Edition MixMuc 2017

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Editorial Vorwort Gaddafi Gals Intro KulturRaum & NJB Die guten Probleme in Deutschland Hotspots in M체nchen Was ist der Bob Marley Tag? Wie Maib채ume wirken Die h채sslichste Aussicht der Welt Wha gwaan Backstage Und, was machst du so? Heimat im Topf Rezepte Zauberkraft Unterbiberger Hofmusik Peace of Paper SchlaUschule - Bildung mal anders Business Multikulti They know our story Schulsysteme Der Grund, warum ich rappe One Corner Khadijas zwei Heimaten Ein Anwalt 체ber Asylrecht Ein perspektivreiches Seminar Im Portrait: Tim Yilmaz MixMux empfiehlt ... Impressum

4 5 6 8 10 11 12 14 18 22 26 29 33 34 37 30 42 46 48 49 50 52 54 56 58 62 63


�lle h��en die Absicht eine �r�c�e �u errichten MixMuc ist ein bunt gemischtes Team aus etwa 20 jungen Menschen mit und ohne Fluchthintergrund, die gemeinsam unter dem gemeinnützigen Verein KulturRaum München e.V. vielseitige Kulturprojekte hochziehen. Der NJB ist ein Netzwerk von und für junge JournalistInnen. Der Verein bietet Seminare, Reisen, Workshops und mehr, um Interessierte für die Medienwelt von morgen zu wappnen. Gemeinsam haben MixMuc, KulturRaum und NJB dieses kunterbunte Magazin gestaltet, das unterschiedliche kulturelle und gesellschaftspolitische Themen reflektiert – inklusiv, inspirierend und informativ. In Workshops haben die TeilnehmerInnen journalistische Grundlagen gelernt und Themen und Inhalte des Magazin diskutiert. In Tandems haben JournalistInnen und junge Kreative unterschiedlicher Herkunft Texte verfasst. Das Anliegen des Magazins: Unser Bild von einem bunten München in all seiner kreativen

Vielfalt und Offenheit zu Papier zu bringen. Die Bandbreite an Texten reicht von unterhaltsam bis politisch, von literarisch bis informativ: Wie erlebt ein Gambier bayerische Maibaum-Traditionen? Was denkt ein türkischer Anwalt über deutsche Migrationspolitik? Das und so viel mehr steckt in der MixMuc Edition. Das Magazin entstand im Rahmen des Panama Plus 2017. Das Festival schlägt Brücken - zwischen Kunst und Politik, Werkstatt und Club, Uni und Rave. Panama Plus hat eine Vision: statt nur zu präsentieren, werden KünstlerInnen, WissenschaftlerInnen, politische AktivistInnen und Alltags-PhilosophInnen eingeladen zur Reparatur der Zukunft. Auf, vor und hinter der Bühne finden Workshops, Konzerte und Diskussionen statt, werden Filme, Kunstwerke und Utopien entwickelt und vorgeführt. Viel Spaß beim Lesen.


Drei Statements. Ausnahmslos Menschen Mensch sein lassen. Das scheint uns so sternenklar, dass wir gar nicht erst darüber schreiben möchten. Denn umso sternenklarer scheint es, diesen Gedankengang allgemein dem menschlichen Verstand vorauszusetzen. Das klingt naiv und utopisch, wenn man sich beispielsweise mit der einseitigen Berichtserstattung boulevardesker Blätter und den gefühlt – immer größer werdenden rechten, faschistischen und nationalistischen Fronten befasst. Diese tendenziöse Stimmung, die dazu führt, dass alleinstehende Minderjährige in Kriegsgebiete abgeschoben werden, dass menschenverachtend über Geld gestritten wird - „Neue Zahlen: so viele Ausländer leben von Hartz IV“ -, dass in der virtuellen Welt sich alle verbal auf die Fresse hauen und sich an Missständen aufgeilen, hat uns zu einem Entschluss geleitet: endlich unsere apolitische und faule Seite zu verabschieden. Wir sind mitteljung, kreativ, naiv und wollen viel. Vor allem wollen wir Theorie in Praxis umwandeln. Eine Mischung aus Joseph Beuys und Audre Lorde, die jeden Menschen als Künstler betrachten und ihm mindestens eine Begabung zuschreiben, die es gilt nach außen zu tragen. Aktiv, nicht passiv. Dieser Utopie schenken wir unseren Glauben. In diesen beziehen wir jeden* mit ein, insbesondere diejenigen* denen die privilegierte Welt verschlossen bleibt. Kulturelle Vermittlung ist eine unserer schönsten Waffen. Sie soll sich gegen keinen* richten, sondern verstärkt auf unsere* Unterschiede eingehen, diese unterstreichen und akzeptieren. Damit meinen wir keine einseitige Vermittlung, vielmehr einen Austausch. Ja, Austausch! (Schließlich ist die Theorie des Westens nicht unbedingt Heilwesen für alles und jeden*.) Das Wort Brücke, auch wenn wir uns mit diesem klischeebeladenen Wort schwer tun, visualisiert diesen Austausch ausgesprochen gut. Die Frage, was eine Brücke ist, ist nicht präzise genug: wir müssen auch fragen, auf welche Weise sie erdacht und mit welchen Materialien sie gebaut wurde. Wir müssen nach den Pfeilern fragen und nach dem Geländer, an dem die Hände sich halten, nicht nach dem unweigerlichen Fluss, der unten rast. Auch unter einer Straße rumort es bisweilen. Auch von einem ausgetrampelten Pfad kann man fallen, mit tödlichem Ausgang. Was uns interessiert sind also

nicht Autobahnbrücken mit den schmalen Fußgängerstreifen für Steinewerfer und Instandhaltungsarbeiten, es sind nicht jäh abfallende Eisenbahnbrücken oder nacktbäuchige Aquädukte oder der vollverglaste Brückengasthof Frankenwald, der bedrohlich und quer über der A9 hängt: wir müssen nach Fußgängerbrücken aus Stahl, Beton oder Holz fragen, mit Geländern aus Stahl, Beton oder Holz, bestehend aus Streben aus Stahl, Beton oder Holz – gebaut für Menschen aus Fleisch und Blut. Fußgängerbrücken mit doppeltem Boden, (mütterliche) Brüstungen, die Fehltritte erlauben. Und aktuell im Mittelmeer, wo sich die Frage nach jener rettenden Reling stellt, die nur auf schweren Schiffen zu finden ist und nicht auf Schlauchbooten und Einbäumen: hier sollten wir anfangen. Mit welchen Materialien? Nach welchen Bauplänen? Mit welchen Kräften? Wie also Brückenbauen, statt ob. Würden sich alle Menschen aller Farben, aller Geschlechter, aller Klassen, aller Erscheinungen und aller Gedanken die Hände reichen und eine Brücke bilden, sie würde siebzehn Mal um den Planeten reichen und bis hinüber zum Mond und vielleicht auch zur Venus und zum Mars. Der Weltraum würde hell und farbenfroh flimmern und die größte Party aller Zeiten wäre im Gange, mit Lametta und Girlanden und spektralfarbigen Weihnachtsbäumen und Trommelwirbel, mit Tanz und Gesang und allem drum und dran. Die Gaddafi Gals treten am Samstag den 01.07.17 um 22:00 Uhr im Import Export auf. Walter p99 arke$tra blaqtea slimgirl fat

Vorwort der Gaddafi Gals


Kulturraum München - Einfach. Kultur für alle. Wir in München haben ja die Qual der Wahl: sollen wir heute Abend ins Performance-Theater an den Kammerspielen, zum entspannten Freiluftkino oder doch lieber ein bisschen Klassik in der Residenz? Aber Obacht: diese Vergnügungen kosten Bares! Leider haben viele Münchnerinnen so wenig davon, dass sie auf die Seelennahrung „Kultur“ verzichten müssen. All diese Menschen lädt der Verein KulturRaum München ein: wer sich mit einem Nachweis (z.B. München Pass) als KulturGast angemeldet hat, bekommt einen Anruf wie diesen: „Hallo, hätten Sie Lust auf Impro-Theater diesen Freitag?“ Geflüchtete und Menschen mit Behinderungen, die sich Begleitung wünschen, bekommen diese durch KulturPaten. Oder, wer als KulturKicker unter 21 Jahren angemeldet ist, bucht sich selbst die Tickets online. Hingehen, Karten an der Abendkasse holen und genießen, staunen und Spaß haben. Und was hat das mit MixMuc zu tun? Junge Menschen mit und ohne Fluchterfahrung haben zusammen mit jungen JournalistInnen diese MixMuc Edition geschaffen. Sie haben sich kennengelernt, weil sie sich bei KulturRaum München engagieren und gemeinsam Kulturprojekte stemmen, wie zum Beispiel 2016 das MixMuc Festival im Club Ampere. Die Entstehung der MixMuc Edition wurde ehrenamtlich von Luisa Berauer und Julia Rid vom KulturRaum München e.V. begleitet. Wir setzen uns dafür ein, dass alle Münchner Bürgerinnen die Gelegenheit bekommen, am kulturellen Leben der Stadt teilzuhaben – unabhängig von ihrer finanziellen Situation. Möglich wird das durch unsere vielen ehrenamtlichen Helfer, die KulturGäste anrufen und die vielen Kulturveranstalter, die uns Karten zur Verfügung stellen.

