstimmen; [...]“ Zentrales Abfragemerkmal ist die Identifikationsnummer des Kirchensteuerpflichtigen. Mit ihr kann er unverwechselbar identifiziert werden. Den Abzugsverpflichteten liegen bereits jetzt die Identifikationsnummern zu zahlreichen Kontoverbindungen vor, die aus anderen Gründen erhoben worden sind.8 
Eine Abfrage der Steueridentifikationsnummer beim Bundeszentralamt für Steuern ist deshalb nur notwendig für diejenigen Konteninhaber, für die sie noch nicht vorliegt. Die Verwendung einer bereits gespeicherten Identifikationsnummer haben die Abzugsverpflichteten angeregt9 und der Gesetzgeber ist dem gefolgt. Gleichwohl stellt die einmalige Abfrage für Konteninhaber, für die noch keine Identifikationsnummer vorliegt, eine gewisse Herausforderung dar. Da die Abfragesyntax eine weitgehende Identität (Ähnlichkeitsvergleich) der Daten auf Seiten der Abzugsverpflichteten und des Bundeszentralamtes für Steuern erfordert, dürfte bei einer Reihe von Konten, z.B. mit Namenswechsel seit der Eröffnung, in Umzugsfällen, bei Altkonten etc. die Zuteilung einer Identifikationsnummer nicht oder nur mit zusätzlichem Aufwand möglich sein. Bei einer nur einmaligen Abfrage ist nicht in jedem Fall eine positive Rücklieferung der Identifikationsnummer gewährleistet (s. vor). Die sonst übliche dreigestufte Abfrage10 sollte den Abzugsverpflichteten offenbar nicht zugemutet werden,

109

insbesondere wegen der letzten Stufe mit erheblichem manuellem Rechercheaufwand. In Anbetracht der schon vorliegenden Identifikationsnummern und der durch die Abfrage neu gewonnenen darf aber angenommen werden, dass „vergessene“ Konten im Laufe der Zeit einbezogen werden und eine eher untergeordnete Rolle spielen. 
3. § 51a Abs. 2c Satz 1 Nr. 3 EStG „3. der Kirchensteuerabzugsverpflichtete hat unter Angabe der Identifikationsnummer des Schuldners der Kapitalertragsteuer einmal jährlich im Zeitraum vom 1. September bis 31. Oktober beim Bundeszentralamt für Steuern anzufragen, ob der Schuldner der Kapitalertragsteuer am 31. August des betreffenden Jahres (Stichtag) kirchensteuerpflichtig ist (Regelabfrage). 2Für Kapitalerträge im Sinne des § 43 Absatz 1 Nummer 4 aus Versicherungsverträgen hat der Kirchensteuerabzugsverpflichtete eine auf den Zuflusszeitpunkt der Kapitalerträge bezogene Abfrage (Anlassabfrage) an das Bundeszentralamt für Steuern zu richten. 3Auf die Anfrage hin teilt das Bundeszentralamt für Steuern dem Kirchensteuerabzugsverpflichteten die rechtliche Zugehörigkeit zu einer steuererhebenden Religionsgemeinschaft und den für die Religionsgemeinschaft geltenden Kirchensteuersatz zum Zeitpunkt der Anfrage als automatisiert abrufbares Merkmal nach Nummer 1 mit. 4 Rechtzeitig vor Regel- oder Anlassabfrage ist der Schuldner der Kapitalertragsteuer vom Kirchensteuerabzugsverpflichteten auf die bevorstehende Datenabfrage sowie das gegenüber dem Bundeszentralamt für Steuern bestehende Widerspruchsrecht, das sich auf die Übermittlung von Daten zur Religionszugehörigkeit bezieht (Absatz 2e Satz 1), schriftlich oder in anderer geeigneter Form hinzuweisen. 5 Der Hinweis hat individuell zu erfolgen. 6Gehört der Schuldner der Kapitalertragsteuer keiner steuererhebenden Religionsgemeinschaft an oder hat er dem Abruf von Daten zur Religionszugehörigkeit widersprochen (Sperrvermerk), so teilt das Bundeszentralamt für Steuern dem Kirchensteuerabzugsverpflichteten zur Religionszugehörigkeit einen neutralen Wert (Nullwert) mit. 7Der Kirchensteuerabzugsverpflichtete hat die vorhandenen Daten zur Religionszugehörigkeit unverzüglich zu löschen, wenn ein Nullwert übermittelt wurde; [...]“ 5 Bericht des Finanzausschusses v. 26.10.2011, BT-Drs. 17/7524, 18. 6 BT-Drs. 17/2865 v. 3.9.2010, 13; Petersen, Kirchensteuer kompakt (Fn. 2), S. 63 ff.; ders., K/S/M-EStG (Fn. 2), § 51a Rn. C 171 ff. 7 Kirchensteuerabzugsmerkmale. 8 S. z.B. für Kreditinstitute http://www.bundestag.de/bundestag/ ausschuesse17/a07/anhoerungen/2011/060/Stellungnahmen/34Die_Dt__Kreditwirtschaft.pdf; (vormals „Zentraler Kreditausschuß“) S. 10 . 9 S. z.B. http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/ a07/anhoerungen/2011/060/Stellungnahmen/34-Die_Dt__Kreditwirtschaft.pdf, Nr. 5; http://www.bundestag.de/bundestag/ ausschuesse17/a07/anhoerungen/2011/060/Stellungnahmen/06Spitzenverb__d__dt__Wirtschaft.pdf, Nr. 5 10 Die Erstversorgung läuft normalerweise über ein gestuftes Verfahren, welches für die Rentenbezugsmitteilungen bereits im Einsatz und erprobt ist (§ 52 Abs. 38a EStG für die Erstversorgung; § 22a Abs. 2 EStG für das laufende Verfahren); s. auch BMF-Schreiben v. 31.1.2008, BStBl. I 2008, 390, Rn. 163 ff., 183. Über die Trefferquote lassen sich nur bedingt Aussagen treffen. Bei der Erstversorgung nach § 52 Abs. 38a EStG soll sie bei ca. 75% gelegen haben. Es kommt entscheidend auf die Qualität der Stammdaten bei den Abzugsverpflichteten an.


110

npoR Heft 3/2012

Aufsätze | Petersen

In Nummer 3 wird zunächst die Regel- und die Anlassabfrage definiert. Mittels der Identifikationsnummer (und wohl auch des Geburtsdatums11) hat der Abzugsverpflichtete im Zeitraum vom 1. September bis 31. Oktober beim Bundeszentralamt für Steuern die Kirchensteuerpflicht anzufragen (Regelabfrage). Ist der Kunde Angehöriger einer steuererhebenden Religionsgemeinschaft, wird dem Abzugsverpflichteten die Kennziffer und der Hebesatz nach Nummer 1 auf elektronischem Weg mitgeteilt. Der gewählte Zeitraum für die Regelabfrage ist dem Umstand geschuldet, dass in diesem zeitlichen Korridor die technischen Kapazitäten beim Bundeszentralamt für Steuern für diese Massenverfahren (am ehesten) verfügbar sein sollen.12 Abgefragt wird die Kirchenzugehörigkeit/ Kirchensteuerpflicht zum Stichtag 31. August des Abfragejahres. Dieses Datum hat dann Gültigkeit für den Einbehalt der Kirchensteuer im darauffolgenden Kalenderjahr (Nr. 4). Misslich ist diese zeitliche Streckung zwischen der Abfrage der Zugehörigkeit und dem Kirchensteuereinzug in den Fällen des Wechsels der Kirchenzugehörigkeit, insbesondere bei Ein- und Austritt. Bei einem Eintritt in eine steuererhebende Religionsgemeinschaft wird die – nicht einbehaltene – Kirchensteuer dann im Wege der Veranlagung nacherhoben. Im Austrittsfall erfolgt die Erstattung ebenfalls im Rahmen der Veranlagung. Da es sich um ein Massenverfahren handelt und die Erstattung der einbehaltenen Kirchensteuer gesichert ist, ist ihre Erhebung trotz fehlender Kirchensteuerpflicht im Erhebungszeitpunkt akzeptabel. Es liegt insofern keine unzulässige Besteuerung nicht Kirchensteuerpflichtiger vor. Trotzdem wäre die Eröffnung einer Anlassabfrage (ausgelöst durch Hinweis des Steuerpflichtigen) in diesen Fällen grundsätzlich keine Überforderung der technischen Möglichkeiten gewesen. Der im Melderegister dokumentierte Kirchenaustritt wird mit nur geringer Zeitverzögerung dem ELStAM-Verfahren (Elektronische LohnSteuerAbzugsMerkmale) übermittelt und stünde demnach zeitnah zur Verfügung. Eine auf den Zuflusszeitpunkt bezogene Abfrage erfolgt für Kapitalerträge i.S.v. § 43 Abs. 1 Nr. 4 EStG aus Versicherungsverträgen. Sie dient damit für einmalige oder unregelmäßig entstehende Kapitalerträge aus Versicherungsleistungen, da sich die Bezugsberechtigung nach den Erfahrungen der Versicherungswirtschaft kurz vor dem Zeitpunkt der Auszahlung ändern kann.13 Eine Ausweitung auf andere Kapitaleinkünfte (z.B. nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 und 3 bis 6 EStG) wäre wünschenswert gewesen. Gegenüber den Vorentwürfen neu hinzugekommen ist die Verpflichtung des Abzugsverpflichteten, rechtzeitig vor den Abfragen den Kirchensteuerpflichtigen auf die Datenabfrage und die Widerspruchsmöglichkeit (Abs. 2e) miteinander verbunden schriftlich oder in anderer geeigneter Form individuell hinzuweisen. Neben dem Widerspruchsrecht (Abs. 2e) ist diese Regelung auf die Initiative des Bundesdatenschutzbeauftragten zurückzuführen. Die Begründung14 nennt als Beispiele den Hinweis auf Kontoauszügen, Begleitschreiben oder im E-Banking-Verfahren. Der allgemeine Hinweis z.B. in Form eines Aushangs Allgemeiner Geschäftsbedingungen genügt hingegen nicht. Rechtzeitig ist der Hinweis dann erfolgt, wenn eine vom Steuerpflichtigen ggfs. veranlasste Sperre noch in die Datenverarbeitung des Bundeszentralamtes für Steuer eingepflegt werden kann. Dies ist maßgeblich davon abhängig, wie das Widerspruchsverfahren ausgestaltet wird (s. unten I.11.) und wie schnell es vom Bundeszentralamt für Steuern eingepflegt werden kann. Die Hinweisregelung darf als lex imperfecta bezeichnet werden. Der Pflicht zur Information („… ist … hinzuweisen“)

auf der Seite des Schuldners der Kapitalerträge stehen keine steuerrechtlichen Sanktionen bei Nichtbefolgen gegenüber. Wird die Informationspflicht nicht beachtet, hat dies weder einen Nichtabzug der Kirchensteuer zur Folge noch andere Sanktionen gegen den Abzugsverpflichteten. Das Steuerschuldverhältnis zwischen dem Kirchensteuerpflichtigen und dem Gläubiger der Kirchensteuer bleibt hiervon unberührt. Ergibt die Abfrage, dass der Schuldner der Kapitalertragsteuer keiner steuererhebenden Religionsgemeinschaft angehört oder ist ein Sperrvermerk (Abs. 2e) gesetzt, wird dem Abzugsverpflichteten ein neutraler Wert (Nullwert) übermittelt. Bei Übermittlung eines Nullwertes sind evtl. beim Abzugsverpflichteten gespeicherte Daten zur Zugehörigkeit zu einer steuererhebenden Religionsgemeinschaft unverzüglich zu löschen. Möglichen Einwendungen ist entgegenzuhalten, dass diese „Nullmeldung“ nur und einzig die Aussage beinhaltet, die betreffende Person gehört keiner steuererhebenden Religionsgemeinschaft an.15 Sie trifft keine Aussage über eine religiöse Orientierung oder die Zugehörigkeit zu einer sonstigen Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft. Für ein geordnetes Verfahren ist die Negativaussage sinnvoll, zumutbar und zur Vermeidung von Zweifeln notwendig. 4. § 51a Abs. 2c Satz 1 Nr. 4 EStG „4. im Falle einer am Stichtag oder im Zuflusszeitpunkt bestehenden Kirchensteuerpflicht hat der Kirchensteuerabzugsverpflichtete den Kirchensteuerabzug für die steuererhebende Religionsgemeinschaft durchzuführen und den Kirchensteuerbetrag an das für ihn zuständige Finanzamt abzuführen. 2§ 45a Absatz 1 gilt entsprechend; in der Steueranmeldung sind die nach Satz 1 einbehaltenen Kirchensteuerbeträge für jede steuererhebende Religionsgemeinschaft jeweils als Summe anzumelden. 3Die auf Grund der Regelabfrage vom Bundeszentralamt für Steuern bestätigte Kirchensteuerpflicht hat der Kirchensteuerabzugsverpflichtete dem Kirchensteuerabzug des auf den Stichtag folgenden Kalenderjahres zu Grunde zu legen. 4Das Ergebnis einer Anlassabfrage wirkt anlassbezogen.“ Ist die Zugehörigkeit zu einer steuererhebenden Religionsgemeinschaft beim Abzugsverpflichteten hinterlegt, hat er die Kirchensteuer im Zeitpunkt des Zuflusses der Kapitalerträge einzubehalten und an sein Betriebsstättenfinanzamt abzuführen. In der Steueranmeldung sind dabei die Kirchensteuern für jede der steuererhebenden Religionsgemeinschaften gesondert in einer Summe aufzuführen. Die Anmeldung erfolgt nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck auf elektronischem Weg in entsprechender Anwendung der Regelungen für die Kapitalertragsteuer nach § 45a Abs. 1 EStG.

11 Eine entsprechende Änderung/Ergänzung soll in das Jahressteuergesetz 2013 aufgenommen werden. 12 Bericht des Finanzausschusses v. 26.10.2011, BT-Drs. 17/7524, 18. 13 Bericht des Finanzausschusses v. 26.10.2011, BT-Drs. 17/7524, 18. 14 Bericht des Finanzausschusses v. 26.10.2011, BT-Drs. 17/7524, 18. 15 Vgl. Wasmuth vs. Bundesrepublik Deutschland v. 17.2.2011, 12884/03, http://cmiskp.echr.coe.int/tkp197/view.asp?action =html&documentId=881748&portal=hbkm&source=externalbyd ocnumber&table=F69A27FD8FB86142BF01C1166DEA398649; s. auch Hammer, Neue Gerichtsentscheidungen zu Verfassungsfragen des Kirchensteuerrechts, KuR 2011, 410.


Petersen | Aufsätze

npoR Heft 3/2012

Das abgerufene Kirchensteuermerkmal hat – beim Regelabfrageverfahren – Gültigkeit für den Kirchensteuerabzug des auf den Abruf folgenden Kalenderjahres. Dies scheint im Widerspruch zu stehen mit den Regelungen beim unterjährigen Wechsel der Kirchensteuerpflicht. Die Kirchensteuerpflicht beginnt regelmäßig mit dem auf den Eintritt folgenden Monat und endet mit dem Monat des Austritts oder dem Folgemonat. Da die Kirchensteuer nur von Mitgliedern erhoben werden darf, ist sie ab dem Zeitpunkt des Kirchenaustritts grundsätzlich unzulässig.16 Der Arbeitgeber behält daher Kirchensteuer ein oder nicht mehr ein, sobald er vom steuerbegründenden Sachverhalt Kenntnis erlangt hat. Im Rahmen der Veranlagung wird durch die sogenannte Zwölftelung17 die für das Veranlagungsjahr endgültig zu entrichtende Kirchensteuer festgesetzt. Ein unterjähriger Wechsel der Religionszugehörigkeit wird vom Abzugsverpflichteten allerdings nicht zeitnah berücksichtigt werden können.18 Diese Unzulässigkeit erscheint nur dann gerechtfertigt, wenn sie zur Gewährleistung einer geordneten Besteuerung technisch und organisatorisch im Rahmen eines Massenverfahrens plausibel begründet werden kann. Durch die den Abzugsverpflichteten vom Gesetzgeber eröffnete Möglichkeit der permanenten unterjährigen Kontensaldierung und Kontenverrechnung zwischen Ehegatten am Ende des Geschäftsjahres19 sowie der fehlenden Differenzierungsmöglichkeit bei den Hebesätzen der Kapitalertragsteuer20 dürfte eine fehlende Berücksichtigung der unterjährigen Änderung der Kirchenmitgliedschaft für das Jahr der Änderung hinnehmbar sein, da eine Korrektur durch das Veranlagungsverfahren ermöglicht wird. Statt der Durchführung eines Veranlagungsverfahrens hätte es auch nahgelegen, den Abzugsverpflichteten aufzuerlegen, einen Wechsel der Kirchenzugehörigkeit nach Ablauf des Kalenderjahres durch Anwendung der Zwölftelungsregelungen zu berücksichtigen. Die Fallgruppen Wechsel des Steuergläubigers und Wechsel der Konfession sind dabei relativ unproblematisch, da der Steuerpflichtige zutreffend belastet wird. Eine Änderung wird jeweils erst zu Beginn des folgenden Jahres wirksam. Bei einem (gegebenen) gegenseitigen Einverständnis der Steuergläubiger gibt es hiergegen keine Einwände. 
5. § 51a Abs. 2c Satz 2 EStG „2Die Daten gemäß Nummer 3 sind nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung zu übermitteln.“ Die Rückmeldung des Religionsmerkers auf elektronischem Weg an den Abzugsverpflichteten entspricht den technischen Anforderungen und Notwendigkeiten. 6. § 51a Abs. 2c Satz 3 EStG „3Die Verbindung der Anfrage nach Nummer 2 mit der Anfrage nach Nummer 3 zu einer Anfrage ist zulässig.“ Zur Vermeidung von mehrfachen und ggfs. fehleranfälligen Datenabfragen haben die Verbände der Kreditwirtschaft die Verbindung der Anfragen zur Mitteilung der Identifikationsnummer und des Religionsmerkers angeregt. Der Gesetzgeber ist dem gefolgt. 7. § 51a Abs. 2c Satz 4 EStG “4Auf Antrag kann das Bundeszentralamt für Steuern zur Vermeidung unbilliger Härten auf eine elektronische Übermittlung verzichten.“

111

Aufgenommen wurde auch eine Härtefallregelung, wobei „zur Vermeidung unbilliger Härten auf eine elektronische Übermittlung“ verzichtet werden kann. Doch weder der Wortlaut des Gesetzes noch die Begründung enthält nähere Ausführungen, was der Gesetzgeber unter dem Tatbestandsmerkmal „unbillige Härten“ verstanden wissen will. Hier hätte es nahegelegen und wäre der Interpretation dienlich gewesen, die Gedanken aus der Stellungnahme des Bundesrates21 aufzugreifen. Danach sollten insbesondere in den Fällen einer positiven Kenntnis der Religionszugehörigkeit oder bei Ein-Mann-GmbHs oder kleinen Kapitalgesellschaften mit einer überschaubaren Gesellschafterstruktur Verfahrenserleichterungen vorgesehen werden. Was eine unbillige Härte ist, muss aus vergleichbaren Regelungen wie z.B. § 41a Abs. 1 S. 3 EStG hergeleitet werden.22 8. § 51a Abs. 2c Satz 5 und 6 EStG „5§ 44 Absatz 5 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Haftungsbescheid von dem für den Kirchensteuerabzugsverpflichteten zuständigen Finanzamt erlassen wird. 6§ 45a Absatz 2 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass die steuererhebende Religionsgemeinschaft angegeben wird.“ Diese Vorschriften entsprechen den bisherigen Regelungen des Absatzes 2c Sätze 7 und 9. 9. § 51a Abs. 2c Satz 7 EStG „7Sind an den Kapitalerträgen ausschließlich Ehegatten beteiligt, wird der Anteil an der Kapitalertragsteuer hälftig ermittelt.“ Die bisherige Regelung des Kirchensteuereinbehalts bei Personenmehrheiten (§ 51a Abs. 2c S. 10-13 EStG), die zwischen Ehegatten und anderen Personenmehrheiten unterschied, ist zugunsten einer typisierten Ehegattenregelung aufgegeben worden. Ehegatten hatten ihren Anteil an den Kapitalerträgen gegenüber dem Abzugsverpflichteten zu erklären. Erfolgte dies nicht, wurde eine hälftige Aufteilung vorgenommen. Bei anderen Personenmehrheiten erfolgte der Kirchensteuereinbehalt nur, sofern alle Beteiligten derselben Religionsgemeinschaft angehörten. Die typisierte hälftige Aufteilung bei Ehegatten „spiegelt die gängige Praxis bei den Freistellungsaufträgen von Ehegatten wider“23 und dient der Erleichterung i.R. eines Massenverfahrens, zumal auch die Anteile bei den Abzugsverpflichteten nicht hinterlegt sind. Weichen die Anteile von der unterstellten Halbteilung ab, verbleibt den Ehegatten die Korrektur im Rahmen der Veranlagung. Dies ist zumutbar.24 16 Zur Nachbesteuerung nach Kirchenaustritt s. Petersen, Kirchensteuer kompakt (Fn. 2), S. 135 f. 17 Petersen, Kirchensteuer kompakt (Fn. 2), S. 121 ff. 18 Petersen, Kirchensteuer kompakt (Fn. 2), S. 65 ff. 19 BMF-Schreiben v. 22.12.2009, BStBl. I 2010, 94, Rn. 212 ff. 20 Petersen, Kirchensteuer kompakt (Fn. 2), S. 65 ff. 21 BT-Drucks. 17/6263, 131, 133 22 S. BMF-Schreiben v. 29.11.2004, BStBl. I 2004, 1135; Drenseck, Schmidt-EStG, 31. Aufl. 2012, § 41a Rn. 1 m.w.N. 23 Bericht des Finanzausschusses v. 26.10.2011, BT-Drs. 17/7524, 19. 24 Meyerding/Serocka, Abgeltungsteuer nach dem BeitrRLUmsG: Automatisiertes Verfahren für den Kirchensteuerabzug, DStR 2012, 1378, 1380 geben den Hinweis, wegen eines möglichen Zinsvorteils der hälftigen Aufteilung durch den Sperrvermerk zu entgehen. Sie selbst erachten ihn allerdings als nur gering und der Sperrvermerk würde nicht gerade zur Effizienz der Besteuerung beitragen.


112

npoR Heft 3/2012

Aufsätze | Petersen

Bei anderen Personenmehrheiten dürfte es bisher in der überwiegenden Zahl der Fälle am Tatbestandsmerkmal „derselben Religionsgemeinschaft angehören“ gefehlt haben. Ferner sind sie im automatisierten Verfahren nicht zugänglich, da Beteiligte und Aufteilungsmaßstäbe darin nicht hinterlegt sind25 (z.B. bei Treuhandkonten, Notaranderkonten, Wohnungseigentümergemeinschaften). Auch hier verbleibt die Erhebung der Kirchensteuer dem Veranlagungsverfahren vorbehalten. 10. § 51a Abs. 2c Satz 8–10 EStG „8Der Kirchensteuerabzugsverpflichtete darf die von ihm für die Durchführung des Kirchensteuerabzugs erhobenen Daten ausschließlich für diesen Zweck verwenden. 9Er hat organisatorisch dafür Sorge zu tragen, dass ein Zugriff auf diese Daten für andere Zwecke gesperrt ist. 10Für andere Zwecke dürfen der Kirchensteuerabzugsverpflichtete und die beteiligte Finanzbehörde die Daten nur verwenden, soweit der Kirchensteuerpflichtige zustimmt oder dies gesetzlich zugelassen ist.“ Die Regelungen entsprechen den bisherigen und sind Ausdruck der Anforderungen des Datenschutzes.26 Auch wenn das Merkmal der Religionszugehörigkeit nunmehr nur aus einer dreistelligen Kennziffer besteht, und nicht wie bisher als Klarbezeichnung (z.B. „ev“) mitgeteilt wird, unterliegen diese Daten dem besonderen Schutzerfordernis.27 Von daher müssen die Abzugsverpflichteten organisatorisch und technisch für eine abgeschirmte Verarbeitungsumgebung Sorge tragen. Die Kredit- und Wirtschaftsverbände haben auch schon im Vorfeld bekundet, entsprechende Vorsorge dafür tragen zu wollen. Den manchmal geäußerten Bedenken, der Mitarbeiter einer Bank könne den Kundendaten die Religionszugehörigkeit entnehmen, ist so der Boden entzogen. Noch vor dem Inkrafttreten des neuen Erhebungsverfahrens hat der Bundesfinanzhof in zwei Entscheidungen28 seine bisherige Rechtsprechung zu den Pflichtangaben zur Religionszugehörigkeit auf der Lohnsteuerkarte bestätigt und auf die Neuregelung des § 51a Abs. 2c und e EStG übertragen. Diese Regelungen unterliegen danach keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Insbesondere zur Wahrung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und des Grundrechts auf Religionsfreiheit hat der Steuerpflichtige das Recht, die Weiterleitung seines Religionsmerkmals an den Abzugsverpflichteten durch Einlegung des Widerrufes (Sperrvermerk) zu verhindern. Macht er hiervon keinen Gebrauch, bleibt aber der Grundrechtseingriff – wie bisher bei der Erhebung der Kirchensteuer als Zuschlag zur Lohnsteuer – auf das für die Steuererhebung notwendige und erforderliche Maß beschränkt.

in seiner Stellungnahme und den mündlichen Ausführungen in der Anhörung29 erhob er die Forderung nach einem Widerspruchsrecht des Kirchensteuerpflichtigen, sofern das Zugehörigkeitsmerkmal dem Abzugsverpflichteten direkt bekannt gegeben werden sollte. Nach § 51a Abs. 2e Satz 1 EStG kann der Schuldner der Kapitalertragsteuer nun schriftlich oder durch ein noch einzurichtendes anderes sicheres Verfahren (Satz 2; etwa über ein Online-Portal30) beim Bundeszentralamt für Steuern bis auf schriftlichen Widerruf beantragen, dass der automatisierte Datenabruf seiner rechtlichen Zugehörigkeit zu einer steuererhebenden Religionsgemeinschaft unterbleibt (Sperrvermerk). Dieser bei einer zentralen Stelle – dem Bundeszentralamt für Steuern – gesetzte Sperrvermerk verhindert die Weitergabe der Religionszugehörigkeit an alle die Daten abrufenden Abzugsverpflichteten. Nach derzeitigem Kenntnisstand ist es nicht vorgesehen, die Zahl der abgerufenen Sperrvermerke zu dokumentieren. Hieraus ergeben sich Fragen an die Vollständigkeit des Verifikationsprinzips nach Satz 4. Über die Form des schriftlichen Widerrufs enthält das Gesetz keine Aussage. Es bietet sich an, die schriftliche Erklärung des Widerrufs durch ein amtlich vorgeschriebenes und maschinenlesbares Muster zu standardisieren.31 12. § 51a Abs. 2e Satz 3 EStG „3Der Sperrvermerk verpflichtet den Kirchensteuerpflichtigen zur Abgabe einer Steuererklärung zum Zwecke der Veranlagung nach Absatz 2d Satz 1.“ Ist der Widerruf erklärt und der Sperrvermerk gesetzt, wird die Kirchensteuer nicht im automatisierten Abzugsverfahren vom Abzugsverpflichteten einbehalten. Der kirchensteuerpflichtige Gläubiger der Kapitalerträge wird daher verpflichtet, die Kirchensteuer im Rahmen der Veranlagung zu erklären. Hierzu dient der Verweis auf den nicht geänderten Absatz 2d als in der Verwaltungspraxis etabliertes Verfahren, wobei die Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Kirchensteuer ausschließlich die von den Abzugsverpflichteten einbehaltene Kapitalertragsteuer ist.32 Will der Steuerpflichtige auch die Sonderausgabenabzugswirkung (§ 42 Abs. 1 S. 3, 4 EStG) in Anspruch nehmen, verbleibt ihm der Veranlagungsweg i.R.d. § 42 EStG. Der Steuerpflicht wird dann nicht im automatisierten Verfahren nachgekommen, sondern in der nachgelagerten Veranlagung. Hierzu informiert das Bundeszentralamt für Steuern das Wohnsitzfinanzamt vom Sperrvermerk, welches den Steuerpflichtigen dann zur Abgabe einer Steuererklärung auffordert.

11. § 51a Abs. 2e Satz 1 und 2 EStG „1Der Schuldner der Kapitalertragsteuer kann unter Angabe seiner Identifikationsnummer schriftlich beim Bundeszentralamt für Steuern beantragen, dass der automatisierte Datenabruf seiner rechtlichen Zugehörigkeit zu einer steuererhebenden Religionsgemeinschaft bis auf schriftlichen Widerruf unterbleibt (Sperrvermerk). 2Das Bundeszentralamt für Steuern kann für die Abgabe der Erklärungen nach Satz 1 ein anderes sicheres Verfahren zur Verfügung stellen.“ Der in das Gesetz aufgenommene Widerruf entspricht den Anforderungen des Bundesdatenschutzbeauftragten. Bereits

25 Bericht des Finanzausschusses v. 26.10.2011, BT-Drs. 17/7524, 19. http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/a07/an26 hoerungen/2011/060/Stellungnahmen/04-BfDI.pdf. 27 Bericht des Finanzausschusses v. 26.10.2011, BT-Drs. 17/7524, 19. 28 BFH, Urt. v. 18.1.2012 – II R 49/10, Rn. 123 ff., BStBl. II 2012, 168; Urt. v. 20.12.2011 – II S 28/10 (PKH), Rn. 100 ff.; s. auch BayVerfGH, Urt. v. 12.10.2010 – Vf. 19-VII-09, NVwZ 2011, 40. 29 S.o. Fn. 2. 30 Bericht des Finanzausschusses v. 26.10.2011, BT-Drs. 17/7524, 19. 31 Eine entsprechende Änderung/Ergänzung soll in das Jahressteuergesetz 2013 aufgenommen werden. 32 Bericht des Finanzausschusses v. 26.10.2011, BT-Drs. 17/7524, 19.


Petersen | Aufsätze

npoR Heft 3/2012

13. § 51a Abs. 2e Satz 4 EStG „4Den Sperrvermerk übermittelt das Bundeszentralamt für Steuern dem für den Kirchensteuerpflichtigen zuständigen Wohnsitz-Finanzamt, das diesen zur Abgabe einer Steuererklärung auffordert (§ 149 Absatz 1 Satz 2 der Abgabenordnung).“ Die Übermittlung des Sperrvermerkes an das zuständige Wohnsitzfinanzamt des Kirchensteuerpflichtigen ist (grundsätzlich) die notwendige Ergänzung des Deklarations- um das Verifikationsprinzip.33 Offen ist aber noch die Frage, ob der vom Bundeszentralamt für Steuern übermittelte Sperrvermerk als solcher ausreicht. Denn auch bei Kontoverbindungen zu mehreren Abzugsverpflichteten wird der Sperrvermerk nur einmal gesetzt, aber mehrfach abgerufen, ohne das die Zahl der Abrufe dokumentiert wird (s.o.). Von daher hat das Wohnsitzfinanzamt keine Möglichkeit, im Rahmen der Veranlagung die Vollständigkeit der Steuererklärung zu prüfen. Die Einfügung des Sperrvermerkes ist den Anforderungen des Bundesdatenschutzbeauftragten geschuldet. Das laufende Gesetzgebungsverfahren zum BeitreibungsRL-Umsetzungsgesetz sollte nicht durch Diskussionen hierüber aufgehalten oder gar zum Scheitern gebracht werden. Im Laufe der nachgesetzlichen Diskussionen über die technische Umsetzung ist die Reichweite des Sperrvermerks in Frage gestellt worden. Anders als beim Sperrvermerk im Rahmen des Lohnsteuerabzugsverfahrens stehen dem zur Veranlagung auffordernden Finanzamt keine weiterführenden Informationen zur Verfügung. Weder ist der Abzugsverpflichtete verpflichtet, die Kapitalertragsteuer zu melden noch besteht für Zwecke der Kirchensteuererhebung die Möglichkeit einer Kontenabfrage nach § 93 Abs. 7 AO. Es besteht somit für die Finanzverwaltung keine Möglichkeit, die Vollständigkeit einer Erklärung zu prüfen, womit die Gefahr eines Vollzugsdefizits begründet werden könnte. Deshalb haben die Länder im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2013 folgenden Änderungsvorschlag für § 51a Abs. 2e Sätze 3 bis 5 EStG formuliert34: „Der Sperrvermerk verpflichtet den Kirchensteuerpflichtigen für jeden Veranlagungszeitraum, in dem Kapitalertragsteuer einbehalten worden ist, zur Abgabe einer Steuererklärung zum Zwecke der Veranlagung nach Absatz 2d Satz 1. Das Bundeszentralamt für Steuern übermittelt für jeden Veranlagungszeitraum, in dem der Sperrvermerk abgerufen worden ist, an das Wohnsitzfinanzamt Name und Anschrift des Kirchensteuerabzugsverpflichteten, an den im Fall des Absatzes 2c Nummer 3 aufgrund des Sperrvermerks ein Nullwert im Sinne des Absatzes 2c Satz 1 Nummer 3 Satz 6 mitgeteilt worden ist. Das Wohnsitzfinanzamt fordert den Kirchensteuerpflichtigen zur Abgabe einer Steuererklärung auf (§ 149 Absatz 1 Satz 1 und 2 der Abgabenordnung).“ Da die Setzung des Sperrvermerks durch Widerruf nach S. 1 von jedem Schuldner der Kapitalertragsteuer beantragt werden kann, die Mitteilung an das Wohnsitzfinanzamt aber nur bei Angehörigen einer steuererhebenden Religionsgemeinschaft notwendig ist, um die Veranlagung durchzuführen, sollten für die Weiterleitung entsprechende Filter vorgesehen werden. 14. § 52a Abs. 18 EStG „§ 51a Absatz 2c und 2e in der Fassung des Artikels 2 des

113

Gesetzes vom 7. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2592) ist erstmals auf nach dem 31. Dezember 2013 zufließende Kapitalerträge anzuwenden.“ Der Wechsel vom papiergebundenen zum elektronischen Verfahren ist auf den Jahreswechsel zum 1.1.201435 festgelegt worden. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sah noch den 1.10.2013 als Zeitpunkt des Inkrafttretens vor. Insbesondere die Deutsche Kreditwirtschaft hat hiergegen Einwände erhoben, da sie einen unterjährigen Wechsel der Religionszugehörigkeit nicht nachvollziehen kann (sic. unterschiedliche Steuersätze, jahresübergreifende Verlustverrechnung).36 II. Umsetzung und Zuständigkeit Nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 6 WRV wird die Kirchensteuer nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen erhoben. Einzelheiten hierzu sind in den Kirchensteuergesetzen der Länder37 geregelt. Mit der Neufassung des § 51a Abs. 2c und 2e EStG muss die Bedeutung des § 51a EStG als Mustervorschrift38 für die Kirchensteuergesetze der Länder in einem neuen Licht betrachtet werden. Das Bundeszentralamt für Steuern übernimmt als Bundesfinanzbehörde (Oberbehörde)39 Aufgaben, die aus der Übertragung der Kirchensteuerverwaltung auf die Finanzverwaltung resultieren und damit grundsätzlich im Aufgabenbereich der Länder liegen. Da aber nur bei ihr Elemente des Erhebungsverfahrens technisch umgesetzt werden können (sic. ELStAM/KIStAM), erhält § 51a EStG insoweit eine eigenständige Bedeutung. Er ist nicht mehr nur Mustervorschrift für das materielle Steuerrecht der originär zuständigen Länder sondern regelt eigenständig organisatorisch-technische Vorgaben, ohne die die Länder den Steueranspruch nicht umsetzen können. Es ist aber faktisch zwingend, dass sich die Länder für einen gewissen Teil des Erhebungsverfahrens an den Bund wenden müssen, da nur er über das Know How und den tatsächlichen Zugriff auf die ELSTAM/KISTAM-Programmgruppe verfügt. Dieses Faktum ändert aber nichts an der originären Zuständigkeit der Länder, die die Verwaltung der Kirchensteuer übernommen haben. Sie müssen Leistungselemente „hinzukaufen“, um dem Auftrag einer verfassungsgerechten Erhebung der Kirchensteuer nachkommen zu können. III. Regelungsvorbehalt der Kirchensteuergesetze der Länder Der materielle Regelungsinhalt des § 51a Abs. 2c und e EStG bedarf noch der Umsetzung in die Kirchensteuergesetze der Länder durch Übernahme des Wortlautes, inhaltsgleiche 33 BVerfG, Urt. v. 27.6.1991 – 2 BvR 1493/89, BStBl. II 1991, 654 („Zinsentscheidungen“). 34 Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes v. 6.7.2012, BR-Drs. 302/12 (Beschluss), Ziff. 32, 62 f. 35 Das Inkrafttreten soll auf den 1.1.2015 verschoben werden. Eine entsprechende Änderung soll in das Jahressteuergesetz 2013 aufgenommen werden. 36 S. http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/a07/ anhoerungen/2011/060/Stellungnahmen/34-Die_Dt__Kreditwirtschaft.pdf, Nr. 3; http://www.bundestag.de/bundestag/ ausschuesse17/a07/anhoerungen/2011/060/Stellungnahmen/06Spitzenverb__d__dt__Wirtschaft.pdf, Nr. 3; Petersen, Kirchensteuer kompakt (Fn. 2), S. 65 ff. 37 www.steuer-forum-kirche.de. 38 Petersen, K/S/M-EStG (Fn. 2), § 51a Rn. G 2. 39 § 1 Nr. 2 FVG.


114

Aufsätze | Petersen

Regelungen und Ergänzungen (z.B. bei glaubensverschiedenen Ehen) bzw. eines dynamischen (Teil-) Verweises. Es ist damit zu rechnen, dass sie im Laufe des Jahres 2013 ebenso reibungslos geändert werden, wie dies bei der Einführung der Kirchensteuer als Zuschlag zur Kapitalertragsteuer im Jahr 2009 der Fall war. Steuerverwaltung ist Massenverwaltung. Der Gesetzgeber ist aufgerufen ein Verfahren zu schaffen, mit dem möglichst das Gros der Fälle erfasst wird. Dafür stehen ihm auch typisierende, pauschalierende und generalisierende Regelungselemente zur Verfügung. Es wird sich bei gewissen Konstellationen daher nicht vermeiden lassen, dass es zu einigen temporären Unschärfen im Erhebungsverfahren kommt, die dann – wie bisher auch – im Wege der Veranlagung zu korrigieren sind. Wie bisher wird die Mindestbetrags-Kirchensteuer40 bei der Erhebung der Kirchensteuer als Zuschlag zur Kapitalertragsteuer nicht berücksichtigt. Hier könnte es sonst bei mehreren Konten mit kleinen Erträgen zu einer übermäßigen Steuerbelastung kommen. Dasselbe gilt für die Zwölftelungsregelung bei unterjähriger Veränderung der Kirchenmitgliedschaft. Sie wird im Abzugsverfahren und auch durch die Abzugsverpflichteten (s.o.) nicht berücksichtigt. Die zeitanteilige Berechnung der Kirchensteuer bleibt somit dem Veranlagungsverfahren vorbehalten. Die Gleichmäßigkeit der Besteuerung verlangt, jeden Steuerpflichtigen, der den Tatbestand eines Steuergesetzes erfüllt, auch zur Besteuerung heranzuziehen. Dies gilt auch für Kleinbeträge wie z.B. bei Wohnungseigentümergemeinschaften; eine Geringfügigkeits(frei)grenze für die Steuererhebung kommt daher nicht in Betracht. Das Veranlagungsverfahren ist weiter notwendig für alle Konstellationen, die nicht über den automatisierten Abzug erfasst werden können. Dies gilt u.a. für Kapitalerträge bei Personenmehrheiten (außer Ehegatten), bei Ehegatten, sofern die unterstellte typisierte hälftige Aufteilung nicht zutrifft, bei treuhänderisch gehaltenen Konten, bei Auslandseinkünften etc. Bedacht werden sollten auch gewisse Konstellationen in den Fällen der glaubensverschiedenen Ehe, bei denen sich die Leistungsfähigkeit des kirchenangehörenden Ehegatten weder aus einem zu versteuernden Einkommen der Ehegatten noch aus den abgeltend besteuerten Kapitaleinkünften, die nicht mehr im zu versteuernden Einkommen enthalten sind (§ 2 Abs. 5b EStG), herleiten lässt.41 Ferner wird in Fällen der glaubensverschiedenen Ehe zu überlegen sein, wie eine die Leistungsfähigkeit des kirchenangehörenden Ehegatten möglicherweise übersteigende Steuerbelastung durch die Hinzurechnung der Kirchensteuer auf gesondert besteuerte Einkünfte42 vermieden werden kann. Durch die Natur der unterschiedlichen Erhebungsverfahren dürfte dies programmgesteuert nicht darstellbar sein. Ein antragsgebundener verbindlicher Erlass aus Billigkeitsgründen wäre erwägenswert43. IV. Fazit Mit der Änderung des § 51a Abs. 2c und e EStG durch das BeitreibungsRL-Umsetzungsgesetz ist der Endpunkt einer Diskussion erreicht, die bereits vor dem Inkrafttreten der bisherigen Regelung begonnen hat.44 Ziel war es zu erreichen, die Erhebung einer von persönlichen Merkmalen abhängigen Steuer in ein grundsätzlich anonymes Verfahren einzubinden. Dies ist grundsätzlich gelungen. Festzuhalten ist aber, dass der einfache Automatismus der Anbindung der Kirch-

npoR Heft 3/2012

ensteuer als Zuschlag zur Einkommensteuer aufgrund ihrer Ausgestaltung im staatlichen Bereich immer höhere – hier insbesondere technische – Anforderungen stellt. Soll aber die Kirchensteuer – und dafür sprechen gute Gründe – im Beziehungsgeflecht zur Einkommensteuer verbleiben, bedarf es Mechanismen und Korrekturen, wie sie der § 51a EStG vorsieht. Nur so kann eine nach gleichen Maßstäben ausgerichtete, folgerichtige steuerliche Belastung der Angehörigen einer steuererhebenden Religionsgemeinschaft erreicht werden. Dass nicht sämtliche denkbaren Fallkonstellationen in diesem neuen vollelektronischen Erhebungsverfahren erfasst werden können und auf den Veranlagungsweg verwiesen wird, liegt in der Natur der tatsächlichen Sachverhalte begründet. Der mit der Neuregelung erreichte Erfolg wird dadurch aber nicht beeinträchtigt.45 Aktuell soll es im Bundesfinanzministerium Überlegungen geben, das Inkrafttreten des Gesetzes um ein Jahr auf den 1.1.2015 zu verschieben. Dies und einige andere Änderungen (s.o.) sollen in das laufende Gesetzgebungsverfahren zum Jahressteuergesetz 2013 aufgenommen werden. Hierüber wird zu gegebener Zeit berichtet.

40 Es ist nicht unwahrscheinlich, dass sie im Zuge der Anpassung der Kirchensteuergesetze der Länder abgeschafft wird. 41 Petersen, Kirchensteuer kompakt (Fn. 2), S. 58 ff., 91 f., Rdz. 25 m.w.N.; s. auch BFH, Urt. v. 19.10.2005 – I R 76/04, BFHE 211, 90. 42 S. z.B. bei a.o. Einkünften: § 1 Abs. 3 Kirchensteuerbeschluss der ev. Kirche der Pfalz v. 5.5.1999, ABl. 1999, 109, zuletzt geändert durch Änderungsbeschluss v. 12.11.2008, ABl. 2008, 206; II. R 7 der Richtlinien gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 4 Finanzausgleichsgesetz für die Arbeit der Gemeinsamen Kirchensteuerstelle (RiLi GemKiStStelle) [der ev. Kirche von Westfalen] v. 23.6.2005, KiABl. 2005, 178. 43 Um eine „Schattenveranlagung“ bei der Kirchensteuer in glaubensverschiedener Ehe oder dem besonderen Kirchgeld durchzuführen zu können, müsste aber die Kapitalerträgnisaufstellung beider Ehegatten vorgelegt werden. Der nicht kirchenangehörende Ehegatte kann hierzu aber nicht verpflichtet werden. 44 Petersen, K/S/M-EStG (Fn. 2), § 51a Rn. C 173 ff. 45 I.E. wohl auch Meyerding/Serocka (Fn. 24), S. 1379 f.


Weber/Voigt de Oliveira/Becker | Aufsätze

npoR Heft 3/2012

115

Melinda Weber*/Sascha Voigt de Oliveira**/Dr. Alexander Becker**

„Mission Investing“ – Impulse für wirkungsvolles Stiftungsvermögen

In Art. 14 Abs. 2 des Grundgesetzes steht: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ Zum Eigentum gehören nicht nur Immobilien oder Unternehmen, sondern auch das übrige Vermögen. Wer Vermögen hat und investiert, der trägt die Verantwortung sowohl für den wirtschaftlichen Erfolg als auch für die gesellschaftliche und ökologische Wirkung seiner Geldanlagen. Deutsche Stiftungen verfügen über ein Gesamtvermögen von mehr als 100 Mrd. Euro1 und gehören damit zu den kapitalstärksten Akteuren unseres Non-Profit-Sektors. Wie sie ihr Geld investieren und welche Auswirkungen ihre Geldanlagen auf Gesellschaft und Umwelt haben, wurde – vor allem aufgrund der treuhänderischen Pflichten und Vermeidung von Reputationsrisiken – in den letzten Jahren verstärkt diskutiert. Schon länger investieren einige Stiftungen zweckkonform und achten darauf, dass ihre Investments den eigenen Förderzwecken nicht zuwiderlaufen (z.B. kein Aktienkauf eines Waffenherstellers durch eine Stiftung für Friedenforschung). Neu ist der Gedanke, dass durch den bewussten Einsatz des Stiftungsvermögens sich nicht nur bestimmte negative Auswirkungen der Geldanlage vermeiden, sondern die Förderziele der Stiftung aktiv verwirklichen lassen – wenn das Geld zweckfördernd angelegt ist. Eine Bildungsstiftung kann beispielsweise für den Bau einer neuen Schule Darlehen vergeben. Eine Stiftung, die sich für eine aktive Zivilgesellschaft einsetzt, kann eine Immobilie kaufen und diese an Non-Profit Organisationen vermieten. So kann mit dem Stiftungskapital eine marktübliche Verzinsung und gleichzeitig eine Gemeinwohlwirkung in der Form von zusätzlichen Bildungseinrichtungen usw. erzielt werden. Die wahre Herausforderung einer solchen Investmentpraxis liegt nicht darin, die passende Geldanlage zu finden, sondern in dem Umdenken im Hinblick darauf, wo die eigentliche Ressource der Stiftung liegt. Immer mehr Stiftungsvertreter erkennen ihren Kapitalstock als Teil ihrer Ressourcen an, die sie einsetzen können, um den Stiftungszweck zu verwirklichen. Sie behandeln Vermögensverwaltung und Mittelverwendung als eine „Einheit“ und erweitern damit ihren Wirkungsspielraum. Dieser ganzheitliche Ansatz des Stiftungsmanagements ist vor allem in den USA zu beobachten. Dort investiert jede siebte Stiftung zweckbezogen. Aber auch in Deutschland gibt es bereits Stiftungen, die mit einem solchen Ansatz experimentieren. Ihre Tendenz steigt. Laut einer Umfrage aus dem Jahr 2011 plant fast die Hälfte der kapitalstärksten Stiftungen hierzulande in Zukunft zweckbezogen zu investieren.2 Gerade die aktuell niedrigen Zinsen und die damit einhergehende schrumpfende Leistungsfähigkeit von Stiftungen könnten dazu führen, dass sich eine solche Kultur des zweckbezogenen Investierens hierzulande verbreitet. „Der deutsche Stiftungssektor könnte, durch den Einsatz zweckbezogener Geldanlagen, 300%wirksamer sein, wenn die Stiftungen nur 3% ihres Gesamtvermögens zweckbezogen anlegen würden“ – so die aktuelle Studie „Mission Investing im deutschen Stif-

tungssektor“ des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen und der Impact in Motion GmbH. I. Zum Begriff Mission Investing „Mission Investing“ oder auf Deutsch „zweckbezogenes Investieren“ ist eine Investmentpraxis, bei der die üblichen drei Kriterien der Geldanlage (Rendite, Sicherheit, Liquidität) um ein viertes Kriterium, den „Stiftungszweck“ oder die „Wirkung“ ergänzt wird. Zweckbezogenes Investieren ist ein stiftungsspezifischer Anlagestil, bei dem das Stiftungsvermögen (Kapitalstock oder andere freie Mittel, bis hin zu Erträgen) in Finanzanlagen investiert wird, die (1) zum Zweck der Stiftung positiv beitragen und (2) mindestens das angelegte Kapital erhalten und möglichst eine Rendite erwirtschaften.“3 Weiterhin wird zwischen solchen zweckbezogenen Investments, die dem Stiftungszweck angeglichen sind (zweckkonforme Geldanlagen), und jenen, die diesen unmittelbar fördern (zweckfördernde Geldanlagen), unterschieden. Zweckbezogenes Investieren wird insbesondere durch nachhaltige Geldanlagen und/oder Impact Investments umgesetzt. Da Mission Investing auf sehr unterschiedliche Weisen umgesetzt werden kann, kommt es nicht nur für große Stiftungen in Frage. Es gibt eine Vielfalt von zweckbezogenen Investmentstrategien und Anlageklassen, die den Anforderungen von kleinen und großen Stiftungen, unabhängig vom Stiftungszweck, entsprechen. Deshalb kann bei der Umstellung auf Mission Investing die Aufteilung des Stiftungskapitals auf die verschiedenen Vermögensklassen weitgehend unangetastet bleiben.

* Melinda Weber ist Managing Partner der Impact in Motion GmbH sowie Projektleiterin der StiftungsStudie „Mission Investing im deutschen Stiftungssektor“; sie hat den ersten Teil (Einleitung und Ziffer I. bis III.) verfasst. ** Sascha Voigt de Oliveira ist Rechtsanwalt/Steuerberater, Partner und Leiter des Stiftungsnetzwerks bei der KPMG AG WPG, Berlin; Dr. Alexander Becker ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht und Steuerberater bei der KPMG AG WPG, Frankfurt a.M.; beide haben an der StiftungsStudie „Mission Investing im deutschen Stiftungssektor“ mitgewirkt; sie haben den zweiten Teil des vorliegenden Beitrags (Ziffer IV.) verfasst. 1 Bundesverband Deutscher Stiftungen: Verzeichnis Deutscher Stiftungen, Band 1: Zahlen, Daten, Fakten, 2011, S. 31, wobei dieser Betrag nicht nur das investierbare Finanzvermögen, sondern auch das gebundene Betriebsvermögen umfasst. 2 Weber/Schneeweiß, in: Bundesverband Deutscher Stiftungen (Hrsg.), Mission Investing im deutschen Stiftungssektor, Impulse für wirkungsvolles Stiftungsvermögen, 2012, S. 33. 3 Weber/Schneeweiß (Fn. 2), S. 17.


116

npoR Heft 3/2012

Aufsätze | Weber/Voigt de Oliveira/Becker

Impact Investments vs. Nachhaltige Kontext des Mission Investing4

Geldanlagen

Nachhaltige Geldanlagen (SRI)

im

Impact Investments

Strategie

Kriteriengeleitetes Investieren (Screening)

Aktives Aktionärstum (Engagement)

Proaktives Investieren (Impact Investing)

Ziel

- Geldanlage dem Stiftungszweck angleichen - Verantwortungslos handelnde Unternehmen vermeiden, in verantwortungsvoll handelnde Unternehmen investieren

- Geldanlage dem Stiftungszweck angleichen - Stiftungszweck fördern - Verhalten von Unternehmen beeinflussen

- Stiftungszweck fördern

Wirkung

Zweckkonform

Zweckkonform oder Zweckfördernd

Zweckfördernd

Typisches Kapital

Kapitalstock

Kapitalstock

Kapitalstock und /oder Fördermittel

Art der Geldanlage

Börsennotierte Wertpapiere

Börsennotierte Wertpapiere

Meist direkt finanziert

Renditeziel

Marktüblich

Marktüblich

Marktüblich oder unterhalb des Marktniveaus aber mindestens Kapitalerhalt

Anlageklassen

Meistens Wertpapiere (Public Equity)

Meistens Wertpapiere

Darlehen, Private Equity, Sparbriefe, Garantien und Immobilien

II. Mission Investing Anlagestrategien5 Es gibt drei Instrumente, mithilfe derer Stiftungen ihre Kapitalanlage mit ihren Förderzielen und ihrem Gemeinwohl-Auftrag in Einklang bringen können. 1. Kriteriengeleitetes Investieren (Screening) Beim kriteriengeleiteten Investieren werden Emittenten von Wertpapieren nach ethischen, sozialen und ökologischen Kriterien beurteilt. Je nach Festlegung der Stiftung können über dieses Screening bestimmte Wirtschaftsbereiche vollständig oder zum Teil ausgeschlossen werden. Nachhaltige Kriterien dienen jedoch nicht nur dem Ausschluss von Unternehmen, sie können auch dazu eingesetzt werden, Investitionen in bestimmte positiv bewertete Unternehmen zu lenken. So können Unternehmen aufgenommen werden, die einen besonderen Teil ihrer Wertschöpfung in Entwicklungsländern realisieren oder die ein hohes Maß an betrieblichem Umweltschutz verwirklicht haben. Für das zweckbezogene Investieren einer Stiftung ist es wichtig, dass sich die gewählten Kriterien aus dem im engeren oder weiteren Sinne verstandenen Stiftungszweck oder ihrer Mission ableiten. 2. Aktives Aktionärstum (Engagement) Beim Aktiven Aktionärstum versucht der Investor, das Unternehmen direkt zu beeinflussen. Oft werden mehrere Wege der Einflussnahme beschritten. Der Aktienbesitzer kann sein Stimmrecht (Vote) nutzen; er kann aber auch entweder öffentlich auf der Hauptversammlung oder in nicht öffentlichen Dialogen auf Missstände aufmerksam machen (Voice).

3. Impact Investing Während sich das „kriteriengeleitete Investieren“ und das „Aktive Aktionärstum“ auf Wertpapieremittenten beziehen, geht es beim Impact Investing darum, kleine und mittlere Unternehmen sowie Projekte, die einen Beitrag zu den Förderzielen der Stiftung leisten, mit Kapital auszustatten oder entsprechende Immobilien zu finanzieren. So kann eine Stiftung, die sich für die regionale Versorgung psychisch Kranker einsetzt, ein Darlehen zur Renovierung einer Tagesklinik vergeben, oder eine Stiftung, die soziales Unternehmertum fördert, investiert ihr Kapital in Mikrofinanzinstitute. Impact Investing beschränkt sich jedoch nicht nur auf Beteiligungen und Darlehen. Es kann in einer einfachen Form z.B. durch eine Garantie, einen Sparbrief oder über Intermediäre (z.B. Fonds) realisiert werden. III. Anlageklassen6 Zweckbezogenes Investieren ist vom Sparbrief über den Wertpapierfonds bis hin zu Immobilien, Unternehmensbeteiligungen, Beteiligungsfonds und Mikrofinanzfonds in jeder Anlageklasse möglich. 1. Liquidität, Festgeld, Sparbriefe Bereits mit der Wahl ihrer Bank kann eine Stiftung ihre Förderziele und ihre Investitionen einander annähern. Stiftungen, die sich sozialen Zwecken verschrieben haben oder regionale Projekte fördern, mögen den Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken näher als den international tätigen Großbanken stehen. Alternativbanken bieten beispielsweise Sparbriefe, z.B. zum Thema „Freie Schulen“ oder „Ökologische Landwirtschaft“ an, sodass der Kontoinhaber die Verwendung der Bankeinlage in Richtung des individuellen Stiftungszwecks steuern kann. 2. Festverzinsliche Wertpapiere Der weit überwiegende Teil des Stiftungsvermögens wird immer noch in festverzinsliche Wertpapiere hoher Bonität investiert. Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten, diese Investitionen zweckbezogen zu gestalten. So können Anleihen von Staaten oder Unternehmen, die dem Stiftungszweck grob entgegenwirken, ausgeschlossen werden. Eine Stiftung kann im Sinne von Positivkriterien natürlich auch gezielt solche Emittenten auswählen, die ihrem Förderzweck näherungsweise entsprechen. Liegt dieser z.B. in der Förderung von Bildung, so kann sie Anleihen von Förderbanken kaufen, die Kredite im Bereich der Aus- und Weiterbildung vergeben. 3. Aktien Bei einer Investition in Aktien besteht – wie bei Unternehmensanleihen – die Möglichkeit der Auswahl von Unternehmen im Sinne des Stiftungszwecks. Zusätzlich kann eine Stiftung über eine Engagement-Strategie auf Unternehmen einwirken. So wird eine Stiftung, die sich sozial benachteiligter Kinder annimmt, mit Unternehmen ins Gespräch kommen wollen, in deren Zulieferkette Kinderarbeit entdeckt wurde, oder diese Aktien verkaufen. Eine Stiftung kann zudem einen bestimmten Teil ihres Kapitals für die Investition in kleine und mittlere Aktiengesellschaften in einem bestimmten wirtschaftlichen 4 Weber/Schneeweiß (Fn. 2), S. 17. 5 Auszug aus der Studie: Weber/Schneeweiß (Fn. 2), S. 22-25. 6 Auszug aus der Studie: Weber/Schneeweiß (Fn. 2), S. 25-26.


npoR Heft 3/2012

Segment reservieren, z.B. Umwelttechnik. Alternativ können entsprechende Themenfonds gekauft werden, die zum Zweck der Stiftung passen. 4. Immobilien Für Investitionen in Immobilien gibt es mehrere Möglichkeiten, Förderzweck und Kapitalanlage in Übereinstimmung zu bringen. Fördert die Stiftung im Bereich Umwelt- und Klimaschutz, so wird sie nach Möglichkeiten suchen, in Niedrigenergiehäuser und die energetische Sanierung von Altbauten zu investieren. Eine Stiftung, die sich für die Verbesserung der Situation sozial Benachteiligter einsetzt, mag den Kauf und die anschließende Vermietung einer Immobilie, in der soziale Dienste angeboten werden, ins Auge fassen. 5. Unternehmensbeteiligungen und Darlehen Zweckfördernde Investitionen, mit denen entweder direkt oder durch einen Fonds (meistens GmbH & Co. KG) in ein soziales Projekt oder ein junges innovatives Unternehmen investiert wird, weichen in der Regel von den für Stiftungen üblichen Anlageklassen ab. Die Entscheidung für eine solche Strategie wird also schwerer fallen, die Entscheidungsfindung länger dauern und eine Rechtsberatung einschließen. Solche zweckfördernden Investitionen bieten aber für manche Stiftungen die große Chance, den Stiftungszweck über die Investition des Stiftungsvermögens direkt zu fördern, ohne die Fördergelder zu schmälern. IV. Rechtliche Zulässigkeit des Mission Investing Wie zuvor erläutert, handelt es sich bei Mission Investing um eine Anlagestrategie für das Vermögen von Stiftungen. In welcher Art und Weise das Vermögen von Stiftungen verwaltet wird, steht grundsätzlich im Ermessen der zuständigen Stiftungsorgane.7 Begrenzt werden kann dieses Ermessen durch das Stiftungsrecht und das Steuerrecht. Im Ergebnis – insoweit kann der nachfolgenden Untersuchung schon vorgegriffen werden – ist die Anlagestrategie des Mission Investing grundsätzlich zivil- und steuerrechtlich zulässig. Im Einzelfall bestehen Besonderheiten, die bei dem kriteriengeleiteten Investieren, dem Aktiven Aktionärstum und dem Impact Investing zu beachten sind. Das Vermögen der Stiftung setzt sich aus dem Grundstockvermögen, den Erträgen und zulässig gebildeten Rücklagen zusammen.8 Das Grundstockvermögen besteht aus allen materiellen Werten, die vom Stifter bei der Errichtung der Stiftung oder durch eine Zustiftung zugewandt wurden.9 Die aus diesem Vermögen erwirtschafteten Früchte oder Nutzungen, also insbesondere Zinsen, Dividenden und Entgelte für die Nutzungsüberlassung, werden als Erträge bezeichnet.10 1. Stiftungsrecht Im Folgenden wird die stiftungsrechtliche Vereinbarkeit der einzelnen Anlagearten dargestellt.

a. Vorgaben nach der Satzung bzw. dem Stiftungsgeschäft Bei der Vermögensverwaltung sind stiftungsrechtlich primär die Vorgaben des Stifterwillens zu beachten. Dies ist aus den Landesstiftungsgesetzen zu entnehmen, die feststellen, dass bei der Verwaltung der Stiftung11 bzw. des Stiftungsvermögens12 zunächst der vorhandene Stifterwillen zu beachten ist.13 Dieser kann sich aus der Stiftungssatzung oder dem Stiftungsgeschäft unmittelbar ergeben oder durch Auslegung ermittelt werden.14

Weber/Voigt de Oliveira/Becker | Aufsätze

117

Die Anlagestrategie des Mission Investing ist deshalb stiftungsrechtlich zumindest immer dann zulässig, wenn ein dahingehender Stifterwille ermittelt werden kann. Der Stifter kann beispielsweise in der Satzung Kriterien im Sinne eines kriteriengeleiteten Investierens bestimmen, nach denen die Anlage des Grundstockvermögens zu erfolgen hat. Er kann ebenfalls festlegen, in welcher Art und Weise die Erträge zur Finanzierung des Stiftungszwecks zu verwenden sind. Der Stifter kann beispielsweise bestimmen, dass vergünstigte Darlehen oder Garantien entsprechend dem Stiftungszweck an Bedürftige gewährt werden sollen. Es ist aber auch denkbar, dass er festlegt, dass mit den Erträgen Immobilien erworben und diese zu vergünstigten Konditionen an Bedürftige überlassen werden sollen. Für die Praxis ist es deshalb zu empfehlen, dass der Stifter Regelungen zu Anlagestrategien für das Stiftungsvermögen definiert (beispielsweise in einer Geschäftsordnung für Investitionen). Dies kann, sofern eine hohe Bindungswirkung erzielt werden soll, auch in der Satzung erfolgen.15

b. Vorgaben aus den Landesstiftungsgesetzen Die meisten Landesstiftungsgesetze enthalten nur eine allgemeine Vorgabe, wonach die Vermögensverwaltung nach den Regeln ordentlicher Wirtschaftsführung zu erfolgen hat.16 Für die Investitionsentscheidung bezüglich der Anlage des Grundstockvermögens der Stiftungen bedeutet dies, dass das Vermögen sicher und wirtschaftlich angelegt werden muss. Die Literatur leitet aus diesem Wirtschaftlichkeitspostulat das Spekulationsverbot, das Sparsamkeitsgebot sowie das Gebot der ertragreichen Anlage ab.17 aa) Die Verwaltung des Grundstockvermögens darf nicht ertraglos erfolgen. Dieser Grundsatz der ertragbringenden Anlage ist entweder in den Landesstiftungsgesetzen enthalten18 7 Fritz, in: Werner/Saenger (Hrsg.), Die Stiftung, 2008, Rn. 465; Schwalme, Grundsätze ordnungsgemäßer Vermögensverwaltung bei Stiftungen, 2010, S. 244. 8 Fritz (Fn. 7), S. 270; Hof, in: Seifart/v. Campenhausen (Hrsg.), Stiftungsrechts-Handbuch, 3. Aufl. 2009, § 6 Rn. 164; Wachter, Stiftungen, 2001, S. 33. 9 Andrick/Suerbaum, Stiftung und Aufsicht, 2001, § 2 Rn. 10; § 58 Nr. 11 AO. 10 Pues/Scheerbarth, Gemeinnützige Stiftungen im Zivil- und Steuerrecht, 3. Aufl. 2008, S. 59 f.; Hof (Fn. 8), § 9 Rn. 9 ff. 11 § 4 Abs. 1 HambStiftG; § 5 Abs. 1 Satz 1 SaarlStiftG; § 4 Abs. 1 NRWStiftG; § 4 Abs. 1 S. 3 MeckVorPStiftG; § 1 Abs. 1 RhPfStiftG; § 2 SächsStiftG; Art. 2 Abs. 1 BayStiftG; § 2 BaWürttStiftG; § 6 Abs. 1 BrbgStiftG; § 2 SächsStiftG; § 1 Abs. 1 ThürStiftG. 12 § 7 Abs. 1 S. 1 Sachs-AnhStiftG; § 7 Abs. 1 S. 2 BremStiftG; § 6 Abs. 1 Satz 2 HessStiftG; § 6 Abs. 1 NdsStiftG; § 4 Abs. 2 S. 1 SchlHolStiftG; Das Berliner Stiftungsgesetz regelt in § 3: „Das Stiftungsvermögen ist in seinem Bestand ungeschmälert zu erhalten. Das Stiftungsgeschäft oder die Satzung kann Ausnahmen zulassen.“ Daraus folgt, dass für die Verwaltung des Stiftungsvermögens der Stifterwille primär zu berücksichtigen ist. 13 Richter, in: Hüttemann/Richter/Weitemeyer (Hrsg.), Landesstiftungsrecht, 2011, S. 393. 14 Carstensen, Vorgaben für die Vermögensverwaltung der Stiftung nach Gesetz, Satzung und Rechtsprechung, ZSt 2005, S. 90. 15 IDW-RS HFA 5, Stand: 25.2.2000, Ziffer 56. 16 So: § 7 Abs. 1 S. 1 BaWürttStiftG; Art. 6 Abs. 1 S. 1 BayStiftG; § 6 Abs. 3 S. 1 NdsStiftG; § 4 Abs. 1 S. 1 NRWStiftG; § 4 Abs. 1 SächsStiftG; § 7 Abs. 1 S. 1 Sachs-AnhStiftG; § 8 Abs. 1 S. 1 ThürStiftG. 17 Fritz (Fn. 7), S. 282 und 285 ff.; Richter (Fn. 13), S. 407 ff. 18 § 4 Abs.2 S. 2 HambStiftG; § 14 Abs. 3 S. 1 SächsStiftG.


