Heidehaus magazin ausgabe 4

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Pflegeheime für Homosexuelle Ein „Tabu-Thema“, welches das Alter nicht scheut

In der heutigen globalen Gesellschafft leben viele Menschen inzwischen aufgeklärt und tolerant gegenüber der Homosexualität. Nichts desto trotz ist und bleibt Homosexualität in großen Teilen der Bevölkerung ein Tabu-Thema und Schwule sowie Lesben stoßen teilweise auf große Gegenwehr. Natürlich kann jeder selbst entscheiden mit wem man sich umgibt, und den Menschen, die mit Homosexualität nicht umgehen können, kann man meistens einfach aus dem Weg gehen. Anders kann es im Alter sein, wenn man auf Hilfe angewiesen ist und sich in ein bestehendes Unterstützungsnetzwerk integrieren muss. Bei einem Einzug in eine Pflegeeinrichtung kann man sich die Menschen, die einen täglich umgeben nicht aussuchen und es ist möglich, dass es dort Bewohner und Mitarbeiter gibt, die der Homosexualität nicht tolerant gegenüber stehen. Es ist schwer sich vorzustellen, wie es ist, ein Leben lang mit einer homosexuellen Orientierung zu leben, und sich im Alter verstecken zu müssen. Hinzu kommt, dass auch homosexuelle Menschen an

einer Demenz oder einer anderen Krankheit, die die kognitiven Fähigkeiten einschränkt, erkranken können, und sie dadurch vielleicht nicht immer in der Lage sind, ihre Äußerungen und ihr Verhalten zu kontrollieren oder zu „verstecken“. Wünschenswert wäre jedoch, dass diese Menschen in einem toleranten Umfeld aufgefangen und adäquat versorgt werden können. Diese individuellen Bedürfnisse haben die Schweden berücksichtigt und besondere Angebote in ihrer Pflegelandschaft geschaffen. Als erstes Land haben sie ein Pflegeheim für Homo-, Bi- und Transsexuelle eröffnet, wo die Menschen unter Gleichgesinnten würdig alt werden können. Welche Angebote gibt es in der deutschen Pflegelandschaft für Homosexuelle? In der Presse wird das Thema Pflegeheime für Homosexuelle sehr kontrovers diskutiert, da u.a. auch die Meinung existiert, dass man Homosexuelle erst recht isolieren würde, wenn sie in speziellen

„Homosexuellen Heimen“ untergebracht werden. Allerdings gibt es auch in Deutschland inzwischen verschiedene Angebote, die diesen Isolierungsgedanken ausschließen und Möglichkeiten schaffen, Menschen mit homosexuellen Lebensentwürfen in bestehende Pflegeangebote zu integrieren. Das 2012 eröffnete Mehrgenerationshaus „Lebensort Vielfalt“ in Berlin Charlottenburg z.B. verfügt über unterschiedlichste Wohneinheiten, von denen eine Wohngemeinschaft für acht homosexuelle Männer mit Pflegebedarf oder demenziellen Erkrankungen ist. In der WG selbst leben Gleichgesinnte unter sich, wobei Integration durch gemeinsame Freizeitaktivitäten aller Hausbewohner, egal ob homosexuell, heterosexueller, jung oder alt gelebt wird. Die Nachfrage solcher Angebote ist groß, denn das Mehrgenerationshaus hat bereits Wartelisten von über 200 Interessenten.

Einen anderen Ansatz hat die Seniorenpartner Elisabeth Schulz GmbH & Co KG in Lütjensee entwickelt. Mit dem Ziel ein diskriminierungsfreies Leben in ihren Einrichtungen zu erleichtern und ihre MitarbeiterInnen für das Thema zu sensibilisieren, haben sie ihre Biografie-, Anamnese- und Aufnahmebögen überarbeitet. Darin werden homosexuelle Lebensentwürfe und Themen wie Sexualität, Intimität und Nähe ganz selbstverständlich aufgeführt und während eines Aufnahmegesprächs behandelt. Für dieses Projekt Namens „Biografiearbeit ohne Tabus - Für einen offenen und diskriminierungsfreien Umgang mit Homosexualität im Alter“ wurde die Seniorenpartner Elisabeth Schulz GmbH & Co KG mit dem Schleswig-Holsteinischen Altenpflegepreis 2013 ausgezeichnet. Ob das Angebot in der deutschen Pflegelandschaft die Nachfrage irgendwann decken wird, ist abzuwarten. Deutlich ist, dass Menschen ganz individuelle Bedürfnisse haben, die auch im Alter nicht einfach versiegen.


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