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Weitere Informationen: kulturraum-muenchen.de


Was ist der NJB? Die Nachwuchsjournalisten in Bayern e.V., kurz NJB, sind ein Netzwerk junger Journalisten. Rund 300 Mitglieder zählt der Verein. Wir bieten Seminare, Vorträge, Reisen, Journalistenpreise, Workshops und das Mentoring-Projekt mit dem Presseclub, um Interessierte für die Medienwelt von morgen zu wappnen. Mitglied werden? Du möchtest dich journalistisch weiterbilden? Dich mit jungen Journalisten austauschen? Recherchereisen unternehmen? Werde Mitglied! Studenten, Schüler, freie Mitarbeiter, Volontäre und Jungredakteure – die Mitgliederstruktur ist vielfältig. Einfach anmelden unter www.njb-online.de Mentoring-Projekt Lernen von den Profis? Im Mentoring-Projekt in Kooperation mit dem Presseclub München können sich NachwuchsjournalistInnen (Mentees) durch beruflich erfahrene KollegInnen (Mentoren) ein Jahr lang begleiten lassen. Im Zentrum stehen Erfahrungsaustausch, das „Vier-Augen-Gespräch“ mit dem Mentor und persönliches Feedback. Ergänzt wird das Programm durch ein Fortbildungsprogramm aus etwa 15 – 20 Veranstaltungen. Die nächste Runde startet im Frühling 2018. Schreiben? Hast du Lust, für die nächste Edition zu schreiben? Nur zu. Wir sind gespannt auf enthüllende Berichte, aufregende Reportagen und kreative Textideen! Melde dich bei info@njb-online.de Newsletter? Im regelmäßigen NJB-Newsletter erhältst du alle Termine und Neuigkeiten. Zum Abonnieren schick uns eine Mail an: njbnewsletter+subscribe@googlegroups.com


Am Anfang aber dachte ich: die Deutschen haben vielleicht Probleme! Richtig gute Probleme – wenn ich es mit dem Chaos in meiner alten Heimat vergleiche. Es waren oft Kleinigkeiten, die ich bemerkenswert und auch ein bisschen komisch fand- Oft sah ich vor Haustüren Pappkartons stehen. Daran klebte ein Zettel: „Zu verschenken“. Da lagen dann alte Kleider, Rucksäcke, Bücher und Geschirr auf dem Bürgersteig herum, und ich fragte mich: kennen die keinen Nachbarn, dem sie das vermachen können? Woher wissen die, dass jemand das Zeug überhaupt braucht? Und wenn die Leute etwas davon nehmen, werden sie dann auch ein Schild mit DANKE schreiben? Das wäre in Afrika unbedingt notwendig. In Gambia würde das Ganze jedenfalls anders laufen: du hast ein altes Fahrrad zu verkaufen oder Kleider zu verschenken? Du sagst es jemandem in deinem Freundeskreis, die Nachricht wird so in kürzester Zeit die Runde machen und sich bald jemand melden, der das haben möchte. Auf jeden Fall macht

Wie ein Westafrikaner lernte, Mülltrennung, leise Gespräche und korrekte Polizisten zu lieben.

Ich lebe jetzt schon fast vier Jahre in Deutschland. Manchmal fühle und denke ich auch schon ein bisschen Deutsch und wenn ich in meine Heimat Gambia zu Besuch kommen würde, bekäme ich wohl den Spitznamen „Deutscher“ verpasst. Trotzdem kann ich mich noch sehr gut erinnern, wie fremd mir dieses Land einmal war. Und wie ich über Dinge, die für Deutsche selbstverständlich sind, staunen musste. Ich habe vieles in meiner neuen Heimat schätzen gelernt: Pünktlichkeit, Mülltrennung, Respekt vor verschiedenen Lebensformen, also zum Beispiel auch homosexuellen Mitmenschen, Vertrauen in Beamte, Ordnung, Sauberkeit im öffentlichen Stadtbild.

von Paali & Jonathan Fischer

Die guten Pro�leme in Deutschland


Mich hat auch erstaunt, dass hier die Polizisten keine Geschenke und keine Geldzahlungen von den Menschen für ihre Dienste erwarten. Sie machen einfach ihre Arbeit. Ich sehe oft Polizeiwagen, die auf Streife durch die Stadt fahren und patrouillieren. So etwas kenne ich aus Gambia nicht. Wenn man da die Polizei ruft, kann man Stunden und Tage lang warten, bis sie kommen. Und wenn sie tatsächlich kommen, sollte man wenigstens ein paar Scheine für sie bereithalten. In Afrika haben viele Polizisten ein sehr eigenes Berufsbild: sie versuchen möglichst aggressiv aufzutreten, sind unfreundlich und behandeln die Menschen ohne Respekt. Sie sehen das als Ausdruck ihrer Machtstellung. Ich habe gehört, dass so etwas auch in Deutschland vorkommt. Aber die Regel scheint es nicht zu sein. Dafür sprechen meine eigenen Erfahrungen: als ich einmal

„Warum ist es in Deutschland soooo leise?“

nachts in eine Schlägerei im Kunstpark Ost verwickelt wurde, griff die Polizei sofort ein. Am nächsten Tag erstattete ich Anzeige, auch weil ein Polizist mir gegenüber grob geworden war – er hielt mich für den Täter. Die Polizisten in der Dienststelle nahmen mich ernst. Sie schrieben alles auf und holten übergeordnete Polizeibeamten, die eine Untersuchung zu ihren Kollegen einleiteten. Das konnte ich mir in Gambia kaum vorstellen: Dass ein Polizist gegen den anderen ermittelt. „Warum ist es in Deutschland soooo leise?“ So dachte ich die ersten Tage und Wochen. Warum ruft hier niemand im Bus oder in der U-Bahn herum, so wie ich es aus meiner alten Heimat kenne? Was ist hier los, begrüßen sich die Leute nicht anständig? Als ich tagsüber das erste Mal in München in eine U-Bahn stieg, kam es mir vor, als wäre es tiefste Nacht. Denn das ist die einzige Zeit in meiner Heimat, in der es einigermaßen still ist. Ich habe mich ertappt gefühlt: immer wenn ich mit meinen Freunden einfach los quatschen wollte, man immer einer bestimmten Person ein Geschenk. Man kippt die Geschenke nicht auf die Straße.

haben sich die Leute nach uns umgedreht. Das war unangenehm. Und irgendwann fragte ich mich selber, warum man sich nicht auch leise unterhalten kann. Jetzt wird mir die Lautstärke oft selbst zu viel: in der U-Bahn will ich etwas Interessantes lesen, und nicht hören, was die Menschen im nächsten Waggon miteinander bequatschen. Ja, so deutsch bin ich schon.

Als ich zu einem Konzert in einer Bar in der Nähe des Sendlinger Tors ging, sah ich zum ersten mal zwei Männer, die sich geküsst haben. Mein erster Gedanke war: sind die ganz dicht? In meinem Land würde das niemand öffentlich tun, obwohl es natürlich auch dort Homosexuelle gibt. In einem Integrationskurs habe ich dann gehört, dass in Deutschland verschiedene sexuelle Lebensformen toleriert werden und alle die gleichen Rechte haben. Am Anfang wollte mir das gar nicht einleuchten. In Gambia wird sehr schlecht über Homosexuelle geredet, da gab es ganz schlimme Wörter für sie. Viele denken, das sind einfach kranke Menschen. Aber dann habe ich schwule Betreuer kennen gelernt. Und auch ein schwules Pärchen in meinem deutschen Bekanntenkreis. Die waren ganz normale nette Typen. Mein Denken hat sich seitdem verändert: die haben einfach Gefühle für Männer, so wie ich Gefühle für Frauen habe. Sonst nichts. Und daran kann ich nichts Schlechtes finden. Mir ist auch aufgefallen, wie viele Papierkörbe überall in München herum stehen. Warum schmeißt hier niemand seinen Müll auf die Straße? Ist das ein Gesetz, dass man alles nur in vorgeschriebene Behälter schmeißen darf? Am Anfang habe ich nicht den Sinn dieses Verhaltens verstanden. In Gambia werfen die Menschen viel Müll einfach auf die Straße. Und wenn es Regeln gibt, dann kümmert sich kaum einer darum. Hier aber folgen die Menschen wie selbstverständlich einem selbst auferlegten Gesetz: bloß kein Bonbonpapier oder eine Brezentüte einfach fallen lassen. Denn für alles gibt es einen vorgeschriebenen Müllort. Mülltrennung – das war für mich etwas so Deutsches! Inzwischen habe ich in meiner Wohnung selbst drei verschiedene Müllbehälter. Einen für Bio, einen für Plastik und einen für Papier. Und ich fühle mich sogar schlecht, wenn ich eine Flasche einfach in den Papierkorb werfe. Nicht weil ich dafür bestraft werde. Sondern weil ich die Umwelt schonen will.