118

Aufsätze | Weber/Voigt de Oliveira/Becker

oder ergibt sich aus dem allgemeinen Wirtschaftlichkeitspostulat.19 Gegen die Pflicht zur rentierlichen Vermögensanlage verstößt das zuständige Stiftungsorgan, wenn eine Anlagestrategie für das Grundstockvermögen der Stiftung gewählt wird, welche ex ante betrachtet keine nachhaltigen Erträge erwarten lässt und dies für die Entscheidungsträger erkennbar war.20 Mit dem landesrechtlichen Grundsatz der ertragbringenden Anlage korrespondiert das Gebot der Werterhaltung des Grundstockvermögens. Darunter kann einerseits verstanden werden, dass das Gesamtvermögen der Stiftung nicht unter den nominalen Wert seines satzungsmäßigen Grundstockvermögens fallen darf. Andererseits aber auch, dass der reale Wert, unter Berücksichtigung der Inflation, erhalten werden muss.21 Problematisch ist dabei, dass die für einen Inflationsausgleich notwendige Rücklagenbildung der Höhe nach oftmals steuerrechtlich gemäß § 58 Nr. 7 Buchst. a) AO nicht vollumfänglich zulässig ist. Da eine allgemeingültige gesetzliche Pflicht zur Kaufkrafterhaltung im geltenden Stiftungsrecht nicht existiert, sind die Stiftungsorgane nach unserer Ansicht nur zu einem nominalen Kapitalerhalt verpflichtet, sofern die Satzung nicht ausdrücklich die reale Kapitalerhaltung vorsieht. Da sich die Gebote der ertragreichen Vermögensverwaltung und der Werterhaltung auf das gesamte Portfolio des Stiftungsvermögens beziehen, tangieren sie nur mittelbar die Anlageformen des Mission Investing. Werden im Rahmen des kriteriengeleiteten Investierens oder des Impact Investing keine (ausreichenden) Erträge erwirtschaftet, ist dies stiftungsrechtlich unschädlich, sofern durch andere Anlagen ausreichend Erträge erwirtschaftet werden, mit denen nachhaltig der Stiftungszweck verwirklicht werden kann.22 bb) Das Sparsamkeitsgebot verlangt eine effiziente und kostensparende Verwaltung der Stiftungstätigkeit. Verwaltungskosten einer Stiftung sind alle Aufwendungen der Stiftung, die nicht unmittelbar der Erfüllung des Stiftungszwecks dienen (u.a. die Kosten für die Vermögensverwaltung, Mieten und Personalkosten).23 Das Kriterium der Unmittelbarkeit bestimmt entscheidend den Umfang der Verwaltungsausgaben. Unmittelbarkeit liegt stiftungsrechtlich dann vor, wenn die Mittelverwendung in der konkreten Form nicht auch bei einem anderen Stiftungszweck erfolgt wäre24 – mit anderen Worten, wenn der konkrete Stiftungszweck ursächlich für die Aufwendung ist. Im Einzelfall ist eine genaue Zuordnung schwierig, insbesondere wenn beispielsweise Gegenstände oder Personal zeitweise unmittelbar und zeitweise mittelbar zur Zweckverwirklichung eingesetzt werden. In welcher Höhe Verwaltungskosten zulässig sind, lässt sich nicht aus den Landesstiftungsgesetzen entnehmen. Entsprechend der Praxis der Stiftungsaufsichtsbehörden sollen Verwaltungskosten in Höhe von 10 bis 30% der Erträge regelmäßig als angemessen anzusehen sein.25 Liegen die Verwaltungskosten der Stiftung – inklusive der Kosten für die Vermögensverwaltung – innerhalb dieses Rahmens, ist kein Verstoß gegen das Sparsamkeitsgebot gegeben. Absolute Grenzen, ab welcher Höhe die Verwaltungskosten nicht mehr angemessen sind, können der Verwaltungspraxis der Stiftungsaufsichtsbehörden nicht entnommen werden. Ob Verwaltungsausgaben oberhalb von 30% noch angemessen sind, kann nur im Rahmen einer einzelfallbezogenen Abwägung entschieden werden. Die Verwaltungskosten sind aus den Erträgen zu finanzieren,26 die im Übrigen ausschließlich zur Zweckverfolgung eingesetzt werden. Das bedeutet, dass

npoR Heft 3/2012

sich auch erhöhte Verwaltungskosten unmittelbar auf die zur Zweckverfolgung zur Verfügung stehenden Mittel auswirken. Es ist deshalb zwischen dem Grund für die erhöhten Verwaltungskosten und den dadurch verringerten Möglichkeiten zur Zweckverfolgung abzuwägen. Positiv dürfte zu berücksichtigen sein, wenn eine Tätigkeit, die erhöhte Verwaltungskosten verursacht, dem Stiftungszweck dient, ohne ihn unmittelbar zu verwirklichen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn eine Stiftung, deren Zweck die Förderung des Naturschutzes nach § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 AO ist, Wertpapiere von Unternehmen erwirbt, die besonders ökologisch wirtschaften. Die Anlageform des Mission Investing kann – im Vergleich zu anderen Anlageformen mit gleichen Risiko- und Renditeerwartungen – zu höheren Verwaltungskosten führen. Bei dem kriteriengeleiteten Investieren müssen durch die Stiftung zunächst Anlagen herausgefiltert werden, die bestimmte ethische, ökologische oder soziale Kriterien erfüllen. Dabei können Aufwendungen entstehen, die nicht unmittelbar zu höheren Renditen führen. Auch bei dem Impact Investing ist es möglich, dass durch die Bewertung der in Frage kommenden Projekte, erhöhte Verwaltungskosten der Stiftung auflaufen. Auch das aktive Ausnutzen der Beteiligungsrechte im Rahmen des Aktiven Aktionärstum kann zu einem erhöhten Kostenaufwand führen (Wahrnehmung von Informationsrechten/Teilnahme an Hauptversammlungen). In diesen Fällen ist zunächst zu prüfen, ob durch die Investition unmittelbar der Stiftungszweck verwirklicht wird und diese Kosten deshalb nicht zu den eingangs dargestellten Verwaltungskosten zählen. In einem zweiten Schritt ist zu klären, ob die gesamten (relevanten) Verwaltungskosten über der 30%-Grenze liegen. Nur wenn dies der Fall ist, muss eine Abwägung im oben beschriebenen Sinn erfolgen. Positiv wäre nach unserer Auffassung zu berücksichtigen, dass Mission Investing den Stiftungszweck nicht unmittelbar verwirklicht, diesen aber mittelbar fördert. cc) Bei der Anlage des Stiftungsvermögens ist ferner das Spekulationsverbot zu beachten. Gegen dieses wird verstoßen, wenn mit der konkreten Anlage ein spekulatives Risiko eingegangen wird.27 Spekulativ ist eine Anlage, wenn bei großem Risiko eine hohe Wertsteigerung oder eine besonders hohe Rendite erstrebt wird.28 Nicht jede spekulative Anlage ist alerdings untersagt. Nach Ansicht der Rechtsprechung ist es ausreichend, dass eine angemessene Mischung aus risikoreichen (spekulativen) und konservativen Anlageformen ausgewählt wird.29 Wann eine Mischung angemessen ist, wird dabei nicht erläutert. 19 Wachter (Fn. 8), S. 35. 20 Kiethe, Die Haftung des Stiftungsvorstands, NZG 2007, S. 810. 21 Schauhoff, Wertberichtigungen im Stiftungsvermögen, DStR 2004, S. 471; Neuhoff, Soergel-BGB, Band 1, Allgemeiner Teil 1, 13. Aufl. 2000, Vor § 80 Rn. 15. 22 Orth, Verluste gemeinnütziger Stiftungen aus Vermögensverwaltung, DStR 2009, S. 1397. 23 Hof (Fn. 8), § 9 Rn. 158 ff. 24 Roth, in: Hüttemann/Richter/Weitmeyer (Hrsg.), Landesstiftungsrecht, 2011, S. 543. 25 Roth (Fn. 24), S. 541. 26 Hof (Fn. 8), § 6 Rn. 194. 27 Benicke, Pflichten des Vermögensverwalters beim Investitionsprozess, ZGR 2004, S. 760; Schwalme, Grundsätze ordnungsgemäßer Vermögensverwaltung bei Stiftungen, 2010, S. 442. 28 BGH, Urt. v. 3.12.1986 – IV a ZR 90/85, NJW 1987, S. 1070. 29 BGH, Urt. v. 29.3.1994 – XI ZR 31/93, NJW 1994, S. 1861.


npoR Heft 3/2012

Das zuständige Stiftungsorgan sollte jedenfalls die verfügbaren und vorhandenen Informationsquellen nutzen, um sich ein Bild über das Risiko der konkreten Anlage zu verschaffen.30 Darauf basierend muss es eine Ermessensentscheidung treffen, ob die Anlage dazu führt, dass die Mischung des Portfolios des Stiftungsvermögens noch angemessen ist. Der Investmentprozess beinhaltet aber nicht nur den Erwerb einer Anlage, sondern auch deren anschließende Überwachung. Eine zunächst risikoarme Anlage kann sich zu einer spekulativen Anlage entwickeln. Das zuständige Stiftungsorgan hat dann, nach Auswertung der vorhandenen Informationsquellen, zum Beispiel über eine Beendigung dieser Anlage zu entscheiden.31 Bei dem kriteriengeleiteten Investieren wird in börsennotierte Wertpapiere investiert. Für diese werden in der Regel öffentlich zugängliche Kursinformationen wie beispielsweise Kauf-, Halte- oder Verkaufsempfehlungen in Tageszeitungen veröffentlicht. Bei dem Impact Investing werden Projekte direkt, beispielsweise mittels Darlehen, Garantien oder der Zurverfügungstellung einer Immobilie, gefördert. Hierfür gibt es in der Regel keine allgemeinen Informationen wie beispielsweise öffentliche Anlageempfehlungen. Das zuständige Stiftungsorgan muss deshalb eine eigene Risikoeinschätzung vornehmen. Bei komplexen sowie umfangreichen Investitionen sollte sich das Stiftungsorgan, soweit es nicht über eigene Expertise verfügt, einer externen Beratung bedienen oder die eigene Einschätzung ausreichend absichern. Auch für das Aktive Aktionärstum ergeben sich Auswirkungen aus dem Spekulationsverbot. Durch die aktive Ausnutzung der Stimm- und Informationsrechte kann die Stiftung an Informationen gelangen, die zu einer neuen Risikobetrachtung führen. Aufgrund des Spekulationsverbots kann daraus die Notwendigkeit folgen, von weiteren Investitionen Abstand zu nehmen oder gänzlich diese Anlage zu beenden. dd) Die zuvor dargelegten Grundsätze der Verwaltung des Grundstockvermögens gelten für die Erträge entsprechend.32 Wir verweisen auf unsere obigen Ausführungen zu Ziffer 1. Ausnahmen können sich aus der Satzung ergeben. 2. Steuerrecht Neben den zuvor dargestellten stiftungsrechtlichen Rahmenbedingungen für das Mission Investing werden nachfolgend die relevanten steuerrechtlichen Regelungen erläutert. Danach stehen steuerrechtliche Regelungen dem Mission Investing nicht entgegen. Die Besonderheiten des Gemeinnützigkeitsrechts sind – wie bei jeder Einzelbetätigung der Stiftung – zu beachten. Aus dem Steuerrecht ergeben sich grundsätzliche Regelungen zur Zulässigkeit der Vermögensanlage steuerbegünstigter Körperschaften einschließlich der Stiftungen (Vermögensverwaltung).33 Eine Vermögensverwaltung im steuerrechtlichen Sinne liegt nach § 14 S. 3 AO vor, wenn Vermögen genutzt, zum Beispiel Kapitalvermögen verzinslich angelegt oder unbewegliches Vermögen vermietet oder verpachtet wird. Die Normen zum Gemeinnützigkeitsrecht (§§ 51 bis 68 AO) enthalten keine Vorgaben zur Ausgestaltung von Investitionen. Diese haben sich in der Rechtsprechung und Finanzverwaltung herausgebildet und werden nachfolgend dargestellt. Da Mission Investing der (sozialen, ökologischen oder ethischen) Qualifizierung des Empfängers wesentliche Bedeutung zuspricht, wird sich die steuerrechtliche Darstellung ebenfalls an der Qualifizierung des Empfängers orientieren. Im Rahmen der nachfolgenden Darstellung ist ferner zu be-

Weber/Voigt de Oliveira/Becker | Aufsätze

119

rücksichtigen, ob es sich bei den zu investierenden Mitteln der Stiftung um sogenannte zeitnah oder nicht zeitnah zu verwendende Mittel handelt. Der Grundsatz der zeitnahen Mittelverwendung besagt, dass Mittel spätestens in dem auf den Zufluss folgenden Kalenderjahr für steuerbegünstigte satzungsmäßige Zwecke verwendet werden müssen (§ 55 Abs. 1 Nr. 5 S. 3 AO). Grundsätzlich gehören alle Mittel der Stiftung zu den zeitnah zu verwendenden Mitteln (§ 55 Abs. 1 Nr. 5 S. 1 AO). Das Steuerrecht sieht einige Ausnahmen vor. So zählen das Grundstockvermögen einer Stiftung, Zustiftungen und freie Rücklagen nicht zu den zeitnah für satzungsmäßige Zwecke zu verwendenden Mitteln (§ 58 Nr. 11 AO Buchst. b) und § 58 Nr. 7 Buchst. a) AO).34 Nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 56 AO darf eine gemeinnützige Körperschaft ihre Mittel nicht für andere als die satzungsmäßigen steuerbegünstigten Zwecke verwenden. Deshalb müssen sich die Verwaltungsausgaben der Stiftung – unabhängig davon, wer der Empfänger der Investition ist und welche Mittel verwendet werden – in einem angemessenen Rahmen bewegen.35 Entscheidendes Kriterium ist, ob bei Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles das Ausgabeverhalten der gemeinnützigen Körperschaft für die Verwaltung im Verhältnis zu den Aufwendungen für gemeinnützige Zwecke angemessen ist.36 Hierbei handelt sich um die gleiche einzelfallbezogene Abwägung wie unter Ziffer IV. 1. bb) beschrieben.

a. Nicht steuerbegünstigte Empfänger/juristische Person des öffentlichen Rechts Nachfolgend wird das Mission Investing bei nicht steuerbegünstigten Empfängern und juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die die Investition nicht für steuerbegünstigte Zwecke verwenden, dargestellt. Zu den hier besonders relevanten nicht steuerbegünstigten Empfängern gehören neben gewerblich tätigen Kapitalgesellschaften37, gewerblich tätige Personengesellschaften38 und Einzelunternehmer.39 aa) Zulässigkeit des Mission Investing Grundsätzlich darf eine Stiftung in die genannten Unternehmungen investieren. Dabei darf es allerdings nicht zu einem absehbaren Mittelverlust kommen.40 Ferner muss die Investition zu marktüblichen Konditionen erfolgen.41 Vergünstigungen zugunsten des Empfängers sind folglich gemeinnützigkeitsrechtlich nicht zulässig. Andernfalls läge ein Verstoß gegen das Begünstigungsverbot vor (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 AO). Die Marktüblichkeit einer Vergütung für die Nutzungsüberlassung von Immobilien oder der Gewährung von Darlehen 30 Richter (Fn. 13), S. 404. 31 Richter (Fn. 13), S. 408. 32 Fritz (Fn. 7), S. 271. 33 § 58 Nr. 7 Buchst. a) AO, § 51 Abs. 1 S. 2 AO i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG. 34 Nach § 58 Nr. 12 AO besteht ferner die Möglichkeit, dass eine Stiftung im Jahr ihrer Errichtung und in den zwei folgenden Kalenderjahren Überschüsse aus der Vermögensverwaltung und die Gewinne aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben ganz oder teilweise ihrem Vermögen zuführt. 35 AEAO Ziffer 17 S. 1 zu § 55 Abs. 1 Nr. 1. 36 BFH, Urt. v. 18.12.2002 – I R 60/01, BFH/NV 2003, S. 1025. 37 § 8 Abs. 2 KStG und § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG. 38 § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG und § 15 Abs. 3 Nr. 1 und 2 EStG. 39 § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG. 40 Orth (Fn. 22), S. 1397. 41 AEAO Ziffer 15 zu § 55 Abs. 1 Nr. 1.


120

Aufsätze | Weber/Voigt de Oliveira/Becker

kann durch Vergleichsangebote bestimmt werden. Welcher Zinssatz beispielsweise bei einem Darlehen marktüblich ist, bemisst sich nach der Laufzeit, dem Risiko und den Sicherheiten.42 Ferner sind die Investitionen marktüblich zu besichern, gegebenenfalls durch Bürgschaftserklärungen oder Grundschulden. bb) Bedeutung der Mittelherkunft Bezüglich der Mittelherkunft für die Investition auf Ebene der Stiftung ist zwischen zeitnah und nicht zeitnah zu verwendenden Mitteln zu unterscheiden. Bei kurzfristigen Investitionen (bis zu maximal zwei Kalender- oder Wirtschaftsjahren,43 § 55 Abs. 1 Nr. 5 S. 3 AO) wäre eine Finanzierung der Investition aus zeitnah zu verwendenden Mitteln möglich, sofern diese nicht für die eigene steuerbegünstigte Zweckverwirklichung der Stiftung benötigt werden. Es muss bei der Auswahl der Anlage sichergestellt werden, dass diese Mittel innerhalb der Mittelverwendungsfrist der Stiftung wieder zur Verfügung stehen und für satzungsmäßige Zwecke verwendet werden können.44 Die nicht zeitnah zu verwendenden Mittel können auf Dauer ertragbringend angelegt werden.45 cc) Steuerliche Zuordnung der Beteiligung und der Erträge Neben der Beurteilung der Mittelherkunft sollte die Stiftung auch berücksichtigen, wie die Erträge aus den Investitionen steuerrechtlich zu beurteilen sind. Langfristige Anlagen sind regelmäßig der ertragsteuerfreien Vermögensverwaltung (§ 14 S. 3 AO) zuzuordnen.46 Werden häufige Vermögensumschichtungen wegen der Nutzung zeitnah zu verwendender Mittel vorgenommen, besteht das Risiko, dass diese Betätigungen einen ertragsteuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb begründen (§ 64 Abs. 1 AO und § 14 S. 1 und 2 AO). Diese steuerrechtliche Beurteilung hat Bedeutung für die Steuerbelastung der Stiftung und damit für die Liquiditätsbeurteilung (Umfang der verfügbaren Mittel). Aus den Investitionsformen des Mission Investing lassen sich folgende steuerliche Grundsätze für die Beurteilung der Anlage und der Erträge ableiten: Die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft ist auf Ebene der Stiftung grundsätzlich der Vermögensverwaltung (§ 14 S. 3 AO) zuzuordnen. Folglich sind die Gewinnausschüttungen aus dieser Beteiligung ertragsteuerfrei (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG und § 3 Nr. 6 GewStG). Die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft begründet allerdings einen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, wenn ein tatsächlich entscheidender Einfluss auf die Geschäftsführung der Kapitalgesellschaft ausgeübt wird oder die Voraussetzungen der Betriebsaufspaltung vorliegen.47 Beteiligt sich eine Stiftung als Mitunternehmer an einer gewerblich tätigen Personengesellschaft48, begründet die Beteiligung einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb.49 Die (anteilig) zugerechneten Gewinne unterliegen der Ertragsbesteuerung auf Ebene der Stiftung50 bzw. – für die Gewerbesteuer – auf Ebene der Personengesellschaft51. Ist eine (nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG gewerblich geprägte) Personengesellschaft ausschließlich vermögensverwaltend tätig, gehören die Beteiligung und die Gewinne hingegen zur Vermögensverwaltung der Stiftung.52

npoR Heft 3/2012

b. Steuerbegünstigte Körperschaft bzw. juristische Person des öffentlichen Rechts als Empfänger aa) Steuerliche Formen des Mission Investing Bei steuerbegünstigten Empfängerkörperschaften (bzw. bei einer steuerbegünstigten Verwendung der Mittel durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts) kommt das Begünstigungsverbot des § 55 Abs. 1 Nr. 3 AO nicht zur Anwendung. Die Stiftung hat daher die Möglichkeit, Mittel auf eine andere steuerbegünstigte Körperschaft zu übertragen bzw. das Entgelt für die Zurverfügungstellung von Mitteln unterhalb des Marktniveaus festzulegen. Werden zeitnah zu verwendende Mittel übertragen, muss – neben dem Empfänger – auch die Stiftung absichern, dass die Mittel zeitnah verwendet werden.53 Dieser Mitteltransfer erfolgt auf der Grundlage des § 58 Nr. 1 AO bzw. § 58 Nr. 2 AO. Gemäß § 58 Nr. 1 Hs. 1 AO kann eine Körperschaft Mittel für die Verwirklichung der steuerbegünstigten Zwecke einer anderen Körperschaft oder für die Verwirklichung steuerbegünstigter Zwecke durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts beschaffen.54 Die Beschaffung von Mitteln für eine unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaft des privaten Rechts setzt voraus, dass diese selbst steuerbegünstigt ist (§ 58 Nr. 1 Hs. 2 AO). Nach § 58 Nr. 2 AO kann eine Körperschaft ihre Mittel teilweise (nicht überwiegend55) einer anderen, ebenfalls steuerbegünstigten Körperschaft oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts zur Verwendung zu steuerbegünstigten Zwecken zuwenden.56 Werden nicht marktübliche Entgelte zugunsten des Empfängers vereinbart, sind diese Begünstigungen nach § 58 Nr. 1 und Nr. 2 AO unschädlich für den steuerbegünstigten Status der Stiftung. So ist es beispielsweise möglich, dass Darlehen ohne Zinsen/mit ermäßigten Zinsen oder Immobilien mit vergünstigten Entgelten/ohne Entgelte zur Verfügung gestellt werden.

42 Thiel, Die zeitnahe Mittelverwendung – Aufgabe und Bürde gemeinnütziger Körperschaften, DB 1992, S. 1900. 43 AEAO Ziffer 27 S. 1 zu § 55 Abs. 1 Nr. 5. 44 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2. Aufl. 2012, § 6 Rn. 35. 45 Buchna/Seeger/Brox, Gemeinnützigkeit im Steuerrecht, 10. Aufl. 2010, S. 186 f. 46 AEAO Ziffer 3 S. 3 zu § 64 Abs. 1. 47 AEAO Ziffer 3 S. 4 zu § 64 Abs. 1. 48 § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG bzw. § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG. 49 Wachter, Anmerkung zu BFH, Urt. v. 25.5.2011 – I R 60/10, ZEV 2011, S. 554. 50 § 5 Abs. 1 Nr. 9 S. 2 KStG. 51 § 2 Abs. 1 und 3 GewStG, § 3 Nr. 6 S. 2 GewStG, § 5 S. 3 GewStG, § 1 GewStDV und § 15 Abs. 2 EStG. 52 BFH, Urt. v. 25.5.2011 – I R 60/10, BStBl. II 2011, S. 858. 53 AEAO Ziffer 1 zu § 58 Nr. 1. 54 In der Regel handelt es sich um sogenannte Förderstiftungen (Mittelbeschaffungskörperschaft). Diese müssen die Beschaffung von Mitteln als Satzungszweck festlegen (AEAO Ziffer 1 S. 3 zu § 58 Nr. 1). Ein steuerbegünstigter Zweck, für den Mittel beschafft werden sollen, muss in der Satzung angegeben sein (AEAO Ziffer 1 S. 4 zu § 58 Nr. 1). 55 AEAO Ziffer 2 S. 1 zu § 58 Nr. 2. 56 Eine entsprechende Regelung in der Satzung ist in den Fällen des § 58 Nr. 2 AO anders als nach §58 Nr. 1 AO nicht erforderlich.


Beier | Praxisforum

npoR Heft 3/2012

121

bb) Steuerliche Zuordnung von Betätigungen bzw. der Entgelte

V . Fazit

Die zuvor unter Ziffer a. erläuterte Einordnung der Beteiligung an einer Kapital- oder Personengesellschaft in die steuerrechtlichen Sphären gilt hier entsprechend. Etwas anderes gilt insofern, als dass die Grundsätze der Betriebsaufspaltung nicht anzuwenden sind, wenn sowohl das Besitz- als auch das Betriebsunternehmen steuerbegünstigt sind.57 Besteht die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, die selbst ausschließlich vermögensverwaltend tätig ist, so liegt auch bei Einflussnahme auf die Geschäftsführung nach Ansicht der Finanzverwaltung kein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb vor.58

Das Mission Investing ist grundsätzlich mit den stiftungsrechtlichen und steuerrechtlichen Vorgaben für die Vermögensverwaltung vereinbar und kann im Einzelfall die Erfüllung eigener Satzungszwecke darstellen. Um Verstöße der Stiftungsorgane gegen die gesetzlichen Vorgaben zu vermeiden, ist empfehlenswert, in die Satzung Rahmenbedingungen für die Anlage des Stiftungsvermögens aufzunehmen, die durch die Organe (außerhalb der Stiftungssatzung) konkretisiert und an aktuelle Tendenzen angepasst werden können.

57 AEAO Ziffer 3 S. 7 zu § 64 Abs. 1. 58 AEAO Ziffer 3 S. 5 zu § 64 Abs. 1.

Praxisforum Michael Beier, M.Sc.*

Studie „Quo vadis Deutschlandstipendium?“ Online-Umfrage der Stiftung Universität Hildesheim als Langzeitstudie zum Deutschland-Stipendium, 20121

Die Einführung des Deutschlandstipendiums zum Sommersemester 2011 brachte viele neue Möglichkeiten für Hochschulen in der Partnerschaft zu Unternehmen und Stiftungen mit sich. Fast 5.500 Stipendien sind durch die beteiligten Hochschulen im Jahr 2011 eingeworben worden. Damit ist das Glas halbvoll, denn die Bundesregierung hatte für das vergangene Jahr mit 10.000 Stipendien gerechnet. Unter Führung des Autors hat die Stiftung Universität Hildesheim die Studie „Quo vadis Deutschlandstipendium?“ aus dem Sommersemester 2011 fortgeführt. Entwickelt wurden zwei Umfragen, die speziell auf die beiden Zielgruppen – Hochschulen und Spender – zugeschnitten sind.

zwischen dem Fachkräftemangel und dem Deutschlandstipendium sieht die Mehrzahl der Hochschulen nicht. 64% der Hochschulen sehen sich nur „ausreichend“ bis „gar nicht“ bzw. „mangelhaft“ seit dem Start des Programmes im Februar 2011 durch das BMBF begleitet. Andererseits bescheinigen 48% der Hochschulen den Wissenschaftsministerien ihrer Bundesländer eine „gute“ bis „sehr gute“ Begleitung. Konkret zu den Werbe- und Kommunikationsmaßnahmen des Bundes befragt, äußerten sich die Hochschulen kritisch in ihrer Einschätzung, was sich in den Werten von 39% mit „mangelhaft“, 33% mit „ausreichend“ und 8% „gar keine“ Begleitung durch das BMBF widerspiegelt.

I. Ergebnisse der Befragung der Hochschulen

1. Zusammenarbeit mit anderen Akteuren

Von den fast 400 angeschriebenen staatlich anerkannten Kunsthochschulen, Hochschulen und Universitäten folgten bis Ende 2011 225 der Einladung und beantworteten die Fragen. Bei der Auswertung fiel auf, dass 92% der Befragten an der Einwerbung von Stipendien im Rahmen des Deutschlandstipendiums teilnehmen. 71% der Hochschulen beteiligen sich seit dem Sommersemester 2011 am Programm. Als Grund dafür geben 30% der Hochschulen an, dass sie darin einen signifikanten Vorteil für die Unterstützung begabter Studierender und die mögliche Verbesserung der Studienbedingungen und der Studienfinanzierung sehen. 27% sehen darin den Grundstock zum Aufbau eines Netzwerkes zur Wirtschaft, zur Bürgergesellschaft und zu Stiftungen. Ein Viertel der Hochschulen nutzt das Programm des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) für die eigene Profilierung. Die Waage halten sich die Aussagen zur Erwartungshaltung für das Aufblühen einer Stipendienkultur. Die Hälfte der Hochschulen hält das für wenig wahrscheinlich. Auch eine Verbindung

Der Service des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft in Essen im Matching von Spendern und Stipendiaten wird von den Hochschulen nur zu 4% genutzt. Dem Stifterverband fällt eher die Rolle als Dienstleister für Vertragsformulare, Fortbildung und persönliche Beratung zu. Mehr als die Hälfte der Hochschulen nutzt dieses Serviceangebot des Stifterverbandes. 68% der Hochschulen sprachen sich dafür aus, dass eine Idee der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius verallgemeinert werden sollte: Die bundesweit tätigen Stiftungen öffnen

* Der Autor ist geschäftsführender Vorstand der Heinz Sielmann Stiftung, Berlin/Duderstadt. 1 Die Studie ist veröffentlicht unter www.michael-beier.eu und wird bis zum Wintersemester 2014/2015 an der Universität Hildesheim weitergeführt.


122

npoR Heft 3/2012

Praxisforum | Beier

ihre eigenen Stipendienprogramme für die Stipendiaten im Deutschlandstipendium und bieten ihnen die Teilnahme an Summer Schools, Seminaren und Symposien mit an. 2. Fundraising und Personal 87% der Hochschulen nutzen für das Fundraising hochschuleigenes Personal, 66% der Fundraiser sind bei der Hochschulleitung organisatorisch angesiedelt. 93% der Hochschulen beschäftigen für das Einwerben der Stipendien nur einen Fundraiser. 6% beschäftigen zwischen zwei bis fünf Personen im Fundraising. Interessant war die Antwort auf die Perspektiven für den Berufsstand der Fundraiser: 81% der Hochschulen planen keine Einstellung weiterer Fundraiser. Nur 15% sprachen sich positiv gegenüber einer Aufstockung aus. Auf die Frage nach der Nutzung von Gremien antworteten 40%, dass sie Fördergesellschaften, Universitätsgesellschaften und hochschuleigene Stiftungen für die Etablierung des Programms mit nutzen. Dabei setzen 55% der Hochschulen eigene Schwerpunkte im Deutschlandstipendium. 11% fördern besonders Studierende aus sozial benachteiligten Gruppierungen, 6% präferieren Studierende aus dem Ausland, 13% Studierende mit einem hohen gesellschaftlichen Engagement und 10% fördern Studierende, die sich in der Gremienarbeit innerhalb der Hochschule auszeichnen. Im Blickpunkt des Fundraisings stehen in den Hochschulen die Wirtschaft mit 20%, die Eltern der Studierenden mit 12%, Banken und Sparkassen ebenfalls mit 12%, gefolgt von den Alumni mit 8%. 47% der Hochschulen bieten den Spendern eine Namensnennung des Stipendiums an, 21% verbinden das Deutschlandstipendium mit einem Mentoringprogramm für die Stipendiaten und 11% nutzen es für eine konkrete Nachwuchsförderung sowie für Patenschaften. Wert auf die Beteiligung der Spender an der Auswahl der Stipendiaten legen 94% der Hochschulen. 64% der Hochschulen erwarten von den Stipendiaten auch Berichte und Informationen gegenüber den Spendern zu ihren Studienleistungen. 95% der Hochschulen würdigen die Spender in einer akademischen Feierstunde, in den Medien der Hochschule oder mit einer öffentlichen Veranstaltung. 3. Verwaltungskosten Bei der Frage nach der Angemessenheit des Verwaltungskostenzuschusses durch das BMBF sehen – vor allem nach den Erfahrungen aus dem Sommersemester 2011 – 44% der Hochschulen einen Zuschuss zwischen 20% und 30% als realistisch an, um auf Dauer erfolgreich sein zu können. Tatsächlich unterstützt das BMBF die Hochschulen mit 7% Verwaltungskostenzuschuss, die sich auf die Summe der jeweilig an der Hochschule einzuwerbenden Stipendienmittel bezieht. 88% der Hochschulen halten den gegenwärtigen Zuschuss für zu „gering“. Nur 11% sprechen von einem angemessenen Zuschuss. Den Vorschlag des Autors, den gegenwärtigen Verwaltungskostenzuschuss umzuwidmen in eine tragfähige Infrastruktur des Bundes zur Förderung und Verstetigung des Programms, unterstützt mehr als die Hälfte der befragten Hochschulen. 4. Zweckbindung der Stipendien Eine sehr wichtige Antwort gab es auf die Frage nach der Aufhebung der Regelung für zweckgebundene Stipendien. 68% der Hochschulen sprechen sich dafür aus, dass die Begrenzung der Zweckbindung auf ein Drittel der Stipendien ersatzlos wegfallen sollte. Positive Erfahrungen aus Nordrhein-Westfalen mit dem dortigen landeseigenen Stipendi-

enprogramm bestätigen diese Forderung der Hochschulen. Die Zweckgebundenheit ergibt sich aus der Vorgabe von Spendern, vor allem von Unternehmen wie der Telekom oder BASF, die eine studiengangbezogene Förderung der Stipendiaten anstreben, um mit dem Stipendium auch eine Personalentwicklung für den eigenen akademischen Nachwuchs sicherzustellen. Damit nicht alle Stipendien direkt den Studiengängen oder Studienfächern zugeordnet werden und so zum Beispiel der Bedarf an MINT-Absolventen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) überproportional abgedeckt wird, hat die Bundesregierung im Stipendiengesetz festgeschrieben, dass mindestens ein Drittel der Stipendien je Hochschule ohne Zweckbindung eingeworben werden müssen. Bisher ist das den Hochschulen gut gelungen. 5. Soziale Ausgewogenheit Es zeigt sich, dass das Stipendienprogramm sozial ausgewogen ist, denn mehr als ein Viertel der Stipendiaten sind BAföG-Empfänger. Auch der Ausländeranteil ist beachtlich und entspricht der allgemeinen Quote an den deutschen Hochschulen. Die Kritik der SPD-Grünen-Opposition an der „sozialen Unausgewogenheit“ des Programms greift somit bei Betrachtung der Fakten des Statistischen Bundesamtes ins Leere. Auch die Annahmen des Deutschen Studentenwerkes, dass Studierende aus Haushalten „Bildungsnaher und Besserverdienender“ vom Programm profitieren, ist mit der ersten Statistik seit dem Start entkräftet worden. Trotzdem gibt es weiterhin berechtigte Kritik am Programm und seiner Umsetzung durch das BMBF, denn eine bundesweite Bewerbungsmöglichkeit fehlt bisher. 6. Weitere Ergebnisse 59% der Hochschulen sehen das Deutschlandstipendium als einen Impulsgeber für ein neues Verständnis von Privaten und Staat in der Studienfinanzierung. II. Befragung der Spender Mit 42 Unternehmen und Stiftungen wurden in 2011 qualifizierte Interviews geführt. Auf die Frage, ob sie das Deutschlandstipendium kennen, antworteten 62% mit „ja“. Das Stipendienprogramm haben mehr als die Hälfte nur durch die persönliche oder schriftliche Ansprache aus den Hochschulen kennengelernt. Jeder fünfte Befragte hat vom Programm über das Internet oder die Medien erfahren. 1. Stipendienvergabe Die Hälfte der befragten Unternehmen und Stiftungen vergibt Stipendien im BMBF-Programm. Neun von zehn Unternehmen und Stiftungen an Hochschulen in ihrer Stadt, jeder Fünfte auch an andere Hochschulen im Bundesland und nur jeder Zwölfte bundesweit. Die Vergabe an Hochschulen und Universitäten hält sich mit 46% zu 43% fast die Waage. Jeder zehnte Spender bedenkt auch die Kunsthochschulen. 2. Zweckbindung der Stipendien Überraschend war die Antwort auf die Frage der Zweckgebundenheit der Stipendien. Drei Viertel aller Spender vergeben ein zweckungebundenes Stipendium. Bei den zweckgebundenen Stipendien standen mit 46% die Ingenieurwissenschaften im Mittelpunkt. Ein Viertel der spendenden Unternehmen und Stiftungen hat neben dem Deutschlandstipendium auch eigene Stipendienprogramme.


Kirchhain | Praxisforum

npoR Heft 3/2012

3. Matching Funds 74% der Befragten äußerten, dass ihnen Matching Funds (die Co-Finanzierung von privaten Spendern und dem Bund) vertraut sind. 62% halten diese Form des Public Private Partnership zwischen Bundesregierung und privaten Spendern für eine geeignete Form der Zusammenarbeit von Privaten und Staat. 4. Neue Stipendienkultur Mit dem Deutschlandstipendium verbinden 57% auch das Entstehen einer neuen Stipendienkultur in der Bundesrepublik. 35% der Unternehmen und Stiftungen arbeiten mit Universitäten, 33% mit Fachhochschulen und 22% mit einer Hochschule zusammen. Dabei sind mehr als drei Viertel der Kooperationen auf die jeweilige Region bezogen. Ein Viertel arbeitet regional bzw. bundesweit mit Wissenschaftseinrichtungen zusammen. Nach den Gründen der Zusammenarbeit befragt, betonten mehr als 36%, dass ihnen die Hochschule aus dem unmittelbaren Umfeld bekannt ist. 25% nahmen den Exzellenzcluster ihrer Hochschule zum Anlass und 25% betonten, dass die gute Reputation oder ein bekanntes Ranking in der Wissenschaft und Forschung der Grund zur Zusammenarbeit sei. Immer wieder wurde betont, dass die persönliche Ansprache für die meisten Befragten (36%) der Anlass für eine Förderung der Hochschule gewesen war. Ein Drittel nahm die staatliche Forschungsförderung zum Anlass und 22% erwähnten in diesem Zusammenhang ihre Corporate Responsibility Guidelines. 5. Zusammenhang mit dem Fachkräftemangel Nur 27% der Befragten sehen einen unmittelbaren Zusammenhang von Fachkräftemangel und Nachwuchsförderung über das Stipendium. Mehr als die Hälfte sprach sich auch gegen eine Aufhebung der Zweidrittel-Regelung bei den Stipendienzwecken aus. Die Ansprache aus den Hochschulen wünschen sich 26% persönlich, 24% per Brief und 31% über einen E-Mailkontakt. Dabei erwarten 56% eine Ansprache durch die Hochschulleitung, 17% direkt durch Professoren und nur

123

jeder Sechste akzeptiert die Ansprache über den Fundraiser. Die Entscheidung über eine Teilnahme am Deutschlandstipendium liegt bei 71% der Befragten beim Vorstand bzw. bei der Geschäftsführung. Auch möchte mehr als die Hälfte an der Auswahl der Stipendiaten beteiligt sein. 60% sind bereit, eine Patenschaft zu übernehmen, aber nur 38% würden ein individuelles Nachwuchsförderprogramm anbieten. Praktikumsplätze anzubieten können sich 62% vorstellen. Besonders der persönliche Kontakt steht für drei Viertel der Befragten im Mittelpunkt der SpenderStipendiaten-Beziehung. Im Vergleich zur Umfrage im Sommersemester 2011 hat sich die Beteiligung der Unternehmen und Stiftungen an den Freundes- und Förderkreisen um 20% erhöht. Auch nahm die Zahl derer, die Matching Funds kennen, deutlich zu. Positiv ist der Trend zu mehr direkter Verantwortung in der Nachwuchsförderung und im persönlichen Kontakt zu den Stipendiaten. III. Fazit „Das Glas ist halb voll“, so meine Botschaft nach mehr als zwei Jahren „Deutschlandstipendium“. Es wurden weit mehr als die Hälfte der geplanten Deutschlandstipendien im letzten Wintersemester 2011/2012 eingeworben und vergeben. Damit befindet sich das Programm auf einem positiven Weg, eine Stipendienkultur zu generieren. Die Hochschulen investieren seit dem Start des BMBF-Programms in die Professionalität ihres Fundraisings. Mit dem Einwerben der Stipendien öffnen sich die Hochschulen stärker als bisher gegenüber der Bürgergesellschaft in den Regionen. Sie bieten mit den hochschuleigenen Begleitprogrammen im Deutschlandstipendium für die Spender und Förderer, für Bürgerinnen und Bürger, eine aktive Teilhabe am Hochschulleben an. Die Entwicklung der lokalen Hochschule, der Stipendiaten, wird somit ein persönlicher Teil im privaten Umfeld der Förderer. Gewinner des Programms sind auch die Fördergesellschaften der Hochschulen und die Alumnivereine durch steigende Mitgliederzahlen. Weiterhin findet die Förderung des akademischen Nachwuchses eine öffentliche Würdigung, die eine Anerkennungskultur in der Bundesrepublik wachsen lässt.

Dr. Christian Kirchhain, LL.M.*

Ermäßigter Umsatzsteuersatz nur auf originär gemeinnützige Leistungen? Wider die These eines eigenständigen umsatzsteuerrechtlichen Zweckbetriebsbegriffs Zugleich Anmerkung zu BFH, Urteil vom 8. März 2012 – V R 14/11 In der Praxis gemeinnütziger Körperschaften gewinnen umsatzsteuerrechtliche Themen zunehmend an Bedeutung. Dies gilt insbesondere für Fragen zum Umfang einzelner Steuerbefreiungen sowie zur Anwendung des ermäßigten Steuersatzes. Zu diesen beiden Themen hat der V. Senat des Bundesfinanzhofs in jüngerer Vergangenheit speziell für Verpflegungs- und Unterbringungsleistungen gemeinnütziger Bildungsveranstalter zwei Urteile gefällt, die für erhebliche Unruhe gesorgt haben. In dem letzten Urteil vom 8. März 2012 hat der V. Senat entschieden, dass umsatzsteuerpflichtige Verpflegungs- und Unterbringungsleistungen nicht vom Steuersatzprivileg des

§ 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG erfasst sind. Diese Rechtsauffassung stützt der V. Senat im Wesentlichen auf den Wettbewerbsschutz. Rechtliches Neuland betritt der V. Senat mit der These, Gegenstand der Prüfung des Steuersatzes sei nicht der gemeinnützigkeitsrechtliche Zweckbetrieb i.S. des § 68 Nr. 8 AO, sondern ein spezieller umsatzsteuerrechtlicher Zweckbetrieb, der nur die Verpflegung und Unterbringung der Veranstaltungsteilnehmer erfasse. Nach Lesart des V. Senats

* Der Autor ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht und Steuerberater am Bonner Standort von Flick Gocke Schaumburg.


124

npoR Heft 3/2012

Praxisforum | Kirchhain

kommt der ermäßigte Steuersatz im Ergebnis nur für originär gemeinnützige Bildungsleistungen in Betracht. Der nachstehende Beitrag setzt sich mit der neuen BFH-Rechtsprechung kritisch auseinander. I. Umsatzsteuerpflicht versus Umsatzsteuerfreiheit – uner- lässliche versus bloß nützliche Leistungen Umsatzsteuerrechtlich stellt sich zunächst die Frage, ob eine ausgeführte Leistung, sofern sie umsatzsteuerbar ist, unter eine Befreiungsvorschrift fällt. Umsatzsteuerfrei sind z.B. gemäß § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG die Vorträge, Kurse und andere Veranstaltungen wissenschaftlicher oder belehrender Art, die u.a. von Einrichtungen durchgeführt werden, die gemeinnützigen Zwecken dienen, sofern die Einnahmen überwiegend zur Deckung der Kosten verwendet werden. Diese Befreiungsvorschrift soll im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2013 geändert und in einem neuen § 4 Nr. 21 UStG platziert werden.1 Festzustellen ist, dass das Besprechungsurteil vom 8. März 2012 hinsichtlich der Frage, ob die Verpflegung und Unterbringung der Teilnehmer einer Bildungsveranstaltung von der Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG mit erfasst sind, keine neuen Erkenntnisse bringt. Der V. Senat beschränkt sich auf die Wiedergabe der abstrakten Abgrenzung zwischen (steuerfreien) „unerlässlichen“ und (steuerpflichtigen) „nützlichen“ Leistungen, die er im Urteil vom 7. Oktober 20102 entwickelt hat. In der ersten Instanz hatte das FG Münster3 die fehlende „Unerlässlichkeit“ der Verpflegung und Unterbringung auf den Umstand gestützt, dass der Veranstalter diese Leistungen als fakultative Zusatzleistungen und nur auf Wunsch der Seminarteilnehmer ausführte. Was aber, wenn solche Leistungen – wie in der Praxis insbesondere Mittagund Abendessen im Rahmen ganztägiger Veranstaltungen sowie Übernachtungen anlässlich mehrtätiger Veranstaltungen – integraler Bestandteil eines Gesamtpakets sind? Was, wenn der Veranstalter die Teilnehmer in einer selbst betriebenen Mensa bewirtet und in einem selbst betriebenen Tagungshaus unterbringt? Das BFH-Urteil vom 7. Oktober 2010 erweckt einerseits den Eindruck, dass bereits ein Mittagsimbiss im Rahmen eines Ganztagesseminares in einem Hotel als selbständige (Haupt-) Leistung zu beurteilen sei. Andererseits hat der BFH die damals von ihm entschiedene Rechtssache an das FG BerlinBrandenburg mit dem Hinweis zurückverwiesen, bei der Veranstaltung von Tagesseminaren könne die Verpflegung „unter bestimmten Voraussetzungen“ unerlässlich sein – allerdings ohne diese Voraussetzungen zu nennen. Klare, in der Praxis handhabbare Abgrenzungskriterien, anhand derer die Prüfung der „Unerlässlichkeit“ der Verpflegung oder Unterbringung geprüft werden könnte, hat die Rechtsprechung bislang nicht angeführt. Unabhängig von der Voraussetzung der „Unerlässlichkeit“ sind Unterbringungs- und Verpflegungsleistungen nur im Rahmen des § 4 Nr. 23 UStG umsatzsteuerfrei. Diese Steuerbefreiung setzt voraus, dass die Aufnahme der Jugendlichen in der Einrichtung (bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres) speziell zu Erziehungs-, Ausbildungs- und Fortbildungszwecken erfolgt, was aber nicht der alleinige Gegenstand oder der Hauptgegenstand des Unternehmens sein muss.4

II. Allgemeiner versus ermäßigter Steuersatz 1. Einführung Sofern man zu dem Ergebnis gelangt, dass eine umsatzsteuerbare Leistung mangels Steuerbefreiung auch umsatzsteuerpflichtig ist, stellt sich die Frage, ob auf diese Leistung der allgemeine Umsatzsteuersatz von derzeit 19 % (§ 12 Abs. 1 UStG) oder der ermäßigte Steuersatz von derzeit 7 % (§ 12 Abs. 2 UStG) zur Anwendung kommt. Für gemeinnützige Körperschaften von besonderer Bedeutung ist das Steuersatzprivileg gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG.5 Nach dessen Satz 1 gilt der ermäßigte Umsatzsteuersatz für die Leistungen der Körperschaften, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen, wobei in einer Klammerdefinition auf die §§ 51 bis 68 AO verwiesen wird. Nach der Ausnahme in Satz 2 kommt das Steuersatzprivileg nicht zur Anwendung, wenn die zu beurteilende Leistung im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs erbracht wird. Von dieser Einschränkung sieht der schwer lesbare Satz 3 eine Gegenausnahme vor: „Für Leistungen, die im Rahmen eines Zweckbetriebs ausgeführt werden, gilt Satz 1 [scil.: der ermäßigte Steuersatz] nur, wenn der Zweckbetrieb nicht in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen durch die Ausführung von Umsätzen dient, die in unmittelbarem Wettbewerb mit dem allgemeinen Steuersatz unterliegenden Leistungen anderer Unternehmer ausgeführt werden, oder wenn die Körperschaft mit diesen Leistungen ihrer in den §§ 66 bis 68 der Abgabenordnung bezeichneten Zweckbetriebe ihre steuerbegünstigten satzungsgemäßen Zwecke selbst verwirklicht.“ 2. These des BFH: ermäßigter Steuersatz nur auf originär ge meinnützige Bildungsleistungen Der V. Senat bestätigt die Rechtsauffassung des FG Münster, dass steuerpflichtige Verpflegungs- und Unterbringungsleistungen, die eine gemeinnützige Körperschaft im Rahmen eines Zweckbetriebs i.S. des § 68 Nr. 8 AO erbringt, nicht vom Steuersatzprivileg des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG erfasst sind. Damit unterliegen steuerpflichtige Verpflegungsleistungen ausnahmslos dem allgemeinen Umsatzsteuersatz von derzeit 19%. Dieser Umstand wird zu einer Verteuerung der Bildungsangebote führen. Diese Verteuerung wird solche Teilnehmer treffen, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, z.B. junge Menschen in der Ausbildung. Hinsichtlich steuerpflichtiger Unterbringungsleistungen ist die BFHRechtsprechung insoweit entschärft, als diese Leistungen seit dem 1. Januar 2010 unter das spezielle Steuersatzprivileg des § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG („Hotelierprivileg“) fallen. Allerdings

1 BR-Drs. 302/12, S. 30 f. (Gesetzeswortlaut) und S. 117 ff. (Begründung) = BT-Drs. 17/10000, S. 26 (Gesetzeswortlaut) und S. 86 ff. (Begründung). Dazu Hättich/Renz, Umsatzsteuerbefreiung für berufsbildende Bildungsleistungen – heute und morgen, NWB 2012, 2756; Meurer, JStG 2013: Umsatzsteuerfreiheit von Bildungsleistungen ab dem 1. 1. 2013, DStR 2012, 1785. 2 BFH, Urt. v. 7. 10. 2010 – V R 12/10, BStBl. II 2011, 303. 3 FG Münster, Urt. v. 15. 3. 2011 – 15 K 3840/08 U, EFG 2011, 1574. 4 Abschn. 4.23.1 Abs. 1 S. 1 f. UStAE. 5 Dazu jüngst auch FG Niedersachsen, Urt. v. 14. 6. 2012 – 5 K 117/11 (betr. die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf Umsätze eines Integrationsprojekts i.S. des § 132 Abs. 1 SGB IX, das unter den Voraussetzungen des § 68 Nr. 3 Buchst. c AO Zweckbetrieb ist).


npoR Heft 3/2012

droht auch an dieser Front Ungemach. Nach einem Gesetzesantrag des Landes Schleswig-Holstein vom 21. August 2012 soll das Steuersatzprivileg für Unterbringungsleistungen ab dem 1. Januar 2013 wieder entfallen.6 Nach Lesart des V. Senats können die Voraussetzungen, die § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf Zweckbetriebsleistungen aufstellt, bei Verpflegungsleistungen und bis 2009 auch bei Unterbringungsleistungen in keinem Fall erfüllt sein. Nach dem Kernsatz der Urteilsbegründung ist die Zweckbetriebseigenschaft nicht gemeinnützigkeits-, sondern umsatzsteuerrechtlich zu bestimmen, da der ermäßigte Umsatzsteuersatz nicht auf sämtliche, sondern nur auf bestimmte Zweckbetriebsleistungen anwendbar sei.7 Der V. Senat teilt den einheitlichen gemeinnützigkeitsrechtlichen Zweckbetrieb i.S. des § 68 Nr. 8 AO – Bildungsveranstaltung einschließlich Unterbringung und Verpflegung – speziell für Zwecke der Umsatzsteuer in zwei „umsatzsteuerrechtliche“ Zweckbetriebe – die eigentliche Bildungsveranstaltung einerseits, Unterbringung und Verpflegung andererseits – auf. Sodann prüft der V. Senat für den (umsatzsteuerrechtlichen) Zweckbetrieb „Unterbringung und Verpflegung“ die weiteren Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG. In der Konsequenz bezieht er bei der Prüfung der 50%-Grenze i.S. der ersten Tatbestandsvariante die Einnahmen aus der eigentlichen Bildungsveranstaltung nicht mit ein. Soweit ersichtlich, wird das BFH-Urteil im Schrifttum kritiklos rezensiert8 oder ausdrücklich begrüßt9. Ob Urteilsergebnis- und -begründung zutreffen, ist, wie der Rezensent bereits an anderer Stelle im Nachgang zum erstinstanzlichen Urteil des FG Münster erörtert hat,10 jedoch zweifelhaft. Eine nähere Auseinandersetzung mit dem Urteil ist geboten, weil es weitreichende Auswirkungen für gemeinnützige Bildungsveranstalter und darüber hinaus für gemeinnützige Anbieter anderer Zweckbetriebsleistungen haben wird.

Kirchhain | Praxisforum

125

3. Gegenthese: kein eigenständiger umsatzsteuerrechtlicher Zweckbetriebsbegriff! Auf die Prägung des gemeinnützig keitsrechtlichen Zweckbetriebs kommt es an!

verneint er doch hinsichtlich § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 1 UStG eine richtlinienkonforme Auslegung gerade mit dem Argument, dass Satz 1 ausdrücklich Bezug auf die §§ 51 ff. AO nimmt.14 Dasselbe Argument muss auch bei der Auslegung des originär gemeinnützigkeitsrechtlichen Zweckbetriebsbegriffs gelten. Eine Aufteilung des gemeinnützigkeitsrechtlichen Zweckbetriebsbegriffs für umsatzsteuerrechtliche Zwecke ist entgegen der Ansicht des V. Senats auch nicht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des I. Senats möglich, wonach funktional unterschiedliche Tätigkeiten grundsätzlich auch dann mehrere wirtschaftliche Geschäftsbetriebe sind, wenn die Tätigkeiten wirtschaftlich verflochten sind und sich gegenseitig bedingen.15 Die Frage nach dem Zuschnitt einzelner wirtschaftlicher Geschäftsbetriebe kann zwar dann praktisch relevant werden, wenn es darauf ankommt, ob die Zwei-Drittel-Grenze des § 66 Abs. 3 Satz 1 AO eingehalten wurde. Bei Bildungsveranstaltungen stellt sich die Frage des Zuschnitts lediglich dahingehend, ob jede einzelne Veranstaltung zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort einen eigenständigen Zweckbetrieb begründet oder ob sämtliche Veranstaltungen im Rahmen einer Veranstaltungsreihe oder gar sämtliche Veranstaltungen der Körperschaft zu einem Zweckbetrieb zusammenfassen sind – wobei diese Frage allerdings keine praktische Relevanz hat. Die vom V. Senat in Bezug genommene Rechtsprechung des I. Senats kann jedoch nicht die Aufteilung des einheitlichen Zweckbetriebs i.S. des § 68 Nr. 8 AO rechtfertigen. Eine derartige Aufteilung liefe der gesetzgeberischen Wertung entgegen, dass die Unterbringung und Verpflegung, obwohl sich diese Leistungen nach dem äußeren Erscheinungsbild von der eigentlichen Bildungsveranstaltung unterscheiden, gerade integrale Bestandteile des (einheitlichen) Zweckbetriebs „Bildungsveranstaltung“ sind. Diese Wertung beruht auf der Grundentscheidung, breiten Bevölkerungsschichten den Zugang zu günstigen Bildungsveranstaltungen mit Übernachtung zu ermöglichen; vor dem Hintergrund dieser Grundentscheidung müssen Wettbewerbsinteressen kommerzieller, nichtgemeinnütziger Unternehmen zurückstehen.16

a) Zweckbetrieb ein originär gemeinnützigkeitsrechtlicher Begriff Die grundlegende These des V. Senats, der gemeinnützigkeitsrechtliche Zweckbetriebsbegriff i.S. des § 68 Nr. 8 AO sei speziell bei der Ermittlung des Umsatzsteuersatzes in zwei „umsatzsteuerrechtliche Zweckbetriebe“ aufzuteilen, findet keine Stütze im Gesetz. Der in § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG verwendete Zweckbetriebsbegriff ist ein originär gemeinnützigkeitsrechtlicher und wird in der Gesetzesbegründung auch so verwendet. Eine richtlinienkonforme Reduktion des Zweckbetriebsbegriffs erscheint mit Blick auf den eindeutigen Wortlaut sowie die Gesetzesbegründung nicht möglich. Eine richtlinienkonforme Auslegung ist, wie auch der V. Senat im Besprechungsurteil anmerkt,11 generell unzulässig, wenn das Auslegungsergebnis gegen den Wortsinn der Vorschrift und den eindeutigen gesetzgeberischen Willen verstößt.12 Nach dem Wortverständnis können Unterbringung und Beköstigung begrifflich keinen „Zweck-Betrieb“ darstellen, weil diese Tätigkeiten bei isolierter Betrachtung eben nicht auf die Verfolgung eines gemeinnützigen Zwecks gerichtet sind. Aus der Gesetzesbegründung geht zweifelsfrei hervor, dass der Gesetzgeber mit Zweckbetrieben i.S. des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG solche i.S. der §§ 65 bis 68 AO meint.13 Die gegenteilige These des V. Senats verwundert,

6 BR-Drs. 485/12. 7 BFH, Urt. v. 8. 3. 2012 – V R 14/11, in diesem Heft S. 145, Rn. 27. 8 Siehe die Urteilsanmerkungen von Demleitner, SteuK 2012, 299; Fritsch, UStB 2012, 187; JB, DStZ 2012, 491; jh, StuB 2012, 527; Manteuffel, Stiftung & Sponsoring 4/2012, S. 30; Martin, BFH/ PR 2012, 282; WT, UVR 2012, 228. Siehe auch Michel, Unionsrechtswidrige Steuersatzermäßigungen, DB 2012, 2007. 9 Siehe die Urteilsanmerkung von P. Fischer, jurisPR-SteuerR 34/2012 Anm. 5 [unter C. I.]. 10 Kirchhain, Anm. zu FG Münster, Urt. v. 15. 3. 2011 – 15 K 3840/08 U, UR 2011, 790. 11 BFH, Urt. v. 8. 3. 2012 – V R 14/11 (Fn. 7), Rn. 20. 12 BAG, Urt. v. 5. 3. 1996 – 1 AZR 590/92 (A), BB 1996, 1332, 1334 [juris Rn. 60 ff.]; Jakob, Umsatzsteuer, 2. Aufl. 1998, § 1 UStG Rn. 21; Klenk, Sölch/Ringleb-UStG, (Stand: März 2012), vor § 1 Rn. 16; Stadie, UStG, 2009, Vorbem. Rn. 64. Siehe auch DänzerVanotti, Methodenstreit um die den EG-Richtlinien konforme Auslegung, DB 1994, 1052, 1054 f. 13 BT-Drs. 16/3036, S. 14; BT-Drs. 16/3368, S. 23. Im Ergebnis ebenso Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2. Aufl. 2012, § 7 Rn. 207. 14 BFH, Urt. v. 8. 3. 2012 – V R 14/11 (Fn. 7), Rn. 20. Ebenso Hüttemann (Fn. 13), § 7 Rn. 206. 15 BFH, Urt. v. 19. 11. 22003 – I R 33/02, BFH/NV 2004, 445. 16 Ebenso z.B. Hüttemann (Fn. 13), § 6 Rn. 270.


126

Praxisforum | Kirchhain

npoR Heft 3/2012

b) Wettbewerbsschutz gebietet keine Reduktion des Zweck- betriebsbegriffs Auch der vom Gesetzgeber intendierte Wettbewerbsschutz17 gebietet keine Reduktion des gemeinnützigkeitsrechtlichen Zweckbetriebsbegriffs. Natürlich hätte der Gesetzgeber zum Schutz des Wettbewerbs regeln können, dass der ermäßigte Steuersatz ausschließlich für originär gemeinnützige Zweckbetriebsleistungen, beispielsweise nur für die eigentlichen Bildungsveranstaltungen (und nicht auch für die Unterbringung und Verpflegung) gilt. Dies hat er aber nicht getan. Vielmehr hat er schon den Kreis der steuersatzprivilegierten Körperschaften in § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 1 UStG, wie der V. Senat zu Recht feststellt, weiter gefasst als nach Unionsrecht, nämlich Art. 98 MwStSystRL, erforderlich und zulässig ist.18 Da sich das nationale Recht schon im Ansatz vom Unionsrecht „abkoppelt“, erscheint es nicht möglich, die Reduktion des Zweckbetriebsbegriffs auf die Vorgaben des Art. 98 MwStSystRL zu stützen. Dem V. Senat ist zwar mit der EuGH-Rechtsprechung zuzugeben, dass der ermäßigte Umsatzsteuersatz generell nur anwendbar ist, soweit dies zu keiner oder einer nur geringen Gefahr einer Wettbewerbsverzerrung führt.19 Die Vorgabe, den Wettbewerb zu schützen, kommt allerdings (nur) in den weiteren Tatbestandsvoraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG zum Ausdruck, insbesondere in der ersten Tatbestandsvariante („nicht in erster Linie“). Der Ansatz des V. Senats, dem Wettbewerbsschutz über die Auslegung des Zweckbetriebsbegriffs Rechnung zu tragen, widerspricht, wie festgestellt, dem Wortlaut des Gesetzes. Im Urteil vom 8. März zeigt sich die zunehmend wettbewerbsfreundliche, gemeinnützigkeitskritische Haltung des BFH, wie sie beispielsweise auch in den Entscheidungen des I. Senats zu den Rettungsdiensten und Krankentransporten20 sowie zur Veranstaltung von Pferderennen (Leistungsprüfungen)21 zum Ausdruck gekommen ist. Auch in den beiden zuletzt genannten Entscheidungen ist der BFH entgegen der gesetzgeberischen Wertung „über das Ziel hinausgeschossen“.22

Steuersatz unterliegenden Leistungen anderer Unternehmer ausgeführt werden. Der ermäßigte Steuersatz gilt nach dem Gesetzeswortlaut („nicht in erster Linie“) wie auch nach der Gesetzesbegründung23 in allen Fällen, in denen der steuerbegünstigte Zweck der Körperschaft dem Zweckbetrieb in seiner Gesamtausrichtung auch umsatzsteuerrechtlich das Gepräge gibt. Damit unterliegen beispielsweise Leistungen im Rahmen eines Zweckbetriebs i.S. des § 65 AO, der per definitionem durch den steuerbegünstigten Satzungszweck geprägt ist, ausnahmslos dem ermäßigten Steuersatz.24 Für solche Zweckbetriebe sollte sich ausweislich der Gesetzesbegründung im Vergleich zur früheren Gesetzeslage nichts ändern.25 Dem ermäßigten Steuersatz unterliegen damit auch solche Leistungen im Rahmen eines Zweckbetriebs i.S. des § 65 AO, die nicht originär gemeinnützig sind. Dies entspricht auch der Verwaltungsauffassung.26 Die erste Tatbestandsvariante ist auf Zweckbetriebe i.S. der §§ 66 bis 68 AO, also auch auf Zweckbetriebe i.S. des § 68 Nr. 8 AO, d.h. Vorträge, Kurse und andere Veranstaltungen wissenschaftlicher oder belehrender Art, gleichermaßen anwendbar. Für Leistungen solcher Zweckbetriebe gilt der ermäßigte Steuersatz, wenn die Zweckbetriebseigenschaft – so die Gesetzesbegründung – auch nach § 65 AO gegeben wäre.27 Das FG Münster wie auch der V. Senat hätten daher eigentlich prüfen müssen, ob die Bildungsveranstaltung einschließlich Unterbringung und Verpflegung ungeachtet der spezialgesetzlichen Zweckbetriebseigenschaft gemäß § 68 Nr. 8 AO zugleich die Tatbestandsvoraussetzungen der Generalklausel in § 65 AO erfüllt.28 Ein Zweckbetrieb i.S. des § 68 Nr. 8 AO erfüllt aber stets zugleich den Grundtatbestand des § 65 AO.29 Unter Zugrundelegung der Gesetzesbegründung wie auch nach dem Wortlaut des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG können daher auch nicht originär gemeinnützige Leistungen, namentlich Unterbringungs- und Verpflegungsleistungen, dem ermäßigten Steuersatz unterliegen, wenn sie im Zusammenhang mit Leistungen stehen, die – wie

c) Entstehungsgeschichte: auf das Gepräge kommt es an! Vor Einführung des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG, unterlagen sämtliche Zweckbetriebsleistungen dem ermäßigten Steuersatz. Das Steuersatzprivileg ergab sich im Ergebnis aus § 64 Abs. 1 AO. Danach galt der Ausschluss des Steuersatzprivilegs für Leistungen im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs (§ 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 2 UStG) nicht, soweit die Leistungen im Rahmen eines Zweckbetriebs – d.h. eines Zweckbetriebs i.S. der §§ 65 ff. AO – erbracht wurden. Früher ist niemand auf die Idee gekommen, den in § 64 Abs. 1 AO verwendeten Zweckbetriebsbegriff bei der Umsatzsteuer anders als bei der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer auszulegen. Die Einführung des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG durch das Jahressteuergesetz 2007 beruhte auf der Grundüberlegung, dass allein die Zweckbetriebseigenschaft nicht ausreiche, um jede Zweckbetriebsleistung zu privilegieren. Der Gesetzgeber hat in der neuen Vorschrift zum Ausdruck gebracht, dass Zweckbetriebsleistungen nur noch privilegiert sind, wenn der Wettbewerb nicht beeinträchtigt ist. Die Intention, den Wettbewerb zu schützen, tritt insbesondere aus dem Wortlaut der ersten Tatbestandsvariante hervor. Danach kommt der ermäßigte Steuersatz nur noch zur Anwendung, wenn der Zweckbetrieb nicht in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen durch die Ausführung von Umsätzen dient, die in unmittelbarem Wettbewerb mit dem allgemeinen

17 BT-Drs. 16/2712, S. 75; BT-Drs. 16/3036, S. 15. 18 BFH, Urt. v. 8. 3. 2012 – V R 14/11 (Fn. 7), Rn. 18 f.; ebenso Achatz, Umsatzsteuer und Gemeinnützigkeit, DStJG 26 (2003), 279, 302 f.; Hüttemann (Fn. 13), § 7 Rn. 206 m.w.N.; Michel, Unionsrechtswidrige Steuersatzermäßigungen, DB 2012, 2007, 2008 f.; Reiß, Gemeinnützige Organisation, Leistungen im Gemeinwohlinteresse und harmonisierte Umsatzsteuer, in: Walz/Hüttemann/ Rawert/Schmidt (Hrsg.), Non Profit Law Yearbook 2005, 2006, S. 66 f. A.A. Jacobs, Umsatzsteuer und Gemeinnützigkeit, 2009, S. 184 f. 19 BFH, Urt. v. 8. 3. 2012 – V R 14/11 (Fn. 7), Rn. 32. 20 BFH, Beschl. v. 18. 9. 2007 – I R 30/06, BStBl. II 2009, 126. 21 BFH, Beschl. v. 19. 12. 2007 – I R 15/07, BStBl. II 2009, 262. 22 Kritisch z.B. Hüttemann/Schauhoff, Der BFH als Wettbewerbshüter – Neue Rechtsprechung zum steuerbegünstigten Zweckbetrieb, DB 2011, 319; Schauhoff/Kirchhain, Gemeinnützigkeit im Umbruch durch Rechtsprechung, DStR 2008, 1713. 23 BT-Drs. 16/2717, S. 75. 24 Ebenso Abschn. 12.9 Abs. 9 S. 1 f. UStAE. 25 So ausdrücklich BT-Drs. 16/3368, S. 23 (zu Art. 7 Nr. 5 Buchst. a JStG 2007); ebenso Abschn. 12.9 Abs. 9 S. 2 UStAE. 26 Abschn. 12.9 Abs. 9 S. 1 f. UStAE. 27 BR-Drs. 16/3036, S. 14 (zu Art. 7 Nr. 5 Buchst. a JStG 2007). Siehe auch Rasche, in: Schauhoff, Handbuch der Gemeinnützigkeit, 3. Aufl. 2010, § 12 Rn. 89. 28 Vgl. FG Niedersachsen (Fn. 5), betr. Umsätze eines Integrationsprojekts i.S. des § 132 Abs. 1 SGB IX. Das Finanzgericht verneinte dort bereits das Vorliegen eines Zweckbetriebs i.S. des § 68 Nr. 3 Buchst. c AO. 29 BT-Drs. 8/2827, S. 79; Schauhoff, in: Schauhoff (Fn. 27), § 7 Rn. 90 a.E.


npoR Heft 3/2012

etwa Bildungsleistungen – originär gemeinnützig sind und den Zweckbetrieb i.S. des § 65 Nr. 3 AO prägen. Der etwaige Umstand, dass Leistungen eines Zweckbetriebs i.S. der §§ 66 bis 68 AO nicht originär gemeinnützig sind, sondern teilweise lediglich „mittelbar“ der gemeinnützigen Zweckerfüllung dienen – z.B. über die Generierung zusätzlicher Mittel, die dem Verwendungsgebot unterliegen –, steht der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf solche Leistungen ausweislich der Gesetzesbegründung nicht entgegen, sofern nur die originär gemeinnützigen Leistungen diesen Zweckbetrieb prägen.30 Die Prüfung, ob die originär gemeinnützigen Leistungen den Zweckbetrieb prägen, setzt voraus, dass Prüfungsgegenstand der gesamte gemeinnützigkeitsrechtliche Zweckbetrieb ist. Eine Aufteilung des gemeinnützigkeitsrechtlichen Zweckbetriebs, wie es der V. Senat getan hat, ist daher nicht zulässig. Eine Aufteilung ist nach der Wertung des Gesetzgebers auch aus Wettbewerbsschutzgründen nicht zulässig. Aus Sicht des Gesetzgebers kann es bei Einhaltung des Geprägeerfordernisses nicht zu einer schädlichen Wettbewerbsverzerrung kommen. Sinn und Zweck der Vorschrift bestehen ausweislich der Gesetzesbegründung darin, Missbräuche durch Gestaltungsmodelle zu vermeiden, die in erster Linie der Erzielung von Steuervorteilen und weniger der Förderung des steuerbegünstigten Zwecks dienen.31 Ein solcher „Missbrauch durch Gestaltungsmodell“ kann in Bezug auf Verpflegungs- und Unterbringungsleistungen aber nicht vorliegen, wenn diese Leistungen gegenüber der eigentlichen Bildungsveranstaltung nicht überwiegen, von daher nach der gesetzgeberischen Wertung kein wettbewerbsschädliches Gepräge gegeben ist. In diesem Fall dienen die Verpflegungsleistungen in erster Linie der gemeinnützigen Zweckerfüllung und eben nicht der Erzielung von Steuervorteilen.

d) Lenkungszweck: Bildungsangebote für breite Bevölke- rungsschichten Sinn und Zweck des weiten Zweckbetriebsbegriffs in § 68 Nr. 8 AO bestehen darin, breiten Bevölkerungsschichten den Zugang zu günstigen Bildungsveranstaltungen mit Übernachtung und Verpflegung zu ermöglichen. Der Umstand, dass die Unterbringung und Verpflegung integrale Bestandteile des Zweckbetriebs sind, beruht offenbar auf der gesetzgeberischen Überlegung, dass diese Leistungen für die erfolgreiche Durchführung von Bildungsveranstaltungen vielfach notwendig sein können.32 Viele gemeinnützige Körperschaften unterhalten eigene Tagungshäuser oder bringen die Teilnehmer in kirchlichen Einrichtungen oder in Einrichtungen anderer gemeinnütziger Körperschaften unter. Das Bildungsangebot wäre für potenzielle Endverbraucher vermutlich unattraktiv, wenn diese nicht mehr in den genannten Einrichtungen untergebracht werden würden, sondern die örtlichen, in der Regel höheren Hotelraten zahlen müssten. Viele gemeinnützige Bildungsveranstalter unterhalten eigene Tagungshäuser in ländlichen Gebieten, in denen ein Wettbewerb mit kommerziellen, auf Gewinnerzielung ausgerichteten Hotel- und Gastronomiebetrieben nicht existiert und auch nicht vorstellbar ist. Vor diesem Hintergrund versteht sich die gesetzgeberische Entscheidung, Unterbringungs- und Verpflegungsleistungen nicht a priori vom Steuersatzprivileg auszuschließen, sondern umgekehrt in das Privileg mit einzubeziehen, sofern nur die eigentliche Bildungsveranstaltung prägend ist. Für nicht originär gemeinnützige Leistungen eines Zweckbetriebs i.S. der §§ 66 bis 68 AO kommt der allgemeine Steuersatz nur zur Anwendung, wenn eine Prägung des Zweckbetriebs durch originär gemeinnützige Leistungen nicht gegeben ist. Nur in

Kirchhain | Praxisforum

127

diesem Fall kann es nach der Wertung des Gesetzgebers zu einer schädlichen Wettbewerbsverzerrung kommen. 4. Beurteilung für einzelne nicht originär gemeinnützige Zweckbetriebsleistungen Wie erwähnt, wird dem Wettbewerbsschutz nicht durch eine Reduktion des Zweckbetriebsbegriffs, sondern (nur) durch die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen Rechnung getragen, nämlich durch die Prägung des Zweckbetriebs durch originär gemeinnützige Leistungen.

a) Nicht originär gemeinnützige Leistungen eines Zweckbe- triebs i.S. des § 65 AO Bei Leistungen, die im Rahmen eines Zweckbetriebs i.S. des § 65 AO erbracht werden, kommt der ermäßigte Steuersatz uneingeschränkt zur Anwendung. Dies gilt, wie erwähnt, auch in Bezug auf nicht originär gemeinnützige Leistungen, weil diese Leistungen den Zweckbetrieb auch unter Wettbewerbsschutzgesichtspunkten nicht prägen („nicht in erster Linie“). b) Nicht originär gemeinnützige Leistungen eines Zweckbe- triebs i.S. der §§ 66 bis 68 AO aa) Allgemeines Ob Leistungen, die zwar im Rahmen eines Zweckbetriebs i.S. der §§ 66 bis 68 AO, aber außerhalb der originär gemeinnützigen Zwecksetzung erbracht werden, dem ermäßigten oder dem allgemeinen Steuersatz unterliegen, hängt davon ab, ob der Zweckbetrieb von den originär gemeinnützigen Leistungen geprägt wird. Nach dem Wortlaut des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG darf der Zweckbetrieb nicht in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen durch die Ausführung von Umsätzen dienen, die in unmittelbarem Wettbewerb mit dem allgemeinen Steuersatz unterliegenden Leistungen anderer Unternehmer ausgeführt werden. Aus dem Wortlaut geht nicht eindeutig hervor, ob es bei der Prüfung des Tatbestandsmerkmals „nicht in erster Linie“ auf eine qualitative, funktionale oder eine rein quantitative Beurteilung ankommt. Der V. Senat konnte diese Frage offenlassen, da die Unterbringungs- und Verpflegungsleistungen nach seiner Auffassung die einzigen Tätigkeiten des (von ihm reduzierten) Zweckbetriebs „Unterbringung und Verpflegung“ begründeten.33 Die Ansicht der Finanzverwaltung ist nicht eindeutig. Zum einen soll es auf das Gesamtbild der Verhältnisse im Einzelfall ankommen, was für eine qualitative Beurteilung sprechen könnte. Zum anderen nimmt die Finanzverwaltung eine quantitative Beurteilung der Einnahmenseite vor, indem sie die Einnahmen aus den originär gemeinnützigen Leistungen den Einnahmen aus den nichtgemeinnützigen Leistungen gegenüberstellt.34 Für eine quantitative Betrachtung könnte der Aspekt der Rechtssicherheit sprechen, dass nämlich die Geprägefrage anhand objektiv messbarer Kriterien geprüft werden kann, was auch die Planbarkeit aufseiten des Unternehmers erleichtert. Präferiert man eine quantitative Beurteilung, erscheint

30 Siehe BT-Drs. 16/2712, S. 75 = BR-Drs. 622/06, S. 129. 31 BT-Drs. 16/2712, S. 75. Siehe dazu auch Buchna/Seeger/Brox, Gemeinnützigkeit im Steuerrecht, 10. Aufl. 2010, S. 660. 32 Hüttemann (Fn. 13), § 6 Rn. 270. 33 BFH, Urt. v. 8. 3. 2012 – V R 14/11 (Fn. 7), Rn.29. 34 Abschn. 12.9 Abs. 15 Satz 2 UStAE; ebenso Buchna/Seeger/Brox (Fn. 31), S. 660.


128

Praxisforum | Kirchhain

der Ansatz der Finanzverwaltung, auf die Einnahmenseite abzustellen, nicht zwingend. Vorstellbar ist auch, die Geprägefrage auch oder überwiegend von der Aufwandsseite her zu beurteilen – so wie die Finanzverwaltung dies früher, d.h. bis zur Revision des AO-Anwendungserlasses im Januar dieses Jahres35, auch im Gemeinnützigkeitsrecht bei der Auslegung des § 55 Abs. 1, 1. Halbsatz AO („nicht in erster Linie“) getan hat.36 bb) Verpflegungs- und Unterbringungsleistungen Bezogen auf Verpflegungs- und Unterbringungsleistungen könnte die erste Tatbestandsvariante des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG nach Verwaltungsauffassung wie folgt verstanden werden: Soweit diese Leistungen umsatzsteuerrechtlich selbständige, mangels Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG steuerpflichtige (Haupt-)Leistungen darstellen, erzielt die gemeinnützige Körperschaft hieraus „zusätzliche Einnahmen“ i.S. des Gesetzes.37 Diese „zusätzlichen Einnahmen“ stammen aus Umsätzen, mit denen die gemeinnützige Körperschaft in Wettbewerb mit nichtgemeinnützigen Unternehmern, z.B. Caterern und Hoteliers, tritt. Zur Prüfung der 50%-Grenze („nicht in erster Linie“) sind die Einnahmen aus der (originär gemeinnützigen) Bildungsveranstaltung in Relation zu den Einnahmen aus der (nicht originär gemeinnützigen) Unterbringung und Verpflegung – jeweils vor Umsatzsteuer – zu setzen.38 Machen die Einnahmen aus der Unterbringung und Verpflegung 50% oder weniger aus, kommt der ermäßigte Steuersatz auch auf diese Leistungen zur Anwendung.39 Die These, wonach umsatzsteuerfreie Umsätze und nichtsteuerbare echte Zuschüsse nicht zu „Einnahmen in diesem Sinne“ führen40, könnte so zu verstehen sein, dass solche Einnahmen keine „zusätzlichen Einnahmen“ i.S. des Gesetzes darstellen, also keine Einnahmen, die ein wettbewerbsschädliches Gepräge begründen können. Bei dieser Interpretation bezieht die Finanzverwaltung umsatzsteuerfreie Umsätze, namentlich solche aus der Durchführung der eigentlichen Bildungsveranstaltung, in die Prüfung des Gepräges richtigerweise mit ein. Nach der gegenteiligen Ansicht des FG Münster und des V. BFH-Senats wäre es von vornherein ausgeschlossen, dass die eigentliche Bildungsveranstaltung dem Zweckbetrieb i.S. des § 68 Nr. 8 AO das umsatzsteuerrechtliche Gepräge gibt. Ein derartiges Gepräge ist nach der Gesetzesbegründung aber denkbar und im Ergebnis unschädlich.41 Zur Erinnerung: nach Lesart des V. Senats sind bei der Prüfung des Gepräges nur die steuerpflichtigen Leistungen einzubeziehen, steuerfreie Leistungen hingegen nicht. Diese These hat nach der (noch) geltendem Steuerermäßigung gemäß § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG zur Folge, dass Verpflegungsleistungen von vornherein nur dann dem ermäßigten Steuersatz unterliegen könnten, wenn sie steuerpflichtig angeboten werden – wenn also der Unternehmer die Entgelte so hoch bemisst, dass diese mehr als die Hälfte der Kosten ausmachen würden, folglich eine der Voraussetzungen der Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG nicht vorliegen würde. In der Praxis bieten gemeinnützige Körperschaften Bildungsveranstaltungen jedoch in aller Regel aus sozialen Erwägungen zu einem günstigeren Preis an. Warum die Höhe des Steuersatzes für (unterstellt) steuerpflichtige Verpflegungsleistungen im Ansatz von der Steuerpflicht oder Steuerfreiheit der eigentlichen Bildungsveranstaltung abhängen soll, leuchtet nicht ein. Der Gesetzgeber hat in § 68 Nr. 8 AO und in § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG die Wertentscheidung getroffen, dass Verpflegungsleistungen integraler Bestandteil eines Zweck-

npoR Heft 3/2012

betriebs sind und von daher dem ermäßigten Umsatzsteuersatz unterliegen, sofern die eigentliche Bildungsveranstaltung – sei sie selbst steuerpflichtig oder steuerfrei – den Zweckbetrieb prägt. cc) Nicht originär gemeinnützige Leistungen von Zweckbe- trieben i.S. der §§ 66 und 68 Nr. 1 Buchst. a AO Der ermäßigten Steuersatz kann nach hier vertretener Ansicht auch auf sämtliche Leistungen einer Einrichtung der Wohlfahrtspflege oder eines Altenheims anwendbar sein, wenn diesen Einrichtungen Zweckbetriebseigenschaft nach § 66 bzw. § 68 Nr. 1 Buchst. a AO zukommt. Dies gilt auch für solche Leistungen, die unter Beachtung der Zwei-Drittel-Grenze des § 66 Abs. 3 Satz 1 AO Menschen zugutekommen, die nicht i.S. des § 53 AO bedürftig sind. Auch hier darf der einheitliche gemeinnützigkeitsrechtliche Zweckbetrieb nicht für umsatzsteuerrechtliche Zwecke in zwei Zweckbetriebe – Leistungen für bedürftige Menschen einerseits, Leistungen für nichtbedürftige Menschen andererseits – aufgeteilt werden. Sofern die Zwei-Drittel-Grenze des § 66 Abs. 3 Satz 1 AO eingehalten wird, kann der ermäßigte Steuersatz auch für Leistungen zugunsten nichtbedürftiger Menschen zur Anwendung kommen. Dies entspricht m.E. auch der Verwaltungsauffassung.42 Allerdings ist (auch) bei der Prüfung der Zwei-Drittel-Grenze des § 66 Abs. 3 Satz 1 AO ungeklärt, ob sich der Wert der Leistungen nach den Einnahmen oder nach dem Aufwand bemisst; Rechtssicherheit besteht nur insoweit, als die Finanzverwaltung nicht auf das Zahlenverhältnis zwischen bedürftigen und nichtbedürftigen Menschen abstellt.43 dd) Nicht originär gemeinnützige Leistungen von Selbstver- sorgungsbetrieben i.S. des § 68 Nr. 2 AO Die gleichen Überlegungen gelten für Selbstversorgungsbetriebe, sofern diesen Zweckbetriebseigenschaft i.S. des § 68 Nr. 2 AO zukommt. Der Umstand, dass ein Teil, jedoch höchstens 20 % der Leistungen nicht für eigene Versorgungszwecke ausgeführt werden, steht der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf diese Umsätze nicht von vornherein entgegen. Dies wird m.E. auch von der Finanzverwaltung so gesehen.44 Auch hier ist allerdings nicht abschließend geklärt, nach welchen Kriterien die 20 %-Grenze zu überprüfen ist.45

35 BMF, Schr. v. 17. 1. 2012 – IV A 3-S 0062/08/10007-12, IV C 4-S 0171/07/0038-007, BStBl. I 2012, 83. 36 AEAO Tz. 2 S. 2 zu § 55 Abs. 1 Nr. 1 AO a.F.: „Die Körperschaft ist nicht steuerbegünstigt, wenn ihr die wirtschaftliche Tätigkeit bei einer Gesamtbetrachtung das Gepräge gibt.“ Dazu z.B. OFD Frankfurt a.M., Verf. v. 6. 8. 2003 – S 0174 A-20-St II 1.03, KSt-Kartei HE § 5 KStG Karte H 159; OFD Koblenz, Verf. v. 26. 4. 2002 – S 0174 A-St 34 1, DB 2002, 1585. Siehe auch Hüttemann (Fn. 13), § 4 Rz. 94. 37 Abschn. 12.9 Abs. 11 S. 2 UStAE. 38 Abschn. 12.9 Abs. 15 S. 2 UStAE. 39 Abschn. 12.9 Abs. 11 S. 3 UStAE. 40 Abschn. 12.9 Abs. 11 S. 4 UStAE. 41 BT-Drs. 16/2712, S. 75 = BR-Drs. 622/06, S. 129. 42 Abschn. 12.9 Abs. 9 S. 3 Nr. 1 und Nr. 2 i.V.m. S. 2 UStAE; a.A. Buchna/Seeger/Brox (Fn. 31), S. 353. 43 AEAO Tz. 3 S. 3 f. zu § 66 AO. 44 Abschn. 12.9 Abs. 9 S. 3 Nr. 3 i.V.m. S. 2 UStAE. 45 Vgl. BFH, Urt. v. 18. 10. 1990 – V R 35/85, BStBl. II 1990, 157, 160; Baumann/Penné-Goebel, Die Tätigkeit steuerbegünstigter Körperschaften im Rahmen von Selbstversorgungseinrichtungen i.S. des § 68 Nr. 2 AO, DB 2005, 695, 697.


npoR Heft 3/2012

III. Ergebnis und Ausblick 1. Konkretisierung und Übergangsregelung durch die Fi- nanzverwaltung erforderlich Sowohl das BFH-Urteil vom 7. Oktober 2010 zur Frage nach dem Umfang der Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG als auch das jüngste Urteil vom 8. März 2012 zur Frage nach dem anzuwendenden Steuersatz sind im Bundessteuerblatt veröffentlicht worden.46 Damit sind die Finanzämter an die hier besprochene BFH-Rechtsprechung gebunden. Die grundlegende These des V. Senats im Urteil vom 8. März 2012, dass der einheitliche gemeinnützigkeitsrechtliche Zweckbetrieb i.S. des § 68 Nr. 8 AO in zwei „umsatzsteuerrechtliche Zweckbetriebe“ aufzuteilen ist, wird m.E. bislang von der Finanzverwaltung nicht allgemein vertreten. Im Umsatzsteuer-Anwendungserlass stellt die Finanzverwaltung allgemein auf die Zweckbetriebe i.S. der §§ 65 ff. AO ab. Speziell bezogen auf Bildungsveranstaltungen stellt die Verwaltung (richtigerweise) auf den gemeinnützigkeitsrechtlichen Zweckbetrieb „insgesamt“ ab.47 Der Wortlaut im Erlass („Zweckbetrieb insgesamt“) kann nur so verstanden werden, dass Gegenstand der Prüfung des Gepräges der gemeinnützigkeitsrechtliche Zweckbetrieb i.S. des § 68 Nr. 8 AO ist, d.h. die Bildungsveranstaltung einschließlich Unterbringung und Verpflegung. Auch an anderen Stellen geht die Finanzverwaltung davon aus, dass auch nicht originär gemeinnützige Leistungen dem ermäßigten Umsatzsteuersatz unterliegen können. Beispielsweise ist der ermäßigte Steuersatz auch nach Verwaltungsauffassung auf sämtliche Leistungen eines Zweckbetriebs i.S. des § 65 AO sowie auf sämtliche Leistungen von Einrichtungen der Wohlfahrtspflege, von Alten- und Pflegeheimen sowie von Selbstversorgungsbetrieben anwendbar.48 Mit Blick auf den Wortlaut des Erlasses und die bisherige Praxis vieler Finanzämter wäre es daher sehr zu begrüßen, wenn die Finanzverwaltung gemeinnützigen Bildungsveranstaltern im Rahmen eines Anwendungsschreibens Vertrauensschutz dahingehend gewährt, dass steuerpflichtige Verpflegungs- und Unterbringungsleistungen für die Vergangenheit mit dem ermäßigten Steuersatz abgerechnet werden dürfen, steuerpflichtige Verpflegungsleistungen auch für einen Übergangszeitraum. Hinsichtlich der Frage nach dem Umfang der Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG (§ 4 Nr. 21 UStG i.d.F. des Entwurfs eines Jahressteuergesetzes 2013) wäre es zu begrüßen, wenn die Finanzverwaltung klare, in der Praxis handhabbare Kriterien für die Abgrenzung zwischen steuerfreien „unerlässlichen“ und steuerpflichtigen bloß „nützlichen“ Leistungen festlegt. Die Beratungsanfragen vieler gemeinnütziger Bildungsveranstalter belegen die erhebliche Rechtsunsicherheit. Die Finanzverwaltung sollte klare Vorgaben hinsichtlich Ort, zeitlichem Umfang und Art der Bewirtung machen. Mit Blick auf das EuGH-Urteil vom 11. Dezember 2008 in der Rechtssache Danfoss und Astrazeneca könnte die Abgrenzung danach vorgenommen werden, ob die Unterbringung und Verpflegung die Kontinuität und den ordnungsgemäßen Veranstaltungsablauf gewährleisten.49 Dort hatte der EuGH entschieden, dass die unentgeltliche Abgabe von Speisen und Getränken durch einen Unternehmer an Geschäftspartner und eigene Mitarbeiter anlässlich von Arbeitssitzungen keine steuerbare unentgeltliche unternehmensfremde Wertabgabe darstellt, wenn die bewirteten Personen weder den Ort noch die Zeit noch die Art der Speisen wählen können und der Unternehmer mit der Bewirtung bezweckt, die Unterbrechung der Arbeitssitzung so gering wie möglich zu halten. Demnach

Kirchhain | Praxisforum

129

könnte das Mittagessen anlässlich eines Ganztagesseminars von der Umsatzsteuerbefreiung erfasst sein, wenn es Teil eines Gesamtangebotes ist, im Veranstaltungsraum oder in unmittelbarer Nähe stattfindet, aus einem vorgegebenem Buffet oder Menu besteht und zeitlich in die Veranstaltung integriert ist. Abendessen könnten umsatzsteuerbefreit sein, wenn sich die eigentliche Bildungsveranstaltung darin fortsetzt, z.B. bei Verleihung wissenschaftlicher Preise. Die Unterbringung könnte jedenfalls dann unerlässlich sein, wenn der Veranstalter die Teilnehmer in einem selbst betriebenen Tagungshaus unterbringt, möglicherweise auch dann, wenn die Unterbringung integraler Bestandteil eines Gesamtangebots ist. 2. Drohende Steuernachforderungen Sofern die Finanzverwaltung die beiden BFH-Urteile mit Rückwirkung auf alle noch offenen, nicht bestandskräftigen Steuerfälle anwendet, kann es für gemeinnützige Bildungsveranstalter zu erheblichen Steuernachzahlungen kommen. Dann stellt sich die Frage, ob ein Veranstalter die Umsatzsteuerdifferenz von den Seminarteilnehmern unter Abwägung von Image- und Aufwandsaspekten nacherheben möchte und zivilrechtlich dürfte. Letzteres hängt davon ab, wie der Endpreis gegenüber den Seminarteilnehmern speziell in Bezug auf die Umsatzsteuer kommuniziert wurde. 3. Befassung des EuGH und Gesetzesänderung? Der Umstand, dass der Gesetzgeber das hier erörterte Steuersatzprivileg im Ansatz auf sämtliche Leistungen erstreckt, die eine wegen Gemeinnützigkeit steuerbegünstigte Körperschaft erbringt (§ 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 1 UStG), verstößt nach Ansicht des V. Senats50 wie auch nach herrschender Literaturauffassung51 gegen Unionsrecht. Nach Unionsrecht ist der ermäßigte Steuersatz nur anwendbar auf die steuerpflichtige Erbringung von Dienstleistungen „durch von den Mitgliedstaaten anerkannte gemeinnützige Einrichtungen für wohltätige Zwecke und im Bereich der sozialen Sicherheit“ (Art. 98 Abs. 2 MwStSystRL i.V.m. Anhang III Ziffer 15.). Die Frage, welche Leistungen welcher gemeinnütziger Körperschaften hierunter fallen, insbesondere die Frage, welche Leistungen auf die Verfolgung „wohltätiger Zwecke“ gerichtet sind, ist speziell für deutsche Körperschaften noch nicht abschließend geklärt.52 Vorstellbar ist, dass der BFH die Frage, ob § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a S. 1 UStG gegen Unionsrecht verstößt, bei nächster Gelegenheit dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorlegt – allerdings nur dann, wenn der ermäßigte Steuersatz nach seiner Ansicht gemäß dem deutschen Recht zur Anwendung kommt, weil die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a S. 3 UStG erfüllt sind. In dem dem Besprechungsurteil zugrunde liegenden Fall musste

46 BFH, Urt. v. 7. 10. 2010 – V R 12/10, BStBl. II 2011, 303; Urt. v. 8. 3. 2012 – V R 14/11, BStBl. II 2012, 630 (Fn. 7). 47 Abschn. 12.9 Abs. 11 S. 1 UStAE. 48 Abschn. 12.9 Abs. 9 S. 2 sowie S. 3 Nr. 1 bis Nr. 3 UStAE. 49 EuGH, Urt. v. 11. 12. 2008 – C-371/07, Danfoss und Astrazeneca, Slg. 2008, I-9549 = UR 2009, 60 = DStRE2009, 168 [Rz. 60 f. und 65]. 50 BFH, Urt. v. 8. 3. 2012 – V R 14/11 (Fn. 7), Rn. 18 f. 51 Nachweise in Fn. 18. 52 Dazu Hüttemann (Fn. 13), § 7 Rn. 206; Michel, Unionsrechtswidrige Steuersatzermäßigungen, DB 2012, 2007, 2008 f. Vgl. EuGH, Urt. v. 17. 6. 2010 – C-492/08, Kommission/Frankreich, Slg. 2010, I-05471 = HFR 2010, 883 = UR 2010, 662.


130

npoR Heft 3/2012

npoR-Report | Lienicke/Seelig/Stark

der BFH den EuGH nicht um eine Vorabentscheidung ersuchen, da die Steuersatzermäßigung nach seiner – hier bestrittenen – Ansicht bereits aus dem Grund ausschied, weil die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a S. 3 UStG nicht erfüllt waren. Vorstellbar ist auch die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens vor dem EuGH auf Initiative der Europäischen Kommission. Bei einer die Rechtsauffas-

sung des V. Senats bestätigenden EuGH-Entscheidung wäre der Gesetzgeber praktisch gezwungen, den Anwendungsbereich des Steuersatzprivilegs speziell für Leistungen gemeinnütziger Körperschaften schon im Ansatz einzuschränken. Es bleibt also spannend.

npoR-Report Clara Lienicke*/Janne Seelig*/Peter Stark**

Vereinsrecht Die Bestimmung der „Textform“ für die Einberufung einer Mitgliederversammlung ist aufgrund der §§ 126b, 127 BGB nicht unbestimmt Der betroffene Verein begehrt die Eintragung ins Vereinsregister. Mit Zwischenverfügung teilte das Registergericht mit, dass eine Eintragung nicht möglich sei, da § 9 der Satzung („Einberufung von Mitgliederversammlungen“) zu beanstanden sei. Diese Bestimmung lautet: „Mitgliederversammlungen werden vom Vorsitzenden, bei dessen Verhinderung vom Stellvertretenden Vorsitzenden in Textform einberufen. Dabei ist die vom Vorstand festgelegte Tagesordnung mitzuteilen. Die Einberufungsfrist beträgt zwei Wochen. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Aufgabe der Einladung bei der Post unter der letzten dem Verein bekannten Mitgliederadresse“. Nachdem die Zwischenverfügung reaktionslos blieb, wies das Registergericht die Anmeldung aus Gründen des Satzungsmangels unter Hinweis auf §§ 58 Nr. 4, 60 BGB zurück. Beschwerde und Berufung gegen diesen Beschluss blieben erfolglos. Das OLG Schleswig verneint dagegen ein Eintragungshindernis. Die Vereinssatzung könne die in Betracht kommenden Formen der Einberufung der Mitgliederversammlung grundsätzlich frei wählen, solange sichergestellt sei, dass jedes teilnahmeberechtigte Vereinsmitglied Kenntnis von der Anberaumung einer Mitgliederversammlung erlangen könne. Was unter „Textform“ zu verstehen sei, regele § 126b BGB, sodass dieser Begriff hinreichend bestimmt sei. Gem. § 127 BGB gelte diese Norm auch für die durch Rechtsgeschäft bestimmte Form, also auch für die in Vereinssatzungen für vorgesehene Willenserklärungen vorgeschriebene Form. Die Definition in § 126b BGB könne für die Form der Einberufung der Mitgliederversammlung daher herangezogen werden, so dass die Satzungsbestimmung der Eintragung nicht aufgrund ihrer Unbestimmtheit entgegenstehe. OLG Schleswig, Beschl. v. 25.1.2012 – 2 W 57/11

Kein Nachrücken eines Ersatzmitgliedes für einen ausscheidenden Vereinsvorsitzenden Der Beteiligte ist ein gemeinnütziger Verein, dessen Zweck darauf gerichtet ist, seinen Mitgliedern und deren berechtigten Angehörigen soziale, gesundheitliche und kulturelle

Betreuungsleistungen zu bieten, mit denen die gesetzlichen Maßnahmen des Auswärtigen Amtes und der Sozialversicherungsträger ergänzt werden sollen. Laut Satzung bestand der Vorstand aus dem Vorsitzenden, dessen Stellvertreter, einem Schriftführer, einem Schatzmeister und fünf Beisitzern. Für fünf Vorstandsmitglieder sind von der Mitgliederversammlung Ersatzmitglieder für eine Amtszeit von jeweils drei Jahren zu wählen. Die Satzung sah überdies vor, dass bei Ausscheiden des Vorsitzenden der Vorstand aus seiner Mitte den neuen Vorsitzenden wählt und bei Ausscheiden eines anderen Vorstandsmitglieds ein Ersatzmitglied für dessen restliche Amtszeit in das Amt nachrückt. Der Beteiligte meldete den Rücktritt des Vorstandsvorsitzenden sowie das Nachrücken des mit den meisten Stimmen gewählten Ersatzmitgliedes sowie dessen erfolgte Wahl zum Vereinsvorsitzenden beim Amtsgericht Charlottenburg zur Registereintragung an, die jedoch versagt wurde. Dies wurde vom KG Berlin bestätigt. Nach dem klaren Wortlaut der Satzungsregelung sei der neu zu wählende Vorsitzende aus dem Kreis der nach dem Rücktritt des bisherigen Vorsitzenden verbleibenden Vorstandsmitglieder zu wählen. Nur für die „einfachen“ Vorstandsmitglieder gelte, dass Ersatzmitglieder nachrücken dürfen, nicht dagegen für den Vorsitzenden. Angesichts der hohen Zahl von Ersatzmitgliedern (die Vorstandsreserve beträgt für einen Zeitraum von drei Jahren 100%) könne in dem Verzicht auf ein Ersatzmitglied für den Fall, dass der Vorsitzende ausscheide, auch keine planwidrige Lücke gesehen werden. KG Berlin, Beschl. v. 9.1.2012 – 25 W 57/11

Stiftungsrecht Die Europäische Stiftung Die Europäische Kommission hat am 8.2.2012 einen Verordnungsvorschlag für eine Europäische Stiftung (Fundatio Europaea (FE)) vorgelegt. Stöber erörtert diesen Vorschlag

* Die Autorinnen sind Doktorandinnen und wissenschaftliche Mitarbeiterinnen am Institut für Stiftungsrecht und das Recht der Non-Profit-Organisationen der Bucerius Law School, Hamburg. ** Der Autor ist Doktorand und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Steuerrecht der Bucerius Law School, Hamburg.


Lienicke/Seelig/Stark | npoR-Report

npoR Heft 3/2012

in seinem Beitrag und nimmt eine erste Bewertung vor. Die FE sei nach Art. 5 Abs. 1, 9 Abs. 1, 10 Abs. 1 Unterabs. 1, 2 FE-VO eine Einrichtung mit Rechtspersönlichkeit, die in allen EU-Mitgliedstaaten uneingeschränkt rechts- und handlungsfähig ist. Nach Art. 25 FE-VO müsse sie die Abkürzung „FE“ in ihrem Namen tragen, wodurch ihr zur Steigerung der Spendenbereitschaft ein „europäisches Gütesiegel“ verliehen werde. Gegründet werden könne die FE zu in Art. 5 Abs. 2 FE-VO abschließend aufgezählten gemeinnützigen Zwecken. Sie darf wirtschaftliche Aktivitäten entfalten (Beschränkung nach Art. 11 Abs. 2 FE-VO), müsse jedoch die daraus erzielten Gewinne in vollem Umfang für die gemeinnützigen Zwecke verwenden. Neben Vorschriften zu finanziellem Grundstock, Haftungsfragen, der Vermeidung von Interessenkonflikten, staatlicher Aufsicht sowie der Pflicht zu Buchführung, eines jährlichen Tätigkeitsberichts und der Offenlegung eines Jahresabschlusses sei Voraussetzung für die Gründung einer FE die grenzüberschreitende Tätigkeit der Stiftung. Art. 6 FE-VO schreibe vor, dass die Stiftung ihre Tätigkeit in mindestens zwei Mitgliedstaaten ausüben bzw. dies beabsichtigen müsse. Satzungs- und Verwaltungssitz könnten dabei in zwei unterschiedlichen Mitgliedstaaten liegen. Primär gälten für die FE die Vorschriften der FE-VO, soweit diese keine Bestimmungen enthalte, seien die von den Mitgliedstaaten zu erlassenden Anwendungsvorschriften, im Übrigen nationales Recht anzuwenden. Es sei allerdings noch ungeklärt, ob die Niederlassungsfreiheit auch in Bezug auf gemeinnützige Stiftungen die Gründungstheorie gebiete, so dass unklar sei, ob das subsidiär anzuwendende nationale Recht das des Gründungs- oder das des Sitzstaates sei. Hier müsse in der endgültigen Fassung eine klarere Regelung getroffen werden. Die FE könne durch Neugründung, Verschmelzung oder Formwechsel entstehen, eine Satzung mit dem Mindestinhalt des Art. 19 Abs. 1 FE-VO sei erforderlich. Als juristische Person entstehe die FE mit der Registereintragung, die nach Art. 21 FE-VO auch bei grenzüberschreitenden Gründungen nur in einem Mitgliedstaat erfolge. Art. 22 FE-VO würde Deutschland zwingen, hierfür ein Stiftungsregister einzurichten. Stöber stellt außerdem die Organisationsverfassung der FE sowie die staatliche Aufsicht dar. Hinsichtlich der steuerlichen Gleichbehandlung sehe der Verordnungsentwurf in Art. 49-51 vor, dass die FE sowie ihre in- und EU-ausländischen Spender und Begünstigten in jedem Mitgliedstaat die gleichen steuerlichen Vergünstigungen wie gebietsansässige Stiftungen und deren inländische Spender und Begünstigte erhalten müssten, was einen nicht unerheblichen Eingriff in die Steuerhoheit der Mitgliedstaaten bedeute. Abschließend skizziert Stöber die Beendigung der FE, die – außer durch Umwandlung in eine gemeinnützige Einrichtung nationalen Rechts nach Art. 41, 42 FE-VO – durch Abwicklung nach Art. 40 FE-VO erfolge, wobei die Abwicklungsgründe in Art. 43 FE-VO geregelt seien. Stöber begrüßt die beabsichtigte Einführung einer FE, weist aber auf punktuelle Nachbesserungserfordernisse, insbesondere zum ergänzend anwendbaren nationale Recht, hin. Die FE habe eine gute Chance, sich als supranationale Rechtsform zur Verfolgung gemeinnütziger Zwecke zu etablieren. Der Beitrag von Jung beschäftigt sich ebenfalls mit der Europäischen Stiftung, allerdings vor allem mit den im Regelungsvorschlag der Kommission enthaltenen Innovationen in Bezug auf das europäische Gesellschaftsrecht. Die vorgeschlagenen Regelungen hätten das Potential, die Zukunft des europäischen Gesellschaftsrechts insgesamt nachhaltig zu beeinflussen. Jung hebt hervor, dass obwohl um die Sitzaufspaltung, d.h. die mögliche Trennung von Register- und Verwal-

131

tungssitz einer Gesellschaft, im Rahmen der SPE-Verordnung (Statut für eine Europäische Privatgesellschaft) heftig gerungen wurde, Art. 7 FE-VO die Sitzaufspaltung bei der FE ermögliche. Gemäß Art. 36 und 37 FE-VO könne außerdem der Satzungssitz der Europäischen Stiftung in einen anderen EUMitgliedstaat verlegt werden. Jung interpretiert Art. 3 FE-VO in Verbindung mit Erwägungsgrund 15 FE-KO dahingehend, dass eine weitgehende Satzungsdominanz für Organisationsregelungen vorgesehen ist. Sofern die Verordnung oder die Satzung der FE eine Bestimmung enthalte, sei die Anwendung nationalen Rechts ausgeschlossen. Basierend auf Art. 29 Abs. 1 (b) FE-VO leitet Jung eine Pflicht für den Vorstand her, ein angemessenes Compliance-System zu implementieren. Hinsichtlich der Diversität in Vorstand und Aufsichtsrat seien in der Verordnung zwar keine Regelungen getroffen worden, Erwägungsgrund 15 FE-VO verlange aber, dass der Vorstand und der Aufsichtsrat der FE in Bezug auf Alter, Geschlecht u.a. ein ausreichend breites Spektrum aufweisen sollte. Hierdurch könnte die Diversität in die Europäische Stiftung Einzug halten. Michael Stöber, Die geplante Europäische Stiftung, DStR 2012, S. 804-808. Stefanie Jung, Die Europäische Stiftung als Innovationsfeld des Europäischen Gesellschaftsrechts?, BB 2012, S. 17431745.

Steuerrecht Keine Gemeinnützigkeit bei Finanzierung einer Fernreise Die Entscheidung des BFH in diesem Verfahren erging als Beschluss über eine Nichtzulassungsbeschwerde. Der BFH lehnte diese gem. § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO als unzulässig ab, da das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht den Anforderungen an die Darlegung der in § 115 Abs. 2 FGO genannten Gründe für die Zulassung der Revision genüge. Innerhalb dieser Ausführungen geht der BFH auf die entscheidende Rechtsfrage ein, inwieweit die geänderte Rechtsprechung zur grundsätzlichen Aufteilung gemischt veranlasster Reisekosten auch im Bereich des Gemeinnützigkeitsrechts anwendbar sei. Dem Verfahren lag dabei folgender Sachverhalt zu Grunde. Der Kläger und Beschwerdeführer, ein eingetragener und gemeinnütziger Verein, der im Bereich des Chorwesens tätig war, führte für seine Mitglieder eine Fernreise durch. Die mitreisenden Vereinsmitglieder erhielten dabei unabhängig von ihren Spenden eine Unterstützungsfinanzierung in bestimmter Höhe. Aus dem Reiseprogramm ergab sich, dass für 5,5 Tage Choraktivitäten und für 11,5 Tage touristische Programmpunkte vorgesehen waren. Das Finanzamt und auch das Finanzgericht kamen auf dieser Grundlage zu der Überzeugung, dass die Reise neben dem Vereinszweck auch der Befriedigung privater Interessen der Vereinsmitglieder gedient habe. Die Kostenübernahme sei deshalb eine Mittelverwendung für satzungsfremde Zwecke und führe zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit. Daran könne auch § 58 Nr. 8 AO nichts ändern, da die maßgebliche Grenze von 10% des finanziellen Aufwandes im Streitfall jedenfalls überschritten worden sei. Darüber hinaus geht die Vorinstanz noch auf die Tatsache ein, dass objektive und sachgerechte Kriterien, nach denen die Gesamtkosten nach Reiseabschnitten hätten aufgeteilt werden könnten, im Streitfall ebenfalls nicht in


132

npoR-Report | Lienicke/Seelig/Stark

hinreichendem Maße ersichtlich waren. Nur mithilfe solcher Kriterien hätten die Grundsätze des Großen Senats des BFH zur Aufteilung gemischt veranlasster Reisekosten umgesetzt werden können (vgl. BFH v. 21.9.2009 – GrS 1/06, BStBl. II 2010, 672). In dieser Entscheidung hatte der BFH festgelegt, dass Aufwendungen für die Hin- und Rückreise bei gemischt beruflich und privat veranlassten Reisen grundsätzlich in abziehbare Werbungskosten und nicht abziehbare Aufwendungen für die private Lebensführung nach Maßgabe der beruflich und privat veranlassten Zeitanteile der Reise aufgeteilt werden können. Die entscheidende Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt und sowohl von der Vorinstanz als auch vom BFH in diesem Verfahren offen gelassen wurde, ist, inwieweit die Entscheidung des Großen Senats zur Aufteilung von Reisekosten in privat veranlasste Aufwendungen die Auslegung des § 55 Abs. 1 Nr. 1 AO beeinflussen. Die vom Beschwerdeführer vorgetragenen grundsätzliche Bedeutung dieser Rechtsfrage, lehnt der BFH mit der Begründung ab, dass mangels objektiver und sachdienlicher Kriterien eine Aufteilung im vorliegenden Verfahren von vorneherein ausgeschlossen sei. Auf Grundlage dieser Tatsachenfeststellung der Vorinstanz handle es sich nicht um eine revisionsrechtlich klärungsfähige Rechtsfrage. Dementsprechend geht der BFH auch nicht weiter auf den Einfluss des Beschlusses auf das Gemeinnützigkeitsrecht ein. Aus seiner Formulierung, die sich eng am Wortlaut des § 55 Abs. 1 Nr. 1 AO orientiert, geht hervor, dass der BFH wohl wenig Möglichkeiten eines Einflusses dieser Rechtsprechung sieht. Die Betonung des Wortlautes scheint deutlich zu machen, dass es in diesem kein Einfallstor für Aufteilungsfragen gibt. Der BFH lässt damit die entscheidende Rechtsfrage zum Einfluss der geänderten Rechtsprechung zur Aufteilung gemischt veranlasster Reisekosten aufgrund einer unzureichenden Sachlage offen. Eine Klärung der Rechtsfrage ist folglich nur in einem Verfahren möglich, indem bereits in der Vorinstanz eine genaue Aufteilung vorgenommen wurde. Ob sich dann aufgrund des Wortlauts von § 55 Abs. 1 Nr. 1 AO überhaupt ein Einfluss auf die Auslegung ergibt, ist zumindest nach den bisherigen Andeutungen zweifelhaft. BFH, Beschl. v. 12.6.2012 – I B 160/11

Kein Körperschaftsteuerguthaben für rechtsfähige Stiftung Die Klägerin ist eine rechtsfähige Stiftung des privaten Rechts, deren Zweck u.a. die Förderung, Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit des Menschen ist. Nach ihrer Satzung ist sie nicht zu Ausschüttungen aus dem Stiftungsvermögen berechtigt, der Stifter, seine Erben und Nachfolger dürfen keine Gewinnanteile aus Mitteln der Stiftung erhalten. Gleichwohl beantragte sie die Feststellung eines Körperschaftsteuerguthabens i.H.v. 1.097.855 Euro nach §§ 36, 37 KStG 2002, was das beklagte Finanzamt ablehnte. Der hiergegen eingereichten Klage wurde nicht stattgegeben. Die Regelungen der §§ 36 bis 40 KStG seien bereits nach ihrem Regelungszweck nur für Körperschaften von Bedeutung, die nach früherem Recht dem Anrechnungsverfahren unterlagen und die daher zur Gliederung ihres verwendbaren Eigenkapitals verpflichtet waren. Da die Auskehrungen rechtsfähiger und nichtrechtsfähiger Stiftungen bei den Destinatären nicht zu Kapitalerträgen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 EStG führten, gehörten diese Stiftungen nicht zum Kreis der sonstigen Körperschaften i.S.d. § 43 KStG a.F. Während der Geltung des Anrechnungsverfahrens

npoR Heft 3/2012

habe die Klägerin vielmehr endgültig dem regulären Steuersatz nach § 23 Abs. 1 KStG a.F. unterlegen. Dies entspreche auch Sinn und Zweck des Körperschaftsteuerguthabens, der darin bestehe, das Minderungspotential festzuhalten, das sich bei einer im Anrechnungsverfahren gliederungspflichtigen Körperschaft im Zeitpunkt des Systemwechsels zum Halbeinkünfteverfahren in Form von belastetem Eigenkapital angesammelt hat. Ein solches Minderungspotential könne systembedingt jedoch nur dann vorhanden sein, wenn bei dieser Körperschaft das Anrechnungsverfahren zur Anwendung kam und die Körperschaftsteuer bei Ausschüttungen gemindert wurde, was vorliegend gerade nicht der Fall war. Diese Behandlung führe auch nicht zu einer Diskriminierung der Klägerin, vielmehr würde sie anderenfalls einen Vorteil erlangen, auf den sie nach altem Körperschaftsteuerrecht keinen Anspruch gehabt hätte. FG Baden-Württemberg, Urt. v. 24.10.2011 – 10 K 3397/09

Steuerfreie Aufwandsentschädigung nach § 3 Nr. 26 EStG bei Haupt- und Nebentätigkeit für denselben Arbeitgeber In diesem Verfahren hatte das FG Düsseldorf die Rechtsfrage zu entscheiden, ob und wenn ja unter welchen Voraussetzungen eine nebenberufliche Tätigkeit im Sinne des § 3 Nr. 26 EStG bei einer steuerbefreiten Körperschaft möglich ist, wenn der nebenberuflich Tätige gleichzeitig normaler Arbeitnehmer der gleichen Körperschaft ist. Das Finanzgericht bejaht diese Möglichkeit, wenn die Nebentätigkeit den zeitlichen Rahmen des vergleichbaren Hauptberufs deutlich unterschreitet, keine Pflicht dazu besteht und beide Tätigkeiten nicht gleichartig sind. Die Klägerin in diesem Verfahren war eine steuerbefreite Körperschaft, die zur Erfüllung ihres Zwecks die Ganztagsbetreuung von Kindern an Schulen übernahm. Die Tätigkeit der per Arbeitsvertrag eingestellten pädagogischen Mitarbeiter umfasste dabei die Beaufsichtigung und Betreuung der Kinder bei den Hausaufgaben, der Einnahme der Mahlzeiten und beim Spielen. Neben der Betreuung bot die Klägerin zusätzliche Angebote am Nachmittag an. Dies umfasste Projekte und Arbeitsgemeinschaften wie Fußball, Basketball, Tanzen und Schwimmen sowie Mal- und Papierwerkstätten. Sofern die Mitarbeiter in diese Nachmittagsangebote eingebunden wurden, wurde eine zusätzliche Vereinbarung über die Erbringung der genau umschriebenen Nebentätigkeit abgeschlossen. Darin enthalten war auch die Zahlung einer Aufwandsentschädigung. Ausgangspunkt des Streits war die Einbehaltung der Lohnsteuer. Das Finanzamt ging davon aus, dass die Nebentätigkeit Teil der Hauptbeschäftigung war und die gezahlte Aufwandsentschädigung damit als Arbeitslohn zu qualifizieren sei und der Lohnsteuerpflicht unterfiele. Das Finanzgericht schloss sich den Ausführungen des Finanzamts nicht an. Eine steuerfreie Nebentätigkeit beim Arbeitgeber sei grundsätzlich möglich, solange die Anforderungen an die Nebenberuflichkeit im Sinne des § 3 Nr. 26 EStG erfüllt sein. Für diese Voraussetzung definiert das Finanzgericht drei wesentliche Kriterien. Zum einen habe die Nebenberuflichkeit eine zeitliche Komponente. Zur Abgrenzung zur Haupttätigkeit, sei der zeitliche Aufwand als Unterschiedskriterium heranzuziehen. Nur eine Tätigkeit, die den zeitlichen Rahmen des vergleichbaren Hauptberufes deutlich unterschreitet, kann im Sinne des § 3 Nr.26 EStG nebenberuflich sein. Nimmt die Tätigkeit einen


npoR Heft 3/2012

Umfang ein, der üblicherweise für einen Vollzeiterwerb erforderlich ist, kann es sich nicht um die Ausübung eines bloßen Nebenberufs handeln. Da die Betreuung der Nachmittagsangebote vom Umfang her weniger als ein Drittel der Vollzeittätigkeit in Anspruch nahm, sah das Finanzgericht dieses Kriterium als erfüllt an. Des Weiteren dürfe zwischen beiden Tätigkeiten kein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Ein solcher Zusammenhang ergebe sich insbesondere aus dem Umstand, dass der Steuerpflichtige mit der Nebentätigkeit eine ihm faktisch oder rechtlich obliegenden Nebenpflicht aus dem Dienstverhältnis erfüllt oder er bei Ausübung der Nebentätigkeit der Weisung und Kontrolle des Dienstherrn unterliegt. Entscheidend ist die klare Trennung der beiden Verhältnisse auf rechtlicher und faktischer Ebene. Da die Mitarbeiter im Streitfall weder aus ihrem Anstellungsvertrag noch faktisch verpflichtet waren, die Durchführung von Nachmittagsprojekten und Arbeitsgemeinschaften zu übernehmen, war dieser innere Zusammenhang zu verneinen. Das Finanzgericht stützte sich dabei auch auf die Tatsache, dass auch externe Kräfte für die Nachmittagskurse herangezogen wurden. Als drittes Abgrenzungskriterium zur Haupttätigkeit sei die sog. Gleichartigkeit heranzuziehen. Zur Abgrenzung seien die Tätigkeiten inhaltlich und in ihrer Arbeitsweise zu vergleichen. Dabei seien die Betreuung von Schulkindern und die Durchführung von Projekten nicht gleichartig. Die Bearbeitung von Projekten setze bereits im Vorfeld eine Konzepterarbeitung voraus und während der Veranstaltung werden individuelle Fähigkeiten durch besonderes Eingehen auf die Teilnehmer ermittelt. Damit kommen die Nachmittagsprojekte einer unterrichtenden Tätigkeit gleich und gehen damit über eine bloße Betreuung während Mahlzeiten und Hausaufgaben hinaus. Dieses Urteil bestätigt die Möglichkeit von nebenberuflichen Tätigkeiten beim eigenen Arbeitgeber. Insbesondere für das Betreuungswesen enthält das Urteil klare Kriterien für die Abgrenzung zur Haupttätigkeit. Besonders hervorzuheben ist, dass der Fall wohl auch zu Gunsten der Klägerin entschieden wurde, weil für die Abgrenzung eine umfassende Dokumentation von Arbeitsverträgen und Vereinbarungen vorlag. Hierauf ist in der Praxis zu achten. FG Düsseldorf, Urt. v. 29.2.2012 – 7 K 4364/10 L

Andere Rechtsgebiete Transparenz im Dritten Sektor In ihrem Beitrag besprechen Anheier/Beller/Haß aktuelle Entwicklungen und Probleme zu Accountability und Transparenz im Dritten Sektor und kommen zu dem Schluss, dass zwar aktuell noch kein Transparenzproblem vorliegt, aber höchst fraglich ist, ob das auch in Zukunft so bleiben wird. Zunächst beginnen die Autoren mit einer Bestandsaufnahme und zeigen, dass insbesondere im Bereich der Wirtschaft Accountability und Transparenz eine immer stärker werdende Rolle einnehmen. Das darüber gewonnene Vertrauen stelle mittlerweile eine notwendige Bedingung moderner Gesellschaften dar. Unter Verweis auf eine Studie stellen sie dabei fest, dass der Dritte Sektor von Accountability- und Transparenzerwägungen bisher noch kaum erfasst wurde. Die Anforderungen an Organisationen des Dritten Sektors fallen im Vergleich zu staatlichen und privaten weit zurück. Dies ver-

Lienicke/Seelig/Stark | npoR-Report

133

wundert, insbesondere weil der Dritte Sektor in Deutschland eine wesentliche Rolle einnimmt und viele der europäischen Nachbarländer bereits ausführliche Transparenzrichtlinien eingeführt haben. In Deutschland konzentriert sich die Transparenz auf die steuerrechtlichen Anforderungen der Abgabenordnung und damit auf das Verhältnis zum Staat. Die einzige Informationspflicht für Non-Profit-Organisationen in Deutschland ist die Auskunftspflicht gegenüber den Finanzbehörden über Ziel und Zweck sowie über Einnahmen und Ausgaben. Die Öffentlichkeit erfährt davon nichts, denn diese Informationen fallen unter das Steuergeheimnis. Daneben gibt es zwar noch freiwillige Transparenzplattformen, diese werden aber kaum genutzt. Für viele Non-Profit-Organisationen scheint es keinen Anreiz für freiwillige Transparenz zu geben. Diese Situation stelle ein Paradox der - ein wirtschaftlich und sozial politisch wichtiger Teil der deutschen Institutionslandschaft ist in einem fast ausschließlich Staats- und steuerrechtlichen Fokussierungsrahmen für Transparenz eingebunden. Anheier/Beller/Haß gehen dann näher auf den Begriff der Accountability ein. Dieser setzt sich für sie aus fünf Elementen zusammen: Transparenz, Haftung, Steuerbarkeit, Verantwortlichkeit und Ansprechbarkeit. Accountability werde insbesondere von den Nachfragen der unterschiedlichen Akteure im Umfeld der Institution geprägt. So müsse sich eine Non-ProfitOrganisationen gegenüber Gebern, Regulatoren, Leistungsempfängern, den Medien und der Gesellschaft und auch nach innen gegenüber ihren Mitarbeitern und Ehrenamtlichen darstellen. Dabei stellen die Autoren fest, dass der mangelnde Anreiz zu mehr Transparenz und die tatsächlich bestehende geringe Transparenz des Dritten Sektors in Deutschland anscheinend auch auf die fehlende oder schwach ausgeprägte Nachfrage dieser unterschiedlichen Akteure zurückgelegt. Zum Umgang mit dieser Situation werden mehrere Thesen vertreten. In Zukunft könne die Nachfragebereitschaft in vielen Situationen steigen und das bestehende Transparenzsystem in Deutschland nicht mehr tragfähig sein. Demgegenüber wird weiterhin vertreten, dass einerseits kein Problem vorliege und andererseits das aktuelle System gut funktioniere und zukunftsfähig sei. Anheier/Beller/Haß nehmen sich dieser Thesen an und stellen zunächst fest, dass der deutsche Dritte Sektor aktuell tatsächlich noch nicht unter einem Accountability- oder Transparenzproblem leidet. So bleiben große Skandale und Missbrauch weiterhin Einzelfälle. Ob auf dieser Grundlage in Zukunft tatsächlich Reformen nötig sind, lassen die Autoren offen. Sie mahnen jedoch an, dass man überprüfen sollte, ob sich die aktuellen Strukturen auch in Zukunft an ein sich änderndes Umfeld anpassen können. Helmut K. Anheier/Annette Beller/Rabea Haß, Accountability und Transparenz des Dritten Sektors in Deutschland: Ein Paradox?, FJ SB 2012, S. 96–105.

Bilanzierung bei Spenden sammelnden Organisationen - Anwendung des neuen IDW RS HFA 21 Das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) hat im Jahr 2010 den Rechnungslegungsstandard IDW RS HFA 21 zu den “Besonderheiten der Rechnungslegung Spenden sammelnder Organisationen” verabschiedet. Der Beitrag von Berndt/Schumacher/Hechenblaikner befasst sich mit diesem Standard und setzt sich dabei insbesondere mit den beiden Schwerpunktfragen Anwendungsbereich und Ertragsrealisierung auseinander und geht auf Details in der Anwendung ein. Zentral ist zunächst die Abgrenzung des Anwendungs-


134

npoR-Report | Lienicke/Seelig/Stark

bereichs. Nach dem IDW Standard sind Spenden Geld und Sachmittel, Arbeit und Dienstleistungen, Schenkungen, Erbschaften und Vermächtnisse. Öffentliche Zuwendungen fallen mangels Freigebigkeit nicht darunter. Die Diskussion über die Abgrenzung der steuerlichen und der zivilrechtlichen Spende greift der Standard gerade nicht auf, sondern bedient sich eines allgemeinen, weiten Spendenbegriffs. Des Weiteren geht der Standard auch auf die Definition von Spenden sammelnden Organisationen ein. Die Autoren halten fest, dass IDW Standards Unternehmen und Organisationen nicht unmittelbar binden. Sollte eine Organisation aber von einem Wirtschaftsprüfer geprüft werden, so ist dieser verpflichtet die Stellungnahmen zu beachten, wodurch sich eine mittelbare Pflicht für die Organisationen ergibt. Für die Anwendung sieht der Standard nun vor, dass rechnungslegungspflichtige juristische Personen, sofern die Spendenerträge im Verhältnis zu den übrigen Erträgen wesentlich sind, von diesem erfasst werden. Aufgrund des dargestellten weiten Spendenbegriffs sind damit viele Organisationen zumindest potenziell betroffen. Wesentliches Problem ist die Quantifizierung der Wesentlichkeit, da der Standard keinen Prozentwert nennt. Die Autoren sehen das Kriterium des aktiven Spendensammelns als das Entscheidende an. So würde eine einmalige Großspende noch nicht dazu führen, dass die Organisation dauerhaft in den Anwendungsbereich des neuen Standards fällt. Im Übrigen schlagen Berndt/Schumacher/ Hechenblaikner eine feste Prozentgrenze vor und würden diese bei aktiven Spenden von über 10 % an den Erträgen als überschritten sehen. Im Übrigen sei eine freiwillige Anwendung immer möglich. Der neue IDW Standard befasst sich auch mit dem Zeitpunkt der Ertragsrealisierung von Spenden und weicht hier von dem Vorgängerstandard aus dem Jahr 1995 ab. Die Autoren stellen dar, dass die empfangene Spende zunächst erfolgsneutral, also ohne Ausweis in der Gewinn und Verlustrechnung, in der Bilanz auszuweisen ist. Der Ausweis als Ertrag soll erst dann erfolgen, wenn der entsprechende Aufwand aus ihrer Verwendung angefallen ist. Dies gehe auf die Besonderheit des ideellen Bereichs zurück. Erst die Spendenerträge ermöglichen die Aufwendungen. Dem entsprechend sei die sofortige Ertragsrealisierung von Spenden nicht sachgerecht. Im Anschluss gehen die Autoren auf diverse Anwendungsund Detailfragen ein. So besteht das Problem der Kategorisierung der Einnahmen und Ausgaben insbesondere der spezifischen Zuordnung zu den neuen Begrifflichkeiten. Hier wird empfohlen eine Differenzierung entsprechend den vier bekannten gemeinnützigkeitsrechtlichen Sphären anzustreben. Außerdem besteht das Problem der Verwendungsreihenfolge, wozu sich der neue Standard nicht äußert. Das Problem betrifft den Fall, dass eine Organisation neben Spenden auch noch weitere Einnahmen hat. Es stellt sich also die Frage, welche Mittel beim Anfall von Aufwendungen verwendet worden sind. Hier schlagen die Autoren die Festlegung von sog. Verwendungsfiktionen vor. D.h. im Vorfeld ist festzulegen, welche Arten von Einnahmen für welche Ausgaben zuerst verwendet werden. Hierfür geben Berndt/Schumacher/Hechenblaikner diverse Beispiele und weisen auf den wesentlichen Ermessensspielraum der gesetzlichen Vertreter der Organisation hin. Bei Fragen der Rücklagen lassen sich gemeinnützigkeitsrechtliche Aspekte häufig nur unzureichend in der Handelsbilanz abbilden. Hier empfehlen die Autoren grundsätzlich, Nebenrechnungen zu erstellen. Außerdem sieht der Standard die Anwendung des sog. Umsatzkostenverfahrens vor. Dies gliedert die Aufwendungen nach Funktionsbereichen und

npoR Heft 3/2012

stellt nur die dem Umsatz gegenüber stehenden Aufwendungen dar. Sowohl der Standard als auch die Autoren empfehlen dieses Verfahren aufgrund der höheren Aussagekraft. Im Übrigen werden noch ganz konkrete Praxishinweise zur Umsetzung in der Buchhaltung und zur erstmaligen Umstellung gegeben. Der Beitrag stellt eine umfassende Darstellung des neuen Standards dar und bringt durch die vielen Details zu noch ungeklärten Fragen einen echten Mehrwert für die Praxis der Buchführung in Spenden sammelnden Organisationen. Reinhardt Berndt/Holger Schumacher/Sarah Hechenblaikner, Die Stellungnahme des IDW zur Bilanzierung bei Spenden sammelnden Organisationen, Offene Fragen und Gestaltungsmöglichkeiten bei Anwendung des IDW RS HFA 21 und der erstmaligen Umstellung, DB 2012, S. 1217-1222.