Ahmad Bibliothek im Gasteig und Englischer Garten Jarck Boy Wiesn Zillian Das afrikanisches Restaurant in der Sandstraße Abdu Ich gehe gerne ins Bellevue di Monaco um neue Leute kennenzulernen, Musik zu hören

Sonja Ich bin gerne in meinem Garten Paali Ich gehe gerne in die Muffathalle Mam Das Tonstudio Toni Isar an der Muffathalle und der Genoveva Schauer Platz Cham Bwoii Englischer Garten

Marcus Muffathalle

Sarah Bavaria

Nadja Ich gehe gerne zum Kiesstrand bei der Praterinsel

Sophie Das komplette Westend

Julia Der Tischtennisplatz im Park am Candidplatz Simone Ich sitze gerne an den Treppen an der Bavaria an der Theresienwiese Julia H. Der Viehhof im Schlachthofviertel Line Ich mag den Spirit im TAM TAM Tanzlokal

Javid Bibliothek am Gasteig und Isar

Khadija Marienplatz Shari Genoveva Schauer Platz Jonathan Der Mini-Biergarten des "Schau ma moi" in Giesing an der Kistlerstraße Karim Wenn der Winter kommt und es ganz früh dunkel, kalt und feucht ist, dann gehe ich gerne Dienstags in das Südbad in Sendling. Hier gehe ich 10-15 Minuten schwimmen für das gute Gewissen und aus Respekt den anderen Sportlern gegenüber, dann kommt das Hauptprogramm: 1 ganze Stunde verbringe ich in dem coolen "Outdoor Jacuzzi" und dann 30 Minuten Duschen mit einer Marseille Seife. Fertig. Dann gehe ich einen leckeren Falafel im Beirut Beirut essen: Danach fühlt man sich immer besser!

Jana Unser Gemeinschaftsgarten Luisa Tagsüber der Südfriedhof mit Eichhörnchen und lustigen Krähen und abends der Stephansplatz mit Bronze-Matratze, wunderbarer Ort zum Flanieren mit Freunden und rotem Cava aus dem Palau! Stefi Ich spaziere gerne entlang der Isar und verweile auf Stufen oder Baumstämmen.

Lieblingshotspot� in M�nchen

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Ghettofigher Englischer Garten


Wohin man sich auch dreht und schaut, sind die Straßen gefüllt von Menschen, die sich unterhalten und tanzen, während laute Musik von Bob Marley aus Ghettoblastern schallt. Die Wände der Häuser sind mit Bildern von Bob Marley behängt, Feierlustige haben ihre extralangen Rasta-Shirts angezogen. Rasta-Flaggen in rot, gelb und grün schwenken durch die Luft. Grasgeruch überall, am Bob Marley Tag ist die Polizei toleranter als sonst, denn sie feiert einfach mit. Das ist der Bob Marley Tag in Gambia, ein Tag, der sogar wichtiger als der eigene Geburtstag ist. Wie der Name schon sagt, wird er jährlich zu Ehren der Legende Bob Marley gefeiert, der am 11. Mai 1981 verstorben ist. Bereits ein Jahr später hat sich sein Todestag als Feiertag bei der sogenannten „young generation“ (Jugendkultur) in Gambia fest etabliert. Aber was hat Bob Marley mit Gambia zu tun? Er ist ein großes Vorbild für Gambier, weil er sich für Freiheit, Liebe und Afrika eingesetzt hat.

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Bob Marley war nicht nur der wohl bedeutendste Künstler der Reggae-Szene, sondern auch der bekannteste Vertreter der Rastafari-Bewegung. In vielen Internetquellen wird Rastafari missverständlich als ein Glaube oder eine Religion beschrieben, die aus dem Christentum entsprungen ist. Stattdessen steht Rastafari allerdings für eine politische, gesellschaftliche und soziale Bewegung, die sich vor allem gegen die Unterdrückung der Schwarzen einsetzt. Menschen, die sich als Anhänger der Rastafari sehen, zeigen sich politisch aktiv, ernähren sich vegetarisch, tragen Rastas, die typischen Filz-

locken und rauchen natürlich auch Marihuana, was laut der Rastafari eine heilende Medizin ist. Mit der Zeit hat jedoch auch das politische Motiv, besonders für die jungen Menschen, an Bedeutung verloren. Somit repräsentiert Rastafari in der heutigen Zeit für viele aus der Jugendkultur einen Lifestyle und ein friedliches, positives Lebensgefühl. Genau das wird auch am 11. Mai gemeinsam genossen und gefeiert: Das Miteinander und der Zusammenhalt als eine große, starke Gemeinschaft. Schon in der Nacht vor dem 11. Mai versammeln sich alle Menschen in mehreren Gruppen zusammen auf den Straßen von Gambia, um gemeinsam „Ataya“ zu trinken, einen speziellen grünen Tee, der einen entspannt. Später am Abend ist die Party noch lange nicht vorbei. Nein, jetzt geht es erst richtig los. Denn alle Rastafaris in Gambia wollen am Bob Marley Tag in den Lama-Lama Club, der perfekte Ort, um auszurasten und bis zu den ersten Sonnenstrahlen am nächsten Morgen zu tanzen. Wer keine Lust auf Disko hat, geht zum Sene-Gambia. So nennt man die belebte Strandpromenade, die sich entlang der Küste Gambias zieht. In den vielen offenen Rasta-Bars, die es dort am Strand gibt, kann man zum Trommel-Beat der Djembe abtanzen oder einfach den Künstlern lauschen, die auf der Gitarre Lieder von Bob Marley covern. Einen Tag wie diesen muss man mal erlebt haben.

Jedes Jahr wird in Gambia am 11. Mai der Bob Marley Tag gefeiert. Doch was ist er überhaupt und warum feiert man ihn?

Von Jarck Boy, Ghettofighter & Caroline von EIchhorn

So feiert Gam�ia den �o� Marley Tag


Von Jarck Boy & Sarah Gollwitzer

Warum �laut je�and den M�i��u� w�hrend die Polizei dane�en steht? Jarck Boy im Gespräch mit Jürgen Hennig, dem 1. Vorsitzenden des Maibaumvereins Thalkirchen über die Hintergründe zum bayerischen Brauchtum. Ein später Mai-Abend vor fast zehn Jahren in Berg am Laim – Jarck Boy schaut aus dem Fenster seiner Wohnung, in der Dämmerung tut sich was: Menschentrauben, Polizeiwägen, ein Lastenanhänger mitten auf der Straße. Kein Unfall, keine Demonstration, nichts. Vielleicht muss er runter auf die Straße, um die Aufregung zu verstehen. Auf dem Fahrradweg sieht er eine Polizistin stehen und zögert kurz sie anzusprechen. Schließlich fragt er, was die Menschen hier machen. Sie entgegnet: „Sie klauen den Maibaum.“ Kurze Fassungslosigkeit. Warum klaut hier jemand während die Polizei daneben steht? Weshalb greift die Polizei nicht ein?

auch eine Lederhose, aber für ihn ist das kein Problem ohne Maiuniform im biertrinkenden Maipulk zu sitzen – die Leute wissen ohnehin, dass der Maibaum nicht seine Kultur sei.