Rechtsprechung

npoR Heft 3/2012

135

Rechtsprechung Vereinsrecht

[11] Pflichten eines jeden Mitgliedes ist die Förderung des Vereinszwecks insbesondere die Entrichtung des Mitgliedsbeitrages.

Fortführung eines Schwimmbades (wirtschaftlicher Verein)

[12] 7. Mitgliedsbeiträge

BGB §§ 21, 22 1. Ein Verein, der als Hauptzweck ein vormals kommunal geführtes öffentliches Schwimmbad fortführen und gegen Eintrittsentgelt der Öffentlichkeit zugänglich machen will, ist auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet. 2. Ein Schwimmbad ist auch dann der Öffentlichkeit gegen Eintrittsentgelt zugänglich und damit auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet, wenn es nach der Vereinssatzung zwar nur Vereinsmitgliedern zur Verfügung stehen soll, Nichtmitglieder aber eine „Tagesmitgliedschaft“ gegen Entgelt erwerben können, dessen Höhe den Eintrittspreisen öffentlicher Schwimmbäder entspricht. OLG Karlsruhe Beschl. v. 30.8.2011 – 14 Wx 51/11 Entscheidungsgründe I. [1] Der beschwerdeführende Verein wurde durch Schreiben seiner Vorstandsmitglieder vom 12.5.2011 zur Eintragung in das Vereinsregister angemeldet. In der beigefügten Gründungssatzung heißt es u.a.: [2] 1. Name, Sitz und Geschäftsjahr [3] Trägerverein zur Förderung der Schwimmkultur und Erhaltung des Freibades „B.” in T. [4] 2. Ziel/Zweck des Vereins [5] Der Hauptzweck des Vereins ist die Erhaltung des Freibades für die Einheimischen, die Gäste und die Kinder, insbesondere die Förderung von der Schwimmkultur, der Gesundheit und des Sports in Zusammenarbeit mit den Vereinen und der Grundschule T.-M. [6] Der Verein bekommt das Gelände des Freibades T. von der Stadt per Nutzungsüberlassung, um dieses 75 Jährige Kulturgut für die Bevölkerung auch weiterhin zugänglich zu halten. [7] Der Verein ist selbstlos tätig. Er verfolgt nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke. [8] Die Mittel des Vereins dürfen nur für satzungsmäßige Zwecke verwendet werden. Die Mitglieder erhalten keine Zuwendungen aus den Mitteln des Vereins. Wenn der Verein seine Gelder für das Geschäftjahr aufgebraucht haben sollte, wird das Bad vorzeitig geschlossen. ... [9] Der Satzungszweck wird insbesondere durch die Pflege und Instandhaltung des früher öffentlich betriebenen Freibades T., zum Wohle der Allgemeinheit, verwirklicht. [10] 5. Pflichten der Mitglieder

[13] Der Jahresbeitrag werden vom Vorstand vorgeschlagen und von der Mitgliederversammlung genehmigt. [14] Ausweislich des Protokolls der Gründungsversammlung vom 7.5.2011 Nr. 5) wurde ein Jahresbeitrag von 45,00 EUR für Einzelpersonen und von 90,00 EUR für Familien sowie für eine Tagesmitgliedschaft ein Entgelt von 4,50 EUR für Einzelpersonen und von 10,00 EUR für Familien beschlossen. [15] [...] [16] Mit Beschluß vom 6.6.2011, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht - Registergericht - Schönau die Anmeldung zurückgewiesen, weil der Verein als wirtschaftlicher Verein anzusehen sei; darüber hinaus stünden erhebliche Mängel der Satzung einer Eintragung entgegen. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Vereins vom 6.7.2011, die er nach erbetener und bewilligter Fristverlängerung nicht begründet hat. Das Registergericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen. [...] [18] [...] Die Beschwerde ist aber unbegründet; das Registergericht hat die Anmeldung zum Vereinsregister entsprechend § 60 BGB zu Recht verweigert, weil von einem wirtschaftlichen Verein auszugehen ist. [19] 1. Nach § 21 BGB erlangt ein Verein, dessen Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, die Rechtsfähigkeit durch Eintragung in das Vereinsregister. Dagegen kann ein Verein mit dem Zweck eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes nach § 22 BGB dieses Ziel nur durch staatliche Verleihung der Rechtsfähigkeit erlangen. [20] Unter einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb im Sinne der §§ 21, 22 BGB ist das planmäßige und auf Dauer angelegte Auftreten des Vereins am Markt in unternehmerischer Funktion durch Einschaltung in wirtschaftliche Umsatzprozesse mit einer regelmäßig entgeltlichen Tätigkeit zu verstehen (OLG Hamm Rpfl 2003, 370). Den §§ 21, 22 BGB liegt der gesetzgeberische Gedanke zugrunde, aus Gründen der Sicherheit des Rechtsverkehrs Vereine mit wirtschaftlicher Zielsetzung auf die dafür zur Verfügung stehenden handelsrechtlichen Formen zu verweisen und die wirtschaftliche Betätigung von Idealvereinen zu verhindern, soweit es sich nicht lediglich um eine untergeordnete, den ideellen Hauptzwecken des Vereins dienende wirtschaftliche Betätigung handelt (BGHZ 85, 84, 88 = NJW 1983, 569, 570; OLG Hamm a.a.O.). Für die Abgrenzung ist mit der ganz herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur der von K. Schmidt (Rpfl 1972, 286) begründeten typologischen Methode zu folgen. Dabei ist von drei Grundtypen von Vereinen auszugehen, deren Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist. Darunter fällt zunächst der Volltypus des unternehmerischen Vereins, der an einem äußeren Markt planmäßig und auf Dauer


136

npoR Heft 3/2012

Rechtsprechung

angelegt Nichtvereinsangehörigen Leistungen gegen Entgelt anbietet (Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, 12. Aufl., Rn 141), des Weiteren der Verein mit unternehmerischer Tätigkeit an einem inneren, aus den Mitgliedern bestehenden Markt und schließlich der Verein, der eine genossenschaftliche Kooperation betreibt, also von seinen Mitgliedern mit ausgegliederten unternehmerischen Tätigkeiten betraut wird (OLG Schleswig a.a.O. m.w.N.). Maßstab für die Beurteilung ist dabei nicht nur der Wortlaut der Satzung, sondern die tatsächlich ausgeübte bzw beabsichtigte Tätigkeit (OLG Hamm NJW-RR 2008, 350, 351). Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Verein selbst die Absicht der Gewinnerzielung hat oder ob nur die Mitglieder letztlich ihre wirtschaftlichen Interessen durch den Verein verfolgen (OLG Schleswig MDR 2010, 1408; OLG Frankfurt NJW-RR 2006, 1698). [21] 2. Gemessen an diesen Grundsätzen ist das Registergericht im Streitfall zutreffend davon ausgegangen, daß es sich beim angemeldeten Verein um einen am äußeren Markt unternehmerisch tätigen Verein handelt. [22] a) Maßgeblich ist insoweit, daß der Verein beabsichtigt, mit dem Betrieb eines Schwimmbads planmäßig und auf Dauer angelegt in unternehmerischer Funktion mit einer regelmäßig entgeltlichen Tätigkeit an einem äußeren Markt aufzutreten. Allerdings äußert sich die Satzung in Nr. 2 Abs. 1 und 2 sowie § 16 (Haftung) nur unklar zu der Frage, ob das Schwimmbad nur den Vereinsmitgliedern zur Verfügung stehen soll. Aus der in der Gründungsversammlung beschlossenen Regelung über die Erhebung der Mitgliedsbeiträge (Protokoll vom 7.5.2011 Nr. 5) ergibt sich aber, daß das Bad nicht den Vereinsmitgliedern vorbehalten werden, sondern der Öffentlichkeit offen stehen soll. Denn dort werden Tarife für eine „Tagesmitgliedschaft” vorgesehen, die letztlich einer Eintrittspreisregelung für solche Besucher gleichkommt, die nicht Vereinsmitglieder sind. Diese Form der auf einen Tag befristeten „Mitgliedschaft” wirft zahlreiche Fragen auf, wie das Registergericht zutreffend bemerkt, weil diese Tagesmitglieder die wesentlichen Funktionen eines Vereinsmitglieds überhaupt nicht wahrnehmen können. Ihre Teilhabe am Verein besteht im Grunde nur in dem Besuch des Schwimmbads gegen Zahlung eines Entgelts, das den Eintrittspreisen in anderen Schwimmbädern entspricht. Damit ermöglicht der Verein die entgeltliche Nutzung des von ihm betriebenen Schwimmbads durch beliebige Besucher wie jedes andere öffentliche Schwimmbad auch und bietet in planmäßiger und dauerhafter unternehmerischer Funktion eine Dienstleistung auf einem äußeren Markt an (vgl OLG Frankfurt, B. v. 28.10.2010 - 20 W 254/10, SpuRt 2011, 125, Kletterhalle, zitiert nach juris; OLG Schleswig FGPrax 2011, 34, 35 Saunabetrieb). Auf eine Gewinnerzielungsabsicht des Vereins selbst kommt es dabei nicht an; deshalb ist es unerheblich, wenn der Eintrittspreis bzw die Mitgliedsbeiträge nur kostendeckend kalkuliert werden (KG B. v. 20.1.2011 - 25 W 35/10 Rn 13, zitiert nach juris) und das Bad nach etwaigem Verbrauch der jährlich zur Verfügung stehenden Mittel jeweils geschlossen werden soll. [23] b) Auch unter Berücksichtigung der den §§ 21, 22 BGB zugrundeliegenden gesetzgeberischen Erwägungen, daß bei einer nach außen gerichteten wirtschaftlichen Betätigung Gläubigerinteressen in besonderem Maße berührt werden, die in den für juristische Personen des Handelsrechts geltenden Vorschriften eine weit stärkere Berücksichtigung gefunden haben als in den Bestimmungen des Vereinsrechts (BGH a.a.O. S. 89), ist hier von einem unternehmerisch tätigen Verein auszuge-

hen. Durch den Betrieb eines öffentlichen Schwimmbads tritt der Verein in vielfältige Rechtsbeziehungen zu Dritten, welche die Verweisung auf eine der dafür zur Verfügung stehenden handelsrechtlichen Formen geboten erscheinen lassen. [24] 3. Die hier in Rede stehende wirtschaftliche Betätigung fällt nicht unter das sogenannte Nebenzweckprivileg. [25] a) Unter diesem Gesichtspunkt steht die Entfaltung einer eigenunternehmerischen wirtschaftlichen Betätigung einer Eintragung des Vereins in das Vereinsregister dann nicht entgegen, wenn die unternehmerische Tätigkeit dem nichtwirtschaftlichen Hauptzweck zu- und untergeordnet und Hilfsmittel zu dessen Erreichung ist (BGH a.a.O. S. 93; OLG Frankfurt, a.a.O. Rn 30; OLG Hamm a.a.O.). Danach muß die Hauptbetätigung des Vereins nach wie vor nichtwirtschaftlicher Art sein, was dann nicht der Fall ist, wenn die wirtschaftliche Betätigung faktisch den einzigen Zweck des Vereins darstellt (OLG Frankfurt a.a.O.). [26] b) Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, daß der Betrieb des Schwimmbads den Hauptzweck, wenn nicht sogar den einzigen Zweck des Vereins bildet. Zwar beschreibt die Satzung unter Nr. 2 Abs. 1 als Hauptzweck neben der Erhaltung des Freibades die Förderung der Schwimmkultur, der Gesundheit und des Sports. Es ist jedoch weder von den Anmeldern vorgetragen noch sonst ersichtlich, daß der Verein außer dem Betrieb des Schwimmbades weitere nennenswerte Tätigkeiten zur Förderung dieser anderen Ziele zu entwickeln beabsichtigt. Im Gegenteil wird in Nr. 2 Abs. 6 erneut betont: „Der Satzungszweck wird insbesondere durch die Pflege und Instandhaltung des früher öffentlich betriebenen Freibades T., zum Wohle der Allgemeinheit, verwirklicht.” Schon daraus ergibt sich, daß der Schwimmbadbetrieb als unternehmerische Tätigkeit nicht einem nichtwirtschaftlichen Hauptzweck zu- und untergeordnet und Hilfsmittel zu dessen Erreichung sein soll, sondern selbst Hauptzweck des Vereins ist. Dies bestätigen die vom Registergericht angeführten vorliegenden Zeitungsausschnitte mit Berichten über die Bemühungen der Initiatoren um Unterstützung für ihr Vorhaben, in denen es ausschließlich um den Betrieb des Schwimmbads geht. Auch der Umstand, daß bereits ein lokaler Verein existiert, der nach seiner Satzung für den Ortsteil T. außer dem Schwimmbadbetrieb - dieselben Zwecke verfolgt, spricht dafür, daß Hauptzweck des hier in Rede stehenden Vereins der Betrieb des Schwimmbades ist. [27] [...]

Der Umstand, dass ein Verein ausschließlich steuerbegünstigte Zwecke verfolgt, ändert nichts an seinem wirtschaftlichen Zweck. BGB §§ 21, 22, 60 Die Veranstaltung von Konzerten und das Veröffentlichen von Klaviermusik u.a. ist dem nichtwirtschaftlichen Zweck der Förderung von Klaviermusik dann nicht mehr funktional untergeordnet, wenn das Ausmaß der wirtschaftlichen Tätigkeit bzgl. zeitlichem, finanziellem und personellem Aufwand über dem für die übrigen Maßnahmen auf dem Gebiet des betreffenden ideellen Zwecks liegt. KG Berlin, Beschl. v. 7.3.2012 – 25 W 95/11


Rechtsprechung

npoR Heft 3/2012

Gründe A. [1] Der Beteiligte meldete mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 09. September 2011 durch die beiden Vorsitzenden B… und H… seine Gründung beim Amtsgericht Charlottenburg zur Eintragung in das Vereinsregister an. [2] Nach § 2 S. 1 der Gründungssatzung (GS) ist Zweck des Vereins die Förderung von Klaviermusik. Dieser Zweck wird gemäß § 2 S. 2 GS „insbesondere verwirklicht durch das Unterstützen von Pianisten und Komponisten, das Veranstalten von Konzerten, die Förderung der Ausbildung in Komposition und am Klavier und dem Veröffentlichen von Klaviermusik. Zugleich wurde von der Gründungsversammlung am 03. Januar 2011 beschlossen, dass für die ordentliche Mitgliedschaft ein „symbolischer Mitgliedsbeitrag“ von 1 € jährlich und für die Fördermitgliedschaft ein monatlicher Mitgliedsbeitrag von 5 € fällig werde. [3] Das Amtsgericht Charlottenburg hat mit Beschluss vom 29. September 2011 den Eintragungsantrag zurückgewiesen. Allein das Veranstalten von Konzerten und die Veröffentlichung von Klaviermusik seien keine ideellen Tätigkeiten, sondern erforderten zu ihrer Umsetzung, für die es einen Markt gebe, einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb. Schon durch diese entgeltlichen Hauptaktivitäten des Vereins könne der Beteiligte nicht als nicht wirtschaftlicher Verein qualifiziert werden. Dafür, dass die Finanzierung fast ausschließlich aus diesen Einnahmen finanziert werde, sei weiteres Indiz, dass die Mitglieder lediglich einen symbolischen Beitrag von 1,-- € jährlich und Fördermitglieder von 5,-- € monatlich zahlen sollen. [4] Gegen den ihm am 05. Oktober 2011 zugestellten Beschluss hat der Beteiligte mit am Montag, dem 07. November 2011 beim Registergericht eingegangenen Schreiben vom 04. November 2011 Beschwerde eingelegt. [5] Er beruft sich darauf, dass der Vereinszweck gemäß dem nunmehr geänderten § 2 GS nunmehr laute: „M … ist ein Verein zur Förderung genreübergreifender und interdisziplinärer Klavierprojekte“. Wegen der weiteren Regelungen wird auf das Schreiben des Beteiligten vom 04. November 2011 (Bl. 13 ff.) Bezug genommen. Die Änderungen seien in der Hauptversammlung vom 01. November 2011 beschlossen worden. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll dieser Versammlung (Bl. 17 – 21) verwiesen. Der Verein arbeite nicht wirtschaftlich, sondern rein ideell. Es solle das kreative Potential von Pianisten und Komponisten gefördert werden, die keine wirtschaftliche Möglichkeit hätten, ihre Arbeiten zu veröffentlichen oder ihre Musik im Konzert zu präsentieren. Die Vereinsarbeit sei auf Förderung und Spenden angewiesen. Im Übrigen gestatte der Gesetzgeber nichtwirtschaftlichen Vereinen, sich auch außerhalb des steuerbegünstigten Zwecks wirtschaftlich zu betätigen, um durch eine wirtschaftliche Betätigung Mittel zur Erfüllung ihrer satzungsmäßigen Zwecke zu beschaffen. Der Mindestbeitrag von 5,-- € monatlich für Fördermitglieder werde von diesen erfahrungsgemäß immer weit übertroffen. Darüber hinaus sei die Vision des Vereins künstlerisch so wertvoll, dass der Kultursenat sie wiederholt mit insgesamt 15.073 € gefördert habe. Sponsoren und Förderer hätten sich zu Spenden bereit erklärt. [6] Das Amtsgericht Charlottenburg hat der Beschwerde mit Vermerk vom 09. November 2011 nicht abgeholfen.

137

B. I) [7] Die Beschwerde ist zulässig. [...] II) [9] Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. [10] Die Anmeldung war entsprechend § 60 BGB zurückzuweisen, weil davon auszugehen ist, dass kein Idealverein (§ 21 BGB), sondern ein wirtschaftlicher Verein (§ 22 BGB) vorliegt (vgl. OLG Hamm, Rpfleger 2008, 141 f. m.w.N.). Maßstab für die Beurteilung ist dabei nicht nur der Wortlaut der Satzung, sondern die tatsächlich ausgeübte bzw. beabsichtigte Tätigkeit (allg. Ansicht; vgl. nur KG, NJW-RR 2005, 339, zitiert nach juris, Rn. 6; OLG Hamm, a.a.O., jeweils m.w.N.). Die Annahme eines Idealvereins ist in diesem Zusammenhang allerdings nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil der Verein irgendeine wirtschaftliche Betätigung vornimmt. Gemäß dem sog. Nebenzweckprivileg darf der Verein auch unternehmerische Tätigkeiten entfalten, soweit diese dem idealen Hauptzweck zu- und untergeordnet und Hilfsmittel zu dessen Erreichung sind (BGH, NJW 1983, 569, 571; KG, a.a.O; OLG Hamm, a.a.O., m.w.N.). [11] Ob aber ein wirtschaftlicher Hauptzweck verfolgt wird, ist typologisch unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der §§ 21, 22 BGB zu ermitteln (KG, Senat in ständiger Rechtsprechung, zuletzt Beschluss vom 19. September 2011, 25 W 67/11). Der Sinn und Zweck der §§ 21, 22 BGB ist es, aus Gründen der Sicherheit des Rechtsverkehrs, insbesondere des Gläubigerschutzes, Vereinigungen mit wirtschaftlicher Zielsetzung auf die dafür zur Verfügung stehenden handelsrechtlichen Formen zu verweisen und eine wirtschaftliche Betätigung von Idealvereinen zu verhindern, soweit diese den Rahmen des so genannten Nebenzweckprivilegs überschreitet (vgl. BGH NJW 1986, 3201, 3202). Eine wirtschaftliche Betätigung i.S. des § 22 BGB liegt dabei vor, wenn der Verein am Markt gegenüber Dritten unternehmerisch tätig wird, für seine Mitglieder unternehmerische Teilfunktionen wahrnimmt oder allein gegenüber seinen Mitgliedern unternehmerisch auftritt (KG, NJW-RR 2005, 339, zitiert nach juris, Rn. 6). [12] Nach diesen Grundsätzen kann nicht ausreichend festgestellt werden, dass es sich beim Beteiligten um einen Idealverein handelt. [13] Hier ist das Registergericht zutreffend davon ausgegangen, dass der Beteiligte gemäß § 2 GS insbesondere beim „Veranstalten von Konzerten“ und dem „Veröffentlichen von Klaviermusik“ keinen ideellen Zweck verfolgt, da es für diese Tätigkeiten einen Markt gibt. Durch die entgeltliche Anbietung dieser Leistungen kann ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb entstehen. Damit aber bestehen erhebliche Zweifel, ob die Eintragungsvoraussetzungen nach § 21 BGB gegeben sind. Diese Zweifel werden dadurch verstärkt, dass die Finanzierung des Vereines offenbar fast ausschließlich aus den durch das Veranstalten von Konzerten und dem Veröffentlichen von Klaviermusik erzielten Einnahmen erfolgt. Dafür spricht vor allem, dass die Mitgliedsbeiträge für einfache Mitglieder 1 € jährlich und für Fördermitglieder 5 € monatlich, mithin 60 € jährlich betragen soll. Bei zur Zeit sieben Vereinsmitgliedern sind die Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen


138

npoR Heft 3/2012

Rechtsprechung

damit kaum existent. Demgegenüber sollen aber Pianisten und Komponisten unterstützt und die Ausbildung in Komposition gefördert werden, allesamt Maßnahmen, die finanziert werden müssen, was aber mit den genannten Beitragseinnahmen kaum realisierbar sein dürfte. Damit aber liegt der Schwerpunkt ganz eindeutig beim Veranstalten von Konzerten und Veröffentlichen von Klaviermusik, die offenbar der Mittelbeschaffung dienen sollen. Eine solche entgeltliche Anbietung von Leistungen wurde vom Beteiligten auch mit der Beschwerde nicht in Abrede gestellt. Zwar behauptet der Beteiligte, dass die planmäßige Gewinnerzielung im Bereich der ernsten Musik nur in seltenen, meist mit Personenkult einhergehenden Fällen gelingt. Weshalb dies vorliegend überhaupt nicht der Fall sein soll, bleibt aber unklar. In jedem Fall ist aber mit dem Amtsgericht Charlottenburg davon auszugehen, dass die Umsetzung dieser Tätigkeiten einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erfordern. [14] Die Förderung von Klaviermusik stellt sich auch nicht lediglich als rein vereinsinterne Binnentätigkeit dar. Eine solche würde vorliegen, wenn als Gegenleistung für Mitgliedsbeiträge die Teilnahme an solchen Konzerten und dem Veröffentlichen von Klaviermusik erfolgte. Ohne eine solche Koppelung würden Vereinsmitglieder nur einen wirtschaftlichen Marktteilnehmer darstellen (vgl. dazu die Ausführungen bei Reichert, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts, 12. Aufl. 2010, Rn. 150 ff.). [15] Der Beteiligte hat mit seiner Beschwerdeschrift Satzungsänderungen, insbesondere eine detaillierte Präzisierung der Regelung des Vereinszwecks in § 2 GS, vorgetragen, die er in der Mitgliederversammlung vom 01. November 2011 beschlossen haben will. Die Anmeldung einer Satzungsänderung muss jedoch öffentlich beglaubigt sein (§ 77 BGB), d.h. die Unterschriften der vertretungsberechtigten Vorstandsmitglieder müssen von einem Notar beglaubigt sei (Sauter/ Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein, 19. Aufl. 2010, Rn. 140). Das ist hier jedoch nicht der Fall. Die Beschwerdeschrift ist von beiden Vorsitzenden des Beteiligten unterzeichnet. Ihr beigefügt ist lediglich ein vom ersten Vorsitzenden und vom Protokollführer unterzeichnetes Protokoll der die Satzungsänderungen beschließenden Mitgliederversammlung. Das genügt aber nicht den gesetzlichen Anforderungen. Es verbleibt damit bei der ursprünglichen Satzungsregelung zum Vereinszweck. [16] Zwar verfolgt der Beteiligte gemäß § 3 Abs. 1 der Satzung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke i.S.d. Abschnitts ”Steuerbegünstigte Zwecke” der Abgabenordnung. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats (Beschluss vom 21.02.2011; 25 W 32/11) ist die Frage eines Idealvereins losgelöst von steuerrechtlichen Fragen der Anerkennung einer Gemeinnützigkeit zu beantworten. Während auch einer GmbH Gemeinnützigkeit zuerkannt werden kann, schließen sich wirtschaftlicher Zweck und Idealverein aus. M.a.W.: Die Bejahung einer Gemeinnützigkeit ist nicht Voraussetzung für die hier zu beantwortende Frage und umgekehrt. Nicht jeder Idealverein erhält die Anerkennung der Gemeinnützigkeit (KG, Senat, a.a.O.). Außerdem hat der Beteiligte bislang eine solche Anerkennung der Finanzverwaltung nicht vorgelegt. [17] Die hier in Rede stehende wirtschaftliche Betätigung fällt - entgegen der Ansicht des Beteiligten - nicht unter das sog. Nebenzweckprivileg. In diesem Zusammenhang ist von

Bedeutung, ob eine wirtschaftliche Tätigkeit dem nichtwirtschaftlichen Hauptzweck des Vereins funktional untergeordnet ist (vgl. KG, Beschluss vom 08.04.2008, 1 W 338/07; OLG Hamm, RPfl. 2008, 141 f.). Die Veranstaltung von Konzerten und das Veröffentlichen von Klaviermusik u.a. ist dem nichtwirtschaftlichen Zweck der Förderung von Klaviermusik – wenn man denn von einem solchen ausgehen will – dann nicht mehr funktional untergeordnet, wenn das Ausmaß der wirtschaftlichen Tätigkeit bzgl. zeitlichem, finanziellem und personellem Aufwand über dem für die übrigen Maßnahmen auf dem Gebiet des betreffenden ideellen Zwecks liegt. Der Beteiligte hat nicht aufgezeigt, dass der Aufwand für die Konzerte und die Klaviermusikveröffentlichungen geringer ist als der für seine sonstige Tätigkeit im Rahmen der Unterstützung von Pianisten und Komponisten die Förderung der Ausbildung in Komposition am Klavier. Vielmehr bleiben seine Ausführungen im Ungefähren. Für die klar erkennbaren, entgeltpflichtigen Konzertveranstaltungen verlangt er ein Entgelt. Damit lässt sich aber nicht feststellen, dass die gegen Entgelt durchgeführten Maßnahmen nur einen Nebenzweck bilden, der dazu noch dem vermeintlich ideellen Hauptzweck untergeordnet wäre. Somit ist weiterhin vom Vorliegen eines wirtschaftlichen Vereines auszugehen. Dass die Arbeit des Beteiligten auf Förderung und Spenden angewiesen ist, ändert daran nichts. […]

Stiftungsrecht Nicht rechtsfähige Stiftung des bürgerlichen Rechts als Gewerbetreibende GewO § 14 Abs. 1, VwGO § 61 Nr. 2, KStG § 1 Abs. 1 Nr. 5, AO 1977 § 34 Abs. 1, BGB § 80 Eine nicht rechtsfähige Stiftung des bürgerlichen Rechts ist als bloße Vermögensmasse im Verwaltungsprozess nicht beteiligungsfähig. Mangels eigener Rechtspersönlichkeit kann die nicht rechtsfähige Stiftung des bürgerlichen Rechts nicht selbst Gewerbetreibende im Sinne des Gewerberechts sein. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 15.5.2012 – 6 S 998/11 Tatbestand [1] Die Beteiligten streiten darüber, ob eine nicht rechtsfähige Stiftung des bürgerlichen Rechts als Gewerbetreibende im Sinne der Gewerbeordnung anzuerkennen ist. [2] Am 18.10.2007 wurde die nicht rechtsfähige (fiduziarische) ...-Stiftung, die Klägerin Ziff. 1, mit einem Stiftungsvermögen von 5.000, -- EUR errichtet; deren Zweck ist der Vertrieb von biologischen Schädlingsbekämpfungsmitteln. Nach § 1 Abs. 2 ihrer Satzung soll sie eine gewerbliche Stiftung sein; zwischen dem Stifter und der Klägerin Ziff. 2 als Stiftungsträgerin wird Treuhandverwaltung vereinbart (§ 1 des Stiftungstreuhandvertrags). [3] Am 18.03.2008 und nochmals am 01.04.2008 meldete die Klägerin Ziff. 2 für die ...-Stiftung das Gewerbe „Vertrieb von Insektiziden“ in der Betriebsstätte ..., rückwirkend zum 01.01.2008 an. Mit „Zurückweisungsbescheid“ vom 11.06.2008 lehnte die Beklagte die Gewerbeanmeldung für die Klägerin Ziff. 1 ab, weil es sich bei ihr um eine TreuhandStiftung handele, die mangels Rechtsfähigkeit keine Gewerbeanzeige abgeben könne.


Rechtsprechung

npoR Heft 3/2012

[4] Gegen den der Klägerin Ziff. 2 [...] zugestellten [...] Bescheid legte diese am 04.07.2008 Widerspruch ein. Sie begründete ihn damit, dass es sich bei der Klägerin Ziff. 1 zwar um eine fiduziarische Stiftung handele, die nicht unter staatliche Aufsicht gestellt werden solle. Nicht zutreffend sei die Auffassung der Beklagten, dass es sich dabei um eine nicht rechtsfähige Stiftung handele. Der Stifter habe bei der Gründung der ...-Stiftung von seinem Grundrecht auf Stiftung Gebrauch gemacht. Da das Wort „Stiftung“ nicht nur den unter Staatsaufsicht stehenden Stiftungen vorbehalten sei, beziehe sich dieses Grundrecht auf alle Arten von Stiftungen, also auch auf fiduziarische Stiftungen. Das aus dem Rechtsstaatsprinzip und dem Bundesstaatsprinzip abgeleitete Gebot der einheitlichen Gestaltung der Rechtsverhältnisse unter dem Grundgesetz gebiete es, die Treuhandstiftung als Rechtsperson unabhängig davon zu akzeptieren, ob sie unter Staatsaufsicht gestellt werde oder nicht. So seien Treuhandstiftungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG und § 34 Abs. 1 Satz 1 AO als Steuersubjekte anerkannt. Auch im Kirchenrecht komme Treuhandstiftungen Rechtsfähigkeit zu. Im Übrigen könne der numerus clausus der Rechtsinstitute in engen Grenzen durch Rechtsfortbildung korrigiert werden, wie dies im Bereich der Vorgesellschaften im Aktien- und GmbH-Recht geschehen sei. Da Stiftungsgeschäft, -treuhandvertrag und -satzung im vorliegenden Fall die Voraussetzungen der §§ 80, 81 BGB erfüllten, seien diese Mindestvoraussetzungen gegeben. Soweit es möglicherweise an hinreichenden Schutzvorschriften (z.B. Publizitätsvorschriften) für die fiduziarische Stiftung fehle, liege das daran, dass der Gesetzgeber bisher keinen Bedarf dafür gesehen habe. Da die Klägerin Ziff. 1 alle Voraussetzungen für eine Stiftung als juristische Person erfülle, könne ihr der Status als Rechtsperson nicht zu versagen sein. [...] [6] Am 09.01.2009 haben die Klägerinnen Klage erhoben, [...] [7] Gegen das ihnen am 15.10.2010 zugestellte Urteil haben die Klägerinnen am 12.11.2010 den Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt. Mit Beschluss des Senats vom 28.03.2011 ist die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage, ob eine fiduziarische Stiftung Gewerbetreibende sein kann, zugelassen worden. Die Klägerinnen haben fristgerecht die Berufung begründet und ergänzend vorgetragen, das Verwaltungsgericht habe sich nicht mit den Grundlagen der Gewerbefreiheit und anderen übergeordneten Belangen, die für die Frage der Rechtsfähigkeit einer fiduziarischen Stiftung von Belang seien, auseinandergesetzt. Es sei erklärungsbedürftig, weshalb von der Prozessführungsbefugnis der Klägerin Ziff. 1 ausgegangen werde, diese aber nicht ein Gewerbe ausüben dürfe. Aus der Sicht des Grundgesetzes sei die staatliche Stiftungsaufsicht kein Wesensmerkmal der Stiftung. Da die meisten fiduziarischen Stiftungen gemeinnützig seien, würden sie zudem ohnehin einer Staatsaufsicht unterstellt, nämlich der Kontrolle durch die Steuerbehörden. Problematisch sei allenfalls der Konstitutionsakt, wenn der Staat das Gebilde weder genehmige noch registriere oder deren Rechtsgrundlagen beurkunde. Auf der anderen Seite habe dies die Rechtsprechung nicht davon abgehalten, dem nicht rechtsfähigen Verein, bei dessen Konstituierung der Staat ebenso wenig mitwirke, Rechtsfähigkeit zuzuschreiben. Da sich die Voraussetzungen der fiduziarischen Stiftung mit den materiellen Stiftungsvoraussetzungen der §§ 80, 81 BGB deckten, müsse auch der fiduziarischen Stiftung Rechtspersönlichkeit zukommen. Es gäbe deshalb de lege lata zwei Formen rechtsfähiger Stiftungen, die unter staatlicher Stiftungsaufsicht stehende BGB-Stiftung

139

und die nicht unter staatlicher Stiftungsaufsicht stehende, gesellschaftsrechtlich organisierte fiduziarische Stiftung. [...] Entscheidungsgründe [14] Die nach Zulassung durch den Senat statthafte Berufung der Klägerinnen hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. [15] 1. Die Klage der Klägerin Ziff. 1 ist bereits unzulässig, weil ihr als nicht rechtsfähiger (fiduziarischer) Stiftung des bürgerlichen Rechts die Beteiligungsfähigkeit für den vorliegenden Verwaltungsrechtsstreit fehlt. Nach § 61 Nr. 2 VwGO sind Vereinigungen beteiligungsfähig, soweit ihnen ein Recht zustehen kann. Nach gefestigter Meinung in Rechtsprechung und Literatur sind Vereinigungen im Sinne von § 61 Nr. 2 VwGO Personenmehrheiten, die nicht selbst rechtsfähig oder sonst juristischen Personen gleichgestellt sind, denen nach materiellem Recht ein Recht zustehen kann (vgl. statt vieler Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl., § 61 Rn. 8). Die Klägerin Ziff. 1 als nicht rechtsfähige Stiftung stellt bereits keine Personenmehrheit dar, denn die nicht rechtsfähige (unselbständige) Stiftung ist dadurch charakterisiert, dass ein Stifter ein bestimmtes Vermögen den von ihm gesetzten Zwecken auf Dauer widmet. Ihre Organisationsstruktur ist nicht durch Mitglieder oder Eigentümer geprägt (vgl. hierzu VGH Baden Württemberg, Beschluss vom 08.05.2009 - 1 S 2860/09 -, juris; Urteil vom 31.03.2006 - 1 S 2115/05 -, VBlBW 2006, 386). Sie ist keine juristische Person und bedarf deswegen eines rechtsfähigen Trägers, um rechtswirksam handeln zu können. Der Stifter überträgt bei ihr einer natürlichen oder juristischen Person seines Vertrauens Vermögenswerte mit der Auflage, diese zur Verfolgung vom Stifter gesetzter Zwecke zu verwenden (vgl. statt vieler Seifart/v.Campenhausen, Stiftungsrechtshandbuch 3. Aufl., § 36 Rn. 1). Zur Erfüllung des Stiftungszweckes wird ein Träger (Fiduziar) zivilrechtlicher Eigentümer des Stiftungsvermögens, das er im Rahmen eines Treuhandverhältnisses hält und über das er, ohne wirtschaftlicher Eigentümer zu sein, nur zur Erfüllung des Stiftungsauftrags verfügen kann (so für das Steuerrecht BFH, Urteil vom 16.11.2011 - I R 31/10 -; juris). Daraus folgt, dass der Stiftungsträger nicht Vertreter der unselbständigen Stiftung ist, sondern für die Stiftung in eigenem Namen in Erfüllung seiner eigenen (zivilrechtlichen) Verpflichtungen aus dem Stiftungsgeschäft handelt (Seifart/v. Campenhausen, a.a.O., Rn. 132). So liegt der Fall hier. Aufgrund des Treuhandvertrages zwischen dem Stifter und der Klägerin Ziff. 2 ist diese zur Treuhandverwaltung verpflichtet (§ 1) und handelt aufgrund ihrer zivilrechtlichen Treuhänderstellung. Damit ist allein die Klägerin Ziff. 2 beteiligungsfähig. An dieser Feststellung ändert sich nichts dadurch, dass eine nicht rechtsfähige Stiftung im Finanzprozess Klägerin sein kann (BFH, Urteil vom 29.01.2003 - I R 106/00 -; NVwZ 2003, 1020). Denn die Finanzgerichtsordnung regelt in § 57 nur, wer Verfahrensbeteiligter (Kläger) sein kann, nicht aber wer als Kläger beteiligungsfähig ist. Damit fehlt es in der Finanzgerichtsordnung an einer mit § 61 VwGO vergleichbaren Regelung. Dies ist darin begründet, dass im Steuerrecht der Kreis von Trägern steuerlicher Pflichten, denen die Möglichkeit der Anrufung des Finanzgerichtes gewährt werden muss, auch nicht rechtsfähige und sehr lockere Gebilde, wie z. B. Zweckvermögen und Vermögensmassen, umfasst und daher nicht abgrenzbar erscheint (so schon BFH, Urteil vom 13.02.1973 VII R 76/70 -, juris, zum insoweit wortgleichen § 57 FGO a. F). [16] 2. Die zulässige Klage der Klägerin Ziff. 2 als Treuhän-


140

Rechtsprechung

derin über das Vermögen der ...-Stiftung hat keinen Erfolg. [...] Sie hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Empfangsbescheinigung für die Klägerin Ziff. 1, weil diese keine Gewerbetreibende im Sinne der Gewerbeordnung ist (§ 113 Abs. 4 VwGO). [17] [...] [18] Die Klägerin Ziff. 1 ist mangels Rechtspersönlichkeit keine Gewerbetreibende und deshalb nicht selbst zur Anzeige nach § 14 GewO verpflichtet. [19] Nach gefestigter Rechtsprechung trifft die Verpflichtung zur Anzeige nach § 14 GewO die das Gewerbe ausübende natürliche oder juristische Person. Folgerichtig ist bei Personengesellschaften ohne eigene Rechtspersönlichkeit nicht die Gesellschaft selbst anzeigepflichtig, sondern sind deren geschäftsführende Gesellschafter hierzu verpflichtet (statt vieler Landmann/Rohmer, GewO, Loseblatt Stand September 2011, § 14 Rn. 54 ff.). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts misst die Gewerbeordnung der Rechtspersönlichkeit entscheidende Bedeutung bei, weil das Gewerberecht als Ordnungsrecht an persönliche Kriterien wie die gewerberechtliche Zuverlässigkeit anknüpft (§ 35 GewO; vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 16.12.1992 - 1 B 162/92 -, NJW 1993, 1346). Hieran fehlt es der Klägerin Ziff. 1 als nicht rechtsfähiger Stiftung. [20] Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass es sich bei der Klägerin Ziff. 1 um eine nicht rechtsfähige Stiftung des bürgerlichen Rechts handelt. Zur Erfüllung des Stiftungszweckes „Vertrieb von biologischen Schädlingsbekämpfungsmitteln“ ist die Klägerin Ziff. 2 als Stiftungsträgerin zivilrechtlicher Eigentümer des Stiftungsvermögens, das sie im Rahmen eines Treuhandverhältnisses hält. Die §§ 80 ff. BGB finden nur auf die rechtsfähigen Stiftungen, also diejenigen, denen ein staatlicher Anerkennungsakt vorausgeht, Anwendung. Damit fehlt es der fiduziarischen Stiftung an der Rechtspersönlichkeit. [21] Die von der Klägerin Ziff. 2 gewünschte Gleichstellung der nicht rechtsfähigen (fiduziarischen) Stiftung mit der rechtsfähigen Stiftung ist weder gesetzlich angelegt und noch rechtlich geboten. Der Gesetzgeber hat, worauf das Verwaltungsgericht zu Recht hingewiesen hat, in der Stiftungsnovelle vom 15.07.2002 ausdrücklich an der staatlichen Anerkennung (früher: Genehmigung) festgehalten (BT-Drs. 14/8765, S. 8). Mit der Novelle wollte der Bund einen Beitrag zur Förderung des Stiftungswesens leisten, indem er u. a. bundeseinheitlich einen Anspruch auf Anerkennung der Rechtsfähigkeit einer Stiftung in § 80 Abs. 2 BGB geschaffen hat (BT-Drs. 14/8765, S. 7). Die damit einhergehende staatliche Stiftungsaufsicht dient - neben der Abwehr von Gefahren für die Allgemeinheit, die vom Handeln der Stiftung ausgehen können -der Verwirklichung des Stiftungszwecks, der gerade wegen der mitglieder- und eignerlosen Organisationsstruktur der Stiftung besonderen Schutzes bedarf; sie soll dem im Stiftungsgeschäft und der Stiftungssatzung zum Ausdruck gekommenen Stifterwillen nicht zuletzt gegen abweichendes Verhalten der Organe zur Durchsetzung verhelfen. Sie wurzelt demnach im öffentlichen Interesse daran, dass die Stiftung nach den im Anerkennungsverfahren überprüften Bedingungen lebt, und entfaltet rechtliche Schutzwirkung grundsätzlich nur gegenüber der Stiftung selbst (vgl. zum Vorstehenden VGH Baden -Württemberg, Urteil vom 31.03.2006, a.a.O.). Wird nach dem

npoR Heft 3/2012

Willen des Gesetzgebers die Rechtsfähigkeit einer Stiftung von deren staatlicher Anerkennung (mit der Folge der Stiftungsaufsicht; vgl. hierzu § 8 StiftG) abhängig gemacht, so verbietet sich bereits die von der Klägerin Ziff. 2 gewünschte Analogie zu den §§ 80 ff. BGB, weil keine Gesetzeslücke vorliegt. Dies gilt erst recht deshalb, weil sich der Gesetzgeber anlässlich der Stiftungsrechtsnovelle 2002 (Gesetz zur Modernisierung des Stiftungsrechts vom 15.07.2002, BGBl. I S. 2643) mit der Frage der Gleichstellung von rechtsfähigen und nicht rechtsfähigen Stiftungen auseinandergesetzt hat. Auf Vorschlag einzelner Abgeordneter und der F.D.P. Fraktion wurde ein Änderungsantrag in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht (Antrag vom 22.03.2000, BT-Drs. 14/3043). Nach § 86 des Gesetzentwurfs sollte ein neuer § 87 eingefügt werden, wonach „auf Stiftungen, die nicht rechtsfähig sind, die Vorschriften über rechtsfähige Stiftungen entsprechende Anwendung (finden)“. Dieser Änderungsantrag wurde abgelehnt (Deutscher Bundestag - 14. Wahlperiode - 96. Sitzung, Sitzungsprotokoll vom 24.03.2000, S. 8920). [22] Eine andere Beurteilung ergibt sich nicht daraus, dass nach § 1 Abs. 1 HwO auch Personengesellschaften selbständige Handwerker sein können. Dies ist eine Entscheidung des Gesetzgebers, der der Rechtsfähigkeit im Anwendungsbereich der Handwerksordnung weniger Bedeutung beigemessen haben mag (so auch BVerwG, Beschluss vom 16.12.1992, a.a.O.). Gleiches gilt hinsichtlich der Regelung in § 2 Abs. 1 Satz 2 GastG, wonach die Gaststättenerlaubnis auch nicht rechtsfähigen Vereinen erteilt werden kann. Dabei darf zudem nicht außer Acht gelassen werden, dass es sich jeweils um Personenvereinigungen handelt, so dass die gewerberechtliche Anknüpfung an persönliche Kriterien keine Schwierigkeiten bereitet. Soweit die Klägerin Ziff. 2 darauf hinweist, dass auch nicht rechtsfähige Treuhandstiftungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG und § 34 Abs. 1 Satz 1 AO steuerrechtlich herangezogen werden können, verfängt dieser Einwand ebenfalls nicht. Bei Gebilden, die nach bürgerlichem Recht nicht rechtsfähig sind, aber steuerrechtlich Träger von Rechten und Pflichten sein können, weicht die Abgabenordnung von der Terminologie des bürgerlichen Rechts ab (vgl. hierzu Hübschmann/ Hepp /Spitaler, AO, Loseblatt Stand 2011, § 34 Rdnr. 34 f., § 33 Rdnr. 37 m.w.N.). Welche nicht rechtsfähigen Gebilde steuerrechtliche Rechtsfähigkeit besitzen, ist bei den einzelnen Steuerarten unterschiedlich geregelt. Die in § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG genannten nicht rechtsfähigen Gebilde (zur Besteuerung fiduziarischer Stiftungen nach dem KStG: Blümich, KStG, Loseblatt Stand 2011, § 1 Rdnr. 91) sind auch nur dann körperschaftsteuerpflichtig, wenn ihr Einkommen weder nach dem KStG noch nach dem EStG unmittelbar bei einem anderen Steuerpflichtigen zu versteuern ist (§ 3 KStG; zum Beginn der Körperschaftsteuerpflicht, BFH, Urteil vom 16.11.2011, a.a.O.). Dass kirchliche Stiftungen u.U. so behandelt würden, als seien sie rechtsfähig, was die Berufungsbegründung herausstellt, beruht auf den Grundlagen des Staatskirchenrechts, die nicht auf das bürgerliche Recht übertragbar sind. [23] Wie sich aufgrund der mündlichen Verhandlung ergeben hat, geht es den Klägerinnen im Ergebnis darum, das Stiftungsrecht um eine weitere Art der Stiftung zu ergänzen, die es nach ihrer Meinung schon gibt. Sie übersehen dabei, dass de lege lata entgegen ihrer Ansicht nur die rechtsfähige und die nicht rechtsfähige Stiftung vom Gesetzgeber anerkannt sind. Die von ihnen gewünschte „gewerbliche Stiftung“ (ohne stiftungsrechtliche Staatsaufsicht) sieht das Zivilrecht nicht vor


npoR Heft 3/2012

und kann deshalb auch nicht im Wege der von ihnen erstrebten richterlichen Rechtsfortbildung entwickelt werden. [24] Hinzu kommt, dass der Klägerin Ziff. 1 wohl auch bei unterstellter Rechtsfähigkeit keine Empfangsbescheinigung unter ihrer Anerkennung als Gewerbetreibende ausgestellt werden könnte, weil sie schon nach dem Treuhandvertrag, der allerdings nach den Angaben des Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung insoweit anders zu interpretieren sei, nicht Gewerbetreibende ist. Nach dessen § 1 ist Treuhandverwaltung durch die Klägerin Ziff. 2, die die Klägerin Ziff. 1 im Rechts- und Geschäftsverkehr vertritt (§ 1 der Satzung), vereinbart. Bei einem Treuhandverhältnis, bei dem der Treuhänder nach außen hin eine im Innenverhältnis gebundene Rechtsstellung innehat, ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts jedoch nicht das Merkmal des Betreibens des Gewerbes auf eigene Rechnung im wirtschaftlichen Sinne entscheidend (BVerwG, Beschluss vom 16.12.1992, a.a.O.). Nach außen wird in solchen Fällen - wie auch dem Vorliegenden - die Treuhänderin, hier also die Klägerin Ziff. 2, tätig. Damit ist sie selbst Gewerbetreibende. [...] [26] Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen. Die Frage, ob eine nicht rechtsfähige Stiftung in besonders gelagerten Fällen Gewerbetreibende sein kann, ist bislang höchstrichterlich noch nicht ausdrücklich geklärt.

Rechtsprechung

141

die Zuwendung erfolgt mit der Maßgabe, die übertragenen Werte wirtschaftlich getrennt vom Eigenvermögen als Sondervermögen zu verwalten und dauerhaft zur Verfolgung von Zwecken zu nutzen, die der Stifter festgelegt hat.6 Die schuldoder erbrechtlichen Entstehungsgründe solcher Stiftungen7 legen es folglich nahe, sie als „Vertragsgestaltungsprodukte“8 anzusehen, und zwar als solche, denen keine eigene Rechtspersönlichkeit zukommt. Vor diesem Hintergrund erscheint es folgerichtig, sie nicht als Gewerbetreibende i.S.d. Gewerberechts einzustufen. Indes: Der 6. Senat lässt anklingen, dass die gewerberechtliche Frage nur die Kulisse des Rechtsstreits bildet, weil es „den Klägerinnen im Ergebnis darum [geht], das Stiftungsrecht um eine weitere Art der Stiftung zu ergänzen, die es nach ihrer Meinung schon gibt“.9 De lege lata sei der Stiftung i.S.d. §§ 80 ff. BGB nämlich eine rechtsfähige „fiduziarische Stiftung als Rechtsperson“, die nicht unter hoheitlicher Aufsicht steht, an die Seite gestellt.10 Vor diesem Hintergrund liegt die wahre Bedeutung des Urteils darin, dass es einer Tendenz im Schrifttum11 sowie in der Rechtspraxis12 den Wind aus den Segeln nehmen dürfte, welche nach Kräften versucht, die nicht rechtsfähige Stiftung zu einer Rechtsperson zu „verselbständigen“. Was aber versprechen sich die Protagonisten dieser Tendenz von ihren Anstrengungen tatsächlich? Darüber kann nur spekuliert werden. Eine naheliegende Spekulation geht dahin, die Vorteile der nicht rechtsfähigen Stiftung (z.B. grds. formlose und auch sonst „einfache“ Errichtung und Beendigung, keine hoheitliche Anerkennung und Aufsicht) mit den Vor-

Anmerkung Aus Sicht des Stiftungsrechts verdient das Urteil uneingeschränkt Beifall. Der 6. Senat des VGH Baden-Württemberg hat entschieden, dass die nicht rechtsfähige Stiftung des bürgerlichen Rechts mangels eigener Rechtspersönlichkeit nicht selbst Gewerbetreibende i.S.d. Gewerbeordnung sein kann. Zu diesem Ergebnis gelangte schon das VG Karlsruhe als Vorinstanz.1 Über dessen Entscheidung geht das vorliegende Judikat aber hinaus, indem es erkennt, dass die nicht rechtsfähige Stiftung als bloße Vermögensmasse im Verwaltungsprozess nicht beteiligungsfähig ist.2 Der 6. Senat begründet die fehlende Beteiligungsfähigkeit der nicht rechtsfähigen Stiftung mit zutreffenden Argumenten. Für das prozessuale Verständnis besonders erhellend erscheint die Ausführung zur nicht rechtsfähigen Stiftung als mögliche Klägerin im Finanzprozess; hier wird das Verhältnis zwischen Verfahrensbeteiligung und Beteiligungsfähigkeit besonders akzentuiert.3 Laut Klageantrag sollte ein Gewerbeschein „hilfsweise der Klägerin Ziff. 2 [der Treuhänderin über das Stiftungsvermögen] für die Klägerin Ziff. 1“ [der fiduziarischen Stiftung] erteilt werden. Mit der Treuhänderin über das Stiftungsvermögen lag eine beteiligungsfähige Klägerin und eine zulässige Klage vor, so dass das Gericht zur grundsätzlichen Bedeutung der Frage, ob eine fiduziarische Stiftung Gewerbetreibende i.S.d. GewO sein kann,4 Stellung nehmen konnte. Der 6. Senat hat diese Frage mit überzeugenden Argumenten verneint. Mangels eigener Rechtspersönlichkeit – insoweit folgt der Senat den Ausführungen der Vorinstanz – könne eine nicht rechtsfähige (fiduziarische) Stiftung kein Gewerbe betreiben.5 Diese Ergebnisse entsprechen der herrschenden Auffassung zum Begriff und zur Rechtsnatur der unselbständigen Stiftung des bürgerlichen Rechts, bei der es sich um eine Zuwendung von Vermögen durch den Stifter an eine natürliche Person oder an einen anderen rechtsfähigen Stiftungsträger handelt;

1 VG Karlsruhe, Urt. v. 23.9.2010 – 6 K 59/09, redaktioneller Leitsatz in npoR 4/2010, III; abgedruckt in npoR 2011, 54 ff.; siehe dazu die Anmerkungen von Rawert, npoR 2011, 57 f., K. Schmidt, npoR 2011, 56 f. sowie Uhl, Materielle Klarheit und prozessuale Unstimmigkeit – Das Urteil des VG Karlsruhe zur Gewerbeanmeldung einer unselbständigen Stiftung, Anmerkung zu VG Karlsruhe, Urt. v. 23.9.2010 – 6 K 59/09, ZStV 2011, 224 ff. 2 Zur fehlenden Beteiligungsfähigkeit der unselbständigen Stiftung im (Verwaltungs-)Prozess mit ausführlicher Begründung Uhl (Fn. 1), S. 225 ff. 3 Vgl. die Entscheidungsgründe des Urteils, Rn. 15 a.E. Zu weiteren Begründungsansätzen Uhl (Fn. 1), S. 225 ff. 4 VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 28.3.2011 – 6 S 2563/10. 5 Näher die Entscheidungsgründe des vorliegenden Urteils, Rn. 18 ff. 6 Stellvertretend für die h.L. und m.w.N. Hüttemann/Rawert, Staudinger-BGB, Neubearbeitung 2011, Vorbem. 231 zu §§ 80 ff.; Jakob, Schutz der Stiftung, 2006, S. 81; Seyfarth, Der Schutz der unselbständigen Stiftung, 2009, S. 21 f.; vgl. auch BGH, Urt. v. 12.3.2009 – III ZR 142/08, BGHZ 180, 144 ff. 7 Zu den Qualifikationsmodellen statt vieler Studen, Die Dachstiftung, 2011, S. 126 ff.; zum Stiftungsgeschäft Hüttemann/Rawert (Fn. 6), Vorbem. 239 ff. zu §§ 80 ff. 8 K. Schmidt, »Ersatzformen« der Stiftung, in: Hopt/Reuter (Hrsg.), Stiftungsrecht in Europa, 2001, S. 175, 178. 9 Rn. 23 der Entscheidungsgründe des vorliegenden Urteils. 10 Siehe Bruns, Fiduziarische Stiftung als Rechtsperson, JZ 2009, 840 ff., 846. 11 Paradigmatisch für diese „Verselbständigungstendenz“ auf dem Boden der lex lata v.a. Bruns (Fn. 10), S. 840 ff.; Elicker, Zum Streit über die Verselbständigung der fiduziarischen Stiftung (Teil 1), ZStV 2012, 135 ff.; i.Ü. (z.T. de lege ferenda) etwa Koos, Fiduziarische Person und Widmung, 2004, S. 253 ff., 281 ff., 319, 354 ff.; vgl. zur Simulation der unselbständigen Stiftung als „virtuelle juristische Person“ K. Schmidt (Fn. 8), S. 178 ff. 12 Das hiesige Verfahren liefert hierfür den Beweis, siehe auch Rawert, Anmerkung zu VG Karlsruhe, Urt. v. 23.9.2010 – 6 K 59/09, npoR 2011, 57, 58.


142

Rechtsprechung

teilen einer eigenständigen Rechtsperson (z.B. eigenständiges Rechts- und Haftungssubjekt; dauerhafte Perpetuierung des Stifterwillens) zu verquicken – wobei man für nachteilig befundene Konsequenzen unter den Tisch fallen lässt (z.B. Fragen des Haftungs- und Insolvenzrechts oder der Foundation Governance).13 Es kann aber nicht mehr spekuliert werden, dass die These von der „fiduziarischen Stiftung als Rechtsperson“ (welche nicht unter hoheitlicher Stiftungsaufsicht stehen soll!) dadurch richtiger wird, dass man sie in Prozesse einführt und den (Verwaltungs-)Gerichten vorträgt.14 An dieser Stelle können nur die wichtigsten Argumente, die gegen diese These sprechen, kurz zusammengetragen werden.15 Zunächst einmal unterminiert die mit Blick auf die Rechtspersönlichkeit16 entworfene „Gleichstellungsthese“ die Entscheidung des Gesetzgebers, die unselbständige Stiftung keinem eigenständigen stiftungsrechtlichen Normbestand zu unterwerfen, sondern sie im Regelungsumfeld des Schuldund Erbrechts zu belassen.17 Des Weiteren kann auch ein in Dienst genommenes „Grundrecht auf Stiftung“18 – unabhängig von der Reichweite, in der man ein solches anzuerkennen vermag19 – schon aus Gründen des Verkehrsschutzes nicht so weit reichen, eine bislang nicht bekannte juristische Person (fiduziarische Stiftung ohne hoheitliche Aufsicht) nach dem Gutdünken oder auch aus den Bedürfnissen der Privatrechtssubjekte zu legitimieren.20 Letzteres hängt auch mit dem numerus clausus der von der Rechtsordnung zur Verfügung gestellten Rechtsformen zusammen; eine „fiduziarische Stiftung als Rechtsperson“ würde diesen sprengen.21 Was die fehlende hoheitliche Aufsicht der fiduziarischen Stiftung im hiesigen Sinne anbelangt, so verfängt auch der Vortrag nicht, die meisten dieser Stiftungen unterstünden ohnehin einer Staatsaufsicht, indem sie der Kontrolle der Steuerbehörden unterstellt werden.22 Denn Stiftungs- und Finanzaufsicht verfolgen funktional unterschiedliche Zwecke. Mag es de facto gewisse Überschneidungen im Prüfumfang geben, bleibt die Finanzaufsicht in erster Linie auf die Prüfung des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts beschränkt, während die Stiftungsaufsicht vor allem die genuin stiftungstypischen Schutzlücken zu decken versucht und dem Willen des Stifters zur Umsetzung verhelfen möchte.23 Ob es tatsächlich ausreichend wäre, eine „rechtsfähige fiduziarische Stiftung“ und deren Beteiligte lediglich mittels einer Finanzaufsicht zu schützen, ist schon dann zweifelhaft, wenn eine solche Stiftung einen gemeinnützigen Zweck verfolgt. Im Falle einer privatnützigen Spielart wäre das Schutzbedürfnis24 – vorbehaltlich einer ausgewogenen Foundation Governance25 – jedenfalls nicht geringer.26 Darüber hinaus stellt auch das mit Verweis auf die steuerrechtlichen Vorschriften (welche die nicht rechtsfähige Stiftung als Steuersubjekt behandeln, vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG, § 34 Abs. 1 S. 1 AO) bemühte Postulat der Einheit der Rechtsordnung27 keine belastbare Grundlage dar. Diesem Postulat kann aufgrund des zivilrechtsakzessorischen Charakters der steuerlichen Tatbestände nicht Rechnung getragen werden. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG setzt tatbestandlich gerade nicht rechtsfähige Einrichtungen des Privatrechts voraus28 und hat außerdem als steuerlicher Sondertatbestand einen limitierten Schutzzweck: die Vorschrift dient zuvörderst dem Interesse des Fiskus an möglichst umfassender Ertragsbesteuerung.29 Im Übrigen dürfte § 34 Abs. 1 S. 1 AO nicht mehr sein als eine prozessuale Konsequenz von § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG. Weil es der unselbständigen Stiftung an einem personellen Substrat fehlt,30 geht auch der Vergleich mit der Weiterent-

npoR Heft 3/2012

wicklung der BGB-Außengesellschaft, des nicht rechtsfähigen Vereins sowie der Wohnungseigentümergemeinschaft zu rechtsfähigen Gebilden fehl.31 Auf die maßgebliche Bedeutung eines solchen personellen Substrats gerade für die Anerkennung als gewerbetreibende Person haben im vorliegen13 Fraglich ist, ob hier statt genuin stiftungsrechtlicher Interessen genuin geschäftliche Interessen im Vorder- bzw. Hintergrund stehen; die Frage nach einem „Geschäftsmodell“ stellt Rawert (Fn. 12), S. 58. Zur Anfälligkeit der Treuhandstiftungen für „ideale Vertriebsprodukte“ ausführlich Winheller, Wehret den Anfängen! – Der Angriff auf die Stiftungswelt, npoR 2011, 48 ff. 14 Vgl. in hiesigem Zusammenhang Rawert (Fn. 12), S. 58: Verfahren als „Versuchsballon“. 15 Für grundlegende Darstellungen der „Verselbständigungstendenzen“ im Recht der unselbständigen Stiftung mit ausführlicher Kritik siehe Studen (Fn. 7), S. 119 ff. sowie Hüttemann/Rawert (Fn. 6), Vorbem. 231 ff. zu §§ 80 ff.; i.Ü. noch Spilker, Nicht eingetragene Vereine und unselbständige Stiftungen als juristische Personen im Sinne des UStG, ZStV 2010, 127, 129 f. 16 Im Unklaren bleiben dogmatische Anschlussfragen, etwa die nach der direkten oder analogen Anwendung der §§ 80 ff. BGB, vgl. dazu Studen (Fn. 7), S. 123 (mit dortiger Fn. 498). 17 Für den älteren Gesetzgeber siehe die Materialien bei Mugdan, Die gesammelten Materialien zum BGB, Bd. II, 1899, S. 754 f.; für den jüngeren siehe den Bericht v. 19.10.2001 der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Stiftungsrecht, Abschnitt H V (S. 52 f.), der zur Grundlage des Reformgesetzes v. 15.7.2002 (BGBl. 2002 I, S. 2634) wurde; vgl. auch die Entscheidungsgründe des vorliegenden Urteils, Rn. 21 a.E. 18 Siehe Bruns (Fn. 10), S. 841 f. und Rn. 4 des Tatbestands des vorliegenden Urteils. 19 Siehe dazu etwa Jakob (Fn. 6), S. 108 ff.; ausführlich zuletzt Rawert, Grundrecht auf Stiftung?, in: FS Reuter, 2010, S. 1323 ff.; zur Aktualität der Diskussion Hüttemann/Rawert (Fn. 6), Vorbem 21 zu §§ 80 ff. 20 Vgl. zum „Grundrecht auf Stiftung“ als „rechtlich konstituierte Freiheit“ in hiesigem Zusammenhang Rawert (Fn. 12), S. 58. 21 Rawert (Fn. 12), S. 58 mit Verweis auf K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 96. Ausführlich zum damit zusammenhängenden „Rosinenpicken“ Studen (Fn. 7), S. 125 m.w.N.; a.A. Bruns (Fn. 10), S. 843. 22 Vgl. Bruns (Fn. 10), S. 842 und Rn. 7 des Tatbestands des vorliegenden Urteils. 23 Vgl. auch die Entscheidungsgründe des vorliegenden Urteils, Rn. 21; zu den Funktionen der Stiftungsaufsicht Jakob (Fn. 6), S. 258 f. 24 Dazu zur selbständigen Stiftung Jakob (Fn. 6), S. 89 ff.; zur unselbständigen Stiftung Seyfarth (Fn. 6), S. 60 ff. 25 Dazu zur selbständigen Stiftung Jakob (Fn. 6), S. 528 ff.; zur unselbständigen Stiftung Seyfarth (Fn. 6), S. 145 ff. 26 Das würde wohl auch Bruns so sehen, vgl. JZ 2009, S. 846 (Ziff. 9, rechte Spalte). 27 Bruns (Fn. 10), S. 842 f. 28 Siehe Lambrecht, Gosch-KStG, 2. Aufl. 2009, § 1 Rn. 86 sowie Rengers, Blümich-KStG, 114. EL 2012, § 1 Rn. 100, 107; erhellend auch Spilker (Fn. 15), S. 130 („Anlehnung an das Zivilrecht“) und Rn. 22 der Entscheidungsgründe des vorliegenden Urteils; i.Ü. Studen (Fn. 7), S. 123 f.; Uhl (Fn. 1), S. 226. 29 Vgl. Lambrecht (Fn. 28), § 1 Rn. 86; den Hintergrund für diesen Normzweck bildet die eigenständige steuerliche Leistungsfähigkeit der unselbständigen Stiftungen, vgl. Hüttemann/Herzog, Steuerfragen bei gemeinnützigen nichtrechtsfähigen Stiftungen, DB 2004, 1001 ff. 30 Ein solches personales Substrat kann auch nicht durch Rückgriff auf den Stiftungsträger konstruiert werden, weil die Stiftung als Vermögensmasse nicht durch personale Elemente geprägt ist, vgl. dazu auch die Entscheidungsgründe des vorliegenden Urteils, Rn. 15 m.w.N. 31 Näher dazu Studen (Fn. 7), S. 124; a.A. Bruns (Fn. 10), S. 843.