Die Polizistin beruft sich auf die Tradition. Seitdem war Jarck Boy hier und da mit Kumpels immer mal wieder auf Maifesten. Es sei interessant, dass die Maifeiern eigentlich alle so ruhig seien und die Besucher die ganze Zeit nur miteinander reden. Alle essen Würstl und trinken Bier, tragen Lederhosen und Dirndl. Sein Kumpel hat

Wir klingeln, kurz darauf summt der Türöffner. Wir folgen dem Ehepaar Hennig ums Haus in ein kleines Gartenhäuschen aus Holz. Die Wände voller gestickter Andenken an besondere Momente aus vielen Jahren Familienleben und Vereinstätigkeit – gestickte Andenken vom Sohn, handgemalte Karikaturen von Mitglie-

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Als wir uns in Thalkirchen vor einem herrschaftlichen Altbau treffen, denken auch wir noch, die Maibaum-Kultur sei uns vertraut. Aber Herr Hennig vom Maibaumverein Thalkirchen e.V. belehrt uns eines Besseren. Mit ihm und seiner Frau sind wir an diesem Abend des 11. Mai 2017 zum Gespräch verabredet – zufällig Datum des Bob Marley Days.


dern des Maibaumvereins und natürlich einige Pokale aus einer beinahe 20-jährigen Maibaum-Vita. Quer durch den Raum hängt an zwei Fleischerhaken eine riesige Standarte aus dunkelgrünem Samt: eine Seite bestickt mit dem Gnadenbild von Thalkirchen, die andere mit einem Bild der Thalkirchener Kirche. Rechts an der Fahne ist eine schwarze Schärpe zum Gedenken an die verstorbenen Mitglieder des Maibaumvereins angebracht. Bestens vorbereitet liegen bereits mehrere Bücher zu Geschichte, Tradition und Brauchtum rund um den Maibaum auf dem Tisch. Dieser würde in allen Kulturen der Welt verehrt und symbolisiere natürlich Fruchtbarkeit: über das in der Religionsgeschichte weit verbreitete Mythenmotiv des Weltenbaumes, den heiligen Baum der Ägypter, Buddhas Erwachen unter einer Pappelfeige, die Freiheitsbäume zu Zeiten der Französischen Revolution, den Kirchweihbaum und das Maifest der Kelten gelangen wir zu den Germanen, die am ersten Mai ein Fest zu Ehren der Göttin Freya und deren Eheschließung mit dem Himmelsgott Wotan feiern. „Hierzu rammte man eben einen Birken- oder Buchenstamm in die Erde - und zwar als Phallussymbol. Das durchzieht alle Kulturen – alle aufgerichteten Bäume symbolisieren den Phallus, der Fruchtbarkeit bringt für die Dörfer. Und so ist auch der Maibaum entstanden.“ Für die Symbolisierung der Vereinigung von Mann und Frau wird dann der „weibliche“ Kranz um die Maibaumspitze gehangen, oder: „der Kranz, der um den Maibaum geht, der symbolisiert dann die Vulva. Da sticht praktisch der – also durchdringt der Phallus dann praktisch die…also.“. So haben wir den Maibaum noch nie gesehen.

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Doch warum klaut man den Maibaum überhaupt, oder: warum klauen sich Burschenvereine gegenseitig die Phalli vom Dorfplatz? Mit dieser Fragestellung liegen wir gar nicht so falsch, denn zur Entstehung dieses Brauches liefert Hennig zuerst den Ansatz, dass früher junge Burschen um die Gunst ihrer Angebeteten buhlten, indem sie ihr in der Nacht vor dem 1.Mai einen sogenannten Maien – einen geschmückten Birkenzweig – vor das Fenster stellten und diesen dann die ganze Nacht vor möglichen Nebenbuhlern bewachten. Ein anderer Ansatz klingt uns schon ein wenig vertrauter, da wir tatsächlich alle die Freinacht kennen. In der Walpurgisnacht am 30. April, wenn die bösen Geister Ausgang haben, verkleideten sich die Burschen des einen Dorfes und versuchten den Maibaum des Nachbardorfes zu klauen. Wenn ihnen dies nicht gelang und der Baum zum Maifest immer noch im richtigen Dorf war, deutet man dies als ein Zeichen des Segens. Daher kommt es also, dass Maibäume gestohlen werden. Anerkannt und ungeschlagen im Maibaumklauen sind übrigens die Unterbrunner. „Unterbrunn muss man sich merken! Das sind die bekanntesten Maibaumdiebe – die haben schon über 60 Maibäume gestohlen.“ Zu ihrem

50. gestohlenen Maibaum haben sie alle beklauten Gemeinden zum großen Fest eingeladen – Brauchtum verpflichtet. Aber auch als Privatperson kann man einen Maibaum klauen. Man braucht eben nur viele Hände, die mit anpacken und bestenfalls mit der Hantelbank verheiratet sind. Oder man macht es wie ein gutbetuchter Rentner, der zusammen mit einer kleinen Entführer-Gruppe 2004 den höchsten Maibaum Bayerns von der Zugspitze mit dem Helikopter entführte. Übrigens gilt der Ehrenkodex, dass der Baum im Dorf bleibt, wenn die Diebe noch innerhalb der Dorfgrenzen eingeholt werden: das Auflegen der Hand auf dem Stamm und die magischen Worte „Der Baum bleibt hier“, beenden den Diebeszug friedlich. Einmal über die Ortsgrenze hinaus, muss der Maibaum wesentlich kostenintensiver ausgelöst werden: zumeist durch das Ausrichten einer Feier mit Brotzeit und Musik. Daher kommt es, dass Maibäume gut bewacht werden müssen. „In der Stadt ist alles anders. In der Stadt ist alles teuer und schwieriger. Und die ganzen Vorschriften - für jeden Kram musst du irgendeinen Antrag stellen. Und rechtzeitig.“ Früher hat man den Maibaum mit Traktor uns selbstgebauten Anhängern zum Dorfplatz transportiert. Heute müssen diese Transporter zugelassen sein, die Versicherungspflicht für den Maibaum muss natürlich geklärt sein, denn oft passiert es, dass der Maibaum durch Pilzbefall im Stamminneren als einsturzgefährdet gilt. Die immer strenger werdenden Auflagen wirken sich auch auf die Vereinskasse aus und dann gibt es ja auch noch die Maifeier selbst: Blaskapelle, Zelte und im Thalkirchener Fall den Catering-Service und so weiter. Nach spätestens fünf Jahren muss der Maibaum aber ohnehin abgebaut worden sein – bis zu diesem Zeitpunkt hat der Verein bereits viel Geld investiert. Aber wesentlich mehr Herzblut. Und deswegen machen die Hennigs auch weiter mit dem Maibaumverein. „Es geht um Kultur. Und, dass der Verein erhalten bleibt. Und so ist es auch festgeschrieben in der Satzung: für Brauchtumspflege.“ Der Maibaumverein sucht Verstärkung! Mehr Infos unter: www.maibaum-thalkirchen.de.


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Von Anna-Louise Bath

Die Hässlichste �u��icht der Welt



Banksy, Streetart Star mit geheimer Identität, hat bereits vor zwölf Jahren begonnen, in Bethlehem politische Schablonengraffitis anzubringen. Diese haben Heerscharen von Fans angezogen: angeblich wird der biblische Ort schon von mehr „Banksy“-Touristen als von „Jesus“-Touristen frequentiert. Doch ob Streetart – wie von vielen Palästinensern erhofft – der restlichen Welt die prekäre Wie ein Grandhotel schaut es aus der Ferne aus. Von Nahem sieht man, dass die altmodische Fassade nur aufgemalt ist. Ein palästinensischer Portier in Frack und Zylinder öffnet die Tür. Beim Betreten der Pianobar, die als Lobby dient, wähnt man sich zunächst in einem britischen Gentlemen's Club zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Zwischen weichen Polstern und Trophäen aus den Kolonien kann man hier bei Klaviermusik englischen Tee in feinstem Chinaporzellan genießen und dabei den Blick aus dem Fenster schweifen lassen – und glotzt direkt auf Beton. Mit der „hässlichsten Aussicht der Welt“ wirbt das „Walled Off (zu deutsch: eingemauerte) Hotel“ für seine insgesamt zehn Zimmer, deren Fenster keinen anderen Ausblick als den auf die Grenzmauer freigeben. Das kür zlich eröf fnete Kunstprojekt des britischen Streetart Aktivisten Banksy steht in Bethlehem, Palästina, direkt neben einer acht Meter hohen Grenzmauer aus Beton. Errichtet mit der Begründung, dass sie vor Terrorismus schützt, verstößt die sich seit 2002 im Bau befindliche, fast 800 Kilometer lange Sperranlage zwischen dem Westjordanland und Israel gegen internationales Recht. Wer als Europäer die streng bewachten Checkpoints passiert, ist deutlich privilegiert, anders als die Bevölkerung Palästinas: von hier darf nur ausreisen, wer eine ausdrückliche Sondergenehmigung besitzt.

Lage vor Ort wirklich nahe bringen kann, ist umstritten. Kritiker befürchten eine Beschönigung der völkerrechtlich inakzeptablen Grenzmauer oder deren falsche Darstellung in den Medien, die zur „Normalisierung“ der israelischen Besatzung Palästinas beitrüge. Dass sich Banksy dieses Widerspruchs bewusst ist, verdeutlicht Jamil Khader, Anglistikprofessor und Studiendekan an der Bethlehem University, anhand einer Anekdote. Der in Haifa geborene Araber, der lange in den Vereinigten Staaten lebte, forscht zu Banksy’s Werken in Palästina.

“Verschiedenen Quellen zufolge hat Banksy tatsächlich einmal selbst Folgendes erzählt: eines Tages, als er gerade die Mauer bemalte, kam ein älterer, palästinensischer Mann vorbei und fragte: Was machst du da? Und Banksy antwortete: Ich male auf die Mauer. Woraufhin der alte Mann ihn ansah und sagte: Tu das nicht. Die Mauer ist häßlich. Mach sie nicht schön. Geh heim. Was die geopolitischen Umstände in Palästina betrifft, bin ich selbst der Meinung, dass viele Leute auf der Welt die Besatzung “normalisieren”. Die Besatzung wurde verharmlost und verschwiegen. Tatsächlich macht Banksy gerade dadurch, dass er auf diese Mauer malt oder indem er direkt daneben dieses neue Installationshotel eröffnet, auf diese Mauer und auf das Apartheidregime aufmerksam. Und ich denke, genau darin liegt die Stärke seiner Arbeit.” Ein häufiges Stilmittel in Banksy’s Werken ist die stark überzeichnete oder krass untertriebene Darstellung bestehender Verhältnisse, die deren Drastik herausstellen soll. Im Falle eines Banksy Graffitos über einem Hotelbett sorgt diese Machart für Kontroversen. Das Bild von einer Kissenschlacht zwischen einem israelischen Soldaten und einem palästinensischen Bürger wurde dafür kritisiert, dass es von zwei Gegenübern auf Augenhöhe ausgeht. Der von Anfang an asymmetrische Nahostkonflikt jedoch habe noch nie auf Augenhöhe stattgefunden. Jamil Khader hält diesen Vorwurf für unreflektiert: “Wenn man bei Kunst die Dinge, die man sieht, wörtlich nimmt, ohne ihren Kontext oder ihre Symbolik zu berücksichtigen, dann verpasst man ihre wahre Bedeutung. Was man in diesem Gemälde sieht, entspricht nicht eins zu eins Banksys Sichtweise. Viel-


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„I’m ashamed to be British“, äußert sich eine Hotelbesucherin. Vor kurzem hat sie in London an einer Demonstration teilgenommen: Im Zuge einer aktuellen Debatte um die „Balfour Declaration“ forderten britische Bürger die Regierung auf, das hundertjährige Jubiläum nicht mit Nationalstolz, sondern mit einer öffentlichen Entschuldigung für die Fehler der englischen Kolonialpolitik zu begehen. Jamil Khader betont, dass Banksy sich als Brite dem Nahostkonflikt nicht als „j emand von außen“ nähert: “Das erste, was Banksy einem deutlich machen will, wenn man das Hotel betritt, ist, dass man sich in einem Gentlemen's Club befindet–in einem kolonialen Verein, der hier ist, weil Großbritannien hier war. Dass die englische Regierung und das englische Volk eine Verantwortung ha-

Neben den zahlreichen Installationen und Gemälden von Banksy sind im Hotel auch weitere Künstler vertreten, wie Sami Musa und Dominique Petrin, die individuelle Hotelzimmer gestalteten. Eine großräumige, durch die Lobby erreichbare Galerie ist ausschließlich Werken palästinen-sischer Künstler vorbehalten, darunter Berühmtheiten wie Sliman Mansour und Khaled Hourani. Die Website des Walled Off weist auf die Uneigennützigkeit des Etablissements hin: sämtliche Gewinneinnahmen sollen in lokale Projekte fließen. Auch die Aussage des Hotelmanagers bestätigt, dass hier lokale Arbeitskräfte gefördert werden. In Palästina ist die Arbeitslosigkeit hoch. Die Wirtschaft leidet unter dem Konflikt und der Besatzung. Jamil Khader sieht in Banksys Bemühungen auch ein Statement zur wirtschaftlichen Lage Palästinas. “Sein wichtigster Ansatz hierbei ist für mich das, was er in punkto Konfliktlösung mitteilt. Dass es keine wirkliche politische Lösung geben kann, solange es keine wirtschaftliche Lösung der Problematik gibt. Erst, wenn die Palästinenser wirtschaftlich unabhängig sind, kann tatsächlich über eine realistische, politische Lösung gesprochen werden. Aus diesem Dilemma wird es so lange keinen Ausweg geben, bis es einen unabhängigen, palästinensischen Staat gibt. Erst ein solcher Staat wird in der Lage sein, mit den Israelis und der internationalen Gemeinschaft zusammenzuarbeiten.” Die widersprüchlichen Annehmlichkeiten des Hotels hinterlassen Wirkung. Insgeheim schämt man sich für die eigene, unfreiwillige Dekadenz, möchte sich von den freundlichen Palästinensern nicht einfach nur bedienen lassen, um anschließend tatenlos wieder abzureisen. Ob allerdings auch so von Banksy beabsichtigt oder nicht: in ihren Dieneruniformen wirken sie wie kostümierte Spielfiguren in einer von unbekannter Hand geplanten Inszenierung, in der man auch als Gast eine ganz bestimmte Rolle übernehmen soll. In der Aufarbeitung der berechtigten, wichtigen Thematik bleibt da nicht mehr viel individueller, kreativer Spielraum.

mehr kritisiert er oder verspottet oder parodiert sogar die Art und Weise, wie heutzutage im öffentlichen Diskurs, in den Massenmedien und von westlichen Regierungen mit dem palästinensischen Freiheitskampf umgegangen wird. Die Leute neigen dazu, zu glauben, dass Palästinenser und Israelis in dem Konflikt gleichberechtigte Partner sind. Dabei kann Israel, welches die sechststärkste Militärmacht der Welt ist und die zehntstärkste Wirtschaft der Welt besitzt, niemals mit der Wirtschaft Palästinas oder der Sicherheitslage für die Palästinenser verglichen werden. Was Banksy uns zeigt, ist, dass der Palästineser gerade deshalb an der Kissenschlacht teilnimmt, weil er eigentlich gar keine Wahl hat. Die Palästinenser sind immer die Unterlegenen.” Weitgehend auf Ironie verzichtet hingegen das kleine Museum im Erdgeschoss des Hotels. Es präsentiert zunächst nüchtern und faktisch die geopolitische Geschichte Palästinas seit seiner Kolonialisierung. Weniger nüchtern und durchaus nicht subtil in ihrer Botschaft erscheinen dagegen weitere Exponate, die Mittel der militärischen Unterdrückung durch Israel darstellen. An eine Geisterbahn erinnert schließlich die lebensgroße Puppe des englischen Lord Balfour am Ende des Rundgangs, die auf Knopfdruck wieder und wieder den Vertrag von 1917 unterzeichnet, der der zionistischen Bewegung einen jüdischen Staat in Palästina versprach.

ben, wenn es um Palästina geht. Er macht auf ein großes Problem in der englischen Geschichte aufmerksam. Vor allem gerade jetzt, wo führende, englische Politiker wie die Premierministerin Theresa May und andere von der Bevölkerung verlangen, stolz auf die Balfour Deklaration zu sein. Wie kann man denn stolz auf ein Schriftstück sein, das der Weltbevölkerung so viel Leid verursachte, allen voran den Palästinensern?”


W H A

„Easy nuh, yuh nuh haffi deh tek everyting suh serious? Why u deah?

Di party a go slap weh inside!”


Ein Abend. Zwei Fremde. Eine Leidenschaft. Zu Besuch bei jamaikanischer Clubkultur in München.

er keinen Alkohol, weil er mit dem Auto da ist? Nein. Muss er morgen arbeiten? Nein. Schwanger kann er auch nicht sein. Blödsinn. Ich erinnere mich, Gambier sind überwiegend muslimisch. Ich lasse es offen und realisiere, weil ich mir überhaupt diese Fragen stelle, wie ausgeprägt die Konvention des Alkoholtrinkens in der bayrischen Barkultur ist. Interessante Feststellung.