Rechtsprechung

npoR Heft 3/2012

den Kontext sowohl der 6. Senat32 als auch die Vorinstanz33 hingewiesen. Last but not least: Auch das mancherorts zitierte BGH-Urteil zum Schutz der Bezeichnung „Christophorus-Stiftung“34 für eine nicht rechtsfähige Stiftung hat mit einer „Verselbständigung“ dieser Rechtsfigur nichts zu tun.35 Denn dieses Urteil behandelt ausweislich seines Tenors und seiner Entscheidungsgründe ausdrücklich die Schutzfähigkeit der „Bezeichnung“ einer Organisationsform und weist den Schutzanspruch allein dem Stiftungsträger als Rechteinhaber zu.36 Es erscheint reizvoll und spannend, das Recht der unselbständigen Stiftung zu durchdringen und weiterzuentwickeln. Jedoch: Die „Aufwertung“ zur rechtsfähigen Rechtsperson ist dieser Stiftungsform verwehrt, die hierzu vorgetragenen Thesen bleiben dogmatisch obdachlos. Denn es gibt de lege lata weder Rechtsnormen noch tragfähige Gründe, die für eine solche „Aufwertung“ streiten. Und so bleibt es beim Diktum des 6. Senats, wonach das Zivilrecht eine „gewerbliche Stiftung“ (ohne stiftungsrechtliche Staatsaufsicht) nicht vorsieht und diese deshalb auch nicht im Wege der Rechtsfortbildung entwickelt werden kann.37

Wiss. Assistent Matthias Uhl, Universität Zürich

Steuerrecht Freiwilligendienst im Ausland keine Berufsausbildung § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG 2002, § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG 2002, § 5 Abs. 2 SozDiG 1. Ein Freiwilligendienst stellt keine Berufsausbildung dar. Dienste bei einer nicht nach § 5 Abs. 2 FSJG anerkannten Trägerorganisation sind auch nicht als Freiwilligendienst nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG zu berücksichtigen. 2. Sprachaufenthalte im Ausland können dann als Berufsausbildung anerkannt werden, wenn sie entweder mit anerkannten Formen der Berufsausbildung verbunden sind oder von einem theoretisch-systematischen Sprachunterricht begleitet werden, der mit Rücksicht auf seinen Umfang den Schluss auf eine hinreichend gründliche (Sprach-)Ausbildung rechtfertigt. BFH, Urt. v. 9.2.2012 – III R 78/09 Tatbestand [1] I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) bezog Kindergeld für ihre im April 1987 geborene Tochter (T), die im Juni 2007 ihre schulische Ausbildung mit dem Abitur beendete. T absolvierte sodann im Zeitraum von September 2007 bis einschließlich März 2008 einen Freiwilligendienst in einem christlichen Konferenzzentrum in England. Der A-Trust, der das Zentrum unterhält, war im streitigen Zeitraum von der zuständigen Landesbehörde nicht i.S. des § 5 Abs. 2 des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres --FSJG- (BGBl I 2002, 2596) als Träger zugelassen. T war während ihrer Tätigkeit im Konferenzzentrum in verschiedene sogenannte “Volunteer-Programme” eingebunden. So verrichtete sie Küchendienste und andere Gemeinschaftsdienste. Außerdem verbesserte sie ihre Kenntnisse der englischen Sprache. [2] Die Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) hob

143

die Festsetzung des Kindergeldes ab August 2007 mit der Begründung auf, dass T die Schule beendet habe und sich nicht mehr in Ausbildung befinde. Ein freiwilliges soziales Jahr liege nicht vor, weil der Träger seinen Hauptsitz nicht im Inland habe. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. […] Entscheidungsgründe [7] II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). [8] Das FG hat zwar zu Recht entschieden, dass T mit ihrer Tätigkeit beim A-Trust kein freiwilliges soziales Jahr i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d des Einkommensteuergesetzes in der im Streitzeitraum geltenden Fassung (EStG) geleistet hat. Der Senat kann aber auf der Grundlage der vom FG getroffenen Feststellungen nicht abschließend prüfen, ob T im Hinblick auf den Erwerb von Fremdsprachenkenntnissen i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG für einen Beruf ausgebildet wurde. Das Fehlen ausreichender Feststellungen stellt einen materiell-rechtlichen Mangel des Urteils dar, der --auch ohne Rüge-- zur Aufhebung der Vorentscheidung führt (z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. April 1999 III R 21/96, BFHE 189, 255, BStBl II 1999, 670; vom 10. Juni 2008 VIII R 76/05, BFHE 222, 313, BStBl II 2008, 937). [9] 1. Der von T geleistete Freiwilligendienst ist nicht nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG begünstigt. Insbesondere liegt kein freiwilliges soziales Jahr im Sinne des im Streitzeitraum noch geltenden FSJG vor (vgl. Art. 1 § 15 und Art. 3 des Gesetzes zur Förderung von Jugendfreiwilligendiensten vom 16. Mai 2008, BGBl I 2008, 842). Nach den gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG war der A-Trust im streitigen Zeitraum nicht als Trägerorganisation i.S. von § 5 Abs. 2 FSJG zugelassen. Auch eine analoge Anwendung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG scheidet aus. Zur näheren Begründung verweist der Senat auf sein Urteil vom 7. April 2011 III R 11/09 (BFH/NV 2011, 1325, m.w.N.). [10] 2. Kinder, die einen Freiwilligendienst leisten, werden grundsätzlich nicht für einen Beruf ausgebildet und können daher nicht nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG berücksichtigt werden. Denn Freiwilligendienste dienen in der Regel nicht der Vorbereitung auf einen konkret angestrebten Beruf, sondern der Erlangung sozialer Erfahrungen und der Stärkung des Verantwortungsbewusstseins für das Gemeinwohl (Senatsurteil in BFH/NV 2011, 1325, m.w.N.). [11] a) Ausnahmsweise kommt eine abweichende Beurteilung etwa dann in Betracht, wenn der Freiwilligendienst, der von einer nicht von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG erfassten Organisation angeboten wird, einen so engen Bezug zu einem späteren Studium oder einer betrieblichen Ausbil-

32 Siehe Rn. 22 der Entscheidungsgründe des vorliegenden Urteils. 33 VG Karlsruhe, Urt. v. 23.9.2010 – 6 K 59/09, npoR 2011, 56. 34 BGH, Urt. v. 18.1.1988 – I ZR 21/86, BGHZ 103, 171. 35 So aber offenbar Bruns (Fn. 10), S. 840 und auch Spilker (Fn. 15), S. 130. 36 Vgl. BGH (Fn. 34), S. 171; zum „Namensschutz“ zutreffend Hüttemann/Rawert (Fn. 6), Vorbem 236 zu §§ 80 ff. 37 Rn. 23 der Entscheidungsgründe des vorliegenden Urteils.


144

npoR Heft 3/2012

Rechtsprechung

dung hat, dass er --wie ein Praktikum-- als Bestandteil einer Berufsausbildung angesehen werden kann. Die Bezeichnung der Maßnahme als Freiwilligendienst, Praktikum oder Volontariat ist nicht maßgeblich. Entscheidend ist vielmehr, ob die Erlangung beruflicher Qualifikationen durch systematische Vermittlung von Wissen und Fähigkeiten oder die Erbringung von Arbeitsleistungen im Vordergrund steht (vgl. BFH-Urteil vom 9. Juni 1999 VI R 50/98, BFHE 189, 98, BStBl II 1999, 706). [12] b) Außerdem kann die mit der Absolvierung eines Freiwilligendienstes im Ausland verbundene Verbesserung von Sprachkenntnissen die Annahme einer Berufsausbildung rechtfertigen. [13] aa) Sprachaufenthalte im Ausland können dann als Berufsausbildung anerkannt werden, wenn sie entweder mit anerkannten Formen der Berufsausbildung verbunden sind (z.B. Besuch eines Colleges oder einer Universität) oder --wie z.B. bei einem Sprachaufenthalt im Rahmen eines Au-pair-Verhältnisses-- von einem theoretisch-systematischen Sprachunterricht begleitet werden, der mit Rücksicht auf seinen Umfang den Schluss auf eine hinreichend gründliche (Sprach-) Ausbildung rechtfertigt (vgl. BFH-Urteil vom 19. Februar 2002 VIII R 83/00, BFHE 198, 192, BStBl II 2002, 469). Entsprechend den zu Au-pair-Verhältnissen aufgestellten Grundsätzen kann auch bei Kindern, die einen Freiwilligendienst im Ausland absolvieren, ein Sprachunterricht von mindestens 10 Wochenstunden als Berufsausbildung anzusehen sein; ausnahmsweise ist auch eine geringere Stundenzahl ausreichend (vgl. BFH-Urteil vom 9. Juni 1999 VI R 143/98, BFHE 189, 107, BStBl II 1999, 710). [14] bb) Nach diesen Grundsätzen kann im Streitfall nicht ausgeschlossen werden, dass T als Kind zu berücksichtigen ist. Denn nach den Feststellungen der Vorinstanz wurden der T in England Sprachkenntnisse vermittelt. Die Klägerin hat zudem bereits erstinstanzlich vorgetragen, dass besondere Sprachunterrichte erteilt worden sind. Das FG hat lediglich verneint, dass der Erwerb von Sprachkenntnissen mit anerkannten Formen der Berufsausbildung (z.B. einem Universitätsbesuch) verbunden war, sich aber nicht mit den behaupteten Sprachunterrichten befasst. Im zweiten Rechtsgang wird das FG die erforderlichen Feststellungen zu Art und Umfang des Unterrichts nachzuholen haben. […]

Kein ermäßigter Steuersatz auf Leistungen einer gemeinnützigen GmbH im Rahmen eines Zweckbetriebs § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst a UStG 2005 vom 13.12.2006, EGRL 112/2006 Art 98, § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst a S. 1 UStG 2005 vom 13.12.2006, § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst a S. 3 UStG 2005 vom 13.12.2006, § 4 Nr. 22 Buchst a UStG 2005 1. Zu den Grenzen der richtlinienkonformen Auslegung bei § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 1 UStG. 2. Übernachtungs- und Verpflegungsleistungen, die ein gemeinnütziger Verein im Zusammenhang mit steuerfreien Seminaren erbringt, unterliegen gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG nicht dem ermäßigten Steuersatz. BFH, Urt. v. 8.3.2012 – V R 14/11

Tatbestand [1] I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Unternehmensgegenstand ist nach ihrem Gesellschaftsvertrag die Förderung der politischen und sozialen Bildung, insbesondere die Förderung der Weiterbildung von Arbeitnehmern. Sie strebt an, diese darin zu unterstützen, sich am gesellschaftlichen und politischen Leben gestaltend zu beteiligen. Sie verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne des Abschnitts “Steuerbegünstigte Zwecke” der Abgabenordnung (AO), ist nach ihrem Gesellschaftsvertrag selbstlos tätig und verfolgt nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke. [2] Im Streitjahr 2007 veranstaltete die Klägerin Seminare für Betriebs- und Personalräte, bei denen sie z.B. Kenntnisse im Arbeitsrecht, Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie Schwerbehindertenrecht vermittelte. Die Klägerin führte die Seminare in Hotels durch und brachte die Seminarteilnehmer auf deren Bestellung in von ihr angemieteten Räumen unter. Sie berechnete für die Seminarteilnahme einen Seminarpreis sowie gesondert die Unterkunft mit Verpflegung im Hotel. Die Klägerin ging davon aus, dass ihre Leistungen bei der Ermöglichung der Seminarteilnahme nach § 4 Nr. 22 des Umsatzsteuergesetzes 2005 (UStG) steuerfrei seien, während sie hinsichtlich der Beherbergung mit Verpflegung den ermäßigten Steuersatz anwandte. [3] Im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung war der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) demgegenüber der Auffassung, dass die Klägerin hinsichtlich der Beherbergungs- und Verpflegungsleistungen den Regelsteuersatz anwenden müsse und erließ einen entsprechend geänderten Umsatzsteuerjahresbescheid für das Streitjahr 2007. Die Klägerin habe zwei wirtschaftliche Geschäftsbetriebe --Seminare und Unterkunft mit Verpflegung-- und dementsprechend zwei gesonderte Zweckbetriebe unterhalten. Die von der Klägerin an die Seminarteilnehmer erbrachten Beherbergungs- und Verpflegungsleistungen unterlägen dem Regelsteuersatz, da die Klägerin diese Leistungen in unmittelbarem Wettbewerb mit vergleichbaren, aber dem Regelsteuersatz unterliegenden Leistungen anderer Unternehmer wie z.B. Hotels erbracht habe. Die Seminarteilnehmer hätten Unterbringung und Verpflegung auch direkt von den Tagungshotels beziehen können, in denen die Klägerin ihre Seminare abgehalten habe. Die Einnahmen der Klägerin aus der Unterbringung und Verpflegung seien zusätzliche Einnahmen, da sich der Zweckbetrieb “Unterkunft mit Verpflegung” vollständig aus diesen zusätzlichen Einnahmen finanziert habe. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. [4] Das Finanzgericht (FG) ging bei seinem in “Entscheidungen der Finanzgerichte” 2011, 1574 veröffentlichten Urteil davon aus, dass die Beherbergungs- und Verpflegungsleistungen nicht nach § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG steuerfrei seien und auch nicht dem ermäßigten Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG 2005 i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2007 vom 13. Dezember 2006 (BGBl I 2006, 2878) --UStG n.F.-- unterlägen. Der Zweckbetrieb “Beherbergung und Verpflegung” diene der Erzielung zusätzlicher Einnahmen im unmittelbaren Wettbewerb mit Leistungen, die dem Regelsteuersatz unterlägen, da die Klägerin ihre Leistungen insoweit in Konkurrenz zu Hotelbetreibern erbracht habe. Der gesellschaftsvertraglich festgelegte Satzungszweck der


npoR Heft 3/2012

Rechtsprechung

145

Klägerin umfasse im Übrigen nicht die Unterbringung und Verpflegung von Personen. In der mündlichen Verhandlung änderte das FA den Umsatzsteuerbescheid für das Streitjahr 2007, da es zuvor die von der Klägerin vereinnahmten Nettoentgelte in gleicher Höhe als Entgelt für die Anwendung des Regelsteuersatzes angesehen hatte. […]

(Amtsblatt der Europäischen Union 2006 Nr. L 347, 1). Danach können die Mitgliedstaaten einen oder zwei ermäßigte Steuersätze anwenden (Abs. 1), wobei nach Abs. 2 die ermäßigten Steuersätze nur auf die Lieferungen von Gegenständen und die Dienstleistungen der in Anhang III genannten Kategorien anwendbar sind.

Entscheidungsgründe

[15] (1) Als Grundlage für die Regelung in § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG kommt nur die Kategorie 15 in Anhang III der MwStSystRL (“Verzeichnis der Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, auf die ermäßigte MwSt-Sätze gemäß Artikel 98 angewandt werden können”) in Betracht; diese nennt nur “Lieferung von Gegenständen und Erbringung von Dienstleistungen durch von den Mitgliedstaaten anerkannte gemeinnützige Einrichtungen für wohltätige Zwecke und im Bereich der sozialen Sicherheit, soweit sie nicht gemäß den Artikeln 132, 135 und 136 von der Steuer befreit sind”. Insoweit hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) festgestellt, “dass die Mitgliedstaaten nach dem Wortlaut der Nr. 15 nicht auf alle gemeinnützigen Leistungen einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz anwenden dürfen, sondern nur auf diejenigen, die von Einrichtungen erbracht werden, die sowohl gemeinnützig als auch für wohltätige Zwecke und im Bereich der sozialen Sicherheit tätig sind” (EuGH-Urteil vom 17. Juni 2010 C-492/08, Kommission/Frankreich, Slg. 2010, I-5471 Rdnr. 43).

[9] II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Leistungen der Klägerin weder steuerfrei sind noch dem ermäßigten Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG unterliegen. [10] 1. Wie das FG zu Recht unter Bezugnahme auf das Senatsurteil vom 7. Oktober 2010 V R 12/10 (BFHE 231, 349, BStBl II 2011, 303) entschieden hat und zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist, ist die Verpflegung von Seminarteilnehmern im Allgemeinen nicht als mit der Aus- oder Fortbildung eng verbundene Dienstleistung oder als Nebenleistung zur Aus- oder Fortbildung nach § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG steuerfrei, da es sich nicht um eine für die Aus- oder Fortbildung unerlässliche Leistung handelt, sondern um eine hierfür nur nützliche Maßnahme, die vorrangig dazu dient, den Komfort und das Wohlbefinden bei der Inanspruchnahme der Bildungsmaßnahme zu steigern. Dies gilt auch für die im Streitfall zu beurteilende Beherbergung mit Verpflegung der Seminarteilnehmer. [11] 2. Die Beherbergung und Verpflegung der Seminarteilnehmer unterliegt nicht dem ermäßigten Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG. Nach dieser Vorschrift ist der ermäßigte Steuersatz anzuwenden auf “die Leistungen der Körperschaften, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen (§§ 51 bis 68 der Abgabenordnung). Das gilt nicht für Leistungen, die im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ausgeführt werden. Für Leistungen, die im Rahmen eines Zweckbetriebs ausgeführt werden, gilt Satz 1 nur, wenn der Zweckbetrieb nicht in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen durch die Ausführung von Umsätzen dient, die in unmittelbarem Wettbewerb mit dem allgemeinen Steuersatz unterliegenden Leistungen anderer Unternehmer ausgeführt werden, oder wenn die Körperschaft mit diesen Leistungen ihrer in den §§ 66 bis 68 der Abgabenordnung bezeichneten Zweckbetriebe ihre steuerbegünstigten satzungsgemäßen Zwecke selbst verwirklicht”. [12] a) Die von der Klägerin gegenüber den Seminarteilnehmern erbrachten Beherbergungs- und Verpflegungsleistungen erfüllen die im Hinblick auf den leistenden Unternehmer bestehenden Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 1 UStG. Zwar entspricht diese Vorschrift nicht dem Unionsrecht. Eine richtlinienkonforme Auslegung ist jedoch im Hinblick auf die bei der Gesetzesauslegung zu beachtende Wortlautgrenze nicht möglich. [13] aa) Der ermäßigte Steuersatz ist gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 1 UStG auf “die Leistungen der Körperschaften, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen (§§ 51 bis 68 der Abgabenordnung)” anzuwenden. [14] bb) Unionsrechtliche Grundlage für die Regelung ist Art. 98 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem --MwStSystRL--

[16] (2) Entgegen der Auffassung der Klägerin dient § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG weder der Umsetzung von Anhang III Nr. 12 MwStSystRL (Beherbergung in Hotels) noch der Umsetzung von Anhang III Nr. 12a MwStSystRL (Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen). [17] Zwar sind die Mitliedstaaten nach der Rechtsprechung des EuGH zu einer selektiven Ausübung der für die Schaffung ermäßigter Steuersätze bestehenden Ermächtigungen berechtigt. Sie haben jedoch auch dann den Grundsatz steuerrechtlicher Neutralität zu beachten (EuGH-Urteil vom 6. Mai 2010 C-94/09, Kommission/Frankreich, Slg. 2010, I-4261 Rdnrn. 29 f.). Für die Ausübung der nach Anhang III Nr. 12 und Nr. 12a MwStSystRL bestehenden Ermächtigung folgt dies daraus, dass diese leistungsbezogenen Ermächtigungen --anders als z.B. personenbezogene Ermächtigungen nach Anhang III Nr. 15 MwStSystRL-- nicht nur für bestimmte Gruppen von Steuerpflichtigen wie z.B. gemeinnützige Körperschaften ausgeübt werden können, wenn andere Gruppen von Steuerpflichtigen --wie im Streitfall-- dieselben Leistungen erbringen. Anhang III Nr. 12a MwStSystRL scheidet zudem als Ermächtigungsgrundlage aus, da diese Bestimmung erst durch die Änderungsrichtlinie 2009/47/EG mit Wirkung ab 1. Juni 2009 gültig ist. [18] cc) Mit den unionsrechtlichen Vorgaben ist die Regelung in § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 1 UStG nicht vereinbar (vgl. z.B. Fritsch, Umsatzsteuer-- und Verkehrsteuer-Recht 2005, 69 ff.; Klenk in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 12 Abs. 2 Nr. 8 Rz 403a). [19] Der ermäßigte Steuersatz umfasst --wie ausgeführt-- aufgrund der Verweisung auf die §§ 51 ff. AO alle Leistungen der Körperschaften, die im Sinne der nationalen Regelung der AO gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen. § 52 Abs. 2 AO enthält einen Beispielskatalog (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. Oktober 1997 I R 13/97,


146

Rechtsprechung

BFHE 184, 226, BStBl II 1998, 9) und nennt z.B. als gemeinnützig u.a. Wissenschaft und Forschung (§ 52 Abs. 2 Nr. 1 AO), Denkmalschutz und Denkmalpflege (§ 52 Abs. 2 Nr. 6 AO), Naturschutz und Landschaftspflege (§ 52 Abs. 2 Nr. 8 AO), Tierschutz (§ 52 Abs. 2 Nr. 14 AO), Sport und Schachspiel (§ 52 Abs. 2 Nr. 21 AO) sowie Tierzucht, Pflanzenzucht, Kleingärtnerei, Karneval, Fastnacht und Fasching, Modellflug oder Hundesport (§ 52 Abs. 2 Nr. 23 AO). Abweichend von dem unionsrechtlich zulässigen Rahmen erstreckt sich die nationale Regelung daher --aufgrund der Verweisung auf die §§ 51 ff. AO-- auf alle Leistungen gemeinnütziger Körperschaften, ohne dass dabei eine Einschränkung auf die Leistungen vorzunehmen ist, die Körperschaften erbringen, die --wie nach der Richtlinie erforderlich-- für wohltätige Zwecke oder solche “im Bereich der sozialen Sicherheit” tätig sind. [20] dd) Einer Anpassung an die Vorgaben der Richtlinie durch die grundsätzlich gebotene richtlinienkonforme Auslegung steht der Wortlaut der Vorschrift entgegen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 18. August 2005 V R 42/03, BFHE 211, 527, BStBl II 2006, 44, unter II.4.; vom 27. April 2006 V R 53/04, BFHE 213, 256, BStBl II 2007, 16, unter II.4.b, m.w.N.). Denn aufgrund der im Rahmen des Klammerzusatzes ausdrücklichen Bezugnahme auf die §§ 51 bis 68 AO und der sich hieraus ergebenden Verweisung auf den Beispielskatalog in § 52 Abs. 2 AO fehlt es an einem hinreichenden Anknüpfungspunkt für eine dem Unionsrecht entsprechende Einschränkung des ermäßigten Steuersatzes auf die Leistungen der anerkannten Einrichtungen, die “für wohltätige Zwecke und im Bereich der sozialen Sicherheit” tätig sind. [21] Da die Klägerin im Streitfall nach den auch zwischen den Beteiligten nicht streitigen Feststellungen des FG eine gemeinnützige Körperschaft i.S. des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 1 UStG ist, können ihre Leistungen somit nach dem für sie insoweit günstigeren nationalen Recht dem ermäßigten Steuersatz unterliegen, ohne dass es darauf ankommt, ob die hierfür erforderlichen Voraussetzungen der MwStSystRL vorliegen. [22] b) Obwohl die Klägerin aufgrund der Unmöglichkeit einer richtlinienkonformen Auslegung die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 1 UStG erfüllte, war sie nach Satz 2 dieser Vorschrift nicht zur Anwendung des ermäßigten Steuersatzes berechtigt, da die Steuerermäßigung danach nicht auf Leistungen anzuwenden ist, die --wie im Streitfall die entgeltlichen Verpflegungs- und Beherbergungsleistungen der Klägerin-- im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs (§ 64 AO i.V.m. § 14 AO) ausgeführt werden. [23] c) Dass der von der Klägerin unterhaltene wirtschaftliche Geschäftsbetrieb als Zweckbetrieb anzusehen ist, führt im Streitfall gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG n.F. nicht zur Anwendung des ermäßigten Steuersatzes. [24] aa) Die Klägerin erbrachte ihre Beherbergungs- und Verpflegungsleistungen gemäß § 68 Nr. 8 AO im Rahmen eines Zweckbetriebes, zu dem nach dieser Vorschrift auch “Volkshochschulen und andere Einrichtungen, soweit sie selbst Vorträge, Kurse und andere Veranstaltungen wissenschaftlicher oder belehrender Art durchführen” gehören. Die Zweckbetriebseigenschaft besteht dabei auch insoweit, als diese “Einrichtungen den Teilnehmern dieser Veranstaltungen selbst Beherbergung und Beköstigung gewähren”.

npoR Heft 3/2012

[25] bb) Auch wenn somit ein Zweckbetrieb i.S. von § 68 Nr. 8 AO vorliegt, unterliegen die Beherbergungs- und Verpflegungsleistungen der Klägerin gleichwohl nicht dem ermäßigten Steuersatz, da auf Leistungen eines Zweckbetriebs die Steuerermäßigung nur unter den Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG n.F. anzuwenden ist. Diese liegen im Streitfall nicht vor. [26] (1) Nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 erste Alternative UStG n.F. setzt die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf Leistungen eines Zweckbetriebs voraus, dass “der Zweckbetrieb nicht in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen durch die Ausführung von Umsätzen dient, die in unmittelbarem Wettbewerb mit dem allgemeinen Steuersatz unterliegenden Leistungen anderer Unternehmer ausgeführt werden”. Dieser Gesetzeswortlaut entspricht der amtlichen Gesetzesbegründung (BTDrucks 16/2712, S. 75), nach der eine z.B. gemeinnützige Körperschaft den ermäßigten Steuersatz nicht für die Leistungen eines Zweckbetriebs in Anspruch nehmen kann, die in erster Linie dazu bestimmt sind, der Körperschaft zusätzliche Einnahmen durch solche Leistungen zu verschaffen, die auch andere, nicht steuerbegünstigte Unternehmer ausführen können. [27] (a) Die Zweckbetriebseigenschaft i.S. von § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 erste Alternative UStG n.F. ist nicht abgabenrechtlich, sondern umsatzsteuerrechtlich zu bestimmen, da die Vorschrift dazu dient, den ermäßigten Steuersatz nicht auf alle, sondern nur auf bestimmte Leistungen eines abgabenrechtlichen Zweckbetriebs anzuwenden. Für die Zweckbetriebseigenschaft i.S. von § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 erste Alternative UStG n.F. kommt es daher darauf an, in welchem Umfang umsatzsteuerpflichtige Leistungen der Körperschaft vorliegen. Zweckbetrieb der Klägerin war daher im Streitfall der Bereich Beherbergung und Verpflegung, ohne Berücksichtigung der von der Klägerin erbrachten Unterrichtsleistungen, die steuerfrei waren (s. oben II.1.). Auf die Frage, ob nach § 68 Nr. 8 AO ein oder mehrere Zweckbetriebe vorliegen, kommt es somit nicht an. Dies entspricht im Übrigen der Rechtsprechung des I. Senats des BFH, nach der ihrer Art nach unterschiedliche Tätigkeiten grundsätzlich auch dann mehrere wirtschaftliche Geschäftsbetriebe sind, wenn die Tätigkeiten wirtschaftlich verflochten sind und sich gegenseitig bedingen (BFH-Urteil vom 19. November 2003 I R 33/02, BFHE 204, 21, BFH/NV 2004, 445). [28] (b) Der Zweckbetrieb Beherbergung und Verpflegung diente im Streitfall in erster Linie und damit vorrangig der Erzielung zusätzlicher Einnahmen. Insoweit kommt es weder darauf an, dass die Körperschaft aus den zusätzlichen Einnahmen Gewinne erzielt, noch, dass Einnahmen der Körperschaft verbleiben. Daher stünde es der Anwendung des Regelsteuersatzes auch nicht entgegen, wenn die Klägerin die an die Seminarteilnehmer erbrachten Beherbergungs- und Verpflegungsleistungen für dasselbe Entgelt abgegeben hätte, für das sie diese Leistungen von dem jeweiligen Hotel bezogen hat. [29] Der Zweckbetrieb Beherbergung und Verpflegung diente danach vorrangig zur Erzielung zusätzlicher Einnahmen. Zusätzliche Einnahmen in diesem Sinne liegen bereits dann vor, wenn die Körperschaft diese in Zusammenhang mit Leistungen erzielt, die für die Verwirklichung ihres steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecks --hier Förderung der Volks- und


Rechtsprechung

npoR Heft 3/2012

147

Berufsbildung nach § 52 Abs. 2 Nr. 7 AO-- nicht unerlässlich sind. Insoweit gelten die gleichen Grundsätze wie bei der Inanspruchnahme der Steuerfreiheit gemäß § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG (s. oben II.1.). Der Zweckbetrieb diente auch vorrangig der Erzielung dieser Einnahmen, da es sich um den einzigen Tätigkeitsgegenstand des Zweckbetriebs Beherbergung und Verpflegung handelte.

aa) nicht als “Selbstverwirklichung” dieser Zwecke anzusehen.

[30] Diese weite Auslegung der in § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG n.F. enthaltenen Begriffe beruht zum einen darauf, dass Vorschriften, die den Regelsteuersatz einschränken, im Hinblick auf ihren Ausnahmecharakter eng und Vorschriften, die im Rahmen einer sog. Rückausnahme die Geltung des Regelsteuersatzes (wieder) anordnen, weit auszulegen sind (vgl. z.B. EuGH-Urteil vom 18. Januar 2001 C-83/99, Kommission/Spanien, BFH/NV Beilage 2001, 124, m.w.N. zur EuGHRechtsprechung; BFH-Urteil vom 29. Januar 2009 V R 46/06, BFHE 224, 176, BStBl II 2009, 560, unter II.2.b). Für das Gebot einer weiten Auslegung der den ermäßigten Steuersatz einschränkenden Regelungen des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG spricht im Streitfall zum anderen die fehlende Vereinbarkeit von § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 1 UStG mit dem Unionsrecht (s. oben II.2.a bb).

Aberkennung der Gemeinnützigkeit wegen extremistischer Bestrebungen

[31] (c) Nach den Feststellungen des FG erbrachte die Klägerin ihre Beherbergungs- und Verpflegungsleistungen schließlich auch in unmittelbarem Wettbewerb zu Leistungen von Hotelbetreibern, deren Leistungen dem Regelsteuersatz unterlagen. Ohne Erfolg macht die Klägerin insoweit geltend, sie sei nicht als Wettbewerber, sondern als Kunde am Markt für Beherbergungs- und Verpflegungsleistungen tätig, weil sie diese Leistung selbst “einkaufe”. Denn entscheidend ist, ob die Klägerin mit den Leistungen ihres Zweckbetriebs --hier den ermäßigten Beherbergungs- und Verpflegungsumsätzen, die sie nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst a Satz 1 UStG “selbst” erbringt, und für die sie grundsätzlich die Ermäßigung beanspruchen könnte-- in Wettbewerb zu anderen Unternehmern tritt, die vergleichbare Leistungen ohne Anspruch auf Ermäßigung am Markt anbieten. Welcher Art die Vorleistungen sind, die der Zweckbetrieb zur Erbringung seiner eigenen Leistung beansprucht, ist insoweit nicht von Bedeutung. [32] Für diese weite Auslegung des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG n.F. spricht dabei, dass der ermäßigte Mehrwertsteuersatz nur insoweit anzuwenden ist, als er zu keiner oder einer nur geringen Gefahr einer Wettbewerbsverzerrung führt (EuGH-Urteil vom 3. März 2011 C-41/09, Kommission/ Königreich Niederlande, BFH/NV 2011, 735, Rz 52). [33] (2) Nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 zweite Alternative UStG n.F. ist der ermäßigte Steuersatz auch anzuwenden, wenn “die Körperschaft mit diesen Leistungen ihrer in den §§ 66 bis 68 der Abgabenordnung bezeichneten Zweckbetriebe ihre steuerbegünstigten satzungsgemäßen Zwecke selbst verwirklicht”. [34] Auch diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Satzungsmäßiger Zweck der Klägerin war im Streitfall die Förderung der politischen und sozialen Bildung, insbesondere die Förderung der Weiterbildung von Arbeitnehmern. Beherbergung und Verpflegung anlässlich der Seminare mögen zwar der Verwirklichung dieser Zwecke gedient haben; Beherbergung und Verpflegung sind jedoch bei der gebotenen engen Auslegung dieser Vorschrift (s. oben II.2.c

Hinweis der Redaktion: Siehe hierzu den Beitrag von Kirchhain, Ermäßigter Umsatzsteuersatz nur auf originär gemeinnützige Leistungen?, in diesem Heft S. 123.

AO §§ 51, 52 Abs. 1 S. 1, 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, 56, 57, 51 Abs. 3 S. 1, 2, KStG § 5 Abs. 1 Nr. 9 Die (widerlegbare) Vermutung des § 51 Abs. 3 S. 2 AO i.d.F. des JStG 2009 setzt voraus, dass die betreffende Körperschaft (hier: ein islamisch-salafistischer Verein) im Verfassungsschutzbericht des Bundes oder eines Landes für den zu beurteilenden Veranlagungszeitraum ausdrücklich als extremistisch eingestuft wird. BFH, Urt. v. 11.4.2012 – I R 11/11 Tatbestand [...] [2] Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist ein seit 1995 im Vereinsregister eingetragener Verein. Er betreibt in der Stadt X eine Moschee. Nach seiner Satzung hat der Kläger den Zweck der Förderung der Religion und Kultur, der Hilfe für religiös Verfolgte und Flüchtlinge und der Volks- und Berufsbildung. Organe des Klägers sind der aus einer Person bestehende Vorstand und die Mitgliederversammlung. Der Satzungszweck soll insbesondere durch folgende Maßnahmen erreicht werden: Durchführung der religiös-kulturellen Handlungen und Gottesdienste; Informationen durch Durchführung von Veranstaltungen, Vorträgen und Diskussionen; Integrationsarbeiten, z.B. Begleitung bei Behördengängen und Veranstaltungen für die Förderung der Integration; Zusammenarbeit mit anderen muslimischen Verbänden in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland); Einrichtung eines Archivs mit Büchern und audiovisuellen Medien. [3] Im Verfassungsschutzbericht des Landes Y für das Jahr 2008 finden sich im Kapitel “Ausländerextremismus” folgende Ausführungen im Zusammenhang mit dem Kläger: [4] “Eine zunehmende Rolle spielen salafistische Bestrebungen im Raum X. Diese islamistische Strömung gewinnt nicht nur im Land Y und Deutschland zunehmend an Bedeutung, sondern auch europaweit. In Deutschland haben sich bereits salafistische Netzwerke herausgebildet, in die auch der (Kläger) eingebunden ist. Dessen Aktivitäten strahlen auf das gesamte Bundesgebiet aus. Das salafistische Gedankengut, so wie es im (Kläger) als politische Bestrebung verbreitet wird, ist in Teilen als demokratiefeindlich einzustufen. Von Menschen erdachte Konzepte, wie z.B. Demokratie, gelten als unvereinbar mit dem islamischen Glauben salafistischer Lesart. Ein wesentliches Glaubensfundament besteht beispielsweise darin, Gott als einzigen Gesetzgeber anzusehen. Die Akzeptanz und Ausführung eines säkularen, also nicht auf göttlichem Gesetz basierenden Rechtsystems wird als ‘Akt des Unglaubens’ bezeichnet und abgelehnt. Die salafistischen Bestrebungen sind dazu geeignet, einer Integration von Muslimen abträglich zu sein und die Herausbildung und Festigung von


148

npoR Heft 3/2012

Rechtsprechung

Parallelgesellschaften zu fördern. So wird in frei zugänglichen Schriften und auf mit dem (Kläger) in Verbindung stehenden Internetseiten dazu aufgerufen, sich von Juden und Christen, die insgesamt als Ungläubige diffamiert werden, zu lösen, sie zu hassen und Feindschaft gegen sie zu hegen. Freundschaft und Gehorsam ihnen gegenüber würden einen Muslim des Glaubens abtrünnig machen. Das verbreitete Gedankengut kann den Nährboden für eine islamische Radikalisierung und ggf. Rekrutierung bilden. Gleichwohl gibt es keine Belege für eine ausdrückliche Befürwortung von Gewalt. Der (Kläger) verbreitet seine Sichtweisen z.B. über die bundesweite Durchführung von Islamseminaren und Vortragsveranstaltungen sowie über wöchentliche Infostände in der Innenstadt von X. Dort werden auch zahlreiche Publikationen salafistischen Inhalts verteilt. Darüber hinaus lassen sich einige Internetseiten salafistischer Ausrichtung mit dem (Kläger) in Verbindung bringen.”

zum JStG 2009, BTDrucks 16/10189, S. 79). [18] b) Die objektive Feststellungslast für die Tatsachen, aus denen sich die Gemeinnützigkeit ergibt, trägt grundsätzlich die Körperschaft (Senatsbeschluss vom 28. Oktober 2004 I B 95/04, BFH/NV 2005, 160). Dass die Körperschaft im Rahmen ihrer tatsächlichen Geschäftsführung nicht gegen die Wertordnung des GG verstößt, ist allerdings eine negative Tatsache, die von der Körperschaft nur dann darzutun ist, wenn die Finanzbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vorträgt, dass das nicht der Fall ist (zutreffend Jachmann/Unger in Beermann/Gosch, AO, § 51 AO Rz 99). Als ein solcher Anhaltspunkt kommt die Erwähnung der Körperschaft in einem Verfassungsschutzbericht des Bundes oder eines Landes in Betracht.

[15] 4. Das FG ist in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gelangt, dass das Merkmal der Förderung der Allgemeinheit i.S. des § 52 Abs. 1 Satz 1 AO a.F. nicht aufgrund verfassungsfeindlicher Bestrebungen des Klägers im Streitjahr zu verneinen ist.

[19] c) Entgegen der Auffassung des BMF ist die gesetzliche Vermutung des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO n.F., nach der bei Körperschaften, die im Verfassungsschutzbericht des Bundes oder eines Landes als extremistische Organisation aufgeführt sind, widerlegbar davon auszugehen ist, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 3 Satz 1 AO n.F. nicht erfüllt sind, im Streitfall nicht einschlägig. Offenbleiben kann insoweit, ob die Vorschrift für das Streitjahr überhaupt anwendbar ist. Gemäß Art. 97 § 1d Abs. 2 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (i.d.F. des JStG 2009) ist das zwar ab dem 1. Januar 2009 der Fall. Diese Übergangsregelung lässt indessen nicht eindeutig erkennen, ob die Vermutung des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO n.F. “rückwirkend” auch für bereits abgelaufene Veranlagungszeiträume gelten soll, solange die betreffenden Steuerfestsetzungen noch nicht bestandskräftig geworden sind (so AEAO i.d.F. des BMF-Schreibens vom 17. Januar 2012, BStBl I 2012, 83 --AEAO n.F.-- Nr. 10 Satz 1 zu § 51 Abs. 3), oder ob die Vermutung nur für die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens noch nicht beendeten Veranlagungszeiträume Anwendung finden soll.

[16] a) Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH-- ist der Sinngehalt des unbestimmten Rechtsbegriffes “Förderung der Allgemeinheit” in § 52 Abs. 1 Satz 1 AO allerdings wesentlich geprägt durch die objektive Wertordnung, wie sie insbesondere im Grundrechtskatalog der Art. 1 bis 19 des Grundgesetzes (GG) zum Ausdruck kommt. Eine Tätigkeit, die mit diesen Wertvorstellungen nicht vereinbar ist, ist keine Förderung der Allgemeinheit (Senatsurteile vom 13. Dezember 1978 I R 39/78, BFHE 127, 330, BStBl II 1979, 482; vom 29. August 1984 I R 215/81, BFHE 142, 243, BStBl II 1985, 106; vom 31. Mai 2005 I R 105/04, BFH/NV 2005, 1741, sowie Senatsbeschluss vom 16. Oktober 1991 I B 16/91, BFH/NV 1992, 505; ebenso Anwendungserlass zur Abgabenordnung --AEAO-- i.d.F. des BMF-Schreibens vom 2. Januar 2008, BStBl I 2008, 26, Nr. 16 zu § 52 AO). Als Förderung der Allgemeinheit sind danach solche Bestrebungen nicht anzuerkennen, die sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung Deutschlands richten.

[20] Die Frage muss hier nicht entschieden werden, weil der Tatbestand des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO n.F. im Streitfall nicht gegeben ist. Dieser setzt voraus, dass die betreffende Körperschaft in einem Verfassungsschutzbericht “als extremistische Organisation aufgeführt” ist, was nur der Fall ist, wenn sie dort ausdrücklich als extremistisch bezeichnet wird, nicht aber wenn die Körperschaft nur als Verdachtsfall oder sonst beiläufig Erwähnung findet (vgl. auch AEAO n.F. Nr. 10 Satz 2, Nr. 11 zu § 51 Abs. 3). Wie das FG zutreffend angenommen hat, ist der Kläger in dem Verfassungsschutzbericht des Landes Y für 2008 nicht ausdrücklich als extremistisch bezeichnet worden. Die tatsächlichen Hinweise in der oben zitierten Passage des Berichts sind derart pauschal und nicht konkret auf bestimmte Verhaltensweisen des Vorstands des Klägers im Streitjahr bezogen, dass daraus allein eine Klassifikation der tatsächlichen Geschäftsführung des Klägers im Streitjahr als “extremistisch” i.S. des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO n.F. nicht abgeleitet werden kann.

[17] Dem entspricht der Sache nach die Regelung des § 51 Abs. 3 Satz 1 AO i.d.F. des JStG 2009 (AO n.F.), nach der eine Steuervergünstigung auch voraussetzt, dass die Körperschaft nach ihrer Satzung und bei ihrer tatsächlichen Geschäftsführung keine Bestrebungen i.S. des § 4 des Bundesverfassungsschutzgesetzes fördert und dem Gedanken der Völkerverständigung nicht zuwiderhandelt (zur Übereinstimmung mit der bisherigen Praxis vgl. Begründung des Regierungsentwurfs

[21] Die vom BMF mit der Schaffung des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO n.F. für geboten gehaltene ausdrückliche Unterscheidung der in den Verfassungsschutzberichten erwähnten Organisationen in belegbar extremistische Organisationen einerseits und bloße Verdachtsfälle andererseits wird in dem streitbefangenen Bericht für das Jahr 2008 offenkundig noch nicht vollzogen. Deshalb hilft für den Streitfall auch der Verweis auf den Verfassungsschutzbericht des Bundes für das Jahr 2009 nicht

[5] Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) erkannte den Kläger für 2008 nicht als gemeinnützig an und setzte die Körperschaftsteuer auf ... EUR fest. [6] Die deswegen erhobene Klage hatte Erfolg. [...] Entscheidungsgründe [10] II. Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Die Annahme des FG, der Kläger sei für das Streitjahr gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 2002) von der Körperschaftsteuer befreit, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. [...]


Rechtsprechung

npoR Heft 3/2012

weiter, in dem nach der Darstellung des BMF alle als extremistisch eingeschätzten Gruppierungen alphabetisch geordnet in einem Anhang aufgeführt sind. [22] d) Die fehlende Anwendbarkeit des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO n.F. ändert indes nichts daran, dass der Verfassungsschutzbericht des Landes Y für 2008 für die Beurteilung der Aktivitäten des Klägers im Streitjahr ausgewertet und zum Anlass für weitere Ermittlungen genommen werden durfte. Jedoch ergibt sich daraus nach der Beurteilung des FG kein hinreichend konkreter Anhaltspunkt dafür, dass die tatsächliche Geschäftsführung des Klägers im Streitjahr auf die Förderung extremistischer Bestrebungen ausgerichtet war. Hieran ist der Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden. [23] aa) Die Feststellung, ob eine Körperschaft im Rahmen ihrer tatsächlichen Geschäftsführung extremistische oder sonstige verfassungsfeindliche Bestrebungen fördert, obliegt im gerichtlichen Verfahren in erster Linie dem FG als Tatsachengericht. Dessen Wertung kann im Revisionsverfahren nur daraufhin überprüft werden, ob sie in verfahrensfehlerhafter Weise zustande gekommen ist oder ob sie gegen Denkgesetze oder gegen allgemeine Erfahrungssätze verstößt. [24] bb) Die Vorinstanz hat insoweit ausgeführt, die im Streitfall vorliegenden Beweismittel belegten nicht zur vollen Überzeugung des Senats, dass der Kläger ein extremistischer Verein sei. Es komme in dem Verfassungsschutzbericht für 2008 nicht klar zum Ausdruck, dass der Kläger selbst extremistisch sei. Es sei auch ein Verständnis des Berichts dahin möglich, dass der Kläger vom Verfassungsschutz beobachtet worden sei, weil seine Aktivitäten potenziell gefährlich werden könnten, er selbst aber kein extremistischer Verein sei. Die vom Kläger vorgelegten Unterlagen belegten, dass seine Aktivitäten seiner Satzung entsprächen. Damit habe er die Aussagen im Verfassungsschutzbericht hinsichtlich seiner Überzeugungen und seiner tatsächlichen Geschäftsführung widerlegt. [25] Einen Link im Internet-Auftritt des Klägers auf die Seite “X.de” hat das FG als für die Annahme einer satzungswidrigen tatsächlichen Geschäftsführung nicht hinreichend bewertet. Denn zum einen habe der Kläger auf der eigenen InternetSeite ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er für die Inhalte der verlinkten Seiten nicht verantwortlich sei. Zum anderen sei den verlinkten Inhalten jeweils vorangestellt, dass es sich um die Darstellung von gewissen Praktiken eines islamischen Staats mit islamischer Gesetzgebung handele, die im Widerspruch zur hiesigen Ordnung stünden und dass die Darstellung solcher Inhalte keinesfalls als Aufruf zur Umsetzung, sondern nur als Aufklärung über die islamische Sichtweise zu verstehen sei. [26] cc) Diese Beweiswürdigung des FG ist möglich und verstößt weder gegen Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze. Soweit FA und BMF in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat mit Blick auf Erkenntnisse aus einem zwischenzeitlich durchgeführten verwaltungsgerichtlichen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes betreffend die Erwähnung des Klägers in künftigen Verfassungsschutzberichten des Landes Y eine mangelnde Sachverhaltsaufklärung durch das FG gerügt haben, können sie damit schon deshalb keinen Erfolg haben, weil das FA ausweislich des Sitzungsprotokolls der mündlichen Verhandlung vor dem FG eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) durch das FG

149

nicht gerügt hat. Die Verletzung der Sachaufklärungspflicht gehört indes zu den “verzichtbaren” Verfahrensmängeln, die nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden können, wenn die Beteiligten sie nicht in der nächsten mündlichen Verhandlung rügen (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 100 f., m.w.N.). Die Sachaufklärungsrüge kann nicht dazu dienen, Beweisanträge oder Fragen zu ersetzen, welche ein fachkundig vertretener Beteiligter --wie das FA-- selbst in zumutbarer Weise hätte stellen können, jedoch im finanzgerichtlichen Verfahren zu stellen unterlassen hat (BFH-Beschluss vom 22. Oktober 2009 V B 108/08, BFH/NV 2010, 170, m.w.N.). [27] e) Soweit das FA schließlich noch nachgetragen hat, der Kläger werde in dem Verfassungsschutzbericht des Landes Y für das Jahr 2010 ausdrücklich als “extremistische Bestrebung” bezeichnet, ist das zum einen als neues tatsächliches Vorbringen in der Revisionsinstanz unbeachtlich. Zum anderen ist nicht ersichtlich, inwiefern sich diese Beurteilung bereits auf Verhaltensweisen des Klägers aus dem Streitjahr 2008 stützt. [...]

Dass eine Körperschaft kommunale Pflichtaufgaben übernimmt, steht ihrer Gemeinnützigkeit nicht entgegen RettDG BB; AO §§ 51 ff., §§ 55 ff., §§ 60 ff.; KStG 2002 § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4, § 5 Abs. 1 Nr. 9; GewStG 2002 § 3 Nr. 6; SGB 5 § 133 Abs. 1; UStG 1999 § 4 Nr. 18; GrStG § 3 Nr. 3, 4; ErbStG 1997 § 13 Nr. 16, 17; AEAO 66 Nr. 6. Beschwer kann auch bei einem Bescheid über Körperschaftsteuer bzw. Gewerbesteuermessbetrag in Höhe von Null gegeben sein, da in der Festsetzung einer Steuer in Höhe von Null ist die Feststellung enthalten ist, dass der Steuerpflichtige nicht gemeinnützig und damit nicht steuerbefreit ist. Die Erfüllung einer Pflichtaufgabe (hier: gemäß § 10 BbgRettG) steht der Selbstlosigkeit nicht entgegen, sofern die übernommene Aufgabe gemeinnützig ist. Dies ist bei der flächendeckenden und bedarfsgerechten Notfallrettung der Fall. FG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 7.2.2012 – 6 K 6086/08 (Revision anhängig, Az. BFH I R 17/12) Tatbestand [...] [2] Die Klägerin ist eine am … September 2002 gegründete Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Alleiniger Anteilseigner der Klägerin ist der Landkreis D. als Träger des Rettungsdienstes im Landkreis D. im Sinne des § 3 Abs. 1 des Brandenburgischen Rettungsdienstgesetzes (BbgRettG). [3] Der Zweck der Klägerin ist nach § 2 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags die Wahrnehmung der Aufgaben nach dem Brandenburgischen Rettungsdienstgesetz, insbesondere die bedarfsgerechte und flächendeckende Notfallrettung, der Krankentransport, die Sofortreaktion in besonderen Fällen sowie die Errichtung und der Betrieb von Rettungswachen; wegen der weiteren Einzelheiten des Zwecks nimmt der Senat auf § 2 des Gesellschaftsvertrags Bezug. […] [5] Hinsichtlich der Durchführung des Rettungsdienstes schloss die Klägerin am ... Dezember 2002 einen Vertrag mit dem Landkreis D. ab - im Folgenden: Dienstleistungsvertrag genannt -, der ab dem 01. Januar 2003 (§ 10 Abs. 1) in Kraft


150

Rechtsprechung

treten sollte. Der Vertrag regelte in § 1 die Durchführung des Rettungsdienstes nach Maßgabe des Brandenburgischen Rettungsdienstgesetzes, den Betrieb bestimmter Rettungswachen (§ 2), die Anzahl und Art der Rettungs- und Krankentransportfahrzeuge (§ 3), den Betrieb der Leitstelle durch den Gesellschafter (Landkreis D.) gemäß § 5 sowie die Vergütung der Klägerin (§ 6): Dabei wurde die Höhe der Vergütung nicht ausdrücklich bestimmt, sondern sollte sich nach dem Jahresbudget richten, das jährlich zwischen den Vertragspartnern festgelegt werden sollte. Das Budget sollte sich wiederum nach dem Ergebnis der mit den Krankenkassen vereinbarten Kosten- und Leistungsrechnung für den Rettungsdienst richten. Soweit in dieser Kosten- und Leistungsrechnung Gesamtkosten berücksichtigt wurden, sollten die bei der Kreisverwaltung D. selbst anfallenden Kosten abgezogen werden (§ 6 Abs. 1). […] [6] Die Klägerin setzte ihre Fahrzeuge ab dem 01. Januar 2003 nur auf dem Gebiet der Notfallrettung sowie für betreuungspflichtige Krankentransporte ein, d. h. für die Beförderung kranker Personen, für die ein ärztlicher Transportschein erforderlich ist, weil sie während der gesamten Fahrt auf Grund ihres Gesundheitszustands dauerhaft überwacht bzw. betreut werden müssen. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass derartige betreuungspflichtige Krankentransporte nicht von anderen privaten Dritten angeboten werden, insbesondere nicht von gewerblichen Fahrdiensten. [7] Die Klägerin erzielte im Streitjahr 2002 einen Verlust von ./. € 9.583,- […] [9] Die Klägerin beantragte für das Streitjahr die Anerkennung als gemeinnützige und somit von der Körperschaft- und der Gewerbesteuer befreite Körperschaft im Sinne der §§ 51 ff. Abgabenordnung - AO -. [10] Der Beklagte lehnte den Antrag ab und erließ am ... Februar 2005 sowohl einen Körperschaftsteuerbescheid als auch einen Gewerbesteuermessbescheid, die jeweils über € 0,- lauteten und unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 AO standen. Der Beklagte begründete die Bescheide damit, dass die Klägerin nicht selbstlos tätig werde; denn bei der Klägerin handle sich um eine kommunale Eigengesellschaft, die hoheitliche Pflichtaufgaben ihres Gesellschafters, des Landkreises D., erfülle. [11] Hiergegen erhob die Klägerin fristgerecht Einspruch und beantragte die Aufhebung der Bescheide. […]

npoR Heft 3/2012

[25] 2. Die Klage ist auch begründet, da die Klägerin die Voraussetzungen der §§ 51 ff. AO erfüllte und damit nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG sowie nach § 3 Nr. 6 GewStG steuerbefreit war. [26] a) Die steuerliche Anerkennung als gemeinnützig setzt voraus, dass die Körperschaft gemäß § 51 AO nach ihrer Satzung ausschließlich, selbstlos und unmittelbar steuerbegünstigte Zwecke verfolgt, d.h. gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke, dass die Satzung den Anforderungen der §§ 60, 61 AO entspricht und dass die tatsächliche Geschäftsführung gemäß § 63 AO auf die ausschließliche und unmittelbare Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke gerichtet ist und den Satzungsbestimmungen entspricht. [27] b) Die Klägerin verfolgt nach ihrem Gesellschaftsvertrag (Satzung) gemeinnützige Zwecke. Die flächendeckende und bedarfsgerechte Notfallrettung sowie die Sofortreaktion in besonderen Fällen gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 der Satzung sind gemeinnützig nach § 52 Abs. 2 Nr. 11 AO, der die Lebensrettung als gemeinnützig ansieht (s. auch Koenig in Pahlke/Koenig, AO, 2. Aufl., § 52 Rz. 38). Der Krankentransport sowie die Errichtung und der Betrieb von Rettungswachen werden zudem von § 52 Abs. 2 Nr. 11 AO erfasst, soweit sie der Lebensrettung dienen sollen; in jedem Fall lassen sie sich aber auch unter § 52 Abs. 2 Nr. 3 AO subsumieren, der die Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens als gemeinnützig behandelt (s. hierzu auch BFH, Beschluss vom 27. April 2005 I R 90/04, BStBl. II 2006, 198). Die Einrichtung eines Rettungswesens, das der ärztlichen Versorgung kranker bzw. verletzter Menschen dient, fördert das öffentliche Gesundheitswesen. [28] Der Senat kann offen lassen, ob die Rettung verletzter Personen auch bzw. alternativ als mildtätig im Sinne von § 53 Nr. 1 AO anzusehen ist, da dieser die Unterstützung hilfloser Personen nennt, d. h. die Unterstützung solcher Personen, die infolge ihres körperlichen, geistigen oder seelischen Zustands auf die Hilfe anderer angewiesen sind. Hierzu kann auch die kurzfristige Unterstützung gehören (Klein/Gersch, AO, 10. Aufl., § 53 Rz. 5; vgl. Nr. 4 Satz 2 zu § 53 AEAO). Die Ausführungen in Nr. 6 zu § 66 AEAO, der den Krankentransport erwähnt und auf § 53 AO Bezug nimmt, sprechen dafür, dass die Finanzverwaltung von einem mildtätigen Zweck auszugehen scheint. [29] c) Die Klägerin beabsichtigte auch, gemäß § 56 AO ausschließlich im Bereich des Rettungsdienstes und der Rettungswachen tätig zu werden. Weitere Tätigkeiten wollte die Klägerin nicht ausüben und übte sie zumindest im Streitjahr auch nicht aus.

Entscheidungsgründe [23] Die Klage ist zulässig und auch begründet. Denn die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 9 Körperschaftsteuergesetz - KStG - sowie des § 3 Nr. 6 Gewerbesteuergesetz - GewStG -, jeweils in Verbindung mit §§ 51 ff. AO, und ist gemeinnützig. [24] 1. Die Klage ist zulässig, auch wenn sowohl die Körperschaftsteuer als auch der Gewerbesteuermessbetrag jeweils nur in Höhe von € 0,- festgesetzt wurden und damit grundsätzlich keine Beschwer entfalten. Denn in der Festsetzung einer Steuer in Höhe von Null ist die Feststellung enthalten, dass der Steuerpflichtige nicht gemeinnützig und damit nicht steuerbefreit ist (BFH, Beschluss vom 23. November 1983 I E 3/83, n.v.; s. auch Urteil vom 21. Oktober 1999 I R 14/98, BStBl. II 2000, 325).

[30] d) Die Klägerin war auch unmittelbar gemeinnützig tätig im Sinne von § 57 Abs. 1 AO. Hiervon gehen nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung auch die Beteiligten aus. [31] aa) Der Betrieb der Rettungswachen und die Durchführung des Rettungsdienstes, insbesondere die Rettungsfahrten in ein Krankenhaus kommen unmittelbar den betroffenen Menschen zu Gute und werden durch die Klägerin selbst erbracht. Von der Unmittelbarkeit gehen auch die von der Klägerin angeführten Verfügungen der OFD Düsseldorf (vom 15. August 2005 - S 2729 A - St 1325 0187 - 21 - St 133-K) sowie der OFD Münster (vom 15. August 2005 - S 2729 - 198 - St 13 - 33) aus. Insoweit unterscheidet sich der Streitfall maßgeblich von dem vom BFH entschiedenen Fall (Urteil vom 07. März 2007, I R 90/04, BStBl. II 2007, 628), weil die dortige Klägerin ihre


npoR Heft 3/2012

Leistungen, die in der Entwicklung eines Abrechnungssystems für Krankenhäuser lag, ihren Gesellschafterinnen gegenüber erbracht hat und nicht gegenüber der Allgemeinheit. [32] bb) Unbeachtlich ist, dass zwischen den betroffenen Menschen und der Klägerin keine Vertragsbeziehungen bestanden, sondern nur zwischen der Klägerin und dem Landkreis D. in Gestalt des Dienstleistungsvertrags sowie zwischen dem Landkreis D. und den Krankenkassen in Gestalt der Kostenund Leistungsrechnung und damit auf sozialversicherungsrechtlicher Grundlage im Sinne von § 133 Abs. 1 Sozialgesetzbuch V - SGB V -. Ebenso ist unbeachtlich, wer im Fall der Notfallrettung Gebührenschuldner ist, vgl. hierzu § 4 der Satzung über die Erhebung von Gebühren für Leistungen des Rettungsdienstes des Landkreises D. vom 28. Januar 2009, wonach Gebührenschuldner derjenige ist, der die Leistung für sich in Anspruch nimmt, für sich anfordert oder aber anfordern lässt. Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob der Gebührenschuldner oder ggf. die für ihn leistende Krankenkasse an den Landkreis D. zahlt oder unmittelbar an die Klägerin. [33] Für die Frage der Unmittelbarkeit ist ferner irrelevant, ob die Klägerin in umsatzsteuerlicher Hinsicht Leistungen an den Landkreis (so wohl BMF-Schreiben vom 27. Dezember 1990, BStBl. I 1991, 81, Tz. II. 1.) erbrachte oder ob es umsatzsteuerlich allein darauf ankommt, wem die Leistung tatsächlich zu Gute kommt (so BFH, Urteil vom 15. September 2011 V R 16/11, zur Veröffentlichung bestimmt, zur Frage der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 18 Umsatzsteuergesetz, vgl. auch BFH, Urteil vom 01. Dezember 2010 XI R 46/08 BFH/NV 2011, 711, zum Leistungsaustausch beim Einsatz von Notärzten). [34] cc) Die von den Beteiligten ursprünglich aufgeworfene Frage, ob die Klägerin als Hilfsperson im Sinne von § 57 Abs. 1 Satz 2 AO angesehen werden kann, wird von den Beteiligten zutreffend nicht mehr als streitig angesehen. Denn die Klägerin erbringt die hier streitigen Leistungen (Rettungsfahrten) selbst. Sie beschäftigt weder Hilfspersonen, noch ist die Klägerin als Hilfsperson des Gesellschafters im Sinne von § 57 Abs. 1 Satz 2 AO anzusehen, da dieser als Körperschaft des öffentlichen Rechts keine gemeinnützigen Zwecke verfolgen kann. [35] e) Die Klägerin war schließlich gemäß § 55 AO auch selbstlos tätig. Eine Unterstützung oder Förderung ist nach § 55 AO selbstlos, wenn die Körperschaft nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt und die besonderen Voraussetzungen der Nr. 1 bis 5 des § 55 AO erfüllt sind. [36] aa) Eine Körperschaft verfolgt eigenwirtschaftliche Interessen, wenn sie vorrangig und somit nicht nur nebenbei ihre eigenen wirtschaftlichen Vorteile und Interessen oder die ihrer Mitglieder fördert (BFH, Beschluss vom 27. April 2005 I R 90/04, BStBl. II 2006, 198, mit weiteren Nachweisen; Klein/ Gersch, AO, 10. Aufl., § 55 Rz. 2; Tipke in Tipke/Kruse, AO/ FGO, § 55 Rz. 6). [37] Allerdings führt nicht jede auf Verbesserung der Einkünfte oder des Vermögens gerichtete Tätigkeit zum Ausschluss der Selbstlosigkeit. Bei vielen Körperschaften ist die Förderung der Mitglieder notwendiges Nebenprodukt der Tätigkeit. An der Selbstlosigkeit fehlt es erst dann, wenn der Eigennutz der Mitglieder in den Vordergrund tritt (BFH, Urteil vom 13. Dezember 1978 I R 39/78, BStBl. II 1979, 482).