Mash up

Simone: Ich bin aufgeregt, gleich treffe ich jemanden über den ich nichts weiß, außer seinen Spitznamen, seine Herkunft und seine Liebe zur Reggaemusik, die wir teilen. Es ist Freitag, Punkt 23:15 Uhr und ich erreiche den vereinbarten Treffpunkt: Jamaican Ting Ting. Beim Ankommen ärgere ich mich über meine deutsche Überpünktlichkeit, ich hätte die chnen müssen. Ich werde aus meinen Gedanken an ein „Überbrückungsbier“ gerissen. Jemand fragt mich, ob ich alleine hier wäre. Ich antworte, dass ich auf jemanden warte. Der Unbekannte erwidert, dass ich auf ihn gewartet habe. Kurz irritiert registriere ich, dass es sich bei meinem Gesprächspartner aufgrund der Hautfarbe (habe ja nur wenige Indizien) nicht um mein vereinbartes „Interessen Blind Date“ handeln kann. Er ist hartnäckig und weist mich an, ihm zum Eingang zu folgen. Ich winke ab und schon stolpere ich in das nächste Gespräch. Zwei Stuttgarter möchten „richtig ausgehen“ und erkundigen sich bei mir, wo das denn in München möglich sei. Aufgrund meiner Profession ist es mir ein Anliegen, qualitativ zu beraten und wir starten eine Grundsatzdiskussion darüber, was sie unter „richtig ausgehen“ verstehen. Wir verfransen uns in der Gesprächdynamik und die Diskussion nimmt seltsame Züge an. Als wir auf vegane Lokalen in der Nähe zu sprechen kommen, die um diese Uhrzeit geöffnet haben, wird mein Verlangen nach Bier größer. Überraschend kommt die Erlösung. Meine Begleitung erscheint pünktlich um 23:30 Uhr und ich freue mich über seine Anwesenheit. Die Begrüßung fällt herzlich aus und wir betreten gemeinsam den Eingang. Zielstrebig steuere ich die Bar an und frage ihn, was er gerne trinken möchte. Er erwidert, einen Spezi bitte. Ich erwische mich dabei, wie ich automatisch die Fragen durchgehe. Trinkt

Warm up

Von SIMONE BAUER & Jarckboy

Wh� g�a�n �ackst�ge?

di place!

Auf dem Weg zur Tanzfläche scheint meine Begleitung bereits den halben Club mit Handschlag begrüßt zu haben. Ich erkundige mich, ob er öfters da sei. „Eigentlich nicht, aber Afrikaner kennen sich in München“, entgegnet er mir. Ich screene das Floor-Kollektiv und auch ich erkenne einige bekannte Gesichter, die sich im gedämmten Licht und unter Dekopalmen energetisch zur Reggae Musik bewegen. Im Gegensatz zu meinem afrikanischen Pendant, das sofort die Vibes körperlich umzusetzen weiß, tanze ich zunächst etwas schüchtern und zaghaft. Die Stimmung ist gut und die Kommunikation zwischen Publikum und Sound System funktioniert. Es läuft ein lockeres Repertoire von Roots-Produktionen aus dem Vintage-Sortiment, aber auch neueren Datums. Die DJs folgen einer klaren Vision. Sie verstehen es, die Musik leidenschaftlich zu präsentieren und die Menge lässt sich darauf ein, die warmen Klänge zu feiern. Beim Betrachten der Szenerie wirkt es, als würden die Besucher einem heilenden Credo unterliegen. Ich möchte herausfinden, ob sich auch meine Begleitung dem zugehörig fühlt. Zeit, ihn besser kennen zu lernen!


Pünktlich zur K ür

"Bomboclaat"

Beim erneuten Eintreten leide ich unter einer Reizüberflutung. Eine karibische Hitze gepaart mit dem Duft aus Schweiß und den Gerüchen verschiedener Nationen (ja, ich finde Menschen riechen unterschiedlich, ich mag das!) schlägt mir entgegen, welche ich nur mit einem Kaltgetränk von der Bar relativieren kann. Es ist crowded und ich überlege mir kurzzeitig, ob ich dieser Masse entfliehen kann, indem ich auf die Dunstwolken umsteige. Die Bässe werden härter und die Roots-Legenden werden von Dancehall-Veteranen und Dub-Eskapaden abgelöst. Die Bewegungen werden ausschweifender und mittlerweile habe ich mich soweit akklimatisiert, dass ich den Tanzherausforderungen gewachsen bin und auch Paroli bieten kann. Voller Hingabe vergeht die Zeit wie im Flug und ich wünsche mir, sie würde

verweilen. Inzwischen ist es 03:00 Uhr morgens und mein neugewonnener Freund verabschiedet sich mit dem Hinweis, er wolle morgen nicht zu spät aufstehen und Sport treiben. Wow, ich bin von seiner Disziplin beeindruckt und bringe ihn zur Tür. Auf Nachfragen ob ich auch heim gehe, gebe ich ihm sein Garderobenticket und antworte, dass ich noch nie dieser Empfehlung gefolgt bin, dass man heimgehen soll, wenn es am Schönsten ist. Ich glaube nicht daran. Er verabschiedet sich lachend mit den Worten, „ich könne wirklich gut feiern“. Ich weiß nicht zu deuten, ob dass ein Kompliment sein sollte oder eher das Gegenteil. Macht nichts, ich rufe ihm hinterher „dass er schlafen kann, wenn er tot sei“. Ungehört drehe ich mich um und betrete gut gelaunt erneut die Partyhalle.

down

Ich finde mich wieder auf der Tanzfläche ein, um die Tunes aufzusaugen und einfach die Musik bewegend zu genießen. Nicht mehr und nicht weniger. Ziemlich rasant dreht sich das komplette Setting und ich merke, dass mein (mir zuvor nicht bewusster) Schutz passé ist. Es wird vehement um mich gebuhlt und ich weiß gar nicht wie mir passiert. Ein Streit um mich wird angezettelt, ohne dass ich ein Wörtchen mitrede, geschweige denn die um mich werbenden und verhandelnden männli chen Personen überhaupt kenne. Ich beschließe schnell in den Hintergrund auszuweichen, doch auch hier entkomme ich dem Rub-A-Dub-Style, den manche stark anvisieren, nicht. Ich registriere, welche immense Wirkung meine männliche platonische Begleitung hatte und mir wird die unterschiedliche kulturelle Verortung einer allein wirkenden Frau und deren Umgang bewusst. Ich geselle mich zu bekannten Gesichtern, um unter deren Fittiche genommen zu werden und mich wieder auf die Musik konzentrieren zu können. Funktioniert nur kurz, kollektiv wird rauchen gegangen. Kein Problem, ich komme mit. Auch vor der Tür weicht die subtile Feinheit sehr pointierten Worten á la wenn weniger gut ist, ist mehr noch viel besser. „Mi love fi u a gwaan gyal“, ich kontere mit Mavados „Mi never believe u“ und lege das conscious Argument nach. Leider erziele ich damit nicht die gewünschte Wirkung, von der ich ausging. Also continue. Puhh, es wird langsam ein bisschen zu wild, zu viel und zu anstrengend. Zugleich bemerke ich (an mir selber), wie schwierig es eigentlich heutzutage ist, eine Frau erfolgreich in einem Diskoformat anzusprechen. Kein wirklich leichtes Unterfangen. Gut, dass ich das nicht machen muss, denke ich mir insgeheim. Vielleicht ist es aber auch nur bei mir so kompliziert. Wie auch immer, ich bin zu entrückt, um adäquate Schlussfolgerungen daraus zu ziehen und frage mich, was ich jetzt tun sollte. Ich erinnere mich an Ted (How I met your mother) wie

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schreit der mir Unbekannte. Das ist ein jamaikanisches Slangwort, es drückt Überraschen als auch Schock aus. Er ergänzt: „Easy nuh, yuh nuh haffi deh tek everyting suh serious? Why u deah? Di party a go slap weh inside!” (General cuss word, Chill out, you don´t have to take everything so serious. Why are you here outside? The party is going to be awesome). Er grinst. Dem kann keiner widerstehen. Keine Zeit zu prokrastinieren, wir wurden schließlich aufgefordert.