Rechtsprechung

151

[38] bb) Ob die Wahrnehmung hoheitlicher Pflichtaufgaben - wie im Streitfall die Durchführung des dem Landkreis nach§ 6 Abs. 1 BbgRettG obliegenden Rettungsdienstes - durch eine privatrechtlich strukturierte Körperschaft als selbstlos anzusehen ist oder aber im Interesse des hoheitlichen Gesellschafters erfolgt, ist umstritten und vom BFH in seinem Beitrittsbeschluss vom 27. April 2005 (I R 90/04, BStBl. II 2006, 198) ausführlich und ergebnisoffen diskutiert worden - auch wenn die Erwägungen im späteren Urteil vom 07. März 2007 (I R 90/04, BStBl. II 2007, 628) keine Rolle mehr spielten, weil der BFH seine Entscheidung - entgegen dem vorher ergangenen Beitrittsbeschluss - ausschließlich auf Erwägungen zur Unmittelbarkeit stützte und deshalb die Frage der Selbstlosigkeit offen ließ (s. unter II. Nr. 4 der Gründe des Urteils des BFH in BStBl. II 2007, 628). [39] cc) Der Senat ist der Ansicht, dass die Erfüllung einer Pflichtaufgabe (hier: gemäß § 10 BbgRettG) der Selbstlosigkeit nicht entgegensteht, sofern die übernommene Aufgabe - wie im Streitfall - gemeinnützig ist. Dies ergibt sich aus den folgenden Erwägungen: [40] (1) Hoheitliche Aufgaben sind bereits dem Grunde nach gemeinnützige Aufgaben, da sie dem Allgemeinwohl dienen. Einer steuerlichen Privilegierung bedarf es nur deshalb nicht, weil der Staat selbst kein Steuersubjekt ist; steuerrechtlich relevant wird die Tätigkeit des Staates grundsätzlich erst dann, wenn er Betriebe gewerblicher Art gründet (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 KStG) oder sich an Personen- oder Kapitalgesellschaften beteiligt. [41] (2) Durch die steuerlichen Vorschriften des Gemeinnützigkeitsrechts der §§ 51 ff. AO sowie durch entsprechende einzelsteuergesetzliche Regelungen wie z. B. in § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG, § 3 Nr. 6 GewStG, § 4 Nr. 18 UStG, § 3 Nr. 3 Buchst. b und Nr. 4 GrStG oder § 13 Nr. 16 Buchst. b und Nr. 17 ErbStG sollen private Körperschaften steuerlich begünstigt werden, die grundsätzlich im Gemeinwohl liegende Aufgaben wahrnehmen und damit den Staat entlasten. Diese steuerliche Begünstigung ist nicht konsequent ausgestaltet, weil auch einzelne Tätigkeiten begünstigt werden, die nicht notwendigerweise dem Gemeinwohl dienen wie z. B. der Karneval und Fasching, das Amateurfunken, der Modellflug, der Hundesport oder die Tierzucht (§ 52 Abs. 2 Nr. 23 AO); für den Streitfall ist dies aber irrelevant, weil jedenfalls die Rettung von Menschenleben ein klassisches Beispiel für eine gemeinnützige Tätigkeit ist. [42] (3) Bezogen auf die einzelne Tätigkeit und ihren Nutzen für die bedürftigen Personen ergeben sich aber keine relevanten Unterschiede, ob diese Tätigkeit (hier: der Rettungsdienst) durch eine Körperschaft ausgeübt wird, die von juristischen Personen des Privatrechts (z. B. Kapitalgesellschaften oder Verbänden) oder aber von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts gegründet worden ist, und ob es sich dabei um eine von der Körperschaft übernommene Pflichtaufgabe des Gesellschafters handelt. Nur weil eine gemeinnützige Aufgabe übernommen wird, wird sie dadurch nicht eigennützig. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich - wie im Streitfall - um die Übernahme einer kommunalen Pflichtaufgabe handelt oder ob eine Aufgabe von einem gemeinnützigen Trägerverband übernommen wird, der einen Teil seines gemeinnützigen Bereichs auf eine neu gegründete Kapitalgesellschaft ausgliedert. Daher ist der Senat von dem Vortrag des Vertreters des Ministeriums der Finanzen in der mündlichen Verhandlung


152

Rechtsprechung

nicht überzeugt, wonach es bei der Klägerin an der sog. Opferwilligkeit gefehlt habe, weil sie ihre Aufgaben nicht freiwillig übernommen habe, sondern habe übernehmen müssen. Eine derartige „Pflicht“ zur Erbringung gemeinnütziger Leistungen trifft auch auf eine Vielzahl ausgegliederter bzw. neu gegründeter Kapitalgesellschaften zu, hinter denen ein großer gemeinnütziger Wohltätigkeitsverband steht: Bei derartigen Körperschaften, die durch große Wohlfahrtsverbände gegründet werden, dürfte eine „freie“ Willensbildung und „Opferwilligkeit“ in der Praxis auch nur eingeschränkt bestehen, weil derartige Körperschaften in die Verbandsstruktur des Wohlfahrtsverbands eingebunden sind und damit nicht außerhalb der (gemeinnützigen) Zwecke des Trägerverbandes tätig werden dürfen. Zweifel an der Gemeinnützigkeit dieser Tochtergesellschaften hegt die Finanzverwaltung aber nicht. [43] (4) Aus den vorstehend genannten Gründen ist es gerechtfertigt, die Gemeinnützigkeitsregeln auf kommunale Körperschaften anzuwenden, sofern die übrigen Gemeinnützigkeitsvoraussetzungen erfüllt sind (gl. A. Tipke in Tipke/Kruse, AO/ FGO, § 55 Rz. 5; Leisner-Egensperger in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, AO/FGO, § 55 Rz. 153 ff; a. A. Koenig in Pahlke/Koenig, AO, 2. Aufl., § 55 Rz. 14). Der Senat sieht folglich unter dem Gesichtspunkt des § 55 AO nur solche Tätigkeiten als schädlich an, die entweder eigenwirtschaftlichen Interessen der Körperschaft dienen, um deren steuerliche Anerkennung als gemeinnützige Körperschaft es geht, oder aber eigenwirtschaftlichen Interessen ihrer Gesellschafter dienen. [44] f) Die Gemeinnützigkeit der Klägerin ist auch nicht mit der Begründung zu verneinen, die Klägerin habe den Rettungsdienst nicht zum Wohl der Allgemeinheit, sondern um des Erwerbes willen ausgeübt. [45] aa) Nach dem BFH sind der Krankentransport und der Rettungsdienst nicht gemeinnützig, wenn sie aus Gewinnerzielungsabsicht unternommen werden (BFH, Urteil vom 18. September 2007 I R 30/06, BStBl. II 2009, 126). Dies ist der Fall, wenn sie zu denselben Bedingungen angeboten werden wie von privaten gewerblichen Unternehmen. Der Annahme eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs steht dann nicht entgegen, dass Krankentransport und Rettungsdienst grundsätzlich gemeinnützige bzw. mildtätige Zwecke verfolgen. Entscheidend soll nach dem BFH (in BStBl. II 2009, 126) vielmehr sein, ob die Bedingungen, unter denen der Betrieb eines Krankentransports und eines Rettungsdienstes ausgeübt wird, objektiv geeignet sind, Gewinne zu erzielen. [46] bb) Die Ausführungen des BFH (in BStBl. II 2009, 126) sind auf den Streitfall nicht übertragbar. Dabei lässt der Senat dahingestellt, ob er sich den Erwägungen des BFH, die im Rahmen eines sog. obiter dictum erfolgt sind, anschließen würde. [47] An der Übertragbarkeit der Ausführungen des BFH auf den Streitfall fehlt es bereits deshalb, weil die Klägerin keine Rettungsdienstleistungen ausgeführt hat, die auch von gewerblichen Unternehmern angeboten worden sind oder hätten angeboten werden dürfen. Die Klägerin ist nämlich zum einen nur im Bereich der „klassischen“ Notfallrettung tätig geworden, die durch den Anruf bei der Rettungsnummer „112“ ausgelöst wird und durch private, gewerblich tätige Dritte nicht erbracht werden darf. Zum anderen hat die Klägerin betreute Krankentransporte durchgeführt, die außerhalb der Notfallrufnummer „112“ angefordert werden konnten. Es handelt sich dabei um Patiententransporte, bei denen der Patient während der gesamten Fahrt medizinisch betreut werden muss, weil er

npoR Heft 3/2012

z. B. mit Sauerstoff oder Blut versorgt werden muss oder eine Erstickungsgefahr auf Grund Erbrechens droht, und für die ein ärztlicher Transportschein erforderlich ist. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass gewerblich tätige Rettungsdienste diese betreuten Fahrten weder angeboten haben noch anbieten durften. Der Beklagte hat zudem in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass er die Frage der Erwerbstätigkeit der Klägerin verneine. Deshalb besteht kein Anlass für den Senat, der Klägerin eine Tätigkeit um des Erwerbs willen zu unterstellen und die rechtliche Bedeutung der Nr. 6 Satz 1 zu § 66 AEAO sowie des BMF-Schreibens vom 20. Januar 2009 (IV C 4-S 0185/08/10001, 2009/0012162, BStBl. I 2009, 339) als Selbstbindungsregelung der Verwaltung oder als bloße norminterpretierende Verwaltungsauffassung zu klären. [48] g) Schließlich steht der Selbstlosigkeit der Klägerin nicht entgegen, dass ihr Vermögen im Fall ihrer Auflösung an den Gesellschafter, den Landkreis D., fallen sollte und dieser das Vermögen einem steuerbegünstigten Zweck zuzuführen hatte. Zwar muss nach dem Grundsatz der satzungsmäßigen Vermögensbindung gemäß § 61 Abs. 1 AO bereits in der Satzung der Zweck der Vermögensverwendung für den Fall der Auflösung, Aufhebung oder Wegfall der Gemeinnützigkeit so genau bezeichnet werden, dass auf Grund der Satzung geprüft werden kann, ob der Verwendungszweck steuerbegünstigt ist. Nach § 55 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 AO genügt es aber, wenn das Vermögen der Körperschaft einer juristischen Person des öffentlichen Rechts für steuerbegünstigte Zwecke übertragen werden soll. Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt, weil der Landkreis D. eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist und das Vermögen steuerbegünstigten Zwecken zuführen soll. [49] 4. Die Revisionszulassung ergibt sich aus § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, da die Gemeinnützigkeit von Körperschaften, die kommunale Pflichtaufgaben übernehmen, höchstrichterlich noch nicht geklärt ist und in der Praxis von grundsätzlicher Bedeutung ist. [...]

Versagung der Gemeinnützigkeit bei Weiterleitung erwirtschafteter Mittel an andere Körperschaft § 58 Nr. 2 AO, § 58 Nr. 1 AO, § 57 Abs. 1 S. 1 AO, § 63 Abs. 1 AO, § 5 Abs. 1 Nr. 1 KStG 2002, § 3 Nr. 6 GewStG 2002 1. § 58 Nr. 1 AO stellt eine Ausnahme vom Grundsatz der Unmittelbarkeit dar, die ihrem Wortlaut nach eine Mittelbeschaffung für die Verwirklichung „der steuerbegünstigten Zwecke“ einer anderen Körperschaft voraussetzt. Das bedeutet, dass die Mittelbeschaffung auf der Ebene der Fördergesellschaft zu denselben Zwecken erfolgen muss, die auch die geförderte Körperschaft nach ihrer Satzung verfolgt. 2. Für die am Wortlaut orientierte Auslegung des § 58 Nr. 1 AO spricht auch die Form- und Inhaltsstrenge des Gemeinnützigkeitsrechts. Es muss den Finanzämtern möglich sein, gerade im Falle der reinen Fördergesellschaften zuverlässig zu prüfen, ob die beschafften Mittel auch für die Zwecke der Fördergesellschaft verwendet werden. Dies kann zuverlässig nur dadurch gewährleistet werden, dass die durch Freistellungsbescheide nachgewiesenen steuerbegünstigten Zwecke der geförderten Körperschaft denen der Förderungskörperschaft entsprechen. FG Hessen, Urt. v. 26.4.2012 – 4 K 2239/09 (Revision anhängig, Az. BFH I R 41/12)


Rechtsprechung

npoR Heft 3/2012

Tatbestand [1] Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin hinsichtlich der Streitjahre die Gemeinnützigkeit deswegen zu versagen ist, weil die unternehmerischen Aktivitäten der Klägerin die gemeinnützigen Aktivitäten übersteigen und die Klägerin die von ihr erwirtschafteten Mittel ausschließlich an andere Körperschaften weitergeleitet hat, deren steuerbegünstigte Satzungszwecke nicht denen der Klägerin entsprechen. [2] Die Klägerin wurde durch Gesellschaftsvertrag vom ...08.2004 gegründet, alleinige Gesellschafterin war die A GmbH, deren alleinige Gesellschafterin wiederum die B AG war. In den Streitjahren war die Klägerin ihrerseits alleinige Gesellschafterin der von ihr gegründeten C GmbH mit einem Stammkapital in Höhe von xx.xxx EUR. Zur Finanzierung des Beteiligungserwerbs hatte die B AG ihre Beteiligung an der A GmbH um xx.xxx EUR erhöht. Diese xx.xxx EUR wurden dann von der A GmbH für die Gründung der Klägerin verwendet, die wiederum die C GmbH gründete. Die C GmbH ist keine gemeinnützige Körperschaft im Sinne des Steuerrechts. [3] Zu Geschäftsführern der Klägerin wurden die Herren H und P bestellt, die gleichzeitig Angestellte der B AG sind. Zwischen der Klägerin und ihren Geschäftsführern wurden keine Geschäftsführeranstellungsverträge oder Zusatzvereinbarungen getroffen. Die Tätigkeit der Geschäftsführer wird nach Mitteilung der Klägerin über die B AG vergütet. [4] Laut § 2 des gegenwärtigen Gesellschaftsvertrags der Klägerin (vom ...02.2007) verfolgt sie „ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne des Abschnitts „steuerbegünstigte Zwecke der Abgabenordnung“. Gesellschaftszweck ist die Förderung der Wissenschaft und des Sports. Der Satzungszweck wird insbesondere verwirklicht durch die finanzielle Förderung anderer steuerbegünstigter Körperschaften oder Körperschaften des öffentlichen Rechts, die der selbstlosen Förderung der Wissenschaft und/oder des Sports dienen“(Bl. 96ff des Akten-Sonderbandes „Verträge“). [...] [7] In den Jahren 2005 und 2006 hatte die Klägerin ausweislich der Buchführung lediglich Einkünfte aus wirtschaftliche Aktivitäten erwirtschaftet: in 2005 Provisionserlöse im Zusammenhang mit ihrer Beteiligung an der C GmbH in Höhe von x.xxx,xx EUR und im Jahre 2006 entsprechende Provisionserlöse in Höhe von x.xxx.- EUR. Im Jahre 2006 hatte sie darüber hinaus Vergütungen für Managementleistungen gegenüber der D GmbH, ebenfalls eine 100%ige Tochter der A GmbH, in Höhe von x.xxx.- EUR erzielt. Im Jahre 2007 erzielte sie Vergütungen aus Managementleistungen in Höhe von xx.xxx.EUR, aber keine weiteren Erlöse. Die Dienstleistungen der Klägerin wurden nach ihren Angaben jeweils auf der Grundlage mündlicher Vereinbarungen erbracht. Die in der mündlichen Verhandlung überreichten Rechnungen enthielten keine weiteren Aufschlüsselungen hinsichtlich der erbrachten Leistungen. [8] Im Jahre 2005 wendete die Klägerin x.xxx.- EUR und im Jahre 2006 x.xxx.- EUR dem Verein „Verein für … – … -“ (V) zu, der laut den für die Streitjahre geltenden Freistellungsbescheiden des FA … wegen der Förderung der öffentlichen Gesundheitspflege oder der Bekämpfung von … (Bl. 58 Körperschaftsteuerakte) als gemeinnützig anerkannt war. Der V bestätigte der Klägerin durch Bescheinigung vom 19.05.2006,

153

dass die Zuwendung in 2005 für die öffentliche Gesundheitspflege (Bl. 43 Körperschaftsteuerakte) und durch Bescheinigung vom 23.01.2007, dass die Zuwendung in 2006 für die Förderung wissenschaftlicher Projekte verwandt worden seien (Bl. 51 der Körperschaftsteuerakte). [9] Das Finanzamt erließ am 01.10.2008 Körperschaftsteuerbescheide und Gewerbesteuermessbescheide für die Jahre 2005 und 2006 sowie damit einhergehende Folgebescheide (vgl. im Einzelnen Bl. 12 ff. der Finanzgerichtsakte) und versagte die Anerkennung der Gemeinnützigkeit. In einer Anlage zu den Bescheiden führte das Finanzamt aus, eine Befreiung von der Körperschaftsteuer bzw. Gewerbesteuer komme für die Jahre 2005 und 2006 nicht in Betracht. Mit der Erzielung von Provisionserlösen und Vergütungen für Managementleistungen habe die GmbH eigene wirtschaftliche Aktivitäten entfaltet, die dem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zuzuordnen seien. Der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb dürfe jedoch nicht im Vordergrund stehen. Da die Aktivitäten der Klägerin jedoch überwiegend im wirtschaftlichen Bereich und im Bereich der Vermögensverwaltung lägen, sei eine selbstlose Förderung der satzungsmäßigen Zwecke nicht mehr gegeben. Darüber hinaus seien in den Jahren 2005 und 2006 die Mittel der GmbH nicht satzungsgemäß zur Förderung der Wissenschaft oder des Sports verwandt worden. Die Spenden seien an den V gegangen, der wegen Förderung der öffentlichen Gesundheitspflege als gemeinnützig anerkannt worden sei (vgl. Bl. 65 der Körperschaftsteuerakte). [10] Den dagegen eingelegten Einspruch wies das Finanzamt durch Einspruchsentscheidung vom 31.07.2009 als unbegründet zurück (Bl. 29 ff. der Finanzgerichtsakte). Im Rahmen des Einspruchsverfahrens hatte die Klägerin ein weiteres Schreiben des V vom 28.10.2008 vorgelegt, worin der V nochmals bestätigte, dass die Zuwendungen für wissenschaftliche Zwecke verwendet worden seien, weil der V das Früherkennungszentrum der Klinik für … der Universität … unterstütze (Bl. 5 des Aktenbandes „Einspruchsverfahren 2005/2006“). Aus einem weiteren Schreiben des V an das Finanzamt, Eingang bei dem Finanzamt am 20.11.2009, und dem diesem Schreiben beigefügten Anlage ergibt sich, dass mit den Zuwendungen des V im Bereich der Klinik der Universität … eine BAT IIa/2-Stelle finanziert wurde. […] Entscheidungsgründe [28] 1. Die Klage ist unbegründet. [...] [32] a) In den Streitjahren war die Klägerin nicht steuerbegünstigt weil sie mit ihrer tatsächlichen Geschäftsführung nicht unmittelbar die in ihrem Gesellschaftsvertrag festgelegten Zwecke verfolgt hat und weil die Voraussetzungen der Ausnahmetatbestände des § 58 Nr. 1 und 2 AO nicht erfüllt waren. [...] [35] aa) Die Klägerin hat durch ihre tatsächliche Geschäftsführung ihren Gesellschaftszweck (Förderung der Wissenschaft und des Sports) nicht unmittelbar i.S.d § 57 Abs. 1 Satz 1 AO verwirklicht, weil sie nicht selbst durch ihr zurechenbare Aktivitäten oder tatsächliche Handlungen ihre Gesellschaftszwecke verfolgt hat. Vielmehr hat sie in beiden Streitjahren lediglich die ihr zur Verfügung stehenden und von ihr erwirtschafteten Mittel an andere Körperschaften weitergeleitet. Dies wäre unschädlich, wenn sie durch ihre tatsächliche Geschäftsführung die Voraussetzungen der hier in Betracht


154

Rechtsprechung

kommenden Ausnahmetatbestände gem. § 58 Nr. 1 oder 2 AO erfüllt hätte. Dies ist jedoch nicht der Fall. [36] Die Voraussetzungen des § 58 Nr. 1 AO werden nicht erfüllt, weil die Klägerin in beiden Streitjahren zwar Mittel an den steuerbegünstigten V weitergegeben hat, der V jedoch nicht wegen der Förderung der Wissenschaft oder des Sports als gemeinnützig anerkannt war (insoweit auch keine entsprechenden Freistellungsbescheinigungen ausstellen durfte) sondern wegen der Förderung der öffentlichen Gesundheitspflege und der Bekämpfung von … (vgl. im Einzelnen Bl. 43, 51, 56 und 58 der Körperschaftsteuerakte). Entgegen der Ansicht der Klägerin liegt eine unschädliche Mittelbeschaffung bzw. Mittelweitergabe i.S.d. § 58 Nr. 1 AO nicht schon immer dann vor, wenn eine Körperschaft unabhängig von ihrem eigenen Gesellschafts- oder Satzungszweck Mittel für eine andere steuerbegünstigte Körperschaft beschafft und an diese weitergibt. Aus der Regelungssystematik der §§ 57 Abs. Satz 1, 63 Abs. 1 AO und des § 58 Nr. 1 AO und dem Wortlaut des § 58 Nr. 1 AO folgt vielmehr, dass die Mittelbeschaffung i.S.d. § 58 Nr. 1 AO voraussetzt, dass die steuerbegünstigten Zwecke der geförderten Körperschaft denen der fördernden Körperschaft entsprechen müssen. Denn § 58 Nr. 1 AO stellt eine Ausnahme vom Grundsatz der Unmittelbarkeit dar, die ihrem Wortlaut nach eine Mittelbeschaffung für die Verwirklichung „der steuerbegünstigten Zwecke“ einer anderen Körperschaft voraussetzt. Das bedeutet, dass die Mittelbeschaffung auf der Ebene der Fördergesellschaft zu denselben Zwecken erfolgen muss, die auch die geförderte Körperschaft nach ihrer Satzung verfolgt. Jede andere Auslegung des § 58 Nr. 1 AO würde dazu führen, dass der eigene Satzungs- oder Gesellschaftszweck für die Gemeinnützigkeit reiner Fördergesellschaften letztlich keine Rolle mehr spielen würde und eine beliebige Weitergabe an andere steuerbegünstigte Körperschaften zulässig wäre. [37] Für die oben aufgezeigte, am Wortlaut des § 58 Nr. 1 AO orientierte Auslegung spricht auch die Form- und Inhaltsstrenge des Gemeinnützigkeitsrechts (vgl. dazu BFH-Urteil vom 15.07.1998 I R 156/94, BStBl II 2002, 162). Insoweit muss es den Finanzämtern möglich sein, gerade im Falle der reinen Fördergesellschaften zuverlässig zu prüfen, ob die beschafften Mittel auch für die Zwecke der Fördergesellschaft verwendet werden. Dies kann zuverlässig nur dadurch gewährleistet werden, dass die durch Freistellungsbescheide nachgewiesenen steuerbegünstigten Zwecke der geförderten Körperschaft denen der Förderungskörperschaft entsprechen. Denn in den meisten Fällen wird es dem für die Förderkörperschaft zuständigen Finanzamt nicht möglich sein, die Mittelverwendung auf der Ebene der geförderten Körperschaft zu prüfen, weil insoweit die Zuständigkeit eines anderen Finanzamts gegeben ist. Die Kläger weist zwar grundsätzlich zutreffend darauf hin, dass es bei der Förderung ausländischer/nicht unbeschränkt steuerpflichtiger Körperschaften u.U. ausreicht, dass lediglich der tatsächliche Verwendungszweck nachgewiesen wird. Diese auf die tatsächlichen Gegebenheiten des Einzelfalles abstellende Regelung (§ 58 Nr 2. Halbsatz AO) führt jedoch nicht zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung, sondern trägt dem Umstand Rechnung, dass ausländische bzw. nicht unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaften nicht nach dem inländischen Recht der Bundesrepublik steuerbegünstigt sein können bzw. die Steuerfreiheit nicht durch einen inländischen Freistellungsbescheid festgestellt werden kann.

npoR Heft 3/2012

[38] bb) Die Voraussetzungen des § 58 Nr. 2 AO, als einer weiteren Ausnahme vom Grundsatz der Unmittelbarkeit, werden durch die tatsächliche Geschäftsführung der Klägerin bereits deswegen nicht erfüllt, weil die Klägerin ihre eigenen steuerbegünstigten Zwecke nicht, auch nicht teilweise unmittelbar verfolgt. Nach dem Wortlaut des § 58 Nr. 2 AO ist die Zuwendung eigener Mittel an eine ebenfalls steuerbegünstigte Körperschaft unschädlich, wenn dies „teilweise“ geschieht. Dies setzt grundsätzlich voraus, dass die jeweilige Körperschaft auch selbst, und damit unmittelbar i.S.d. § 57 Abs. 1 Satz 1 AO, ihre steuerbegünstigten Zwecke verwirklicht (dazu BFHUrteil vom 15.07.1998 I R 156/94, BStBl II 2002, 162). Dies tut die Klägerin weder in den Streitjahren noch (ausweislich der Steuerakten) in 2007. Darüber hinaus bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass sie durch längerfristig angelegte (Groß-)Projekte ihre Gesellschaftszwecke unmittelbar zu fördern beabsichtigt. Ob und inwieweit § 58 Nr. 2 AO auch typischen Förderkörperschaften i.S.d. § 58 Nr. 1 AO eine teilweise Mittelweitergabe zu anderen als eigenen Satzungszwecken gestattet kann dahinstehen, da eine solche Mittelweitergabe allenfalls teilweise zulässig wäre, die Klägerin jedoch durch ihre Mittelweitergabe insgesamt nicht den Vorgaben des § 58 Nr. 1 AO entspricht. [39] b) Da bereits die tatsächliche Geschäftsführung der Klägerin nach Auffassung des Senats dazu führt, dass die Gemeinnützigkeit der Klägerin zu versagen ist, kann dahinstehen, ob auch die inhaltlichen Mängel des für die Streitjahre geltenden Gesellschaftsvertrages im vorliegenden Verfahren zu berücksichtigen wären oder ob dies auch in dem hier anhängigen gerichtlichen Verfahren aus Gründen des Vertrauensschutzes ausgeschlossen ist. [40] Der ursprüngliche, für die Veranlagungszeiträume 2005 und 2006 geltende Gesellschaftsvertrag vom ...08.2004 (geändert durch eine Gesellschafterversammlung am ...02.2007, Eintragung der Änderungen in das Handelsregister am ...04.2007) entsprach nicht den Voraussetzungen des § 61 Abs. 1 AO, weil der Zweck, für den das verbleibende Vermögen verwendet werden soll, in § 17 des Gesellschaftsvertrages nicht so genau bestimmt wird, dass allein anhand des Vertrages geprüft werden kann, ob der Zweck steuerbegünstigt ist (vgl. zu den Anforderungen BFH-Urteil vom 12.01.2011 I R 91/06, BFH/NV 2011, 1111, dabei ist die im jeweiligen Veranlassungszeitraum geltende Satzung zugrunde zu legen, § 60 Abs. 2 AO, BFH-Urteil vom 21.07.1999 I R 2/98, BFH/NV 2000, 297). Darüber hinaus begegnete der Gesellschaftsvertrag unter dem Gesichtspunkt der formellen Satzungsmäßigkeit i.S.d. § 60 Abs. 1 AO auch deswegen Bedenken, weil in § 2 Nr. 1 des Vertrages festgelegt ist, dass die Klägerin steuerbegünstigte Zwecke „unmittelbar“ verfolgt, in § 2 Nr. 3 Satz 1 des Vertrages wird dann jedoch lediglich eine mittelbare Zweckverfolgung näher konkretisiert. So soll der „Satzungszweck“ „insbesondere“ „durch die finanzielle Förderung anderer steuerbegünstigter Körperschaften“ verwirklicht“ werden. Es bleibt unklar, ob die Gesellschaftszwecke auch unmittelbar verfolgt werden sollen und, falls dies der Fall ist, durch welche Aktivitäten dies geschehen soll. […] [42] 3. Die Revision war auf der Grundlage des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.


Rechtsprechung

npoR Heft 3/2012

Andere Rechtsgebiete Institutionelle Förderung des Goethe-Instituts keine staatliche Beihilfe § 43 VwGO, § 113 Abs. 1 S 4 VwGO, § 3 Abs. 2 BHO, § 23 BHO, § 44 BHO, Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 107 Abs. 1 AEUV, Art. 108 Abs. 3 S. 3 AEUV 1. Die institutionelle Förderung des Goethe-Instituts als Mittlerorganisation der auswärtigen Kulturpolitik durch die Bundesrepublik Deutschland stellt keine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV dar und kann daher ohne vorherige Genehmigung durch die Kommission der Europäischen Union durchgeführt werden. Die Förderpraxis der Bundesrepublik Deutschland verstößt nicht gegen das Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 AEUV. 2. Das Goethe-Institut ist, soweit es im Rahmen der institutionellen Förderung tätig wird, kein Unternehmen im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV. Denn die von ihm in diesem Rahmen auf dem Gebiet der auswärtigen Kultur- und Bildungsarbeit erbrachten Tätigkeiten sind nicht wirtschaftlicher Art. Diese stellen sich vielmehr der Sache nach als ein Handeln der öffentlichen Hand dar. Dies gilt auch für die Durchführung von Sprachkursen und Fortbildungsseminaren für ausländische Stipendiaten an inländischen Kulturinstituten des GoetheInstituts. Diese Unterrichtstätigkeit kann bei der gebotenen funktionellen Betrachtungsweise nicht von den übrigen institutionell geförderten Tätigkeiten des Goethe-Instituts getrennt werden. VG Berlin, Urt. v. 21.2.2012 – 20 A 369.08 Tatbestand [1] Die Klägerin begehrt die Feststellungen, dass die Versagung einer von ihr für die Jahre 2009 und 2010 beantragten Projektförderung rechtswidrig war und – hilfs-weise –, dass die institutionelle Förderung des Beigeladenen gegen das nach Gemeinschaftsrecht für staatliche Beihilfen geltende Durchführungsverbot verstößt. [2] Die Klägerin ist ein gemeinnütziges Dienstleistungsunternehmen auf dem Gebiet der internationalen Bildung und Qualifizierung, das – neben Büros an fünf Standorten außerhalb der Europäischen Union (EU) – sieben Unterrichtsstätten in der Bundesrepublik Deutschland unterhält. An ihren inländischen Einrichtungen bietet sie Deutschkurse für ausländische Sprachschüler und ausländische Deutschlehrer an. [3] Auch der privatrechtlich als eingetragener Verein organisierte Beigeladene, zu dessen ordentlichen Mitgliedern die Beklagte zählt, bietet in der Bundesrepublik Deutschland – an dreizehn Unterrichtsstätten – Deutschkurse für ausländische Sprachschüler und Deutschlehrer an. Er unterhält daneben an rund 150 Orten im Ausland Kultureinrichtungen. Zu den satzungsgemäßen Aufgaben des Beigeladenen gehören die Förderung der Kenntnis deutscher Sprache, die Pflege der internationalen kulturellen Zusammenarbeit und die Vermittlung eines umfassenden Deutschlandbildes durch Information über das kulturelle, gesellschaftliche und politische Leben (§ 2 Abs. 1 der Satzung des Beigeladenen in der Fassung vom 20. November 2009 – Satzung –). Die Beklagte betraute den Beigeladenen aufgrund eines Rahmenvertrages – zuletzt in der Fassung vom 26. Juli/12. August 2004 – mit der Wahrneh-

155

mung eben dieser Aufgaben. Zu diesen sog. Vertragsaufgaben (§ 1 Abs. 1 Satz 1 des Rahmenvertrages) gehören unter anderem die fachliche Förderung ausländischer Sprachlehrer und Germanisten (dortige Nr. 1 Buchstabe c), die Vergabe von Sprachstipendien an Multiplikatoren aus allen gesellschaftlichen Bereichen (Nr. 2 Buchstabe f) sowie die Verteilung von Stipendien zum Erlernen der deutschen Sprache (Nr. 1 Buchstabe e). Der Beigeladene unterhält zur Durchführung der Vertragsaufgaben im Ausland und im Inland Kulturinstitute (§ 1 Abs. 1 Satz 2 des Rahmenvertrags). [4] Zur Durchführung der Vertragsaufgaben wird der Beigeladene seit dem Jahr 2008 mit den im Bundeshaushaltsplan ausgewiesenen Mitteln (Einzelplan 05 – Auswärtiges Amt –, Kapitel 0504 – Pflege kultureller Beziehungen zum Ausland –, Titelgruppe 04 – Allgemeine Auslandskulturarbeit [Institutionelle Förderung] –, Titel 687 40-024) im Wege institutioneller Förderung über einen Produkthaushalt budgetiert. Über die Höhe dieses Budgets entscheidet das Auswärtige Amt, das mit dem Beigeladenen zur Steuerung von dessen Arbeit Zielvereinbarungen geschlossen hat, jeweils durch Zuwendungsbescheid (§ 6 Abs. 1 Satz 1 des Rahmenvertrages). Nach Ablauf eines jeden Haushaltsjahres hat der Beigeladene der Beklagten unter anderem einen Tätigkeitsbericht und den Prüfungsbericht eines Wirtschaftsprüfers vorzulegen (§ 7 Abs. 1 Satz 1 des Rahmenvertrages). Verwaltung und Betrieb der inländischen Unterrichtsstätten des Beigeladenen werden von diesem aus eigenen Mitteln (Einnahmen aus Kursgebühren) finanziert. [5] Die vom Beigeladenen in Wahrnehmung der Vertragsaufgaben vergebenen Sprachstipendien ermöglichen den ausländischen Stipendiaten die Teilnahme an Deutschkursen, die an den inländischen Unterrichtsstätten des Beigeladenen durchgeführt werden; zur Teilnahme an Sprachkursen anderer Veranstalter berechtigen sie nicht. Entsprechendes gilt für Stipendiaten, die – mangels einer ausländischen Kultureinrichtung des Beigeladenen vor Ort – durch die Botschaften der Beklagten ausgewählt werden. [6] Die Klägerin rügte im Jahr 2006 diese Verfahrensweise bei dem Bundeskartellamt erfolglos als vergaberechtswidrig (Beschluss der 1. Vergabekammer des Bundes vom 3. August 2006 – VK 1 - 49/06). Der Vergabesenat bei dem Oberlandesgericht Düsseldorf bestätigte dessen Würdigung, wonach es sich bei den Beziehungen zwischen der Beklagten und dem Beigeladenen – mangels konkreter, auf die Leistung des Beigeladenen abgestimmter Entgeltzumessung – nicht um ein öffentliches Auftragsverhältnis, sondern um ein nicht dem Vergaberechtsregime unterliegendes Zuwendungsverhältnis handele (Beschluss vom 22. November 2006 – VII - Verg 38/06). [7] Mit Schreiben an das Auswärtige Amt vom 4. April 2008 beantragte die Klägerin, die bereits ein Jahr zuvor ohne Erfolg einen Zuwendungsantrag gestellt hatte, zur „Projektförderung im Bereich Deutsch als Fremdsprache“ für die Jahre 2009 und 2010 Zuwendungsmittel zur Durchführung von Deutschkursen und Fortbildungsseminaren verschiedener Art (Projekte 1 bis 3) für jährlich jeweils insgesamt 500 Stipendiaten. [...] [8] Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid des Auswärtigen Amtes vom 29. Oktober 2008 ab. [...] [10] Die Klägerin beantragt nunmehr


156

Rechtsprechung

[11] festzustellen, dass die Versagung der beantragten Projektförderung durch den Bescheid des Auswärtigen Amtes vom 29. Oktober 2008 rechtswidrig gewesen ist, [12] hilfsweise [13] festzustellen, dass die institutionelle Förderung des Beigeladenen gegen Art. 108 Abs. 3 AEUV verstößt. […] Entscheidungsgründe [19] Die Klage hat weder mit dem Hauptantrag (A.) noch mit dem Hilfsantrag (B.) Erfolg. [20] A. I. Der Hauptantrag ist als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig. § 113 Abs. 1 Satz 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) findet entsprechende Anwendung auf ein nach Klageerhebung erledigtes Verpflichtungsbegehren. Hier ergibt sich die Erledigung aus dem Ablauf der Haushaltsjahre, für die die Bewilligung angestrebt worden war. Das besondere Fortsetzungsfeststellungsinteresse der Klägerin besteht unter dem Aspekt der Wiederholungsgefahr. [21] II. Der Hauptantrag ist unbegründet. Die Versagung der beantragten Projektförderung durch den Bescheid des Auswärtigen Amtes vom 29. Oktober 2008 war rechtmäßig. Ein Anspruch der Klägerin auf Förderung der von ihr beantragten Projekte bestand zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheides ebenso wenig wie ein Anspruch auf Neubescheidung. [22] a) Ein Anspruch auf Gewährung einer Zuwendung wurde nicht unmittelbar durch den Haushaltsplan des Bundes begründet (§ 3 Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung – BHO –). Dieser wird zwar in formeller Hinsicht durch Gesetz festgestellt, entfaltet aber keine Rechtswirkungen nach außen und stellt ausschließlich eine parlamentarische Legitimitätsgrundlage für Ausgabeleistungen der jeweiligen Behörde dar (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2002 – BVerwG 3 C 54.01 –, juris Rn. 22 mit weiteren Nachweisen). [23] Abgesehen davon stand einer Gewährung der begehrten Zuwendung zwingend entgegen, dass in den Haushaltsplänen für die Jahre 2009 und 2010 keine Mittel für die von der Klägerin beantragte Förderung bereitgestellt waren. In dem für das Auswärtige Amt bestimmten Einzelplan waren jeweils unter dem zur Titelgruppe „Allgemeine Auslandskulturarbeit“ gehörenden Titel 687 40-024 Mittel zur institutionellen Förderung des Beigeladenen ausgewiesen. Wie den Erläuterungen zu diesem Haushaltstitel zu entnehmen ist, sollte die Bereitstellung dieser Mittel es dem Beigeladenen ermöglichen, die im Rahmenvertrag beschriebenen Aufgaben zu erfüllen. Zu den Vertragsaufgaben gehört unter anderem die fachliche Förderung ausländischer Sprachlehrer und Germanisten mittels Fortbildungsseminaren sowie die Veranstaltung von Deutschkursen für Sprachstipendiaten, die vom Beigeladenen bzw. den Botschaften der Beigeladenen ausgewählt wurden, an den inländischen Kultureinrichtungen des Beigeladenen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstaben c und e und Nr. 2 Buchstabe f des Rahmenvertrags). Die von der Klägerin in ihrem Antrag vom 4. April 2008 bezeichneten (Intensiv-)Sprachkurse Deutsch als Fremdsprache und die Fortbildungsseminare für ausländische Deutschlehrer richten sich exakt an denselben Personenkreis und sollen nach der Vorstellung der Klägerin in dem beantragten Umfang an die Stelle der entsprechenden,

npoR Heft 3/2012

bislang vom Beigeladenen im Inland veranstalteten Sprachkurse und Fortbildungsseminare treten. So hatte die Klägerin bereits bei Antragstellung klargestellt, sie gehe davon aus, dass die Teilnehmer der Kurse „nach dem bisherigen System“ ausgewählt und ihr im Rahmen einer Jahresplanung zugewiesen würden. Da für den im Förderantrag der Klägerin bezeichneten Zweck mithin bereits Mittel ausgewiesen waren, als deren Empfänger der institutionell geförderte Beigeladene bestimmt war, war eine Förderung der Klägerin aus einem anderen Titel des Bundeshaushaltsplans ausgeschlossen. [24] Darüber hinaus fehlte es auch an den in § 44 in Verbindung mit § 23 BHO vorgeschriebenen Voraussetzungen für die Veranschlagung und Gewährung der von der Klägerin begehrten Förderung. Nach diesen Vorschriften dürfen – auch bei Ausweisung entsprechender Mittel im Haushaltsplan – Zuwendungen nur veranschlagt und gewährt werden, wenn der Bund an der Erfüllung bestimmter Zwecke durch Stellen außerhalb der Bundesverwaltung ein erhebliches Interesse hat, das ohne die Zuwendung nicht oder nicht im notwendigen Umfang befriedigt werden kann. Ein erhebliches Interesse der Beklagten an der Durchführung der von der Klägerin in ihrem Zuwendungsantrag bezeichneten Sprachkurse und Fortbildungsseminaren scheidet vorliegend aus, da – wie vorstehend dargelegt – zur Durchführung entsprechender Veranstaltungen bereits im Rahmen der Budgetierung des Beigeladenen Mittel zur Verfügung bereitgestellt waren. [25] b) Durch die Festlegungen, die der Haushaltsgesetzgeber mit der Ausweisung von Mitteln für die institutionelle Förderung des Beigeladenen und den Erläuterungen zu deren Zweckbestimmung getroffen hat, werden Rechte der Klägerin, insbesondere deren Anspruch auf Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG), nicht verletzt. [26] Auch wenn dem Haushaltsplan als solchem – wie dargelegt – nur verwaltungsinterne Bedeutung zukommt, ist der Haushaltsgesetzgeber an die Grundrechte, insbesondere an Art. 3 Abs. 1 GG gebunden. Wegen der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG haben die Gerichte den Haushaltsplan auf mögliche Grundrechtsverletzungen zu überprüfen. Der Haushaltsplan ist außer Betracht zu lassen, soweit er verfassungswidrige Festlegungen enthält (BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2002 – BVerwG 3 C 54.01 –, juris Rn. 22). Das ist vorliegend nicht der Fall. [27] Die Beklagte hat mit der politischen Grundsatzentscheidung, den Beigeladenen als Mittlerorganisation der auswärtigen Kulturverwaltung im Rahmen ihrer Zuständigkeit für die Pflege der auswärtigen Beziehungen (Art. 32 Abs. 1 GG) institutionell zu fördern und diesen über einen Produkthaushalt zu budgetieren (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht der Auswärtigen Ausschusses, BT-Drs. 16/4132), den ihr zustehenden, weiten politischen Gestaltungsspielraum nicht überschritten. Auch die in diesem Rahmen erfolgte Festlegung der Beklagten, die Förderung der deutschen Sprache im Ausland durch Vergabe von Stipendien zum Besuch von Sprachkursen und Fortbildungsveranstaltungen in Deutschland in vollem Umfang dem Beigeladenen zu übertragen und diesem im Rahmen des Budgets Mittel hierfür zur Verfügung zu stellen, ist frei von Willkür. Der Einwand der Klägerin, die Durchführung der Sprachkurse für ausländische Stipendiaten ließe sich der Sache nach unschwer aus dem Gesamtpaket der Sprachförderung durch Stipendien herauslösen und ihr selbst


npoR Heft 3/2012

übertragen, gebietet keine andere Einschätzung. Die Beklagte hat die von ihr getroffene Entscheidung damit begründet, im Interesse größtmöglicher Effizienz des SprachstipendienProgramms Wert darauf zu legen, dass dieses – beginnend mit Auswahl und Vorbereitung der Stipendiaten im Ausland über die Veranstaltung der Kurse in Deutschland bis hin zu deren nachträglicher Betreuung in ihren Heimatländern – soweit wie möglich „aus einer Hand“ erbracht wird. Dies stellt eine sachliche Erwägung dar, die angesichts des weiten politischen Entscheidungsspielraums der Beklagten rechtlich nicht zu beanstanden ist. Die der Erwägung der Beklagten in tatsächlicher Hinsicht zugrundeliegende Prämisse, wonach allein der Beigeladene in der Lage ist, die Gesamtleistung des Stipendien-Programms im Aus- und Inland umfassend zu erbringen, hat die Klägerin wohlbedacht nicht in Frage gestellt. [28] B. I. Der Hilfsantrag ist zulässig. [...] [30] Die Klägerin rügt mit ihrem Hilfsantrag, dass es sich bei der institutionellen Förderung des Beigeladenen nach Maßgabe des Gemeinschaftsrechts um eine staatliche Beihilfe handele, die unter Verstoß gegen das in Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV statuierte sog. Durchführungsverbot ohne vorherige Genehmigung durch die Kommission der EU durchgeführt werde und daher rechtswidrig sei. Aus dem Durchführungsverbot erwachsen betroffenen Personen, insbesondere Wettbewerbern des Beihilfeempfängers, unmittelbar wirksame Rechte (vgl. EuGH, Urteil vom 11. Dezember 1973 in der Rs. C-120/73, Lorenz, Slg. 1973, 1471, Rn. 7 f.). Die betroffenen Parteien können ihre Rechte durchsetzen, indem sie bei den zuständigen Gerichten eines Mitgliedstaates der EU (nationale bzw. einzelstaatliche Gerichte) Klage gegen den beihilfegewährenden Mitgliedstaat erheben. Den angerufenen nationalen Gerichten obliegt es in solchen Fällen, die Beachtung des Durchführungsverbots durchzusetzen und die Rechte des Einzelnen zu schützen, der durch die rechtswidrige Durchführung der Beihilfemaßnahme geschädigt wird. Bei der Wahrung der Interessen des Einzelnen müssen die nationalen Gerichte der Effektivität und der unmittelbaren Wirkung von Art. 108 Abs. 3 AEUV sowie dem Gemeinschaftsinteresse in vollem Umfang Rechnung tragen (vgl. zu allem: Bekanntmachung der Kommission über die Durchsetzung des Beihilferechts durch die einzelstaatlichen Gerichte – Bekanntmachung der Kommission –, ABl. 2009/C 85/1, Rn. 24 und 21 f., die zu der gleichlautenden Vorschrift des Art. 88 Abs. 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft – EG-Vertrag – ergangen ist). Klagen nach Art. 108 Abs. 3 AEUV werden grundsätzlich nach den einzelstaatlichen Verfahrensvorschriften durchgeführt. Dies setzt nach allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts allerdings voraus, dass diese nicht weniger günstig sind als diejenigen für Klagen nach nationalem Recht (Äquivalenzprinzip). Darüber hinaus dürfen die einzelstaatlichen Verfahrensvorschriften die Ausübung der durch das Gemeinschaftsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz). Der Effektivitätsgrundsatz wirkt sich unmittelbar auf die Befugnisse von Geschädigten aus, nach Art. 108 Abs. 3 AEUV Klage bei nationalen Gerichten zu erheben. In dieser Hinsicht verlangt das Gemeinschaftsrecht, dass einzelstaatliche Rechtsvorschriften über die Klagebefugnis das Recht auf einen effektiven Rechtsschutz nicht beeinträchtigen (Bekanntmachung der Kommission, Rn. 70 bis 72 mit weiteren Nachweisen).

Rechtsprechung

157

[31] Ausgehend hiervon besteht zwischen der Klägerin und der Beklagten im Hinblick auf die institutionelle Förderung, die Letztere dem Beigeladenen zuteilwerden lässt, ein hinreichend konkretisiertes Rechtsverhältnis im Sinne von § 43 Abs. 1 Alt. 1 VwGO. Eine Verletzung eigener (subjektiver) Rechte der Klägerin erscheint für den Fall als möglich (vgl. § 42 VwGO), dass sich die institutionelle Förderung des Beigeladenen als eine dem Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 AEUV unterliegende staatliche Beihilfe herausstellen sollte. Die Klägerin bietet ebenso wie die inländischen Institute des Beigeladenen in Deutschland Sprachkurse für ausländische Sprachschüler und Deutschlehrer an und steht insoweit mit diesem in einem Wettbewerbsverhältnis. Da die institutionelle Förderung des Beigeladenen es diesem ermöglichen soll, an seinen inländischen Instituten Sprachkurse für ausländische Stipendiaten durchzuführen, kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Klägerin hierdurch als dessen Wettbewerberin geschädigt wird. Die mögliche Schädigung der Klägerin begründet zugleich deren berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung (§ 43 Abs. 1 VwGO). [32] Schließlich steht der Zulässigkeit des Hilfsantrages auch nicht der Grundsatz der Subsidiarität (§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO) entgegen. Der Klägerin steht es frei, – wie von ihr im letzten Verhandlungstermin ausgeführt – auf die Anfechtung der dem Beigeladenen im Rahmen der institutionellen Förderung alljährlich erteilten Zuwendungsbescheide zu verzichten und sich damit zu begnügen, den von ihr gerügten Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht mit Blick auf die Zukunft im Rahmen ihres Feststellungsbegehrens geltend zu machen (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2010 – BVerwG 3 C 44.09 –, juris Rn. 15). Ausgehend hiervon stehen ihr für die erstrebte Rechtsverfolgung (§ 88 VwGO) keine unmittelbareren, sachnäheren und wirksameren Verfahren zur Verfügung. [33] II. Der Hilfsantrag ist unbegründet. Die institutionelle Förderung des Beigeladenen stellt keine Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV dar und unterfällt daher nicht dem gemeinschaftsrechtlichen Durchführungsverbot. [34] a) Nach Art. 108 Abs. 3 AEUV (vgl. auch Art. 3 der Verordnung [EG] Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Art. 93 des EG-Vertrages – Beihilfeverfahrensordnung –, ABl. L 83/1) dürfen Mitgliedstaaten Beihilfemaßnahmen nicht durchführen, bevor sie von der Kommission genehmigt wurden (sog. Durchführungsverbot): [35] „Die Kommission wird von jeder beabsichtigten Einführung oder Umgestaltung von Beihilfen so rechtzeitig unterrichtet, dass sie sich dazu äußern kann. Ist sie der Auffassung, dass ein derartiges Vorhaben nach Art. 87 mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar ist, so leitet sie unverzüglich das in Absatz 2 vorgesehene Verfahren ein. Der betreffende Mitgliedstaat darf die beabsichtigte Maßnahme nicht durchführen, bevor die Kommission eine abschließende Entscheidung erlassen hat.“ [36] Ein unter Verstoß gegen das Durchführungsverbot gewährte Beihilfe ist (formal) rechtswidrig und verstößt gegen Gemeinschaftsrecht. Das Durchführungsverbot soll verhindern, dass durch unangemeldete Beihilfen Benachteiligungen im Wettbewerb entstehen, die sanktionslos blieben (EuGH, Urteil vom 5. Oktober 2006 in der Rs. C-368/04, Transalpi-


158

Rechtsprechung

ne Ölleitung, Slg. 2006, I-9957, Rn. 46; zum Charakter von Art. 108 Abs. 3 AEUV als Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB siehe BGH, Urteil vom 10. Februar 2011 – I ZR 136/09 –, juris Rn. 17 ff.). [37] Das Durchführungsverbot greift nur ein, wenn es sich bei der betreffenden Maßnahme um eine staatliche Beihilfe im Sinne des Vertrages über die Arbeitsweise der EU handelt. Nach Art. 107 Abs. 1 AEUV sind – soweit in den Verträgen nichts anderes bestimmt ist – staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen. Zur Auslegung des Begriffs der staatlichen Beihilfe sind – wie der Europäische Gerichtshof ausdrücklich klargestellt hat (EuGH, Urteil vom 5. Oktober 2006, Transalpine Ölleitung, a.a.O., Rn. 39) – die nationalen Gerichte ebenso wie die Kommission befugt. Demgegenüber ist die Prüfung der Frage, ob eine Maßnahme, die den gemeinschaftsrechtlichen Beihilfebegriff erfüllt, ausnahmsweise mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist (vgl. insbesondere die in Art. 107 Abs. 2 und 3 AEUV statuierten Ausnahmen), der Kommission – unter der Kontrolle der Gemeinschaftsgerichte – vorbehalten (vgl. EuGH, Urteil vom 16. Dezember 1992 in der Rs. C-144/91, Demoor, Slg. 1992, I-6613, Rn. 26). [38] Die Qualifizierung einer Maßnahme als Beihilfe verlangt nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, dass alle in Art. 107 Abs. 1 AEUV genannten Voraussetzungen erfüllt sind: Erstens muss es sich um eine staatliche Maßnahme oder eine Maßnahme unter Inanspruchnahme staatlicher Mittel handeln. Zweitens muss sie geeignet sein, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Drittens muss dem Begünstigten durch sie ein Vorteil gewährt werden. Viertens muss sie den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen (EuGH, a.a.O.,Urteil vom 24. Juli 2003 in der Rs. C-280/00, Altmark Trans, Slg. 2003, I-7747, Rn. 4 f.). Eine Besonderheit gilt nach der sog. Altmark-Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse (ausdrücklich) betraut sind (vgl. Art. 106 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 AEUV). Öffentliche Zuschüsse, die derartigen Unternehmen gewährt werden, um die bei der Erfüllung dieser Verpflichtungen entstehenden Kosten auszugleichen, fallen, sofern die vom Europäischen Gerichtshof entwickelten Voraussetzungen erfüllt sind, nicht unter das Beihilfeverbot (EuGH, a.a.O., insb. Rn. 88 ff.). [39] Wie dem Wortlaut des Art. 107 Abs. 1 AEUV unmittelbar zu entnehmen ist, setzt das Beihilfeverbot stets voraus, dass die Begünstigung bestimmten Unternehmen oder – vorliegend nicht einschlägig: – Produktionszweigen zugutekommt. Die Frage, ob es sich bei dem Empfänger einer staatlichen Zuwendung um ein „Unternehmen“ handelt, ist mithin für die Anwendung der Beihilfevorschriften von grundlegender Bedeutung (vgl. Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Beihilfevorschriften der Europäischen Union auf Ausgleichsleistungen für die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse – Mitteilung der Kommission –, ABl. 2012/C 8/2, Rn. 8). Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes umfasst der Begriff des Unternehmens jede eine wirtschaftliche Tätigkeit

npoR Heft 3/2012

ausübende Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung (EuGH, Urteil vom 12. September 2000 in den verb. Rs. C-180/98 bis C-184/98, Pavel Pavlov, Slg. 2000, I-6451, Rn. 74 m.w.N.). Eine wirtschaftliche Tätigkeit ist jede Tätigkeit, die im Anbieten von Gütern und Dienstleistungen auf einem Markt besteht (EuGH, wie zuvor, mit weiteren Nachweisen). Auch Einheiten ohne Erwerbszweck können Güter und Dienstleistungen auf einem Markt anbieten und damit vom Unternehmensbegriff erfasst werden (EuGH, Urteil vom 16. März 2004 in den verb. Rs. C-264/01, C-306/01, C- 354/01, C-355/01, AOK, Slg. 2004, I-2493, Rn. 51 ff.). Da die Einstufung einer Einheit als Unternehmen immer in Bezug auf eine bestimmte Tätigkeit erfolgt, ist eine Einheit, die sowohl wirtschaftliche als auch nichtwirtschaftliche Tätigkeiten ausübt, nur im Hinblick auf erstere als Unternehmen anzusehen (EuGH, wie zuletzt, Rn. 58). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes findet Art. 107 Abs. 1 AEUV keine Anwendung, wenn der Staat keine wirtschaftlichen Tätigkeiten ausübt, sondern als „öffentliche Hand“ bzw. als Träger der öffentlichen Gewalt handelt (EuGH, Urteil vom 16. Juni 1987 in der Rs C-118/85, Kommission/Italien, Slg. 1987, 2599, Rn. 7-8 und Urteil vom 28. Januar 2003 in der Rs. C-334/9, BRD/Kommission, Slg 2003, I-1139, Rn. 134). Ein derartiges Handeln kann vorliegen, wenn mit der betreffenden Tätigkeit eine Aufgabe erfüllt wird, die Teil der wesentlichen Aufgaben des Staates ist oder ihrer Art, ihrem Gegenstand und den für sie geltenden Regeln nach mit diesen Aufgaben verbunden ist (EuGH, Urteil vom 19. Januar 1994 in der Rs C- 364/92, SAT Fluggesellschaft/Eurocontrol, Slg. 1994, I-43, Rn. 30, vgl. ferner Mitteilung der Kommission, Rn. 16). [40] b) Nach diesen Maßstäben übt der Beigeladene, soweit er von der Beklagten institutionell gefördert wird, keine wirtschaftliche Tätigkeit aus und ist daher kein Unternehmen im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV. [41] 1. Begünstigter der streitgegenständlichen, von der Beklagten aus Bundesmitteln gewährten institutionellen Förderung ist der Beigeladene. Da die Qualifizierung einer bestimmten Einheit als Unternehmen – wie dargelegt – maßgeblich von der Art der von der Einheit wahrgenommenen Tätigkeiten abhängt (vgl. Mitteilung der Kommission Rn. 9 mit weiteren Nachweisen), kommt vorliegend weder dem rechtlichen Status des Beigeladenen als einem eingetragenen Verein noch dem Umstand entscheidende Bedeutung zu, dass der Beigeladene satzungsgemäß ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke verfolgt sowie „selbstlos tätig“ ist, ohne in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke anzustreben (§ 2 Abs. 2 der Satzung des Beigeladenen). [42] 2. Bei der Beurteilung der Unternehmereigenschaft des Beigeladenen ist allein auf die Tätigkeiten abzustellen, die dieser im Rahmen der institutionellen Förderung erbringt. Ausweislich der Erläuterungen zu den im Bundeshaushaltsplan zur institutionellen Förderung des Beigeladenen ausgewiesenen Mitteln (Einzelplan 05, Kapitel 0504, Titel 687 40024) bestehen die vom Bund bezuschussten Aufgaben des Beigeladenen in der Förderung der deutschen Sprache im Ausland, der kulturellen Kooperation und Informationsarbeit sowie der Vermittlung eines umfassenden Deutschlandbildes (vgl. die entsprechende Bestimmung des Vereinszwecks des Beigeladenen in § 2 Abs. 1 der Satzung). Art und Gegenstand dieser Aufgaben werden in dem zwischen der Beklagten und dem Beigeladenen geschlossenen Rahmenvertrag näher kon-


npoR Heft 3/2012

kretisiert, auf den in diesen Erläuterungen zum Haushaltsplan Bezug genommen wird. Von diesen Vertragsaufgaben werden insbesondere die Förderung der Kenntnis der deutschen Sprache durch fachliche Förderung ausländischer Sprachlehrer und Germanisten sowie durch Verteilung von Stipendien zum Erlernen der deutschen Sprache (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstaben c und e des Rahmenvertrages) und die Pflege der internationalen kulturellen Zusammenarbeit durch Vergabe von Sprachstipendien an Multiplikatoren aus allen gesellschaftlichen Bereichen (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe f des Rahmenvertrages) erfasst. Demgegenüber werden Verwaltung und Betrieb der inländischen Unterrichtsstätten des Beigeladenen – wie in den Erläuterungen zu dem in Rede stehenden Haushaltstitel ausdrücklich festgehalten – vom Beigeladenen aus eigenen Mitteln (Einnahmen aus Kursgebühren) finanziert. Die Durchführung von Sprachkursen und Fortbildungsseminaren an Unterrichtsstätten des Beigeladenen in Deutschland gehört demnach nur insoweit zu den von der Beklagten budgetierten Tätigkeiten, als sie der Erfüllung von Vertragsaufgaben – insbesondere gegenüber ausländischen Sprachlehrern und Germanisten sowie Sprachstipendiaten – dient. Die übrigen Unterrichtstätigkeiten an inländischen Einrichtungen des Beigeladenen, die nicht zum Zweck der Erfüllung des Rahmenvertrages erbracht werden, gehören nicht zu den von der Beklagten bezuschussten Aufgaben und müssen bei der gebotenen funktionellen Betrachtungsweise (vgl. EuGH, Urteil vom 16.März 2004, AOK Bundesverband, a.a.O., Rn. 58) im Rahmen der Beurteilung der Unternehmereigenschaft des Beigeladenen außer Betracht bleiben. [43] 3. Die vom Beigeladenen im Rahmen der institutionellen Förderung erbrachten Tätigkeiten weisen keinen wirtschaftlichen Charakter auf, der die Anwendung der Wettbewerbsregeln des Vertrages über die Arbeitsweise der EU rechtfertigen würde. Sie stellen sich vielmehr der Sache nach als ein Handeln der öffentlichen Hand dar. [44] Der Beigeladene erfüllt mit den betreffenden Tätigkeiten Aufgaben, die Teil der wesentlichen Aufgaben des Staates sind (zu diesem Maßstab EuGH, Urteil vom 19. Januar 1994, SAT Fluggesellschaft, a.a.O., Rn. 30 und Mitteilung der Kommission, Rn. 16). Die Förderung der deutschen Sprache im Ausland gehört ebenso wie die kulturelle Kooperation und Informationsarbeit sowie die Vermittlung eines umfassenden Deutschlandbildes im Rahmen der Pflege der auswärtigen Beziehungen zur nach außen gerichteten Kulturpolitik der Beklagten (Art. 32 Abs. 1 GG). Entsprechend sind die dem Beigeladenen zur Erfüllung dieser Aufgaben bereitgestellten Haushaltsmittel in dem für das Auswärtige Amt bestimmten Einzelplan im Kapitel zur Pflege kultureller Beziehungen zum Ausland unter der Rubrik „Allgemeine Auslandskulturarbeit“ ausgewiesen. Nach dem politischen Willen der Beklagten stellt der Beigeladene auf dem Gebiet der deutschen auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik eine der wichtigsten Mittlerorganisationen der auswärtigen Kulturverwaltung dar, die der deutschen Kultur im Ausland mithilfe ihres umfangreichen Kontaktnetzes sowohl ein „Gesicht“ als auch eine Plattform geben soll (Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses, BT-Drs. 16/4132). Der Umstand, dass die Beklagte sich zu diesem Zweck einer nicht in die behördliche Organisationsstruktur eingebundenen, mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestatteten privatrechtlichen Organisation bedient, lässt die Zugehörigkeit der auswärtigen Kulturpolitik zum Kanon staatlicher Aufgaben unberührt

Rechtsprechung

159

(vgl. EuGH, Urteil vom 16. Juni 1987, Kommission/Italien, a.a.O., Rn. 11). [45] 4. Anders als die Klägerin meint, lassen sich die vom Beigeladenen an seinen inländischen Einrichtungen ausgeübten Unterrichtstätigkeiten nicht von den anderen, im Ausland erbrachten Tätigkeiten des Beigeladenen trennen. Vielmehr stellen sich die im Inland erbrachten Leistungen ihrer Zweckbestimmung nach als integraler Bestandteil der Aufgabe auswärtiger Kulturpolitik dar. [46] Der Rahmenvertrag enthält in § 1 Abs. 1 Satz 2 eine Bestimmung dazu, an welchem Ort der Beigeladene im Rahmen der Auslandskulturarbeit tätig werden soll. Nach dieser Vorschrift enthält der Beigeladene zur Durchführung der Vertragsaufgaben im Ausland und im Inland Kulturinstitute. Das Vorbringen der Klägerin, die an den inländischen Einrichtungen des Beigeladenen für Stipendiaten erbrachten Leistungen könnten bereits begrifflich keine auswärtige Kulturarbeit darstellen, vermag das Gericht nicht zu überzeugen. Vielmehr lässt sich die Förderung der Kenntnisse der deutschen Sprache im Ausland ebenso wie die Pflege der internationalen kulturellen Zusammenarbeit und die Vermittlung eines umfassenden Deutschlandbildes gerade während eines Aufenthalts der betreffenden ausländischen Sprachlehrer, Multiplikatoren und sonstigen Stipendiaten im Bundesgebiet auf besonders intensive Weise verwirklichen. Denn deutsche Sprache und Kultur sowie Tradition und Gegenwart der deutschen Kultur lassen sich vorzugsweise in Deutschland selbst authentisch erfahren und erleben. Die inländischen Kulturinstitute des Beigeladenen stellen – soweit an ihnen Unterrichtstätigkeiten für die in Rede stehenden Stipendiaten ausgeübt werden – bildlich gesprochen Brückenköpfe auswärtiger Kulturpolitik im Inland dar. [47] Die Bewertung der ausländischen Kulturarbeit im Ausund Inland als von ihrer Zielrichtung her untrennbare Einheit wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die in Rede stehende Unterrichtstätigkeit – worauf die Klägerin hingewiesen hat – bei isolierter Betrachtung wirtschaftlicher Art sein könnte. Insoweit ist – wie der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zur Trennbarkeit von Tätigkeiten im Bereich der Gesundheitsfürsorge zu entnehmen (EuGH, Urteil vom 11. Juli 2006 in der Rs. C-205/03 P, FENIN, Slg. 2006, I-6295, Rn. 25 f., mit dem dieser das Urteil des Europäischen Gerichts erster Instanz vom 4. März 2003, in der Rs. T-319/99, FENIN, Slg. 2003, II-357, Rn. 36 bestätigt) – eine funktionelle Betrachtungsweise geboten: Danach sind Tätigkeiten, die an sich wirtschaftlicher Art sein könnten, aber allein zum Zweck der Erbringung einer anderen, nichtwirtschaftlichen Tätigkeit erfolgen – in dem vom Europäischen Gerichtshof entschiedenen Fall: Einkaufstätigkeiten zur Erbringung von Gesundheitsfürsorgeleistungen, die auf dem Solidaritätsprinzip basieren –, gleichwohl nicht wirtschaftlicher Natur (vgl. auch Stellungnahme der Kommission, Rn. 23). Dies trifft auch auf die in Rede stehenden Unterrichtstätigkeiten an inländischen Kultureinrichtungen des Beigeladenen im Verhältnis zur Umsetzung auswärtiger Kulturpolitik zu. Denn die Unterrichtung ausländischer Stipendiaten in Deutschland erfolgt allein zum Zweck der Erbringung der im Rahmenvertrag umschriebenen Leistungen und ist von dieser Zweckbestimmung nicht zu trennen. Aus denselben Erwägungen erweist sich auch der Einwand der Klägerin darauf, dass – anders als im auswärtigen Bereich – im Inland Leistungsanbieter zur Verfügung ste-


160

Rechtsprechung

hen, die die in Rede stehenden Unterrichtsleistungen an Stelle des Beigeladenen erbringen könnten, als unbeachtlich. [48] Die Klägerin weist weiter zwar nachvollziehbar darauf hin, dass die Finanzierung der in Rede stehenden Unterrichtsleistungen aus staatlichen Mitteln wirtschaftliche Vorteile – etwa im Hinblick auf eine höhere Grundauslastung der Kurse, die damit einhergehende Umsatzsteigerung und die Erleichterung der Kostenkalkulation – für die übrigen Betätigungen der inländischen Kultureinrichtungen des Beigeladenen mit sich bringen kann. Etwaige reflektorische Auswirkungen der beschriebenen Art und Intensität auf den Wettbewerb in Tätigkeitsbereichen des Beigeladenen, die nicht von der institutionellen Förderung durch die Beklagte erfasst werden, sind jedoch ohne Belang für die Qualifikation derjenigen – im vorliegenden Kontext allein maßgeblichen – Tätigkeiten, die der Beigeladene im Bereich der allgemeinen Auslandskulturarbeit erbringt. [49] Da es dem Beigeladenen im Hinblick auf die streitgegenständliche staatliche Förderung bereits an der Unternehmereigenschaft fehlt, erübrigt sich eine Prüfung der übrigen zur Abgrenzung des gemeinschaftsrechtlichen Beihilfebegriffs entwickelten Kriterien. [50] C. [...] [51] Die Berufung wird nicht zugelassen (§ 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die erhebliche rechtliche Schwierigkeiten aufweisende Rechtssache kann von der ersten Instanz nur zugelassen werden, wenn sie grundsätzliche Bedeutung hat (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) oder eine Abweichung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO vorliegt. Beide Zulassungsgründe sind vorliegend nicht erfüllt.