Wir gehen frische Luft schnappen und ich bringe in Erfahrung, wie meine neue Bekanntschaft reggaefiziert wurde. Seine Augen beginnen bei dem Thema regelrecht zu leuchten. Er berichtet mit Begeisterung über seine eigene Musik und von der starken Verbundenheit Gambias zur Reggaemusik, welche von den West Indies herüberschwappte und sich aufgrund vergleichbarer politischer und sozialer Problemstellungen als Sprachrohr in weiten Teilen der Gesellschaft manifestierte. Schlagartig befinden wir uns mitten in einem Diskurs über sozialkritische Themen. Unser Patois 1 und wir laufen warm: Wir schaffen es in ungefähr 30 Minuten zunächst Jamaika als Quelle des Reggaes auszumachen (oh, sehr verwunderlich!), landen dabei bei The Majesty „Haile Selassie“ und dessen Bedeutung für die Rastafari Kultur (wir mutmaßen natürlich nur), die wir wiederum komplexitätsreduzierend mit Ital food (ich liebe es!) und Chalice (liebe ich es auch?) rahmen. Weiter im Programm geht’s mit unseren Fab 5 an KünstlerInnen, die wir mit viel Herzenswärme und Überzeugungskraft abhandeln. Wir einigen uns nach einem battle zu guter Letzt auf Chronixx als Vertreter der jungen Musikgeneration, welcher die eigenen Roots mit disparaten Spielarten wiederentdeckt hat, sowie auf den alten Homie Sizzla, weil er einfach immer geht. Vertieft in unsere Konversation erschrecke ich plötzlich vor einem imaginären Megaphon, welches personifiziert neben uns auftaucht und uns lautstark zurechtweist:

Show

Patois-

Reminiszenzen


REAL!

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Für mich mündet Reggae in einer global culture, die zwar weltweit sehr überschaubar ist, dennoch Barrieren überwindet, den Menschen Hoffnung gibt und an der sie wachsen. Egal ob der liberale Familienvater, die Sozialkritikerin von nebenan oder der verkiffte Verschwörungstheoretiker, der davon ausgeht, dass Babylon alles zu verantworten hat: allen gemeinsam ist der Glaube an Auftrieb und das Gute im Menschen, der verbindet. Ich weiß es klingt wie eine Plattitüde, weil man das wenig beschreiben und nur fühlen kann. Oder halt eben nicht. Dennoch bin ich entgegen der Stereotype Reggae davon überzeugt (und das möchte ich an dieser Stelle betonen), dass vorwiegend die neue Generation von Reggaemusikern, welche die kritisch zu sehenden Diskriminierungsmechanismen (z.B. sexuelle Neigung, Egalität der Frau) in der Musik überwunden haben, mehr denn je zur gedanklichen Progression aufrufen. Von dieser musikalischen Bewegung wird auch zukünftig noch einiges zu erwarten sein. Um meine mangelhafte Liebeserklärung abzukürzen: ob neu oder alt, conscious oder einfach nur tanzbar, Reggae wird mich weiterhin treiben und auf meinen Abbiegungen begleiten. Eine Art Zuhause, mit dem Geschmack von Ferne. In diesem Sinne, und jetzt wieder ganz stereotypisch: „one love, one heart, one soul“.

Endlich zu Hause. Ich öffne die Tür und sie fällt beschwingt ins Schloss. Es kracht, Upps, na ja egal, die Nachbarin hasst uns eh. Ich biege aus Versehen statt ins Bad in die Küche ab und merke, dass ich doch nicht mehr ganz frisch bin und es Zeit wird den Akku wieder aufzuladen. Also Retour und ins Bad. Für mehr als eine Katzenwäsche genügt es heute nicht mehr. Ich schmeiße meine Klamotten auf den Boden und dabei purzeln so einige kleine gelbe Kreise heraus. Oh nein, nicht schon wieder das Pfand vergessen. Ich gucke nach rechts, dort steht ein ganzes Glas voller gelber Backstage Pfandmarken. Irgendwann werde ich die alle auf einmal einlösen und dann werde ich ganz reich, fantasiere ich. Schmunzelnd bei dem Gedanken werfe ich mich aufs Bett und bin out. Gefühlt nur für eine kurzen, jedoch sehr intensiven Moment, denn dann schrecke ich schon wieder hoch.

Oh nooooo, ich habe vergessen den Arbeitswecker auszustellen, ebenso wie ich vergessen habe, dass mir die Biermarke vom Backstage nicht bekommt. Mein Kopf erinnert mich wieder daran. Wie immer, irgendwie diabolisch und trotzdem werde ich bei meinem nächsten Besuch alles genau so wieder machen. Keep it real eben… Stay tuned! Blessed Simone. Vielen Dank an meine wunderbare Begleitung!

1 Ich glaube es ist ein ungeschriebenes Gesetz, dass man dem Patois aus Authentizitätsgründen per se verfällt, wenn man sich mit der Reggae Materie beschäftigt. Die Leute mögen es, obwohl sie es oft eher aus dem Zusammenhang heraus verstehen und weniger als Kreolsprache mit englischen Wurzeln. Ich auf jeden Fall mache es verantwortlich dafür, dass ich im Schulfach Englisch weniger geglänzt habe. Ich nahm das mit dem „englischen Wurzeln“ der Sprache wohl zu ernst und die LehrerInnen waren reichlich verstört von meinen Sprechkünsten. Good excuse, oder?

Hom

mage

Keep it

er seinen Kindern rät, nach zwei Uhr morgens keine schwerwiegenden Entscheidungen mehr zu treffen und sich einfach ins Bett zu legen, weil um diese Uhrzeit alles nur schief gehen könne. Es ist zwar mittlerweile 05:00 Uhr, aber klingt für mich plausibel und ich beschließe ein freiwilliges Game Over, obwohl ich dem Endboss nicht (zumindest nicht direkt) begegnet bin. Auf dem Heimweg, der mir wie eine halbe Weltreise vorkommt, fasse ich den Abend zusammen und erinnere mich, warum ich meinen leidenschaftlichen Reggae-Virus nicht loskriegen werde:


Und, Wenn man in Deutschland jemanden

was kennenlernt, ist die erste Frage „Wie heißt du?“

machst und die zweite „Und, was machst du so?“.

du s�?


Der Stellenwert von Arbeit im Leben eines Deutschen ist bekanntlich hoch gesellschaftliche Anerkennung und Selbstwertgefühl sind daran geknüpft.

Von Katharina Stadler & Omari

Omari

Seit nun über einem Jahr arbeite ich, Katharina Stadler, ehrenamtlich für den Verein integro e.V. als Ausbildungslotsin für Omari aus der Demokratischen Republik Kongo. Ziel des Vereins ist, Geflüchtete bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz zu unterstützen und bei der Ausbildung als AnsprechpartnerIn und MotivatorIn zur Seite zu stehen. Denn häufig scheitert das „Projekt“ Ausbildung nicht am Willen der Geflüchteten, sondern an der Kommunikation zwischen Arbeitgebern und Geflüchteten. Als ich meinen „Mentee“ Omari kennenlernte, war meine erste Frage: „Wie heißt du?“ und eine meiner nächsten: „Was möchtest du arbeiten?“. Mittlerweile hat Omari in Deutschland eine Ausbildung zum Fachlageristen begonnen. Im Kongo hatte er bereits studiert. Aber was bedeutet Arbeiten für einen geflüchteten Kongolesen in Deutschland? Selbstverwirklichung oder Geldverdienen? Bist du, was du tust, auch als Kongolese? Wie wichtig ist ein Beruf? Ich treffe mich mit Omari an einem vorsommerlich lauen Maiabend auf zwei Radler und Halloumi-Käse im Türkenhof, um die in Deutschland alles entscheidende Frage nochmal ausführlich zu stellen: „Und, was machst du so?“. „Im Kongo gibt es keine Ausbildung. Wenn man zum Beispiel in einer Werkstatt arbeiten möchte, geht man einfach dorthin, redet mit dem Chef und fängt an. Wenn du später die Arbeitsstelle wechseln möchtest, musst du Probearbeiten, damit dein neuer Chef weiß, was du kannst. Es gibt keine