Anmerkung Das VG Berlin qualifiziert die institutionelle Förderung des Goethe-Instituts nicht als Beihilfe an ein Unternehmen i.S.v. Art. 107 Abs. 1 AEUV und begründet dies damit, dass das Goethe-Institut hoheitlich tätig werde, weshalb es sich nicht um ein Unternehmen handele. Das Gericht legt die Rechtsprechung des EuGH zu Grunde (Rn. 39), nach der ein Unternehmen jede wirtschaftliche Einheit ist, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, unabhängig von der Rechtsform und der Art der Finanzierung.1 Eine wirtschaftliche Tätigkeit ist in der Regel im Anbieten von Gütern und Dienstleistungen auf dem Markt gegen Entgelt zu sehen, weil diese Betätigung zumindest potentiell von Wettbewerbern mit Einnahmeerzielungsabsicht ausgeübt wird.2 Unentgeltliche und hoheitliche Tätigkeiten sind dagegen als nichtwirtschaftlich zu qualifizieren. Unbeachtlich ist nach dem oben genannten Unternehmensbegriff also, wie das VG Berlin zutreffend ausführt, dass das Goethe-Institut als eingetragener Verein organisiert ist und gemeinnützige Zwecke verfolgt. Entscheidend ist vielmehr der Charakter der Tätigkeiten, wobei diese bei Vorliegen unterschiedlicher Tätigkeitsbereiche jeweils für sich zu betrachten sind.3 Das Gericht gelangt zu der Auffassung, die Durchführung von Sprachkursen und Fortbildungsseminaren sei keine wirtschaftliche, sondern eine hoheitliche Tätigkeit, da die Förderung der deutschen Sprache und Kultur im Ausland zur auswärtigen Kulturpolitik gehöre und damit nach Art. 32 Abs. 1 GG („Die Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten

npoR Heft 3/2012

ist Sache des Bundes.“) eine staatliche Aufgabe sei (Rn. 44). Hierunter sei auch die Vermittlung der deutschen Sprache und Kultur an ausländische Besucher im Inland zu fassen. Dem ist nicht zuzustimmen. Die Entgeltlichkeit der Leistungen indiziert deren wirtschaftlichen Charakter.4 Dieser bestätigt sich dadurch, dass es andere gewinnorientierte und gemeinnützige Betreiber von Sprachschulen – wie die Klägerin – und Fortbildungseinrichtungen auf dem Markt gibt.5 Es existieren auch zahlreiche Anbieter von Austauschprogrammen. Selbst wenn man der Auffassung der beklagten Bundesrepublik Deutschland folgen würde, dass die Klägerin als Sprachschulbetreiberin nicht in einem Wettbewerbsverhältnis zum Goethe-Institut stehe, das ein umfassendes AustauschProgramm anbietet (Rn. 16), so ist es jedenfalls der Konkurrenz dieser Unternehmen ausgesetzt.6 Der Umstand, dass hier möglicherweise Qualitätsunterschiede bestehen, steht dem nicht entgegen. Der Argumentation des Gerichts, wonach – unter Heranziehung von Art. 32 Abs. 1 GG – die Wirtschaftlichkeit der Betätigung wegen des hoheitlichen Charakters des Handelns des Goethe-Instituts nicht anzunehmen sei, ist nicht zu folgen, da der Prüfung der hoheitlichen Eigenschaft kein nationaler, sondern ein unionsrechtlicher Maßstab zu Grunde zu legen ist.7 Auch danach ist eine hoheitliche Tätigkeit abzulehnen. Bereits die Systematik des Art. 107 AEUV spricht gegen die Annahme einer hoheitlichen Tätigkeit. Denn nach dessen Abs. 3 lit. d Fall 1 kann die Kommission Beihilfen zur Förderung der Kultur genehmigen, woraus zu folgern ist, dass diese den Beihilfentatbestand erfüllen. Unter diese Ausnahmevorschrift haben die Kommission und das EuG unter anderem eine Beihilfe mit ähnlicher Zielrichtung, nämlich zur Verbreitung der französischen Sprache durch die Subventionierung der Ausfuhr französischsprachiger Bücher, gefasst.8 Zudem legt der EuGH den Begriff der hoheitlichen Tätigkeit eng aus und hat in seiner bisherigen Rechtsprechung nur solche Betätigungen darunter gefasst, die notwendigerweise mit der Übertragung von Hoheitsprivilegien und Zwangsbefugnissen verbunden sind, wie etwa die Flugüberwachung durch 1 EuGH, Urt. v. 12.9.2000 – verbundene Rechtssachen C-180/98 bis 184/98, Pavel Pavlov, Rn. 74 m.w.N., Slg. 2000, I-6451. 2 EuGH, Urt. v. 16.11.1995 – C-244/94, Fédération Francaise des Sociétés d´Assurances, Rn. 17, Slg. 1995, I-4013; EuGH, Urt. v. 17.2.1993 – verbundene Rechtssachen C-159/91 und C-160/91, Poucet und Pistre, Rn. 11, Slg. 1993, I-637. 3 EuGH, Urt. v. 29.10.1980 – verbundene Rechtssachen C-209/78 bis C-215/78 und C-218/78, van Landewyck Sarl, Rn. 87 f., Slg. 1980, 3125; Europäische Kommission, Schreiben v. 20.2.2008 – D(2008)133, AWO SANO, abrufbar unter: www.paritaetalsopfleg.de/downloads/Ueber/Gremien/AWOSANO.pdf (letzter Abruf: 10.7.2012); vgl. hierzu auch Gilberg, Die Förderung gemeinnütziger Körperschaften durch öffentliche Aufträge und Dienstleistungskonzessionen, 2011, S. 59 ff.; Helios, Steuerliche Gemeinnützigkeit und EG-Beihilfenrecht, 2005, S. 85 ff. 4 Vgl. EuGH, Urt. v. 17.2.1993 – verbundene Rechtssachen C-159/91 und C-160/91, Poucet und Pistre, Rn. 11, Slg. 1993, I-637. 5 EuGH, Urt. v. 25.10.2001 – C-475/99, Ambulanz Glöckner, Rn. 20, Slg. 2001, I-8089. 6 Sähe man nur diese Unternehmen als Wettbewerber an, wären sie, nicht aber die Klägerin, klagebefugt, die Beihilfenrechtswidrigkeit geltend zu machen. 7 Vgl. Bröhmer, Calliess/Ruffert-EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 51 AEUV Rn. 4. 8 EuG, Urt. v. 18.9.1995 – T-49/93, SIDE, Rn. 62, Slg. 1995, II2501; Europäische Kommission, Entscheidung v. 10.6.1998 – K(1998)1728, Coopérative d’exportation du livre français, ABl. 1999 Nr. L-44, 37, 52.


npoR Heft 3/2012

Eurocontrol.9 In seiner Entscheidung hierzu hat das Gericht ferner darauf abgestellt, dass das gleichnamige Unternehmen nur auf Antrag eines Vertragsstaates tätig wird, Gebühren nach einem von den Staaten festgelegten Satz für deren Rechnung erhebt und auch dann zur Wahrnehmung seiner Aufgaben verpflichtet ist, wenn der Flugzeugbetreiber die Gebühren nicht entrichtet hat. Die Veranstaltung von Sprachkursen und Fortbildungsveranstaltungen durch das Goethe-Institut weist keine vergleichbaren Merkmale auf, weshalb sie nicht als hoheitliche Tätigkeit einzuordnen ist. Weiterhin steht dem wirtschaftlichen Charakter nicht entgegen, dass das Goethe-Institut ausgewählten Stipendiaten im Rahmen eines Stipendienprogramms Sprach- und Fortbildungskurse kostenlos anbietet. Zwar wird die Vergabe von Stipendien grundsätzlich zu Recht als nichtwirtschaftliche Tätigkeit angesehen, weil sie nicht von einem anderen Marktteilnehmer mit der Absicht, Einnahmen zu erzielen, erbracht werden kann.10 Dies kann jedoch nur dann gelten, wenn eine gemeinnützige Körperschaft – insbesondere eine Förderstiftung – entweder ausschließlich durch die Zuteilung von Sach- oder Geldstipendien unentgeltlich tätig wird oder wenn die Stipendienvergabe und die entgeltlichen Marktaktivitäten voneinander zu trennende Betätigungen sind. Im vorliegenden Fall ist die Stipendienvergabe jedoch untrennbar mit dem Kursangebot verknüpft, da die Stipendiaten nur die Kurse des Goethe-Instituts und nicht die anderer Anbieter besuchen dürfen. Durch die Stipendien, die aus der Zuwendung des Bundes zur institutionellen Förderung stammen, werden also die entgeltlich angebotenen Kurse für die Stipendiaten subventioniert. Vor diesem Hintergrund ist das Goethe-Institut als Unternehmen im beihilferechtlichen Sinne anzusehen. Unter dieser Prämisse hätte das VG Berlin als nächstes Merkmal des Beihilfenbegriffs prüfen müssen, ob die gewährten Zuwendungen einen wirtschaftlichen Vorteil ohne marktgerechte Gegenleistung darstellen. Dies ist nach der sogenannten Altmark-Rechtsprechung des EuGH, die den Ausgleich für die Erbringung gemeinwirtschaftlicher Leistungen betrifft, nur unter vier Voraussetzungen zu verneinen: Erstens muss das Unternehmen mit der Erfüllung klar definierter Verpflichtungen betraut sein, zweitens sind die Parameter der Ausgleichsberechnung zuvor objektiv und transparent aufzustellen, drittens muss der wirtschaftliche Vorteil unter Berücksichtigung der Einnahmen und eines angemessenen Gewinns erforderlich sein und viertens darf der Ausgleichsbetrag nur dem für ein durchschnittliches, gut geführtes Unternehmen Notwendigen entsprechen, was durch eine Kostenanalyse zu ermitteln ist, wenn das Unternehmen nicht im Rahmen eines Vergabeverfahrens ausgewählt wurde.11 Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben, da es jedenfalls an einer Marktanalyse dazu fehlt, ob nur ein Ausgleich für ein vergleichbares Unternehmen gewährt wurde. Diese wäre mangels Durchführung eines Vergabeverfahrens vor der Bewilligung der Zuwendung notwendig gewesen. Es ist jedoch auch bereits zweifelhaft, ob das Goethe-Institut mit klar definierten gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen betraut ist. Zwar dürfte es sich noch begründen lassen, dass die angebotenen Kurse gemeinwirtschaftliche Dienstleistungen sind, weil die Mitgliedstaaten diesbezüglich einen weiten Ermessensspielraum haben.12 Jedoch hat die Bundesrepublik Deutschland das Goethe-Institut durch den Abschluss des Rahmenvertrags13 nicht mit klar definierten, d.h. sachlich, örtlich und zeitlich bestimmten Gemeinwohlpflichten betraut,

Rechtsprechung

161

sondern allenfalls durch die in dem Urteil erwähnten (detaillierteren) Zielvereinbarungen hierzu verpflichtet. Denn der Vertrag beschreibt nur allgemein die Aufgaben und Ziele des Goethe-Instituts – die Förderung der Kenntnis der deutschen Sprache, die Pflege der internationalen kulturellen Zusammenarbeit und die Vermittlung eines umfassenden Deutschlandbildes – und legt keine konkreten Pflichten fest, etwa über den Inhalt, die Häufigkeit und Anzahl der Kurse bzw. Veranstaltungen und die Anzahl, Auswahl oder Qualität der Teilnehmer. Er statuiert im Gegenteil sogar ausdrücklich, dass die Programmgestaltung in den Händen der jeweiligen Leitung der ausländischen und inländischen Institute liegt (§ 4 Abs. 4 des Rahmenvertrages), was im Übrigen vermuten lässt, dass auch die Zielvereinbarungen nicht hinreichend konkret sind. Da schon klar definierte Pflichten fehlen, sind auch die zweite und dritte Voraussetzung nach der Altmark-Rechtsprechung nicht erfüllt, nämlich dass die Parameter für den Ausgleich dieser Pflichten zuvor aufgestellt wurden und der staatliche Vorteil nur die Belastung auf Grund von gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen ausgleicht. An Stelle festgelegter Parameter bestimmt das Auswärtige Amt vielmehr in jedem Haushaltsjahr das Budget des Goethe-Instituts auf der Grundlage eines Wirtschaftsplans von Neuem (§§ 5, 6 des Rahmenvertrages). Aus den genannten Gründen dürfte auch die Bereichsausnahme für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut sind (Art. 106 Abs. 2 Fall 1 AEUV), nicht greifen, weil diese die Erfüllung der ersten drei Altmark-Kriterien voraussetzt.14 Überdies ist das weitere Merkmal des Beihilfentatbestandes, die (drohende) Wettbewerbsverfälschung, erfüllt, da die Beihilfe geeignet ist, die Marktstellung des Begünstigten zu Lasten der Konkurrenten zu verbessern.15 Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die institutionelle Förderung des Goethe-Instituts ohne Auswirkungen auf den Markt

9 EuGH, Urt. v. 19.1.1994 – C-364/92, Eurocontrol, Rn. 20 ff., Slg. 1994, I-43; bestätigt durch EuGH, Urt. v. 26.3.2009 – C-113/07, Selex Sistemi Integrati, Rn. 70 ff., Slg. 2009, I-2207; vgl. von Wallenberg/Schütte, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union – Bd. 1 EUV/AEUV, Stand: Oktober 2011, Art. 107 Rn. 39; vgl. auch die Entscheidung der Kommission zur hoheitlichen Tätigkeit einer Hafenbehörde: Europäische Kommission, Entscheidung v. 16.10.2002 – N438/02, Belgien-Beihilfe für Hafenbehörde, ABl. 2002 Nr. C-284, 2. 10 Vgl. EuGH, Urt. v. 10.1.2006 – C-222/04, Cassa di Risparmio di Firenze, Rn. 120 f., Slg. 2006, I-289; Gilberg (Fn. 3), S. 62 f. 11 EuGH, Urt. v. 24.7.2003 – C-280/00, Altmark-Trans, Rn. 89 ff., Slg. 2003, I-7747. 12 Art. 1 UAbs. 1 Zusatzprotokoll 26 zum AEUV; zuvor schon EuGH, Urt. v. 23.10.1997 – C-159/94, Kommission/Frankreich, Rn. 40, Slg. 1997, I-5819; EuG, Urt. v. 12.2.2008 – T-289/03, BUPA, Rn. 187, Slg. 2008, II-81; Europäische Kommission v. 29.11.2005, Gemeinschaftsrahmen zu Beihilfen für öffentliche Dienstleistungen, ABl. 2005 Nr. C-297/4, Rn. 9. 13 Abrufbar unter: www.goethe.de/mmo/priv/1527476-STANDARD.pdf (letzter Abruf: 10.7.2012). 14 Jung, Calliess/Ruffert-EUV/AEUV (Fn. 7), Art. 106 AEUV Rn. 40 ff. 15 EuGH, Urt. v. 15.12.2005 – C-148/04, Unicredito, Rn. 54, Slg. 2005, I-11137; EuGH, Urt. v. 29.4.2004 – C-372/97, Italien/Kommission, Rn. 44, Slg. 2004, I3679; EuGH, Urt. v. 24.10.1996 – verbundene Rechtssachen C-329/93, C-62/95 und C-63/95, Bremer Vulkan, Rn. 52, Slg. 1996, I-5151; Cremer, Calliess/Ruffert-EUV/AEUV (Fn. 7), Art. 107 AEUV Rn. 30.


162

npoR Heft 3/2012

Verwaltungsanweisungen

bleibt, da sie keine geringfügige Beihilfe i.S. der De-minimisVerordnung16 mit einer Begünstigung von weniger als 200.000 EUR in drei Wirtschaftsjahren ist. Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass die Zuwendungen an das Goethe-Institut Beihilfen i.S.v. Art. 107 Abs. 1 AEUV sind. Dies gilt hinsichtlich aller Einrichtungen des Instituts im Geltungsbereich des AEUV, die Sprach- und Fortbildungskurse anbieten. In materiellrechtlicher Hinsicht kommt zwar eine Genehmigung der Kommission nach Art. 107 Abs. 3 lit. d Fall 1 AEUV in Betracht. Die Beihilfen hätten dennoch jedenfalls bei der EU-Kommission notifiziert werden müssen, sind daher formell rechtswidrig und können jederzeit einer Prüfung der Kommission unterzogen werden. Für den Fall, dass diese die Beihilfe nicht als gerechtfertigt ansieht, steht der Bundesrepublik Deutschland meines Erachtens keine andere Möglichkeit offen, als die Beihilfe zukünftig derart auszugestalten, dass sie mit der Altmark-Rechtsprechung oder Art. 106 Abs. 2 AEUV vereinbar ist. Vor allem besteht nicht die Option, das Handeln des Goethe-Instituts als hoheitliche Tätigkeit vom Beihilfenverbot auszunehmen. Selbst wenn dem Institut weitere Befugnisse, etwa zur Gebührenerhebung für die angebotenen Kurse übertragen werden, wird das Angebot von Sprach- und Fortbildungskursen stets eine Betätigung bleiben, die prinzipiell jeder Marktteilnehmer erbringen kann.

Konkurrenten des Goethe-Instituts, auch gemeinnützige Körperschaften, können sich auf den Verstoß gegen das Beihilfenrecht berufen, wie das VG Berlin zutreffend feststellt.17 Sie sind klagebefugt, wenn sie in einem Wettbewerbsverhältnis stehen. Dr. Anika Gilberg, Hamburg

16 Verordnung 1998/06/EG, ABl. 2006 Nr. L-379, 5. 17 EuGH, Urt. v. 11.12.1973 – C-120/73, Lorenz, Rn. 7 f., Slg. 1973, 1471; Wahl/Schütz, Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner-VwGO, Stand: September 2011, § 42 Abs. 2 Rn. 302.

Verwaltungsanweisungen Mit dem Betrieb von Krankenhäusern und ähnlichen Einrichtungen eng verbundene Umsätze OFD Frankfurt a.M., Rundverf. v. 6.2.2012 – S 7170 A - 92 - St 112 1. Allgemeines Mit dem Betrieb der in § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG bezeichneten Einrichtungen sind solche Umsätze eng verbunden, die für diese Einrichtungen nach der Verkehrsauffassung typisch und unerlässlich sind, regelmäßig und allgemein beim laufenden Betrieb vorkommen und damit unmittelbar oder mittelbar zusammenhängen (vgl. BFH v. 1. 12. 1977, V R 37/75, BStBl II 1978, 173, BeckRS 1977, 22004286). Die Umsätze dürfen nicht im Wesentlichen dazu bestimmt sein, den Einrichtungen zusätzliche Einnahmen durch Tätigkeiten zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb zu steuerpflichtigen Umsätzen anderer Unternehmer stehen (Abschn. 4.14.6 Abs. 1 UStAE). Umsätze eines Krankenhauses sind nicht mehr eng verbunden i. S. des § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG, wenn die ihnen zugrundeliegenden Leistungen in einem abgrenzbaren Bereich außerhalb der typischen Tätigkeit der Einrichtung erbracht werden. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn das Krankenhaus mit diesen Leistungen in eine gewisse Konkurrenz zu anderen nicht begünstigten Unternehmen tritt. Zweifelsfälle sind dabei nach der Verkehrsanschauung zu beurteilen.

Krankenhäuser, Kurkliniken, Vorsorge- und Rehabilitationskliniken usw. können die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG in Anspruch nehmen, wenn es sich um Einrichtungen handelt, die die Voraussetzungen des § 4 Nr. 14 Buchst. b Doppelbuchst. aa - gg UStG erfüllen (Abschn. 4.14.5 Abs. 1 UStAE). Liegen diese Voraussetzungen vor, sind Unterbringung und Verpflegung der Patienten als eng verbundene Umsätze zu qualifizieren und deshalb umsatzsteuerfrei (Abschn. 4.14.6 Abs. 2 Nr. 1 UStAE). Wegen der einzelnen Voraussetzungen wird auf Abschn. 4.14.5 Abs. 2 - 22 UStAE verwiesen. Die Leistungen dieser Einrichtungen sind nur insoweit steuerfrei, als sie sich auf den Bereich der Zulassung, des Vertrages bzw. der Regelung nach Sozialgesetzbuch beschränken (Abschn. 4.14.5 Abs. 24 Satz 2 UStAE). Die Steuerbefreiung ist nur der Art nach und nicht dem Umfang nach beschränkt. So fallen Leistungen, die über den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung hinausgehen wie z. B. Chefarztbehandlung, Doppel- oder Einzelzimmerbelegung, ebenfalls unter die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG (Abschn. 4.14.5 Abs. 25 UStAE). 2. Eng mit dem Betrieb von Krankenhäusern und ähnlichen Einrichtungen verbundene Umsätze Folgende Leistungen können nach den Vorgaben der 6. EGRL – ergänzend zu den Regelungen in Abschn. 4.14.6 Abs. 2


Verwaltungsanweisungen

npoR Heft 3/2012

UStAE – als eng mit dem Betrieb eines Krankenhauses verbundene Umsätze angesehen werden: - Beherbergung und Verpflegung von ärztlich verordneten Begleitpersonen von Patienten. Die Begleitpersonen müssen an der Versorgung der Patienten beteiligt sein und ihre Anwesenheit muss für die Behandlung oder den Behandlungserfolg medizinisch notwendig sein. Die medizinische Notwendigkeit muss durch eine Bestätigung des behandelnden Arztes – einweisender Arzt oder auch der aufnehmende Klinikarzt – nachgewiesen werden (vgl. auch Schrb. des BMF v. 9. 11. 1999, IV D 2 – S 7172 – 30/99, BeckVerw 090460). Nutzungsüberlassung von medizinischen Großgeräten und die damit verbundene Gestellung von medizinischem Hilfspersonal durch Einrichtungen nach § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG an andere Einrichtungen dieser Art (Abschn. 4.14.6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 UStAE). Als Großgeräte gelten bis auf Weiteres: - Linksherzkatheter-Messplätze (LHM) - Computertomographie-Geräte (CT) - Kernspintomographie-Geräte (MR) - Positronen-Emissions-Computer-Tomographen (PET) - Linearbeschleuniger (LIN) - Telecobalt-Geräte (Co-60) - Geräte zur extrakorporalen Stoßwellen-Lithotripsie wie Nierenlithotripter (NIL) und Gallenlithotripter (GAL) - Diagnostische Bio-Magnetismus-Anlagen (BMA) Personalgestellung an niedergelassenen Arzt. Voraussetzung hierfür ist: - sie muss für die ärztliche Versorgung der Krankenhauspatienten unerlässlich sein, - sie darf nicht dazu bestimmt sein, dem Krankenhaus zu- sätzliche Tätigkeiten zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb mit Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer unterliegenden gewerblichen Unternehmen durchgeführt werden (Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b der 6. EG-RL), - entgeltliche Personal- und Sachmittelgestellung eines Krankenhauses an einen dort angestellten Chefarzt für das Betreiben einer eigenen Praxis im Krankenhaus. 3. Nicht eng mit dem Betrieb von Krankenhäusern und ähn- lichen Einrichtungen verbundene Umsätze Folgende Leistungen können nach den Vorgaben der 6. EGRL – ergänzend zu den Regelungen in Abschn. 4.14.6 Abs. 3 UStAE – nicht als eng mit dem Betrieb eines Krankenhauses verbundene Umsätze angesehen werden und sind deshalb ab dem 1. 1. 2005 der Umsatzsteuer zu unterwerfen: - Lieferungen von Waren (zusätzliche Getränke, Süßigkeiten, Zeitschriften) an Patienten, Heimbewohner, Personal oder Besucher. - Lieferung von Speisen und Getränken einer Krankenhausküche an Dritte außerhalb des Krankenhauses. - Gewährung von Beherbergung, Beköstigung und sonstigen Naturalleistungen an das Personal. - Überlassung von Büchern, Rundfunk- und Fernsehgeräten sowie Fernsprechanlagen an Patienten, Heimbewohner, Personal oder Besucher zur Mitbenutzung. - Betrieb einer Kindertagesstätte (Betreuung der Kinder von Arbeitnehmern). - Personalgestellungen, wenn die unter Tz. 2 genannten Voraussetzungen nicht gegeben sind. - Beherbergung und Verpflegung von Besuchern und Gästen. - Beherbergung und Verpflegung von Patienten im Zusammenhang mit der Durchführung offener Badekuren.

163

- Die Ermittlung der nicht begünstigten Umsätze ist dabei aus Gründen der Gleichmäßigkeit der Besteuerung stets nach dem Verhältnis der Umsätze vorzunehmen, auch wenn im Einzelfall eine räumliche Trennung der Gäste möglich ist. - Gestellung von Personal einer Krankenhausapotheke an die Krankenhausapotheke eines anderen Krankenhausträgers. Ebenfalls nicht eng mit dem Betrieb von Krankenhäusern und ähnlichen Einrichtungen verbunden, sind Leistungen einer Zeitarbeitsfirma, die ausschließlich auf die bloße Gestellung bzw. den Verleih/die Vermittlung von Personal an diese Einrichtungen zielen. Der Zweck der Leistungen ist hierbei nicht auf die Erbringung von Pflegeleistungen gerichtet (vgl. auch Tz. 1). Derartige Leistungen sind daher umsatzsteuerpflichtig.

Wirtschaftliche Hilfsbedürftigkeit i. S. d. § 53 Nr. 2 Satz 1 AO OFD Frankfurt a.M., Rundverf. v. 19.2.2012 – S 0172 A - 3 - St 53 Gemäß § 53 Nr. 2 Satz 1 AO verfolgt eine Körperschaft durch die selbstlose Unterstützung bedürftiger Personen mildtätige Zwecke, wenn deren Bezüge das Vierfache, beim Alleinstehenden oder Haushaltsvorstand das Fünffache des Regelsatzes der Sozialhilfe i. S. d. § 22 des Bundessozialhilfegesetzes nicht übersteigen. Diese Regelsätze wurden in Hessen wie folgt festgesetzt: Haushaltsvorstände und alleinstehende (sog. Eckregelsatz)

Ehepaare und Lebenspartner, die zusammen leben (90 % Eckregelsatz)

Sonstige Haushaltsangehörige bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres

ab Vollendung des 14. Lebensjahres

Zeitraum

ab 1.1.2005

345

311

207

276

ab 1.7.2007

347

312

208

278

ab 1.7.2008

351

316

211

281

Ab 1.7.2009 wurden die Regelsätze neu eingeteilt und wie folgt festgesetzt:

ab 1.7.2009

Haushaltsvorstände und alleinstehende (sog. Eckregelsatz)

Ehepaare und Lebenspartner, die zusammen leben (90 % Eckregelsatz)

Sonstige Haushaltsangehörige bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres

Ab Beginn des 7. bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres

Ab Beginn des 15. Lebensjahres

359

323

215

251

287

Ab 1.1.2011 wurden die Regelsätze neu bemessen und durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Ände-


164

npoR Heft 3/2012

Verwaltungsanweisungen

rung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 geändert. Nunmehr werden die Regelsätze vom Bund ermittelt. Da Hessen von der Möglichkeit einer abweichenden Festsetzung keinen Gebrauch gemacht hat, gelten diese vom Bund ermittelten Regelsatzfestsetzungen. Hiernach gilt ab 1.1.2011 Folgendes: Regelbedarfsstufe

Inhalt

Regelsatz ab dem 1.1.2011 €

Regelsatz ab dem 1.1.2012 €

1

Für eine erwachsene Leistungsberechtigte Personen, die als alleinstehende oder alleinerziehende Person einen eigenen Haushalt führt

364

374

2

Für jeweils zwei erwachsene Leistungsberechtigte, die als Ehegatten, Lebenspartner oder in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft einen gemeinsamen Haushalt führen

328

337

3

Für eine erwachsene Leistungsberechtigte Personen, die weder einen eigenen Haushalt führt noch als Ehegatte, Lebenspartner oder in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft einen gemeinsamen Haushalt führt

291

299

4

Für eine leistungsberechtigte Jugendliche oder einen leistungsberechtigten Jugendlichen vom Beginn des 15. bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres

287

287

5

Für ein leistungsberechtigtes Kind vom Beginn des 7. bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres

251

251

6

Für ein leistungsberechtigtes Kind bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres

215

219

Hintergrund: Seit dem 1.1.2011 sind neue Regelungen zur Ermittlung des Regelbedarfs für die Sozialhilfe in Kraft, die nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9.2.2010 (NZS 2010, 270) geändert werden mussten. Das Bundesverfassungsgericht hatte u.a. moniert, dass die Berechnung nicht transparent war und der Bedarf für Kinder nicht nachvollziehbar errechnet worden ist.

Der seit dem 1.1.2011 geltende Regelbedarf wird durch das Regelbedarfsermittlungsgesetz (RBEG) ermittelt. In der Anlage zu § 28 SGB XII finden sich die neuen Regelbedarfssätze. Neu ist, dass es den so genannten Haushaltsvorstand nicht mehr gibt, sondern dass ein alleinstehender Erwachsener oder ein alleinerziehender Erwachsener den höchsten Bedarf hat (364 Euro = Regelstufe 1). Danach folgen zwei Erwachsene, die gemeinsam einen Haushalt führen und jeweils die Regelstufe 2 (328 Euro) erhalten.

Das Problem für den gemeinnützigen Sektor liegt darin, dass diese Bemessungsgrundlage in § 53 AO als Grenze für das Einkommen von Personen herangezogen wird, denen mildtätige Hilfe gewährt werden darf. In § 53 Nr. 2 S. 1 1. und 2. HS AO beträgt der Höchstsatz an Einkommen

- für diese Personengruppe das Vierfache des Regelsatzes der Sozialhilfe,

- beim Haushaltsvorstand oder beim Alleinstehenden ist es das Fünffache.

Die Frage für die betreffenden Förderstiftungen und andere Organisationen ist, ob das Fünffache nur bei der neuen Regelbedarfsstufe 1 für Alleinstehende und Alleinerziehende

angesetzt werden darf, bei denen man von erhöhten Einmalkosten wie Miete, Telefon etc. ausgehen kann,

- oder ob diese erhöhten Kosten wenigstens auch einmal bei einer Person berücksichtigt werden können, die mit einer anderen Person einen Haushalt führt und gemeinsam mit dieser die Regelbedarfsstufe 2 erhalten würde.

Die frühere Anknüpfung an den so genannten Haushaltsvorstand ist jedenfalls im SGB XII entfallen, so dass der Verweis in § 53 AO insoweit ins Leere geht. Der geänderte AEAO zu § 53 vom 15.8.2012 (BMF, Schr. v. 15.8.2012 – IV A 3 - S 0062/08/10007-14 (DOK 2012/0739221)) geht auf diese Frage leider nicht ein.

Angemessen wäre es, wenn für die Personen, die gemeinsam in der Regelbedarfsstufe 2 leben, jeweils das 4,5fache angesetzt werden dürfte. Denn der Regelbedarf für eine erwachsene Person, die keinen eigenen Haushalt führt, beträgt 73 Euro weniger als für den Alleinstehenden oder Alleinerziehenden. Die beiden gemeinsam lebenden Erwachsenen erhalten jeweils 37 Euro mehr als der Erwachsene, der keinen Haushalt führt, gemeinsam also wieder rund 73 Euro (genau 74 Euro), was anscheinend den Mehraufwand für die Haushaltsführung enthalten soll. Die frühere Erhöhung für den Haushaltsvorstand wäre damit quasi auf zwei Personen zur Hälfte aufgeteilt worden. Der Entwurf des Jahressteuergesetz 2012 sieht nunmehr diesbezüglich eine Klarstellung in § 53 Nr. 2 AO vor. Danach ist bei der Ermittlung der finanziellen Hilfsbedürftigkeit das Fünffache des Regelsatzes nur noch bei Alleinstehenden und Alleinerziehenden anzusetzen. Bei Erwachsenen, die einen gemeinsamen Haushalt führen, wird jeweils das Vierfache des Regelsatzes berücksichtigt. Die Figur des Haushaltsvorstands wird damit bei Erwachsenen mit gemeinsamem Haushalt gemeinnützigkeitsrechtlich abgeschafft. Dr. Robert Schütz, Esche Schümann Commichau, Hamburg/ Prof. Dr. Birgit Weitemeyer, Bucerius Law School

Rücklagenbildung und Vermögenszuführungen bei steuerbegünstigten Körperschaften OFD Frankfurt a.M., Rundverf. v. 20.2.2012 – S 0177 A - 1 - St 53 I. Verpflichtung zur zeitnahen Mittelverwendung: Das Gebot der Selbstlosigkeit beinhaltet, dass eine steuerbegünstigte Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse (Körperschaft) ihre Mittel grundsätzlich zeitnah für ihre steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke verwenden muss (§ 55 Abs. 1 Nr. 5 AO). Eine zeitnahe Verwendung ist gegeben, wenn die Mittel spätestens in dem auf den Zufluss folgenden Kalender- oder Wirtschaftsjahr für die steuerbegünstigten Zwecke verwendet werden. Verwendung in diesem Sinne ist auch die Verwendung der Mittel für die Anschaffung oder Herstellung von Vermögensgegenständen, die satzungsgemäßen Zwecken dienen. II. Rücklagenbildung und Vermögenszuführungen: 1. Allgemeines: Als Ausnahmeregelung zum Gebot der zeitnahen Mittelverwendung lässt § 58 Nrn. 6, 7, 11 und 12 AO zu, dass eine Körperschaft unter bestimmten Voraussetzungen ihre Mittel ganz oder teilweise einer Rücklage bzw. ihrem Vermögen zuführt. Hierfür ist keine Ermächtigung durch die Satzung der Körperschaft erforderlich. Auch ohne entsprechende Satzungsbestimmung können die folgenden Ausnahmetatbestände ver-


npoR Heft 3/2012

wirklicht werden (vgl. AEAO, Tz. 23 zu § 58 Nr. 2 bis 12). 2. Rücklagenbildung: Ob die Voraussetzungen für die Bildung einer Rücklage gegeben sind, hat die steuerbegünstigte Körperschaft dem Finanzamt im Einzelnen darzulegen. Die Rücklagen müssen in der Rechnungslegung der Körperschaft gesondert - ggfs. getrennt nach dem jeweiligen Rechtsgrund - ausgewiesen werden, damit eine Kontrolle jederzeit und ohne besonderen Aufwand möglich ist (vgl. AEAO, Tz. 18 zu § 58 Nr. 6 und 7). Bilanzierende Körperschaften haben daher die Rücklagen in ihrer Bilanz offen (getrennt vom übrigen Kapital) auszuweisen. Nicht bilanzierende Körperschaften haben die Rücklagen neben ihren Aufzeichnungen über ihre Einnahmen und Ausgaben (§ 63 Abs. 3 AO) in einer gesonderten Aufstellung auszuweisen. Hat die Körperschaft, ohne dass die Voraussetzungen des § 58 Nr. 6 und 7 AO vorliegen, Mittel angesammelt, so entspricht die tatsächliche Geschäftsführung nicht dem Erfordernis des § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO. Das Finanzamt kann der Körperschaft gemäß § 63 Abs. 4 AO eine Frist für die Verwendung der Mittel setzen. Die Frist ist nach den Umständen des Einzelfalles zu bemessen, sollte jedoch regelmäßig 2 bis 3 Jahre nicht übersteigen. 2.1. Rücklagen i.S.d. § 58 Nr. 6 AO: Nach § 58 Nr. 6 AO wird die Steuervergünstigung nicht dadurch ausgeschlossen, dass eine Körperschaft ihre Mittel ganz oder teilweise einer Rücklage zuführt, soweit dies erforderlich ist, um ihre steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke nachhaltig erfüllen zu können (zweckgebundene Rücklage). Die Mittel müssen für bestimmte Zweckverwirklichungsmaßnahmen angesammelt werden. Für die Durchführung müssen konkrete Zeitvorstellungen bestehen. Kann für ein bestimmtes Vorhaben noch kein genauer Zeitpunkt für die Durchführung festgelegt werden, ist eine Rücklagenbildung nur zulässig, wenn die Durchführung glaubhaft und bei den finanziellen Verhältnissen der Körperschaft in einem angemessenen Zeitraum möglich ist (vgl. AEAO, Tz. 10 zu § 58 Nr. 6). Grundsätzlich sollte ein Zeitraum von 6 Jahren nicht überschritten werden. Das Merkmal “erforderlich” ist – hinsichtlich Grund, Höhe und zeitlichem Umfang – nach objektiven Kriterien des konkreten Falles zu überprüfen (vgl. BFH-Urteil vom 13.09.1989 I R 19/85, BStBl II 1990, 28). Nicht ausreichend ist das Bestreben, ganz allgemein die Leistungsfähigkeit der Körperschaft zu erhalten. Desgleichen ist die erstmalige Bildung einer ertragbringenden Vermögenssubstanz aus den Mitteln der Körperschaft zur nachhaltigen Zweckerfüllung nicht erforderlich (vgl. BFH-Urteil vom 13.09.1989, a.a.O.). Die Frist des § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO für die zeitnahe Verwendung von Mitteln kann nicht mit der Begründung verlängert werden, die Überlegungen zur Verwendung der Mittel seien noch nicht abgeschlossen. Dementsprechend kommt mit einer solchen Begründung auch die Bildung einer Rücklage nach § 58 Nr. 6 AO nicht in Betracht. Zu den nach § 58 Nr. 6 AO zulässigen Rücklagen gehört auch die sog. Betriebsmittelrücklage für periodisch wiederkehrende Ausgaben in Höhe des Mittelbedarfs für eine angemessene Zeitspanne. Die Berechnung der Höhe der Rücklage ist davon abhängig, in welchem Umfang die Körperschaft regelmäßige Einnahmen erzielt. Insoweit bestimmt sich die Zeitspanne (höchstens bis zu einem Geschäftsjahr) nach den Verhältnissen des jeweiligen Einzelfalles. Ebenfalls unschädlich ist die vorsorgliche Bildung einer

Verwaltungsanweisungen

165

Rücklage zur Bezahlung von Steuern außerhalb eines steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes, solange Unklarheit darüber besteht, ob die Körperschaft insoweit in Anspruch genommen wird. Unter den o.g. Voraussetzungen ist auch eine Wiederbeschaffungsrücklage für Grundstücke, Fahrzeuge und andere Wirtschaftsgüter, für deren Anschaffung die laufenden Einnahmen nicht ausreichen, zulässig. Daraus folgt aber nicht, dass Mittel in Höhe der Abschreibungen generell einer Rücklage nach § 58 Nr. 6 zugeführt werden dürfen. Vielmehr ist es erforderlich, dass tatsächlich eine Neuanschaffung des einzelnen Wirtschaftsguts geplant und in einem angemessenen Zeitraum möglich ist. Eine Einstellung von Mitteln in Höhe der Abschreibungen in die Rücklage wäre z.B. dann nicht gerechtfertigt, wenn ein Fuhrpark verkleinert oder ein Gebäude während unabsehbar langer Zeit nicht durch einen Neubau ersetzt werden soll. Die Zuführung von Mitteln in Höhe der Abschreibungen dürfte z.B. dann nicht ausreichen, wenn das vorhandene Wirtschaftsgut entweder frühzeitig oder durch ein besseres, größeres und teureres Wirtschaftsgut ersetzt werden soll. Die Zuführung dürfte z.B. dann überhöht sein, wenn die steuerlich zulässigen (Sonder-)Abschreibungen nicht mit dem tatsächlichen Wertverlust übereinstimmen. Soweit die Voraussetzungen des § 58 Nr. 6 AO erfüllt sind, stehen sämtliche Mittel der Körperschaft für die Rücklagenbildung zur Verfügung. Auf die Herkunft der Mittel kommt es nicht an. Soweit die Körperschaft mehrere Vorhaben gleichzeitig beabsichtigt, sind nebeneinander mehrere Rücklagen nach § 58 Nr. 6 AO zulässig. Desgleichen gilt, wenn neben einer Rücklage nach § 58 Nr. 6 AO eine Rücklage nach § 58 Nr. 7 AO (vgl. Tz. II 2.2) gebildet wird. Die Voraussetzungen für die Rücklage nach § 58 Nr. 6 AO sind in jedem Prüfungszeitraum erneut zu prüfen. Stellt sich in der Folgezeit heraus, dass die Berechtigung nicht mehr besteht, weil z.B. der Grund für die Rücklagenbildung im Nachhinein weggefallen ist oder die Körperschaft ihr Vorhaben aufgegeben hat, ist die Rücklage aufzulösen. Die frei werdenden Mittel unterliegen nunmehr wieder dem Gebot der zeitnahen Mittelverwendung. 2.2. Rücklagen i.S.d. § 58 Nr. 7 AO: 2.2.1. Freie Rücklagen (§ 58 Nr. 7 Buchstabe a AO): Nach § 58 Nr. 7 Buchstabe a AO wird die Steuervergünstigung nicht dadurch ausgeschlossen, dass eine Körperschaft höchstens ein Drittel des Überschusses der Einnahmen über die Unkosten aus Vermögensverwaltung und darüber hinaus höchstens 10 % ihrer sonstigen nach § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO zeitnah zu verwendenden Mittel einer freien Rücklage zuführt. Die Rücklagenbildung nach § 58 Nr. 7 Buchstabe a AO ist mithin für alle Körperschaften möglich. Die Rücklagenbildung in Höhe bis zu einem Drittel des Überschusses aus Vermögensverwaltung setzt voraus, dass entsprechende Einnahmen erzielt werden. Auf § 14 Satz 3 AO wird hingewiesen. Zu den Einnahmen zählen z. B. neben Zinserträgen aus Spareinlagen und Dividenden aus Wertpapieren auch Miet- und Pachteinnahmen der Körperschaft. Für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage sind die Ergebnisse aus den einzelnen Bereichen der Vermögensverwaltung zusammenzurechnen. Ergibt sich hierbei ein Kostenüberhang (Unterdeckung), ist eine Rücklagenbildung in diesem Jahr nicht zulässig. Darüber hinaus ist der Unkostenüberschuss in nachfolgende Jahre vorzutragen und dort zunächst mit Überschüssen aus Vermögensver-


166

npoR Heft 3/2012

Verwaltungsanweisungen

waltung zu verrechnen, so dass eine Unterdeckung auch die Möglichkeiten der Bildung freier Rücklagen in den nachfolgenden Jahren einschränkt. Darüber hinaus ist die Bildung oder Aufstockung einer freien Rücklage bis zu 10 % der sonstigen nach § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO zeitnah zu verwendenden Mittel zulässig. Zu den sonstigen Mitteln zählen Überschüsse bzw. Gewinne aus steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben und Zweckbetrieben sowie die Bruttoeinnahmen aus dem ideellen Bereich (AEAO Tz. 14 zu § 58 Nr. 7). Zur Vermeidung einer doppelten Begünstigung dürfen die Mittel aus der Vermögensverwaltung nicht in die Bemessungsgrundlage einbezogen werden. Werden die Höchstgrenzen (ein Drittel, 10 %) nicht voll ausgeschöpft, ist eine Nachholung in späteren Jahren nicht zulässig (vgl. AEAO, Tz. 15 zu § 58 Nr. 7). Die Gesamthöhe der freien Rücklage ist unbegrenzt. Während der Dauer des Bestehens braucht die Körperschaft die freie Rücklage nicht aufzulösen. Die angesammelten Mittel unterliegen zwar nicht dem Gebot der zeitnahen Mittelverwendung, sind jedoch auf Dauer für steuerbegünstigte Zwecke zu verwenden. Eine Verwendung im Rahmen eines steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes ist gemeinnützigkeitsschädlich. Hiervon unberührt bleibt die Möglichkeit, die freien Rücklagen für die Errichtung eines steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes einzusetzen (vgl. Karte H 151). Die Mittel können jedoch - solange die Rücklage fortbesteht - im Rahmen der Vermögensverwaltung angelegt werden und stehen für Vermögensumschichtungen zur Verfügung. Steuerbegünstigte Stiftungen dürfen die Beträge der freien Rücklage daher ihrem Dotationskapital zuführen. 2.2.2. Rücklagen zum Erwerb von Gesellschaftsrechten (§ 58 Nr. 7 Buchstabe b AO): Nach § 58 Nr. 7 Buchstabe b AO wird die Steuervergünstigung nicht dadurch ausgeschlossen, dass eine Körperschaft Mittel zum Erwerb von Gesellschaftsrechten zur Erhaltung der prozentualen Beteiligung an Kapitalgesellschaften ansammelt oder im Jahr des Zuflusses verwendet. Nicht von dieser Vorschrift erfasst ist der erstmalige Erwerb eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft sowie der Erwerb von Anteilen zur Erhöhung der prozentualen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft. Eine steuerbegünstigte Körperschaft darf aber ihr Vermögen, das nicht dem Gebot der zeitnahen Mittelverwendung unterliegt (z.B. die in der freien Rücklage nach § 58 Nr. 7 Buchstabe a AO angesammelten Beträge), für eine Erhöhung der Beteiligungsquote verwenden (AEAO Tz. 16 zu § 58 Nr. 7). Für die Rücklagenbildung stehen sämtliche Mittel der Körperschaft zur Verfügung. Die Herkunft der Mittel ist unbedeutend (AEAO Tz. 16 zu § 58 Nr. 7). Die Bildung der Rücklage ist jedoch nur zulässig, wenn ein hinreichend konkreter Anlass für eine Kapitalerhöhung gegeben ist. Die Kapitalerhöhung muss sich daher bereits konkret abzeichnen. Die Verwendung bzw. Ansammlung von Mitteln i.S.d. § 58 Nr. 7 Buchstabe b AO ist der Höhe nach grundsätzlich unbegrenzt möglich, findet ihre Grenze jedoch in dem zu erwartenden Anteil am Kapitalerhöhungsbetrag. Darüber hinaus ist zu beachten, dass der Betrag i.S.d. § 58 Nr. 7 Buchstabe b AO auf die nach § 58 Nr. 7 Buchstabe a AO in demselben Jahr oder künftig zulässigen Rücklagen anzurechnen ist. Übersteigt der für die Erhaltung der Beteiligungsquote verwendete oder bereitgestellte Betrag die Höchstgrenze für die Bildung der Rücklage nach § 58 Nr. 7 Buchstabe a AO des laufenden Jahres, ist auch in den Folgejahren eine Zuführung erst wieder möglich, wenn die für eine freie Rücklage verwendbaren

Mittel insgesamt die für die Erhaltung der Beteiligungsquote verwendeten oder bereitgestellten Mittel übersteigen (AEAO, Tz. 17 zu § 58 Nr. 7 ). 2.3. Sonstige Rücklagen: 2.3.1. Rücklagen im steuerpflichtigen wirtschaftlichen Ge- schäftsbetrieb: Neben den in § 58 Nr. 6 und 7 AO geregelten Ausnahmetatbeständen zum Gebot der zeitnahen Mittelverwendung dürfen im Rahmen eines steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs Rücklagen gebildet werden, die bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung wirtschaftlich begründet sind. Für die Bildung einer Rücklage im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb muss ein konkreter Anlass gegeben sein, der auch aus objektiver unternehmerischer Sicht die Bildung der Rücklage rechtfertigt. Eine fast vollständige Zuführung des Gewinns zu einer Rücklage im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb ist nur dann unschädlich für die Steuerbegünstigung, wenn die Körperschaft nachweist, dass die betriebliche Mittelverwendung zur Sicherung ihrer Existenz geboten war (AEAO Tz. 2 zu § 55 Abs. 1 Nr. 1). Voraussetzung ist jedoch, dass die Mittel für diese Rücklage aus dem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb stammen. 2.3.2. Rücklagen im Rahmen der Vermögensverwaltung: Auch im Bereich der Vermögensverwaltung sind Rücklagen nicht ausgeschlossen (AEAO Tz. 2 zu § 55 Abs. 1 Nr. 1). Sie dürfen jedoch nur für die Durchführung konkreter Reparaturoder Erhaltungsmaßnahmen an Vermögensgegenständen i.S.d. § 21 EStG gebildet werden. Die Maßnahmen müssen notwendig sein, um den ordnungsgemäßen Zustand des Vermögensgegenstandes zu erhalten oder wiederherzustellen, und in einem angemessenen Zeitraum durchgeführt werden können. 3. Vermögenszuführungen: 3.1. Zulässige Vermögenszuführungen für alle Körperscha ten (§ 58 Nr. 11 AO): Nach § 58 Nr. 11 AO wird die Steuervergünstigung nicht dadurch ausgeschlossen, dass eine Körperschaft folgende Mittel ihrem Vermögen zuführt: - Zuwendungen von Todes wegen, wenn der Erblasser keine Verwendung für den laufenden Aufwand der Körperschaft vorgeschrieben hat, - Zuwendungen, bei denen der Zuwendende ausdrücklich erklärt, dass sie zur Ausstattung der Körperschaft mit Vermögen oder zur Erhöhung des Vermögens bestimmt sind, - Zuwendungen aufgrund eines Spendenaufrufs der Körperschaft, wenn aus dem Spendenaufruf ersichtlich ist, dass Beträge zur Aufstockung des Vermögens erbeten werden, - Sachzuwendungen, die ihrer Natur nach zum Vermögen gehören. Die Aufzählung ist abschließend. Werden Mittel nach dieser Vorschrift dem Vermögen zugeführt, sind sie aus der Bemessungsgrundlage für Zuführungen von sonstigen zeitnah zu verwendenden Mitteln nach § 58 Nr. 7a AO herauszurechnen (AEAO Tz. 21 zu § 58 Nr. 11). 3.2. Vermögenszuführungen bei Stiftungen (§ 58 Nr. 12 AO): Nach § 58 Nr. 12 AO wird die Steuervergünstigung nicht dadurch ausgeschlossen, dass eine Stiftung im Jahr ihrer Errichtung und in den zwei folgenden Kalenderjahren Überschüsse


npoR Heft 3/2012

aus der Vermögensverwaltung und die Gewinne aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben (§ 14 AO) ganz oder teilweise ihrem Vermögen zuführt. Schädlich ist hingegen die Zuführung von sonstigen Mitteln, z.B. Zuwendungen und Zuschüsse (AEAO Tz. 22 zu § 58 Nr. 12). PositiveundnegativeErgebnisseausderVermögensverwaltung, aus den Zweckbetrieben und dem einheitlichen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb sind zunächst zu saldieren. Eine Zuführung zum Vermögen ist nur in Höhe des positiven Betrages unschädlich, der nach der Verrechnung verbleibt. Die Regelung ist auf Stiftungen begrenzt. Auf die Bezeichnung der Körperschaft als Stiftung kommt es dabei nicht an, entscheidend ist die tatsächliche Rechtsform. Dabei ist es unmaßgeblich, ob es sich um eine rechtsfähige oder nichtrechtsfähige Stiftung handelt (AEAO Tz. 23 zu § 58 Nr. 2 bis 12). Ich bitte, die Rücklagenbildung und Vermögenszuführung bei den steuerbegünstigten Körperschaften regelmäßig nach den vorstehenden Grundsätzen zu überprüfen und ggfs. die notwendigen Konsequenzen (Fristsetzung nach § 63 Abs. 4 AO, Versagung der Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG) zu ziehen.

Verkaufsstellen von Werkstätten für behinderte Menschen OFD Frankfurt a. M., Rundverf. v. 2.3.2012 – S 0184 A - 8 - St 53 Nach § 68 Nr. 3 AO stellen Werkstätten für behinderte Menschen (unter den dort genannten Voraussetzungen) steuerbegünstigte Zweckbetriebe dar. Nach dem AEAO Tz. 5 zu § 68 Nr. 3 gehört der Verkauf von Produkten, die in einer Werkstatt für behinderte Menschen hergestellt worden sind, in einem Laden oder einer Verkaufsstelle der Werkstatt noch zum Zweckbetrieb. Der Verkauf von zugekauften Waren ist hingegen als gesonderter steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb zu beurteilen. Beim Verkauf von Produkten durch eine Verkaufsstelle ist zu unterscheiden, ob die Produkte unter Verwendung von Roh- oder Grundmaterial in der Werkstatt hergestellt wurden (Zweckbetrieb) oder ob es sich um zugekaufte Waren (sog. Handelswaren) handelt, d. h. Waren, die nicht in den Produktionsprozess der Werkstätte eingehen und unverändert weiterveräußert werden (steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb). Der Einkauf von Waren für die Produktion bleibt bei der Beurteilung der Zweckbetriebseigenschaft einer Verkaufsstelle außer Betracht. Es ist deshalb auch ohne Bedeutung, zu welchem Anteil die von einer Werkstätte für Behinderte hergestellten Waren aus zugekauftem Material bestehen. Der Warenaustausch zwischen Werkstätten für behinderte Menschen ist unschädlich für die Zweckbetriebseigenschaft, soweit der Austausch sich auf Produkte von Behindertenwerkstätten beschränkt. Der Warenaustausch mit Werkstätten in anderen EG-Ländern kann ebenfalls unschädlich für die Zweckbetriebseigenschaft sein. Der Träger der Werkstatt hat auf geeignete Weise nachzuweisen, dass sein Geschäftspartner in dem anderen EG-Land eine Werkstätte für behinderte Menschen ist, die einer solchen im Sinne des § 136 SGB IX vergleichbar ist. Die vorstehenden Grundsätze können nicht auf sog. „Dritte-Welt-Läden“ übertragen werden. Hierbei handelt es sich grundsätzlich um einen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb.

Verwaltungsanweisungen

167

Wirtschaftliche Geschäftsbetriebe bei Krankenhäusern OFD Frankfurt a. M., Rundverf. v. 2.3.2012 – S 0186 A - 6 - St 53 Krankenhäuser können nur mit ihren ärztlichen oder pflegerischen Leistungen einen Zweckbetrieb i. S. d. § 67 AO begründen. Üben sie darüber hinaus auch andere wirtschaftliche Tätigkeiten aus, ist gesondert zu prüfen, ob insoweit ein eigenständiger steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb (wiG) oder ein weiterer Zweckbetrieb nach Maßgabe der §§ 65, 66 oder 68 AO vorliegt. Zur steuerlichen Beurteilung von zusätzlichen Leistungen, die von den Krankenhäusern erbracht werden, bitte ich folgende Auffassung zu vertreten: 1. Überlassung von Fernsprecheinrichtungen und Fernseh geräten durch das Krankenhaus gegen Entgelt an die Pati enten Krankenhäuser stellen den Patienten auf Wunsch gegen Entgelt Telefone und Fernsehgeräte zur Verfügung. Durch die entgeltliche Überlassung von Fernsprechanlagen und Fernsehgeräten an Patienten wird ein steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb (wiG) begründet. Die Überlassung der Telefone und Fernsehgeräte gegen Entgelt kann nicht über § 67 AO dem Bereich des Zweckbetriebs Krankenhaus zugerechnet werden, da Krankenhäuser nur mit ihren ärztlichen oder pflegerischen Leistungen einen Zweckbetrieb i. S. d. § 67 AO begründen können. Eine Überlassung der Telefone und Fernsehgeräte als Ausfluss der pflegerischen Leistung „Unterbringung“ kommt nicht in Betracht, da die Telefon- und Fernsehnutzung nicht zu den pflegesatzfähigen Krankenhausleistungen im Sinne der Bundespflegesatzverordnung (BPflV) gehört, sondern zu den gesondert abzurechnenden Wahlleistungen gem. § 22 BPflV. Ein Zweckbetrieb i. S. d. § 65 AO liegt ebenfalls nicht vor, weil die steuerbegünstigten Satzungszwecke auch ohne eine Überlassung von Fernsprechanlagen erreicht werden können und damit die Voraussetzung des § 65 Nr. 2 AO nicht erfüllt ist. Dabei ist unerheblich, dass es sich insoweit um mit dem Betrieb eines Krankenhauses eng verbundene Umsätze i. S. d. § 4 Nr. 16 UStG handelt. Der mittelbare Zusammenhang mit den steuerbegünstigten Zwecken reicht zwar für die Befreiung nach dem Umsatzsteuerrecht, nicht aber für die strengeren Kriterien des Gemeinnützigkeitsrechts. Die Vorschriften des § 66 und § 68 AO sind hier nicht einschlägig. Die Beurteilung der Überlassung von Telefon- und Fernsehgeräten als Wahlleistung i. S. d. § 22 BPflV hat keine Konsequenzen für die Beurteilung des Zweckbetriebes Krankenhaus an sich. Die Geräteüberlassung ist als unschädliche Annehmlichkeit anzusehen und daher nicht in die 40 %-Berechnung einzubeziehen. 2. Personal- und Sachmittelgestellung an eine private Klinik bzw. an eine ärztliche Gemeinschaftspraxis Auch hinsichtlich der Personal- und Sachmittelgestellung an Dritte ist ein steuerpflichtiger wiG anzunehmen. Aus der Sicht des Krankenhauses mangelt es an einer eigenen Zweckverwirklichung i. S. d. § 57 Abs. 1 Satz 1 AO. Eine für die Gemeinnützigkeit erforderliche unmittelbare Förderung der Allgemeinheit (Patienten) liegt nicht vor, da das Krankenhaus mit seinen Leistungen lediglich die eigen-


168

Verwaltungsanweisungen

wirtschaftlichen Interessen der Dritten fördert. Nur diese sind Vertragspartner der Patienten und erbringen daher die Krankenhauspflegeleistungen. Die Dritten sind auch nicht als Hilfsperson i. S. d. § 57 Abs. 1 Satz 2 AO tätig, denn sie können völlig weisungsfrei arbeiten und es besteht grundsätzlich keine Einflussmöglichkeit des Krankenhauses. Dabei ist unerheblich, dass es sich bei den Leistungen des Krankenhauses um mit dem Betrieb eines Krankenhauses eng verbundene Umsätze i. S. d. § 4 Nr. 16 UStG handelt. Hinsichtlich der Frage, ob die Personal- und Sachmittelgestellung an Dritte Auswirkungen auf die Zweckbetriebseigenschaft des eigentlichen Krankenhausbetriebes nach § 67 AO hat, bitte ich folgende Grundsätze zu beachten: Ob die Pflegetage, die auf Patienten der Dritten entfallen, in die Berechnung der 40 %-Grenze mit einbezogen werden dürfen, muss danach beurteilt werden, wie diese die erbrachten ärztlichen Leistungen gegenüber den Patienten bzw. den Kostenträgern abrechnen. Werden die ärztlichen Leistungen nach der Gebührenordnung der Ärzte (GOÄ) abgerechnet, steht dies der Inanspruchnahme von Wahlleistungen durch einen Krankenhausarzt gleich. Nur wenn die Dritten die ärztlichen Leistungen über Krankenschein oder entsprechend den für Kassenabrechnungen geltenden Vergütungssätzen abrechnen, kommt eine Einbeziehung der Pflegetage in die Berechnung der 40 %-Grenze in Betracht. 3. Personal- und Sachmittelgestellung an Belegärzte zwecks stationärer oder teilstationärer Behandlung durch die Be legärzte Die Krankenhäuser schließen mit Belegärzten zum Teil folgende Verträge: Dem Belegarzt wird gestattet, im Krankenhaus Patienten seines Fachgebietes stationär oder teilstationär zu behandeln. Eine ambulante Behandlung von Patienten im Krankenhaus ist ihm – abgesehen von Notfällen – nur gestattet, wenn er vorher mit dem Krankenhaus eine entsprechende Vereinbarung zur Durchführung ambulanter Tätigkeiten im Krankenhaus abgeschlossen hat. Der Belegarzt steht zum Krankenhaus weder in einem Arbeitsverhältnis noch in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis. Als freiberuflich tätiger Arzt schließt der Belegarzt mit den Patienten den Vertrag über die ärztliche Behandlung. Der Belegarzt ist in seiner ärztlichen Tätigkeit grundsätzlich unabhängig und eigenverantwortlich. Eine feststehende Bettenzahl wird nicht vertraglich vereinbart. Über die Aufnahme und Entlassung von Patienten im Rahmen der zur Verfügung stehenden Betten entscheidet unter ärztlichen Gesichtspunkten und dem Recht der GKV der Belegarzt. Zur Ausübung seiner ärztlichen Tätigkeit ist der Belegarzt berechtigt, die hierfür im Krankenhaus bereitgestellten Dienste, Einrichtungen und Mittel sowie die ärztlichen Mitarbeiter und Schreibkräfte in Anspruch zu nehmen. Die ärztlichen Leistungen rechnet der Belegarzt mit den Patienten oder den Kostenträgern unmittelbar ab, die übrigen stationären Leistungen das Krankenhaus. Dem Krankenhaus hat er einen Vorteilsausgleich in Höhe eines bestimmten %-Satzes bezogen auf seine Bruttoeinnahmen aus stationärer Tätigkeit zu entrichten. Besteht zudem eine Vereinbarung zur Durchführung ambulanter Tätigkeiten im Krankenhaus, richtet sich die Kostenerstattung nach der im Einzelnen getroffenen Vereinbarung. Bei der Behandlung von ambulanten Notfällen, sind die dem Krankenhaus durch die Inanspruchnahme von Krankenhauseinrichtungen und Krankenhauspersonal entstehenden Kosten zu ersetzen.

npoR Heft 3/2012

Mit der Personal- und Sachmittelgestellung an Belegärzte gegen Vorteilsausgleich bzw. Kostenerstattung begründet das Krankenhaus aus den unter Tz. 2. dargestellten Gründen ebenfalls einen steuerpflichtigen wiG. 4. Personal- und Sachmittelgestellung an Chefärzte zur Er bringung von Wahlleistungen gegenüber den Kranken hauspatienten Im Rahmen von Verträgen zwischen Krankenhaus und Chefarzt wird den Chefärzten in der Regel das Recht eingeräumt, so genannte Wahlleistungen gegenüber stationär aufgenommenen Patienten des Krankenhauses zu erbringen. Hierbei ergeben sich häufig folgende Rahmendaten, die allgemein üblich sein dürften: Den Wahlleistungen liegt eine vertragliche Vereinbarung zwischen dem Krankenhaus und dem Patienten (Wahlleistungsvereinbarung) zu Grunde. Vertragspartner sind der Patient und das Krankenhaus. Die Vertragspartner vereinbaren hierin, dass die ärztlichen Leistungen dem Patienten gegenüber nur von dem jeweiligen Chefarzt der Abteilung oder dessen Vertreter persönlich erbracht werden. Diese Wahlleistungen gehören nach § 2 Abs. 1 BPflV nicht zu den allgemeinen Krankenhausleistungen. Sie sind daher nach § 7 Abs. 2 BPflV auch nicht pflegesatzfähig. Das Krankenhaus räumt seinen angestellten Ärzten aber das Liquidationsrecht für diese – über die allgemeinen Krankenhausleistungen hinausgehenden – Wahlleistungen der Chefärzte ein. Aufgrund des eigenen Liquidationsrechts der Chefärzte zahlt der Patient oder der Kostenträger das Honorar für die empfangenen Wahlleistungen daher nicht an das Krankenhaus, sondern direkt an den behandelnden Chefarzt. Von den erzielten Behandlungserlösen führen die Chefärzte ihrerseits Nutzungsentgelte für die Inanspruchnahme von Personal und Inventar an das Krankenhaus ab. Die Höhe der Nutzungsentgelte richtet sich nach § 24 BPflV. Danach ist für jede erbrachte ärztliche Leistung, die gegenüber den Patienten nach der GOÄ abgerechnet wird, ein in einem pauschalen Prozentsatz des Gebührensatzes bemessenes Nutzungsentgelt an das Krankenhaus zu entrichten. Das Nutzungsentgelt wird im Übrigen nach der BPflV auf den Pflegesatz angerechnet. Außerdem hat der Chefarzt die nachgeordneten Ärzte an dem Einkommen aus dem Liquidationsrecht zu beteiligen. Die entgeltliche Personal- und Sachmittelgestellung des Krankenhauses an den Chefarzt zur Erbringung von Wahlleistungen gegenüber Krankenhauspatienten ist dem Zweckbetrieb Krankenhaus i. S. d. § 67 AO zuzurechnen. Der Vertrag über die gesondert berechenbaren ärztlichen Wahlleistungen kommt ausschließlich zwischen dem Patienten und dem Krankenhaus zustande. Der Chefarzt tritt dort nur insoweit in Erscheinung, als vorgesehen ist, dass die vereinbarten Leistungen durch ihn oder unter seiner Leitung erbracht werden. Außerdem gehören die gesondert berechneten wahlärztlichen Leistungen zum dienstlichen Pflichtenkreis des Chefarztes. Er übt auch die Tätigkeit im Liquidationsbereich zu den Zeiten aus, für die er laut Dienstplan eingeteilt ist oder sich eingeteilt hat. Die Urlaubsregelung unterscheidet grds. nicht zwischen der allgemeinen Tätigkeit als Krankenhauschefarzt und der Erbringung der Wahlleistungen. Organisation und Durchführung der Liquidationstätigkeit ist ihm durch das Krankenhaus sowohl hinsichtlich der Räumlichkeiten als auch bezüglich des ihm zur Seite gestellten ärztlichen und nichtärztlichen Personals weitgehend vorgegeben. Ohne Eingliederung in den Betrieb des Krankenhauses könnte der Chefarzt die Tätigkeit im Liquidationsbereich gar nicht ausüben.


npoR Heft 3/2012

Hinzu kommt, dass die Nutzungsentgelte, die der Chefarzt an das Krankenhaus zu zahlen hat, gem. § 7 BPflV unmittelbaren Einfluss auf die Höhe des Budgets und der Pflegesätze nach § 10 BPflV haben, die das Krankenhaus bei den Kostenträgern für seine Leistungen geltend machen kann. Aufgrund dieser rechtlichen und tatsächlichen Beziehungen zwischen dem Krankenhaus und dem Chefarzt einerseits und den rechtlichen Beziehungen zwischen dem Krankenhaus und den Patienten andererseits ist davon auszugehen, dass das Krankenhaus auch mit der Personal- und Sachmittelgestellung an den Chefarzt unmittelbar seine steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke – Förderung der öffentlichen Gesundheitspflege – verfolgt. Da der Vertrag über die stationäre Behandlung zwischen Krankenhaus und Patient getroffen wird, kommen die Leistungen im Ergebnis unmittelbar den Patienten zugute. Der Chefarzt ist in die Erfüllung des satzungsmäßigen Zwecks als Hilfsperson i. S. d. § 57 Abs. 1 Satz 2 AO eingeschaltet, weil er aufgrund der Dienstvereinbarung mit dem Krankenhaus tätig wird, wonach er einen konkreten Auftrag des Krankenhauses in Form von ärztlichen Wahlleistungen gegenüber dem Patienten erbringt. Dies hat zur Folge, dass dem Krankenhaus das Wirken der Hilfsperson wie eigenes Wirken zuzurechnen ist. Es ist davon auszugehen, dass der Chefarzt im Innenverhältnis an die Weisungen der Körperschaft gebunden ist, denn seine rechtlichen Verpflichtungen werden für das Anstellungsverhältnis als Krankenhauschefarzt und hinsichtlich seines Liquidationsrechts bezüglich der ärztlichen Wahlleistungen in einem einheitlichen Vertrag festgelegt, wobei die beiden Bereiche insoweit nicht unterschieden werden. Es kann daher auch davon ausgegangen werden, dass das Krankenhaus den Chefarzt entsprechend überwacht. Dass die Tätigkeit des Chefarztes als Hilfsperson selbst nicht gemeinnützig ist, ist gem. AEAO Tz. 2 zu § 57 AO unerheblich. Es würde den vertraglichen und tatsächlichen Gegebenheiten hingegen nicht gerecht, wenn man davon ausginge, dass das Krankenhaus mit der entgeltlichen Personal- und Sachmittelgestellung die eigenwirtschaftlichen Zwecke des Chefarztes fördern würde mit der Folge, dass es an einer selbstlosen Förderung der Allgemeinheit (Patienten) i. S. d. § 55 Abs. 1 Satz 1 AO mangeln würde. Die isolierte Betrachtung der Liquidationsberechtigung und der damit verbundenen Nutzungsentgeltzahlung des Chefarztes an das Krankenhaus ist insoweit nicht zielführend. Aufgrund der rechtlichen Abrechnungsmodalitäten in § 22 Abs. 3 BPflV i. V. m. § 24 Abs. 2 oder 3 BPflV ergibt sich eine grundsätzliche Liquidationsberechtigung des Chefarztes verbunden mit der Verpflichtung, dem Krankenhaus ein Nutzungsentgelt für die Personal- und Sachmittelgestellung zu zahlen, welches wiederum zur Kürzung des Budgets und der Pflegesätze führt, die das Krankenhaus selbst gegenüber den Kostenträgern geltend machen kann. Betrachtet man das sich danach ergebende wirtschaftliche Ergebnis, entsprechen die dem Chefarzt verbleibenden Liquidationserlöse im Ergebnis einer variablen Entlohnung für die Erbringung von Wahlleistungen und das Krankenhaus erhält mit dem Nutzungsentgelt Einnahmen, die ihm ansonsten in Form des Budgets bzw. der Pflegesätze zustehen würden. Diese Annahme wird noch untermauert durch die Regelung in § 22 Abs. 3 Satz 5 BPflV, denn nach dieser Vorschrift dürfte das Krankenhaus die ärztlichen Wahlleistungen auch selbst liquidieren. Es wäre dann verpflichtet, die Vergütung nach Abzug der anteiligen Verwaltungskosten und der nach § 24 Abs. 2 oder 3 BPflV zu erstattenden Kosten an den berechtigten Arzt weiterzuleiten.

Verwaltungsanweisungen

169

In neueren Verträgen gehen die Krankenhäuser zum Teil dazu über, dem Chefarzt eine pauschale Vergütung zu zahlen, mit der auch die Verpflichtung abgegolten ist, ärztliche Wahlleistungen gegenüber den stationären Patienten zu erbringen. Ein eigenständiges Liquidationsrecht steht ihm damit nicht mehr zu. Für die Beurteilung, dass das Krankenhaus auch mit der Personal- und Sachmittelgestellung an den Chefarzt unmittelbar seine steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke – Förderung der öffentlichen Gesundheitspflege – verfolgt, kommt es nicht darauf an, ob die Wahlleistungen durch den angestellten Arzt des Krankenhauses innerhalb seiner nichtselbständigen Tätigkeit (Einkünfte nach § 19 EStG) oder innerhalb einer selbständigen Tätigkeit (Einkünfte nach § 18 EStG) erbracht werden. Außerdem ist unbeachtlich, ob die Abrechnung der Wahlleistungen durch den Arzt oder das Krankenhaus erfolgt. Auch die Frage, ob es sich um eine medizinisch indizierte oder eine medizinisch nicht erforderliche Wahlleistung handelt, ist für die Beurteilung der Unmittelbarkeit ohne Bedeutung. In beiden Fällen dient die Wahlleistung der Heilung und Genesung bzw. Gesundung des sich in Behandlung des Krankenhauses befindlichen Patienten. Deshalb verfolgt ein Krankenhaus auch bei Erbringung von Wahlleistungen in der Regel seine steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke. 5. Personal- und Sachmittelgestellung an Chefärzte zum Be trieb einer ambulanten Praxis im Krankenhaus (geneh migte Nebentätigkeit) Neben der Dienstvereinbarung mit dem Anstellungsvertrag und der Regelung der Liquidationsberechtigung im Hinblick auf die ärztlichen Wahlleistungen gegenüber Krankenhauspatienten ist Gegenstand der Vereinbarungen zwischen dem Krankenhaus und den Chefärzten häufig eine separate Vereinbarung über so genannte „Nebentätigkeiten“. Danach haben die Chefärzte die Möglichkeit, im Rahmen einer von ihnen betriebenen „Ambulanz“ im eigenen Namen und auf eigene Rechnung auch solche Patienten zu behandeln, die sich nicht in stationärer Behandlung des Krankenhauses befinden. Das Krankenhaus stellt den Chefärzten hierfür ebenfalls Personal und Sachmittel zur Verfügung. Die Höhe der von den Chefärzten an das Krankenhaus zu entrichtenden Nutzungsentgelte richtet sich nicht nach den Bestimmungen der BPflV, sondern ist in den entsprechenden Verträgen über „Nebentätigkeiten“ festgelegt. Sie betragen i. d. R. 35 – 40 % der ärztlichen Liquidation. In diesem Fall begründet die entgeltliche Personal- und Sachmittelgestellung durch das Krankenhaus an den Chefarzt einen steuerpflichtigen wiG des Krankenhauses. Das Krankenhaus wird insoweit nicht mehr im Rahmen seines Zweckbetriebs Krankenhaus i. S. d. § 67 AO tätig, weil es an einer unmittelbaren Förderung der steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke fehlt und das Krankenhaus im Übrigen auch nicht selbstlos die Allgemeinheit fördert. Die Leistungen des Krankenhauses kommen nicht unmittelbar im Sinne des § 57 Abs. 1 Satz 1 AO den Krankenhauspatienten zugute, sondern ausschließlich den Chefärzten, die mit dem überlassenen Personal bzw. mit den überlassenen Sachmitteln ihre eigenwirtschaftlichen Zwecke verfolgen, Einnahmen aus freiberuflicher Tätigkeit zu erzielen. Anders als bei der Erbringung von Wahlleistungen, kann die ambulante Tätigkeit des Chefarztes nicht als Hilfstätigkeit angesehen werden, da die ärztlichen Leistungen in diesem Bereich keine ärztliche Leistung des Krankenhauses gegenüber den Krankenhauspatienten darstellen, sondern die Chefärzte im eigenen Namen und


170

Verwaltungsanweisungen

für eigene Rechnung gegenüber den Patienten tätig werden. Damit kann das Wirken des Chefarztes nicht wie eigenes Wirken der Körperschaft angesehen werden, was für die Annahme einer Hilfspersonentätigkeit erforderlich wäre. Mit der Nutzungsüberlassung verfolgt das Krankenhaus eigenwirtschaftliche Zwecke, so dass diese schon dem Grunde nach nicht als Verfolgung steuerbegünstigter Zwecke und damit als dem Zweckbetrieb i. S. d. § 67 AO zugehörig angesehen werden. Dies gilt unabhängig von der umsatzsteuerlichen Behandlung der Personal- und Sachmittelgestellung, insbesondere der Frage, ob die Leistungen als mit dem Betrieb eines Krankenhauses eng verbundene Umsätze nach § 4 Nr. 16 UStG von der Umsatzsteuer befreit sind. Auch der Einwand, dass es sich bei den in der Ambulanz erbrachten ärztlichen Leistungen ausschließlich um solche Leistungen handelt, die außerhalb des Krankenhaus von niedergelassenen Ärzten nicht angeboten werden und das Krankenhaus dazu verpflichtet sei, die ambulanten ärztlichen Leistungen gegenüber den Patienten zu erbringen, da sich ansonsten bezogen auf diese speziellen Leistungen eine Unterversorgung in Deutschland ergeben könne, führt zu keinem anderen Ergebnis. Soweit die entgeltliche Überlassung von Personal und Sachmitteln an die Chefärzte einen wiG des Krankenhauses bildet, können bei der Gewinnermittlung z. B. anteilige Personalkosten für Arzthelferinnen, Schreibdienst und Buchhaltung und auf der Grundlage des „Tarifs der Deutschen Krankenhausgesellschaft für die Abrechnung erbrachter Leistungen und für die Kostenerstattungen vom Arzt an das Krankenhaus“ ermittelte Sachkosten als Betriebsausgaben berücksichtigt werden. Die Berücksichtigung des anteiligen Grundgehalts des Chefarztes selbst kommt hingegen nicht in Betracht, da die Nebentätigkeit außerhalb der vertraglichen Dienstverpflichtungen stattfindet.

Gemeinnützigkeitsrechtliche Behandlung von Forschungseinrichtungen des privaten Rechts OFD Frankfurt a.M., Rundverf. v. 6.3.2012 – S 0187 - 12 - St 53 Nach § 68 Nr. 9 AO sind Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen, deren Träger sich überwiegend aus Zuwendungen der öffentlichen Hand oder Dritter oder aus der Vermögensverwaltung finanziert, einschließlich ihrer Auftragsforschung als Zweckbetrieb anzusehen. Nicht zum Zweckbetrieb gehören Tätigkeiten, die sich auf die Anwendung gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse beschränken, die Übernahme von Projektträgerschaften sowie wirtschaftliche Tätigkeiten ohne Forschungsbezug. Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder nehme ich zur Anwendung dieser Vorschrift wie folgt Stellung: Bei der Anwendung des § 68 Nr. 9 AO bestehen keine Unterschiede zwischen Wissenschaftseinrichtungen und Forschungseinrichtungen. Die nachfolgenden Erläuterungen zur steuerlichen Behandlung von Forschungseinrichtungen gelten deshalb auch für Wissenschaftseinrichtungen. I. Anwendungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschrif ten des Gemeinnützigkeitsrechts 1. § 68 Nr. 9 AO gilt nur für Körperschaften, deren sat-

npoR Heft 3/2012

zungsmäßiger Zweck die Förderung von Wissenschaft und Forschung ist. Fördert die Körperschaft daneben nach ihrer Satzung auch andere steuerbegünstigte Zwecke, ist § 68 Nr. 9 AO nur anzuwenden, wenn die Forschungstätigkeit bei der tatsächlichen Geschäftsführung die Förderung der anderen steuerbegünstigten Zwecke überwiegt. 2. Die Sonderregelung in § 68 Nr. 9 AO geht der allgemeinen Regelung über die Zweckbetriebseigenschaft wirtschaftlicher Betätigungen in § 65 AO vor. Die Zweckbetriebseigenschaft der Forschungstätigkeit von Forschungseinrichtungen, auf die § 68 Nr. 9 AO anzuwenden ist, richtet sich deshalb ausschließlich nach dieser Vorschrift. Darauf, ob die Forschungstätigkeit die Voraussetzungen des § 65 AO erfüllt, kommt es nicht an. Dies gilt auch dann, wenn die Forschungseinrichtung die Voraussetzungen des § 68 Nr. 9 AO für die Annahme eines Zweckbetriebs nicht erfüllt. Die gesamte Forschungstätigkeit ist in diesem Fall ein steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb. 3. Die steuerliche Beurteilung der Zweckbetriebseigenschaft von wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben, die nicht unmittelbar der Forschung dienen, richtet sich nach den §§ 65 bis 68 Nr. 1 bis 8 AO. Danach ist z.B. die teilweise Überlassung der Nutzung eines Rechenzentrums für Zwecke Dritter gegen Entgelt ein steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb. Zweckbetriebe kommen insbesondere bei der Förderung anderer steuerbegünstigter Zwecke in Betracht (z.B. Unterhaltung eines Museums durch den Träger einer Forschungseinrichtung - § 68 Nr. 7 AO). 4. Betreibt eine steuerbegünstigte Körperschaft, auf die § 68 Nr. 9 AO nicht anzuwenden ist (s. I.1), auch Forschung, ist die Zweckbetriebseigenschaft der Forschungstätigkeit nach § 65 AO zu beurteilen. Hierbei sind die Grundsätze des BFHUrteils vom 30. November 1995 (BStBl 1997 II S. 189) zu beachten. Danach ist die Auftragsforschung ein steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb. Falls sich die Auftragsforschung nicht von der Grundlagen- oder Eigenforschung abgrenzen lässt, liegt insgesamt ein steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb vor. 5. Eine Körperschaft ist nicht selbstlos tätig und kann deshalb nicht als gemeinnützig behandelt werden, wenn sie in erster Linie nicht steuerbegünstigte, sondern eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt (§ 55 Abs. 1 Satz 1 AO). Zweckbetriebe sind bei dieser Abgrenzung dem ideellen steuerbegünstigten Bereich zuzuordnen. Wenn eine Forschungseinrichtung nach § 68 Nr. 9 AO ein Zweckbetrieb ist, besteht deshalb die unwiderlegbare Vermutung, dass das Schwergewicht ihrer Tätigkeit im steuerbegünstigten Bereich liegt. Bei einer Forschungseinrichtung, auf die § 68 Nr. 9 AO anzuwenden ist (s. I.1), die die Voraussetzungen dieser Vorschrift für die Behandlung als Zweckbetrieb jedoch nicht erfüllt, kann nicht zwingend davon ausgegangen werden, dass sie in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt. Nach den Grundsätzen des BFH-Urteils vom 04.04.2007, - BStBl II, S. 631 ist unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls zu prüfen, ob sich die Auftragsforschung von der steuerbegünstigten Tätigkeit trennen lässt. Ist in diesem Fall die Auftragsforschung von untergeordneter Bedeutung, kann der Träger der Einrichtung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG gleichwohl steuerbefreit sein und die Auftragsforschung lediglich einen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (§ 64) darstellen. Die Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG geht nur dann verloren, wenn die


Verwaltungsanweisungen

npoR Heft 3/2012

Auftragsforschung als eigenständiger Zweck neben die Eigenforschung (Grundlagenforschung) tritt und somit gegen das Gebot der Ausschließlichkeit des § 56 verstoßen wird. II. Trägerkörperschaft Unter “Träger” einer Forschungseinrichtung ist die Körperschaft (z.B. Verein, GmbH) zu verstehen, die die Einrichtung betreibt. Wie sich die Mitglieder oder Gesellschafter der Körperschaft finanzieren, ist ohne Bedeutung.

171

IV. Abgrenzung zwischen Forschungstätigkeit und nicht begünstigten Tätigkeiten 1. Die Anfertigung von Prototypen und die Nullserie gehören noch zur Forschungstätigkeit.

III. Überwiegende Finanzierung des Trägers

2. Bei Routinemessungen, dem Routineeinsatz eines Ergebnisses und der Fertigung marktfähiger Produkte ist grundsätzlich anzunehmen, dass sich die Tätigkeit auf die Anwendung gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse beschränkt. Dies ist eine Vermutung, die im Einzelfall von der Forschungseinrichtung widerlegt werden kann.

1. Die überwiegende Finanzierung des Trägers ergibt sich aus der Gegenüberstellung der Zuwendungen an den Träger von dritter Seite zuzüglich der Einnahmen aus der Vermögensverwaltung einerseits und der übrigen Einnahmen des Trägers (Ausnahme s. Tz. III.3) andererseits.

3. Bei der Anfertigung von Gutachten kommt es bei der Zuordnung auf Thema und Inhalt an. Gutachten, in denen lediglich gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse verwertet werden, gehören nicht zur Forschungstätigkeit.

2. Zuwendungen von dritter Seite sind nur unentgeltliche Leistungen. Dazu gehören z.B. die Projektförderung (vgl. Tz. IV.4) von Bund, Ländern und der Europäischen Union, Spenden und echte Mitgliedsbeiträge. 3. Fördert die Körperschaft auch andere steuerbegünstigte Zwecke als die Wissenschaft und Forschung (zur Anwendung des § 68 Nr. 9 AO in diesem Fall siehe I.1) und geschieht dies durch einen Zweckbetrieb, sind die Einnahmen und Überschüsse aus diesem Zweckbetrieb bei der Beurteilung der Frage, aus welchen Mitteln sich der Träger der Forschungseinrichtung überwiegend finanziert, nicht zu berücksichtigen. Die Einnahmen und Überschüsse anderer Zweckbetriebe sind also weder als Zuwendungen noch als andere (schädliche) Mittelzuflüsse zu erfassen. 4. In welchem Jahr die Einnahmen anzusetzen sind, bestimmt sich nach den Grundsätzen der steuerlichen Einkünfteermittlung. Bei Körperschaften, die den Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich (§ 4 Abs. 1 oder § 5 EStG) ermitteln, sind Forderungszugänge bereits als Einnahmen zu erfassen. Bei anderen Körperschaften sind die im Kalenderjahr zugeflossenen Einnahmen maßgeblich (§ 11 EStG). 5. Der Beurteilung, ob der Träger einer Forschungseinrichtung sich überwiegend aus Zuwendungen und der Vermögensverwaltung finanziert, ist grundsätzlich ein Dreijahreszeitraum zugrunde zu legen. Dieser umfasst den zu beurteilenden und die beiden vorangegangenen Veranlagungszeiträume. Beispiel Jahr

Zuwendungen und Vermögensverwaltung

Andere Finanzierung

Gesamtfinanzierung

01

1.000.000

1.100.000

2.100.000

02

1.400.000

1.000.000

2.400.000

03

1.200.000

1.300.000

2.500.000

Zusammen

3.600.000

3.400.000

7.000.000

Im Jahr 03 (zu beurteilender Veranlagungszeitraum) liegt ein Zweckbetrieb vor, weil sich der Träger der Forschungseinrichtung im maßgeblichen Beurteilungszeitraum (Jahre 01 bis 03) überwiegend aus Zuwendungen und der Vermögensverwaltung finanziert hat. Für die Beurteilung der Zweckbetriebseigenschaft im Jahr 04 ist die Finanzierung des Trägers der Forschungseinrichtung in den Jahren 02 bis 04 zugrunde zu legen.

4. “Projektträgerschaften” sind von der “Projektförderung” zu unterscheiden. “Projektförderung” ist die Vergabe von Zuwendungen für bestimmte, einzeln abgrenzbare Forschungsund Entwicklungsvorhaben an Forschungseinrichtungen, z.B. durch Bund, Länder und Europäische Union. Bei der Forschungseinrichtung liegen hierbei Zuwendungen i. S. des § 68 Nr. 9 Satz 1 AO vor. “Projektträgerschaft” ist die fachliche und verwaltungsmäßige Betreuung und Abwicklung der Projektförderung durch Forschungseinrichtungen (Projektträger) im Auftrag des Bundes oder eines Landes. Zu den Aufgaben der Projektträger gehören u.a. die Prüfung und Beurteilung der Förderanträge der Forschungseinrichtungen, die eine Projektförderung beantragen, mit Entscheidungsvorschlag, Verwaltung der vom Zuwendungsgeber bereitgestellten Mittel, Kontrolle der Abwicklung des Vorhabens, Mitwirkung bei der Auswertung und Veröffentlichung der Arbeitsergebnisse. Die Projektträger erhalten vom Zuwendungsgeber ein Entgelt in Höhe der bei ihnen entstandenen Selbstkosten. Projektträgerschaften sind steuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetriebe. Bei der Beurteilung, wie sich die Forschungseinrichtung überwiegend finanziert, gehören die Einnahmen aus Projektträgerschaften zu den Einnahmen, die den Zuwendungen und den Einnahmen aus der Vermögensverwaltung gegenüber zu stellen sind. 5. Eine Tätigkeit ohne Forschungsbezug ist z.B. der Betrieb einer Kantine. V. Anwendungszeitraum und Übergangsregelung 1. § 68 Nr. 9 AO gilt grundsätzlich ab dem Veranlagungszeitraum 1997 und rückwirkend für alle noch nicht bestandskräftigen Steuerfestsetzungen (Artikel 97, § 1e des Einführungsgesetzes zur AO). 2. Nach der früheren, bundeseinheitlichen Verwaltungsauffassung war die Auftragsforschung als Zweckbetrieb zu behandeln, wenn die Forschungsergebnisse veröffentlicht und dem Auftraggeber keine Exklusivrechte bei der Verwertung eingeräumt wurden (vgl. KSt-Kartei Nordrhein-Westfalen, Karte 22 zu § 4, und KSt-Kartei der OFD Frankfurt am Main, Karte H 46 zu § 5). Aus Vertrauensschutzgründen ist bei der steuerlichen Beurteilung der Auftragsforschung von Forschungseinrichtungen, die nicht bereits nach § 68 Nr. 9 AO als Zweckbetrieb behandelt werden können, bis zum Veranlagungszeitraum 1996 einschließlich noch nach diesen Verwaltungsanweisungen zu verfahren.


172

npoR Heft 3/2012

npoR-Dokumentation

npoR-Dokumentation

Vereinsrecht BFH, Urt. v. 11.4.2012 – I R 11/11, Aberkennung der Gemeinnützigkeit eines Vereins wegen extremistischer Bestrebungen

Hüttemann, Rainer, Die EU entdeckt die Zivilgesellschaft – zum Vorschlag der Kommission für eine Europäische Stiftung, EuZW 2012, 441 Ivens, Michael, Kunst und Stiftungen, KUR 2012, 16

OLG Karlsruhe, Beschl. v. 30.8.2011 – 14 Wx 51/11, Fortführung eines Schwimmbades (wirtschaftlicher Verein)

Jakob, Dominique/Uhl, Matthias, Die liechtensteinische Familienstiftung im Blick ausländischer Rechtsprechung, IPRax 2012, 451

OLG Schleswig, Beschl. v. 25.1.2012 – 2 W 57/11, Ladung zur Mitgliederversammlung in Textform

Jung, Stefanie, Die Europäische Stiftung als Innovationsfeld des Europäischen Gesellschaftsrechts?, BB 2012, 1743

KG Berlin, Beschl. v. 9.1.2012 – 25 W 57/11, Neubesetzung Vereinsvorstand

Saenger, Ingo, Die Rolle des Stifters in der Binnenverfassungsstruktur von Stiftungen, ZStV 2012, 94

KG Berlin, Beschl. v. 7.3.2012 – 25 W 95/11 (rkr.), Wirtschaftlicher Zweck eines Vereins

Spiegel, Harald/Fritz, Thomas, Die E-Bilanz – Anwendungsbereich und Rechtsfolgen bei gemeinnützigen Stiftungen, ROTE SEITEN zum Magazin Stiftung&Sponsoring 3/2012

AG München, Urt. v. 5.10.2011 – 251 C 14702/11 (rkr.), Kein Ausschluss aus Verein bei kritischen Nachfragen AG Göttingen, Beschl. v. 7.12.2011 – 74 IN 204/11, Faktischer Geschäftsführer eines e.V. Cranshaw, Friedrich L., Befugnis des „faktischen Geschäftsführers“ eines eingetragenen Vereins zur Stellung des Insolvenzantrags. Anmerkung zu AG Göttingen, Beschl. v. 7.12.2011 – 74 IN 204/11, jurisPR-InsR 10/2012, Anm. 5 Grziwotz, Herbert, Vereinsversammlung – Einberufung durch E-Mail trotz satzungsmäßiger Anordnung der Schriftform, MDR 2012, 741 Piper, Bernd, Virtuelle Mitgliederversammlungen bei Vereinen, NZG 2012, 735 Röcken, Michael, Extremisten in Vereinen, ZStV 2012, 144 Terner, Paul, Verein, Mitglied, Haftungsprivileg, ehrenamtliche Tätigkeit, Unentgeltlichkeit, grobe Fahrlässigkeit. Kommentar zu BGH, Beschl. v. 15.11.2011 – II ZR 304/09, EWiR 2012, 271

Stiftungsrecht VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 15.5.2012 – 6 S 998/11, Rechtsfähigkeit der unselbständigen Stiftung Elicker, Michael, Zum Streit über die Verselbständigung der fiduziarischen Stiftung – Teil 1, ZStV 2012, 135 Fritz, Stefan/Römer, Stephan, Auf der Suche nach Substanz: Stiftungen und Sachwerte, ZStV 2012, 86 Herbert, Alexander/Brem, Florian/Raith, Jasmin/Janson, Manfred, Die Anlage des Stiftungsvermögens im Spannungsfeld zwischen Sicherheit und Rendite. Ansätze zur Lösung eines Zielkonflikts, FuS 2012, 87

Werner, Almuth, Wirtschaftliche Selbständigkeit und Vermögenstrennung – steuerliche und zivilrechtliche Perspektiven auf die „Eigenständigkeit“ unselbständiger Stiftungen. Zugleich eine Besprechung der Verfügung der OFD Frankfurt vom 30.8.2011, ZStV 2012, 129 Werner, Olaf, Stiftung und Kommune, in: Hilgendorf/Eckert (Hrsg.), Festgabe Knemeyer, 2012, 107 Werner, Rüdiger, Die Doppelstiftung, ZEV 2012, 244

Steuerrecht BFH, Urt. v. 7.10.2010 – V R 17/09, Keine Steuerfreiheit von Schönheitsoperationen BFH, Urt. v. 3.3.2011 – V R 23/10, Juristische Person des öffentlichen Rechts als Unternehmer BFH, Urt. v. 18.8.2011 – V R 64/09, Besteuerung von Umsätzen einer gemeinnützigen GmbH aus der Vermietung einer Eislaufhalle – sportliche Veranstaltung BFH, Urt. v. 9.11.2011 – X R 24/09, Abziehbarkeit des an eine niederländische Hochschule gezahlten Kolleggeldes BFH, Urt. v. 2.12.2011 – V R 58/09, Vitalogist erbringt mangels Berufsqualifikation keine Heilbehandlungsleistung BFH, Urt. v. 22.12.2011 – V R 47/10, Ermäßigter Steuersatz bei Verpflegungsleistungen für Kindergärten BFH, Beschl. v. 24.1.2012 – I B 34/11, Hinzurechnung von Gewerbeerträgen aus Schachtelbeteiligung an steuerbefreiter GmbH BFH, Urt. v. 9.2.2012 – III R 78/09, Freiwilligendienst im Ausland keine Berufsausbildung


npoR Heft 3/2012

npoR-Dokumentation

173

BFH, Urt. v. 8.3.2012 – V R 14/11, Umsatzsteuerfreiheit von Beherbergungs- und Verpflegungsleistungen, die eine gemeinnützige GmbH im Rahmen eines Zweckbetriebs erbringt

OFD Magdeburg, Verf. v. 28.3.2012 – S 7170 - 2 St 245, Umsatzsteuerrechtliche Würdigung der Leistungen von Podologen und anderer Gesundheitsfachberufe; Nachweis des Vorliegens einer Heilbehandlung

BFH, Urt. v. 13.3.2012 – I R 46/11, Steuerbefreiung eines Berufsverbands

Abts, Dirk/Binger, Peter, Rücklagenbildung und Vermögenszuführung bei steuerbegünstigten Körperschaften, KH 2012, 505

BFH, Entsch. v. 15.5.2012 – V R 19/11, EuGH-Vorlage zur Steuerfreiheit der Lieferung von Zytostatika BFH, Beschl. v. 12.6.2012 – I B 160/11, Keine Gemeinnützigkeit bei Finanzierung einer Fernreise FG Baden-Württemberg, Urt. v. 24.10.2011 – 10 K 3397/09 (rkr.), Keine Feststellung von Körperschaftsteuerguthaben für eine rechtsfähige Stiftung FG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 7.2.2012 – 6 K 6086/08 (Revision anhängig, Az. BFH I R 17/12), Gemeinnützigkeit einer kommunalen Rettungsdienst GmbH FG Düsseldorf, Urt. v. 29.2.2012 – 7 K 4364/10 L, Steuerfreie Aufwandsentschädigungen nach § 3 Nr. 26 EStG FG Hessen, Urt. v. 26.4.2012 – 4 K 2789/11, Keine Verlustverrechnung mit Einkünften aus Zweckbetrieb bei Entzug der Gemeinnützigkeit FG Hessen, Urt. v. 26.4.2012 – 4 K 2239/09 (Revision anhängig, Az. BFH I R 41/12), Versagung der Gemeinnützigkeit bei Weiterleitung erwirtschafteter Mittel an andere Körperschaft FG Köln, Urt. v. 18.4.2012 – 13 K 1075/08, Gewinn aus Verkauf von Karnevalsorden ist steuerpflichtig

Anheier, Helmut K./Beller, Annelie/Haß, Rabea, Accountability und Transparenz des Dritten Sektors in Deutschland: Ein Paradox?, FJ SB 2011, 96 Berndt, Reinhard/Schumacher, Holger/Hechenblaikner, Sarah, Die Stellungnahme des IDW zur Bilanzierung bei Spenden sammelnden Organisationen. Offene Fragen und Gestaltungsmöglichkeiten bei Anwendung des IDW RS HFA 21 und der erstmaligen Umstellung, DB 2012, 1217 Bley, Heide/Wolff, Gabriele, Betriebsaufspaltung bei der Ausgliederung von Serviceleistungen von gemeinnützigen Einrichtungen, npoR 2012, 57 Eversloh, Udo, Steuerfreiheit heileurythmischer Leistungen. Anmerkung zu BFH 5. Senat, Urt. v. 8.3.2012 – V R 30/09, jurisPR-SteuerR 31/2012, Anm. 6 Fischer, Daniel J., Beginn der Steuerpflicht einer unselbständigen Stiftung, jurisPR-SteuerR 28/2012, Anm. 1 Fischer, Peter, Abzug einer Auslandsspende – Entscheidung des FG im zweiten Rechtszug („Fall Persche“). Anmerkung zu FG Münster, Urt. v. 8.3.2012 – 2 K 2608/09 E, jurisPR-SteuerR 29/2012, Anm. 4

FG Münster, Urt. v. 13.12.2011 – 15 K 1041/08, Umsatzsteuerpflicht von Schwimmschulen

Fritsch, Frank, Ermäßigter Steuersatz bei gemeinnützigen Körperschaften – Betrieb einer Eislaufhalle. Anmerkung zu BFH, Urt. v. 18.8.2011 – V R 64/09, UStB 2012, 185

FG Sachsen, Entsch. v. 16.3.2010 – 3 K 2115/05 (Revision anhängig, Az. BFH XI R 8/10), Konzessionsvergabe als Betrieb gewerblicher Art

Fritsch, Frank, Ermäßigter Steuersatz bei gemeinnützigen Körperschaften – Arbeitnehmerweiterbildung. Anmerkung zu BFH, Urt. v. 8.3.2012 – V R 14/11, UStB 2012, 187

FG Sachsen, Urt. v. 25.1.2012 – 8 K 1937/06, Leistungen eines Tierheims gegenüber der Stadt

Gersch, Eva-Maria, Neue Verwaltungsregelungen zur Gemeinnützigkeit. Neuregelungen und Präzisierungen durch Änderung des AEAO, AO-StB 2012, 176

OFD Frankfurt a.M., Verf. v. 6.2.2012 – S 7170 A - 92 - St 112, Mit dem Betrieb von Krankenhäusern und ähnlichen Einrichtungen eng verbundene Umsätze

Grünwald, Ulrich, Die umsatzsteuerliche Organschaft im NPO Bereich – Chancen und Risiken, npoR 2012, 53

OFD Frankfurt a.M., Verf. v. 20.2.2012 – S 0177 A - 1 - St 53, Rücklagenbildung und Vermögenszuführungen bei steuerbegünstigten Körperschaften

Günther, Karl-Heinz, Rücklagenbildung und Vermögenszuführungen bei steuerbegünstigten Körperschaften, EStB 2012, 174

OFD Frankfurt a.M., Verf. v. 2.3.2012 – S 0184 A - 8 - St 53, Verkaufsstellen von Werkstätten für behinderte Menschen

Holthaus, Jörg, Steuerabzug bei Vergütungen an ausländische Künstler, Sportler und Aufsichtsräte, ZStV 2012, 102

OFD Frankfurt a.M., Verf. v. 2.3.2012 – S 0186 A - 6 - St 53, Wirtschaftliche Geschäftsbetriebe bei Krankenhäusern

Koller, Thomas, Steht die Steuerbefreiung von internationalen Sportverbänden in der Schweiz vor dem Aus?, npoR 2012, 49

OFD Frankfurt a.M., Verf. v. 6.3.2012 – S 0187 A - 12 - St 53, Gemeinnützigkeitsrechtliche Behandlung von Forschungseinrichtungen des privaten Rechts. Anwendung des § 68 Nr. 9 AO

Koether, Jürgen, Nochmals: Ablösezahlungen und SpielerVermittler-Provisionen im Profifußball. Eine Stellungnahme zum Urteil des BFH v. 14.12.2011, FR 2012, 213, FR 2012, 631

OFD Frankfurt a.M., Verf. v. 19.3.2012 – S 0172 A - 3 - St 53, Wirtschaftliche Hilfsbedürftigkeit i.S.d. § 53 Nr. 2 Satz 1 AO; Regelsätze nach dem Bundessozialhilfegesetz

Kudert, Stephan/Jarzynska, Paula, Die Besteuerung von grenzüberschreitend tätigen Künstlern, Sportlern, Artisten und Entertainern, RIW 2012, 380


174

npoR Heft 3/2012

Fachliteratur

Maciejewski, Tim, Gemeinnützigkeitssteuerrecht Down Under: Charitable purpose und die public benefit rule im neuseeländischen Steuerrecht, npoR 2012, 45 Prätzler, Robert, Umsatzsteuerpflicht bei der Überlassung von PKW-Tiefgaragenstellplätzen durch eine Gemeinde. Anmerkung zu BFH, Urt. v. 1.12.2011 – V R 1/11, jurisPR-SteuerR 28/2012, Anm. 6 Schienke-Ohletz, Tanja, Besonderheiten des Gemeinnützigkeitsrechts bei Förderung der Entwicklungszusammenarbeit, FR 2012, 616 Strahl, Martin, Kooperationen von Körperschaften des öffentlichen Rechts – Vor dem Hintergrund der jüngeren Rechtsprechungsentwicklung zur Umsatzsteuer, UR 2012, 381 Theuffel-Werhahn, Ausgewählte Änderungen des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung durch das BMF-Schreiben vom 17. Januar 2012 (Teil 1 und 2), ZStV 2012, 81 und 121 Vellen, Michael, Steuerfreiheit heileurythmischer Leistungen. Anmerkung zu BFH, Urt. v. 8.3.2012 – V R 30/09, UStB 2012, 183 Walkenhorst, Ralf, Ermäßigter Steuersatz für gemeinnützige Körperschaften – Integrationsprojekt. Anmerkung zu BFH, Urt. v. 23.2.2012 – V R 59/09, UStB 2012, 189 Walkenhorst, Ralf, Steuerbefreiung für Gesundheitsfachberufe. BMF-Schreiben, Az. IV D 3 – S 7170/10/10012 (DOK 2012/0542896), UStB 2012, 193 Weimann, Rüdiger, Unerwarteter Systembruch soll ab 2013 das Seminargeschäft benachteiligen!, UStB 2012, 207

Andere Rechtsgebiete EuGH, Urt. v. 10.5.2012 – Rs. C-368/10, Zulässigkeit der Forderung nach Einsatz von Öko- oder Fairtrade-Produkten LAG Sachsen, Urt. v. 20.5.2011 – 3 Sa 579/10, Arbeitsverhältnis bei ehrenamtlich tätiger Telefonseelsorgerin VG Berlin, Urt. v. 21.2.2012 – 20 A 368.08, Institutionelle Förderung des Goethe-Instituts BAG, Urt. v. 29.8.2012 – 10 AZR 499/11, Ehrenamt und Arbeitnehmerstatus Hübner, Alexander, Öffentliche Lieferaufträge über fair gehandelte und Bio-Produkte. Zugleich Anmerkung zu EuGH, Urt. v. 10.5.2012 – Rs. C-368/10 – Kommission./.Niederlande, VergabeR 2012, 545 Lorentz, Bernhard/Meier, Johannes, Strategische Philanthropie zum Klimaschutz. Ansätze am Beispiel der Stiftung Mercator und der European Climate Foundation, ROTE SEITEN zum Magazin Stiftung&Sponsoring Sonderausgabe/2012 Steiner, Marc, Gütesiegel für ökologische Produktion und Max Havelaar-Label für Fortgeschrittene: Der EuGH und die nachhaltige Beschaffung (Europäische Kommission ./. Königreich der Niederlande, EuGH (Dritte Kammer), Urteil vom 10. Mai 2012, C-368/10, ELR 2012, 130

Fachliteratur Heinz Georg Bamberger und Herbert Roth: Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch. §§ 80 – 89 BGB. Von Wolfram Backert, München, C. H. Beck Verlag, 3. Auflage 2012, ISBN 978-3-406-60831-2. Die neue Kommentierung der Regelungen zum Bundesstiftungsrecht der §§ 80-89 BGB wurde teilweise neu untergliedert und auch inhaltlich finden sich einige Änderungen. Backert geht in der Neuauflage vertieft auf das Verhältnis von Bundes- und Landesrecht ein und äußert wie bereits in der 2. Auflage seine Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des § 80 Abs. 2 BGB. Der Autor äußert sich des weiteren zu der Frage, ob mit dem Gesetz zur Modernisierung des Stiftungsrechts auch für Stiftungen das System der Normativbestimmungen eingeführt oder das Konzessionssystem beibehalten worden ist und geht auf die Funktion der Stiftungsaufsicht ein. Weitere Schwerpunkte der Neuauflage liegen in der Erörterung der Rechtsnatur der Vermögensausstattung und der Frage, in welcher Form sich der Stifter zur Vermögensausstattung verpflichtet. Wesentlich erweitert wurden auch die Ausführungen zum Zweck des § 85 BGB, zum Inhalt der Stiftungssatzung, zur Organhaftung nach § 31 i. V. m. § 86 BGB und zu den auf ausländische Stiftungen anwendbaren Vorschriften des Vereinsrechts. Backert setzt sich mit Entstehungsgeschichte und Systematik des § 87 BGB auseinander und kommt zu dem Ergebnis, dass diese Norm eine abschließende – mit Ausnahme des Sonderfalls der Insolvenz – bundesrechtliche Regelung für den gesamten Bereich des Erlöschens und der wesentlichen Zweckänderung der Stiftung trifft. Für das Landesstiftungsrecht bedeutet dies nach Ansicht Backerts, dass zu diesen Punkten ergangene Vorschriften wegen fehlenden Gesetzgebungsrechts der Länder nach Art. 72 Abs. 1 GG nichtig sind (s. Rn. 2a) Anders als in der Vorauflage vertritt Backert nunmehr die Auffassung, dass die Aufhebung einer Stiftung, die Umwandlung ihres Zwecks oder auch ihre Zulegung oder Zusammenlegung von ihren Organen beschlossen werden kann, wenn der Stifter diese in der Satzung dazu ermächtigt hat. Für einen statutarischen Auflösungs- oder Umwandlungsvorbehalt nennt er allerdings weitere Voraussetzungen. Im Übrigen wurde die Kommentierung ergänzt und aktualisiert und bietet gewohnt zuverlässig einen Überblick über das Stiftungsrecht. Clara Lienicke, Bucerius Law School

Die Konzernierung der Stiftung und ihr Einfluss auf die Pflichten des Stiftungsvorstandes. Von Fabian Rösner. Baden-Baden, Nomos Verlag, 2012, 423 S., 96,- EUR, ISBN 978-3-8329-7014-7. Rösner untersucht in seiner von Prof. Dr. Ingo Saenger betreuten Dissertation die Einordnung der Stiftung in das Konzernrecht und die sich daraus ergebenden Konsequenzen. Nach Darlegung der Grundlagen zur Stiftung und zu verbundenen Unternehmen wird zunächst die unternehmensverbundene Stiftung als Kombination der beiden Rechtsinstitute vorgestellt und ein tragfähiges Konzept für die Eingliederung von Stiftungen in einen Konzern erarbeitet. Dabei wird auch auf die zentrale Frage nach der Möglichkeit einer unternehmerischen Betätigung von Stiftungen eingegangen. Als anschließende Schwerpunkte werden die Stiftung in das Konzernrecht in seiner Funktion als Schutzrecht eingeordnet und die aufgrund der Konzernierung entstehenden Pflichten des Stiftungsvor-


Veranstaltungsberichte

npoR Heft 3/2012

stands näher erörtert. Auf dieser Grundlage leitet der Autor Grundzüge einer Corporate Governance für unternehmensverbundenen Stiftungen her. Abschließend präsentiert Rösner

175

aus den Ergebnissen dieser Untersuchungen abgeleitete Gestaltungsempfehlungen für die Satzung einer konzernierten Stiftung. Peter Stark, Bucerius Law School

Veranstaltungsberichte 2. Zürcher Stiftungsrechtstag: „Stiften und Gestalten – Anforderungen an ein zeitgemäßes rechtliches Umfeld.“ Unter dem Leitmotiv „Stiften und Gestalten – Anforderungen an ein zeitgemäßes rechtliches Umfeld“ fand am 15.6.2012 der 2. Zürcher Stiftungsrechtstag unter der Leitung von Prof. Dr. Dominique Jakob, Universität Zürich, mit 180 TeilnehmerInnen aus dem In- und Ausland statt. Inspiriert vom ersten Tagungsthema „Stiftungsstandort Schweiz – heute und morgen“ rief die bekannte Schweizer Unternehmerin Carolina Müller-Möhl zu einem „Swiss Giving Pledge“ nach US-amerikanischem Vorbild auf. Es sei an der Zeit, die Schweizer Kultur des Gebens nicht weiter in Verborgenheit zu leben, sondern vielmehr eine breite Öffentlichkeit zu mobilisieren. Ein Vorhaben, das bei Podiumsgast Dr. Joh. Christian Jacobs, Jacobs Foundation, Zürich, auf offene Ohren stieß, der die Rahmenbedingungen für die Stiftungstätigkeit in der Schweiz in einen internationalen Kontext einordnete. Auch Jakob befürwortete diesen Vorstoß, da damit die Philanthropie generationenübergreifend gefestigt werden könne. Beate Eckhardt, Geschäftsführerin SwissFoundations, Zürich, präsentierte die neuesten Zahlen, Fakten und Trends und hielt fest, dass das Stiftungsparadies Schweiz weiterhin im Wachstum begriffen sei. Jakob kommentierte die neuesten rechtlichen Entwicklungen im schweizerischen und europäischen Stiftungswesen. Er warnte vor zu großen Umwälzungen im Rahmen der Reform des Schweizer Aufsichtsrechts und warf einen kritischen Blick auf den Entwurf für ein Europäisches Stiftungsstatut. Dr. Harold Grüninger, Homburger AG, Zürich, beleuchtete verschiedene Ansätze zu innovativer Vermögensbewirtschaftung im Stiftungs- und Gemeinnützigkeitsrecht; die damit verknüpften Begriffe wie z.B. Venture Philanthropy seien aber noch wenig fassbar. Im Zentrum des zweiten Themenblocks stand die Vertragsgestaltung im Stiftungsrecht. Dr. Dr. Thomas Sprecher, Niederer, Kraft & Frey AG, Zürich, skizzierte unterschiedliche

Aspekte vertraglicher Gestaltungsformen und erläuterte insbesondere die Ausgestaltung von Kooperationsvereinbarungen und unselbständigen Stiftungen. Der dritte Tagungsteil widmete sich dem Thema „Asset Protection und Rechte Dritter“. Prof. Dr. Anne Röthel, Bucerius Law School, Hamburg, erläuterte die verschiedenen Ausgestaltungen von Pflichtteilsrechten im internationalen Vergleich. Das Spannungsfeld des (zukünftigen) Schweizer Pflichtteilsrechts zu internationaler Asset Protection und Gemeinnützigkeit machte Dr. Manuel Liatowitsch, Schellenberg Wittmer, Zürich, deutlich und forderte, dass die Pflichtteile in der Schweiz nur noch maximal 50% des Vermögens des Erblassers binden dürften. Dr. Peter Picht, Universität Zürich, referierte über Brennpunkte des Haager Trust Übereinkommens und güter- und erbrechtliche Probleme bei der Implantierung des Trusts in der Schweiz. Im Zusammenhang mit den verfahrens- und schiedsgerichtsrechtlichen Aspekten der Asset Protection wies Prof. Dr. Anton K. Schnyder, Universität Zürich, auf die Anerkennungsproblematik von Schiedsentscheidungen bei Trusts hin. Bei der abschließenden Podiumsdiskussion mit Ständerat Prof. Dr. Felix Gutzwiller, Initiant der parlamentarischen Motion „Für ein zeitgemäßes Erbrecht“, Zürich, wurde die Frage vertieft, wie das Pflichtteilsrecht an die heutigen Verhältnisse angepasst werden könnte. Podiumsgast Dr. Florian Marxer, Marxer & Partner, Vaduz, votierte für das Modell der aus dem angelsächsischen Raum bekannten „Family Provision“. Daneben ging es um veränderte Rahmenbedingen und Regulierungstendenzen der Stiftungs- und Vermögensstandorte Liechtenstein und Schweiz. Die Referate der Tagung werden in einem Tagungsband veröffentlicht, welcher Ende 2012 in der Reihe „Schriften zum Stiftungsrecht“ im Helbing & Lichtenhahn Verlag, Basel, erscheint. Zentrum für Stiftungsrecht an der Universität Zürich

9. Doktorandenseminar zum Non-Profit-Recht des Instituts für Stiftungsrecht und das Recht der Non- Profit-Organisationen Am 29. und 30. Juni 2012 lud das Institut für Stiftungsrecht und das Recht der Non-Profit-Organisationen zum 9. Doktorandenseminar im Non-Profit-Recht an die Bucerius Law School, Hamburg, ein. Das Seminar hat das Ziel, die Doktoranden besser zu vernetzen und ihnen Gelegenheit zu einem Gedanken- und Erfahrungsaustausch sowie zur Diskussion ihrer Promotionsvorhaben zu geben. In diesem Jahr kamen 18 Pro-

motionsstudenten aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Polen der Einladung nach und wurden am Freitag durch Prof. Dr. Birgit Weitemeyer, Direktorin des Instituts für Stiftungsrecht und das Recht der Non-Profit-Organisationen, begrüßt. Nach einem gemeinsamen Mittagessen referierte Prof. em. Dr. Dieter Reuter, Universität Kiel, in einer kritischen Auseinandersetzung mit der im vergangenen Jahr zu diesem


176

Veranstaltungsberichte

Thema erschienenen Habilitationsschrift von Lars Leuschner über das Konzernrecht des Vereins (s. den Beitrag in diesem Heft S. 101 ff.). Reuter arbeitete anhand des Schutzzwecks des § 22 BGB heraus, dass ein Verein als Obergesellschaft eines Wirtschaftskonzerns nur zulässig ist, soweit die wirtschaftliche Betätigung des Vereins eine Nebentätigkeit darstellt. Sodann ging er der Frage nach, ob ein abhängiger Verein zulässig sei. Reuter hält es für unzulässig, einem Dritten Herrschaftsrechte im Verein einzuräumen, wohingegen es möglich sei, Dritte kraft Satzung an der Willensbildung des Vereins zu beteiligen. Dabei seien jedoch das Verbot der Verfolgung vereinsfremder Sonderinteressen und das im Vereinsrecht zwingende Schädigungsverbot zu beachten. Hieraus folgerte Reuter, dass ein Verein nicht Konzerntochter sein kann, es also kein Konzernrecht des Vereins gibt. An dieses Thema anknüpfend befasste sich Rechtsanwalt Malte Schwab, Heuking Kühn Lüer Wojtek, Hamburg, mit der Haftung im Gesamtverein. Schwab definierte zunächst den Begriff des Gesamtvereins, legte dessen Struktur dar und grenzte die selbständige von der unselbständigen Untergliederung ab. Sodann erläuterte er die unterschiedlichen Haftungskonzepte. Er gab einen Überblick über das Konzernrecht nach dem Aktiengesetz und ging anschließend auf die Organhaftung des Hauptvereins als Organ des Zweigvereins ein. Schwab nahm zur Haftung wegen Treuepflichtverletzung Stellung, indem er zunächst die gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten allgemein darstellte, diese auf den Gesamtverein übertrug und die entsprechenden Schlussfolgerungen für die Haftungsfrage zog. Als letztes nahm Schwab Stellung zur Außenhaftung und äußerte sich zu den unterschiedlichen Fallgruppen der Durchgriffshaftung. Am Sonnabend, den 30. Juni 2012, fasste Univ.-Prof. Dr. Johannes Zollner, Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, den

npoR Heft 3/2012

aktuellenStandder Entwicklungeneines CorporateGovernance Kodex für NPOs in Österreich zusammen. Zollner informierte zunächst über die nationalen und internationalen Initiativen, den Anwendungsbereich und die Regelungstechnik des Kodex und stellte die allgemeinen Prinzipien des Kodex (Prinzip der Gewaltenteilung von Aufsicht, Leitung und Vollziehung; effiziente und verantwortungsvolle Führung; Transparenz; Wahrung der Interessen Berechtigter) vor. Auf den Aspekt der Gewaltenteilung ging Zollner näher ein. Er erläuterte, dass das Leitungsorgan bestimmte Aufgaben, die Geschäftsleitung oder die Geschäftsführung an ein oder mehrere Mitglieder übertragen könne und zusätzlich ein eigenes Aufsichtsorgan eingerichtet werden könne. Dieses Vorgehen werde hiermit erstmals ausdrücklich erwähnt, entspreche aber der bisherigen Praxis in Österreich. Zollner gab einen Überblick über Aufgabenkreis und Organisationsverfassung des Leitungsorgans, der Geschäftsleitung, der Rechnungsprüfung und des Aufsichtsorgans. An beiden Tagen erhielten die Doktoranden in vier themenspezifisch eingeteilten Kleingruppen unter fachkundiger Leitung von Dr. Barbara von Finckenstein, Universität Rostock, RiAG PD Dr. Thomas von Hippel, Hamburg, Weitemeyer sowie Zollner die Gelegenheit, ihr Dissertationsthema vorzustellen und dieses oder einzelne besonders interessante Teilaspekte mit den anderen Kleingruppenteilnehmern zu diskutieren. Daneben trug eine Architekturführung durch die Hafencity und ein gemeinsames Abendessen am Freitag zur Vernetzung und zum Austausch bei. Die Leiter der Veranstaltung waren ebenso begeistert wie die Doktoranden über diese einmalige Gelegenheit zum wissenschaftlichen Austausch im Non-Profit-Recht. Clara Lienicke, Bucerius Law School







W. Rain e r Walz-Pre is 2012 Das Institut für Stiftungsrecht und das Recht der Non-

Bewerbung sind ein Exemplar der wissenschaftlichen

Profit-Organisationen der Bucerius Law School, Ham-

Arbeit, welche die Grundlage für die Bewerbung bil-

burg, vergibt für das Jahr 2011 den von der Humanis-

det, ein Lebenslauf, die gutachterlichen Beurteilungen

tischen Stiftung, Frankfurt, im Jahr 2007 gestifteten

der Arbeit und ggf. Nachweise der Examina beizufü-

W. Rainer Walz-Preis. W. Rainer Walz hat das Institut

gen. Das Promotions- oder Habilitationsverfahren soll

als Direktor von 2002 an bis zu seinem Tode im Jahr

im Jahre 2011 abgeschlossen werden.

2006 zu einer führenden Forschungseinrichtung zu allen rechtlichen Fragen des Dritten Sektors entwickelt.

Über die Vergabe des Preises entscheidet unter

Der Preis ist bestimmt für Wissenschaftlerinnen und

Ausschluss des Rechtsweges die Leitung gemein-

Wissenschaftler, die im Rahmen einer Abschlussar-

sam mit dem Beirat des Instituts für Stiftungsrecht

beit eine bedeutende wissenschaftliche Leistung auf

und das Recht der Non-Profit-Organisationen. Wenn

dem Gebiet des Stiftungsrechts, des Vereins-, Genos-

keine geeigneten Bewerbungen eingehen, kann

senschafts-, Gemeinnützigkeitsrechts, des sonstigen

von der Vergabe des Preises abgesehen werden.

Zivil-, Straf- und öffentlichen Rechts der Non-ProfitOrganisationen sowie der Rechtsökonomie erbracht

Bewerbungen müssen bis zum 31. März 2013 ein-

haben.

gereicht werden:

Der Preis ist mit 5.000 € dotiert und wird im Rahmen der „Hamburger Tage des Stiftungs- und Non-ProfitRechts“ am 9. November 2012 vergeben. Der Preis

Institut für Stiftungsrecht und das Recht der Non-Profit-Organisationen

kann auch geteilt und an mehrere Personen verge-

Professor Dr. Birgit Weitemeyer

ben werden. Bewerberinnen und Bewerber sollten

Bucerius Law School

ein akademisches oder staat­li­ches Abschlusszeugnis

Jungius­straße 6, 20355 Hamburg

nachweisen. Selbstbewerbungen sind erwünscht. Der


npoR Zeitschrift für das Recht der Non Profit Organisationen Heft 3/2012

Impressum Geschäftsführende Herausgeberin: Prof. Dr. Birgit Weitemeyer Institut für Stiftungsrecht und das Recht der Non-Profit-Organisationen Bucerius Law School Trägergesellschaft: Hochschule für Rechtswissenschaft gemeinnützige GmbH Jungiusstraße 6 20355 Hamburg Geschäftsführer: Dr. Hariolf Wenzler, Benedikt Landgrebe (Stellvertreter) Vorsitzender des Aufsichtsrats: Prof. Dr. Michael Göring Amtsgericht Hamburg, HRB 75325 Redaktion: Redaktionelle Gesamtverantwortung: Prof. Dr. Birgit Weitemeyer Schriftleitung: Dr. Gregor Roth Redaktionsleitung: Janne Seelig Redaktion: Julian Albrecht, Clara Lienicke, Peter Stark, Julia Theele Institut für Stiftungsrecht und das Recht der Non-Profit-Organisationen Bucerius Law School, Jungiusstraße 6, 20355 Hamburg Telefon (040) 30706 -270 Telefax (040) 30706 -275 E-Mail: Redaktion@npoR.de npoR im Internet: www.npoR.de Erscheinungsweise: Die Zeitschrift für das Recht der Non Profit Organisationen erscheint vierteljährlich als: – kostenpflichtige Druckausgabe (ISSN 1868-3770) – kostenpflichtige elektronische Druckversion (ISSN 1868-3762) – kostenlose Leseversion (ISSN 1868-3762). Bezug: Abruf der kostenlosen Onlineversion und der Ausgaben des Newsletters www.npoR.de. BLS NON PROFIT LAW NEWS unter Aufnahme in den E-Mail-Verteiler oder Abschluss eines kostenpflichtigen Abonnements: Füllen Sie unseren Bestellschein aus oder wenden Sie sich an die Redaktion. Alternativ können Sie die Druckausgabe auch über die Buchhandlung Ihres Vertrauens beziehen. Laufzeit eines Abonnements: ein Jahr, das Abonnement verlängert sich automatisch um ein weiteres Jahr, wenn es nicht gekündigt wird. Der kostenpflichtige Bezug eines Einzelheftes ist möglich. Kündigung: Ein kostenpflichtiges Abonnement können Sie jederzeit schriftlich mit einer Frist von 14 Tagen zum 1. eines jeden Monats kündigen. Kosten: – Druckausgabe (ISSN 1868-3770): 50,- Euro p.a. inkl. USt. zzgl. Porto und Ver sandkosten (8,- Euro p.a.) – Elektronische Druckversion (ISSN 1868-3762): 10,- Euro p.a. inkl. USt – Elektronische Leseversion (ISSN 1868-3762): kostenlos. Zahlung am Ende des Jahres per Rechnung.

ISSN 1868-3762

Urheber- und Verlagsrecht: Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Eine Vervielfältigung, Weiterverbreitung oder Speicherung ist gestattet, wenn dies nicht zu kommerziellen Zwecken erfolgt und das Institut für Stiftungsrecht und das Recht der Non-Profit-Organisationen als Herausgeber unter Verweis auf die Internetpräsenz www.npoR.de gut sichtbar als Quelle erwähnt wird. Die Vervielfältigung, Weiterleitung oder Speicherung von Teilen der Zeitschrift ist verboten. Die Einbettung der Zeitschrift in eine Onlinepräsenz (Webseite) ist nur in der Form gestattet, dass durch einen Hyperlink auf die Originalquelle unter www.npoR.de verwiesen wird. Die Einbettung in einen Frame der verweisenden Webseite ist nicht gestattet. Manuskripte: Manuskripte und Zuschriften werden ausschließlich an die Redaktion erbeten. Herausgeber und Redaktion haften nicht für Manuskripte, die unverlangt eingereicht werden. Es werden nur Originalaufsätze angenommen, die ausschließlich dem Institut für Stiftungsrecht und das Recht der NonProfit-Organisationen zur Alleinverwertung in allen Medien (einschließlich Datenbanken) angeboten werden. Nach Ablauf eines Jahres kann eine Drittverwertung durch den Autor erfolgen. Das Institut hat dann ein einfaches Verwertungsrecht hinsichtlich aller Medien. Senden Sie Manuskripte bitte als Textdatei an Redaktion@npoR.de Mediadaten: Die Mediadaten stehen unter: http://www.npor.de/pdf/Mediadaten_npoR_2012.pdf zum Abruf bereit. Gestaltung: Susanne Laudien, grafikerin@laudien.net Satz: kravcov hey hoffmann werbung & design Fotos: Dr. Gregor Roth Verlag: Bucerius Law School Press, Jungiusstraße 6, 20355 Hamburg Druck der Printversion (ISSN 1868-3770): Druckhaus Humburg GmbH & Co. KG, Am Hilgeskamp 51-57, 28325 Bremen Telefon (04 21) 42798 -0, Telefax (04 21) 42798 -99 druckhaus@humburg.de, www.humburg.de


npoR - Zeitschrift für das Recht der Non Profit Organisationen www.npoR.de Heft 3/2012 – ISSN 1868-3762


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.