Ausbildungs- oder Arbeitszeugnisse. Geld bekommt man während der Probearbeit nicht. Wann man dann überhaupt mal Geld bekommt? Das kann man nicht sagen, das hängt vom Chef ab. Eigentlich gibt es nur einen offiziellen Ausbildungsweg. Man geht zur Schule und dann studiert man. Meine Eltern und mein Onkel, bei dem ich aufgewachsen bin, haben alle studiert. Ich hatte im Kongo auch ein Studium angefangen. Aber zur Schule gehen und Studieren im Kongo ist teuer. Man zahlt etwa 500 US-Dollar im Jahr für ein Studium. Medizin studieren ist noch teurer, vor allem an guten Unis. Mein Onkel hat etwa 150 USDollar im Monat verdient. Das Durchschnittsgehalt liegt bei ungefähr bei 35 US-Dollar im Monat. Wir gehörten also nicht gerade zu den Ärmeren im Kongo. Wohl eher zur etwas gebildeteren Schicht. Mein Onkel hatte ein eigenes Geschäft. Er hat mit Nutztieren gehandelt, zum Beispiel Kühe verkauft. Eigentlich wollte ich nach meiner Ankunft gerne weiter studieren. Aber meine Abschlüsse aus dem Kongo zählen in Deutschland nicht, weil ich sie nicht nachweisen kann. Ich habe keine Dokumente und weiß auch gar nicht, ob sie im Kongo noch existieren. Außerdem war mein Deutsch noch nicht so gut. Das war auch ein Problem bei der Suche nach einer Ausbildung. Es wäre schwierig gewesen, das alleine zu schaffen. Wie das Ausbildungssystem in Deutschland funktioniert,


habe ich erst vor Ort erfahren: im Deutschkurs, von Freunden, in der Schule. Eigentlich wollte ich gerne in der IT Branche eine Ausbildung machen, aber das ist sehr schwierig, wenn man nur einen Mittelschulabschluss hat. Ich wurde dann überzeugt, Lagerist zu werden. Als Kind wollte ich Pilot werden. Später habe ich mich für ein BWL Studium entschieden. Der kongolesische Politiker Vital Kamerhe hat mich dazu inspiriert. Damals schätzte ich ihn sehr, jetzt allerdings nicht mehr. Mein Vater war Architekt, meine Mutter hat Pädagogik studiert, mein Onkel Agronomie. Ich wollte schon immer zur Schule gehen und dann studieren. Ein Studium ist die Voraussetzung für einen richtigen Beruf. In den großen Städten wie Kinshasa studieren recht viele. Aber auf das ganze Land betrachtet ist die Situation nicht besonders gut. Obwohl staatlich eine Grundbildung garantiert wird, können sich viele nicht einmal die Schule leisten, weil es eigentlich nur private Schulen gibt, die man bezahlen muss. Momentan gehen weit weniger als die Hälfte der Kinder im Kongo zur Schule. Wenn man zum Beispiel Schreiner wird, geht man gar nicht zur Schule, sondern fängt einfach mit zehn Jahren zu arbeiten an. Geregelte Arbeitsverhältnisse wie hier, also Arbeit mit einem Arbeitsvertrag, gesichertem Einkommen und festen Arbeitszeiten, sind selten. Ich finde das System in Deutschland gut. Alle können einen Beruf haben. Jeder kann überleben. Das ist nicht

nur für den Einzelnen gut, sondern auch für die ganze Gesellschaft. Hier in Deutschland gibt es viel weniger Diebstähle, keine Korruption, alle sind gebildet, weil sie nichts dafür bezahlen müssen. Ja, Bildung sollte ein Grundrecht sein, schließlich ist Bildung die Voraussetzung für Selbstständigkeit und Unabhängigkeit. Auch für mich ganz persönlich ist Bildung und Arbeit wichtig. Ich verdiene jetzt monatlich und bin von niemandem abhängig. Ich kann alleine mein Leben und meine Zukunft organisieren. In 20 Jahren möchte ich selbstständig sein, ein eigenes Geschäft besitzen. Außerdem tue ich mit meiner Arbeit auch etwas für die Gesellschaft. Ich leiste etwas. Bevor ich hierher kam, hatte ich keinen Beruf. Im Kongo arbeitet man, um zu überleben, um die Familie durchzubringen. Schon die Miete allein kann schnell höher als das Einkommen sein. Hier in Deutschland hingegen macht das Arbeiten auch Spaß. Für wen ich arbeite? Für mich selbst, für meine Ziele, für die Zukunft, hoffentlich irgendwann für die Zukunft meiner Familie. Ob es wichtig ist, welche Arbeit man macht? Im Kongo konnte ich mir wirklich nicht vorstellen, als Lagerist zu arbeiten. Das ist eigentlich ein Beruf für die nicht so intelligenten Leute, dachte ich mir. Wenn du im Kongo zum Beispiel Maler oder Handwerker bist, ist es ähnlich. Malern und Handwerken kann jeder. Dafür braucht man


keinen Beruf zu lernen. Bei uns musst du Architekt oder Politiker oder so etwas ähnliches sein, dann hast du den Respekt der Leute. Der Beruf ist im Kongo wichtiger für das eigene Ansehen als hier in Deutschland. Jetzt bin ich hier und mache eine Ausbildung zum Lageristen. Tatsächlich habe ich in Deutschland gelernt, dass alle Berufe wichtig sind. “Il n’y a pas de sot metiérs, mais il n’y a que de sottes gens”. Es gibt keine dummen Arbeiten, sondern nur dumme Leute. Anfangs wusste ich nicht, was mich in dieser Ausbildung erwartet. Ein befreundeter Lagerist hat mir davon erzählt und weil ich keine IT Ausbildung machen konnte, hab ich mich dazu entschieden. Jetzt finde ich den Beruf interessant. Es macht Spaß mit dem Scannersystem zu kommissionieren, die Ameise zu bedienen oder den Gabelstapler zu fahren. Fachlagerist ist ein guter Beruf und nichts für dumme Leute. Man muss viel Kopfrechnen, schnell sein in der Analyse und der Ausführung von Aufträgen. Es ist nicht so einfach, wie ich anfangs dachte. Ob ich mich mit meiner Arbeit identifiziere? Hier in Deutschland schäme ich mich nicht dafür, eine Ausbildung zum Lageristen zu machen, aber vor meinen kongolesischen Freunden schon, weil die alle studieren. Unter Freunden in Deutschland erzähle ich gerne von meinem Beruf, auch ohne gefragt zu werden. Der Beruf ist wichtig für mein Selbstwertgefühl, aber ich möchte trotzdem noch mehr erreichen, noch etwas anderes lernen.

Ich arbeite momentan 24 Stunden verteilt auf drei Tage. Jeden Arbeitstag von sechs Uhr morgens bis drei Uhr nachmittags. An zwei Tagen in der Woche besuche ich die Berufsschule. Wenn ich mir aussuchen könnte, wie viele Stunden ich am Tag arbeiten muss, dann wären es wohl sechs. In der Zeit kann ich alles schaffen. Danach kann man noch andere Sachen machen. Aber ich glaube nicht, dass ein System funktionieren würde, in dem alle nur sechs Stunden arbeiten. Es kommt

Anderseits ist es wichtig einen Rhythmus im Leben zu haben und Arbeit gibt dir diesen Rhythmus. Du bist beschäftigt. Und Geldverdienen ist eben auch wichtig. Es motiviert zum Arbeiten. Am Samstag möchte bei uns in der Firma nie jemand freiwillig arbeiten. Wenn aber unser Chef sagt, dass es eine Prämie gibt, dann sind alle da.

Leben gar nicht mehr genießen. Ein Kollege zum Beispiel muss einen Kredit für seine Wohnung abbezahlen und hat deshalb zwei Jobs. Seine Frau auch.

Arbeiten in Deutschland wird im Allgemeinen sehr ernst genommen, mal abgesehen von einigen jüngeren Leuten. Das Problem dabei ist allerdings, dass die Leute oft keine Freizeit mehr haben. Man verdient Geld, aber wofür? Wenn du zu viel arbeitest kannst du dein eigenes

aber natürlich auf den jeweiligen Menschen an. Manche sind schneller, und manche brauchen eben länger. Ich erkläre meinen Freunden ständig, dass ich keine staatliche Hilfe erhalten möchte. Meine Freunde, welche nicht arbeiten, bekommen 400 Euro vom Staat, bei mir bleiben auch nur 400 Euro im Monat übrig und dennoch arbeite ich. Es ist wichtig, dass ich eine Aufgabe habe. Wenn ich gar nicht arbeiten müsste, wäre mir langweilig und ich wäre unglücklicher. Ich wäre zu viel alleine zu Hause. Arbeit ist eine Ehre. Ich würde auch arbeiten, wenn ich ein bedingungsloses Grundeinkommen bekommen würde. Ich glaube allerdings nicht, dass so ein System funktionieren würde. Ein bedingungsloses Grundeinkommen ist, meiner Meinung nach, sowohl für die wirtschaftliche als auch für die persönliche Entwicklung schlecht, weil der Mensch zur Faulheit neigt. Andere Entwicklungen in der Arbeitswelt, wie die immer stärkere Automatisierung, merken wir jetzt. Ich sehe das in meiner Arbeit zum Beispiel bei der Warenkommissionierung. Im Lager lässt sich viel Automatisieren. Ich habe ein bisschen Angst. Wenn Roboter viel mehr Aufträge am Tag abarbeiten, dann werden wir Kommissionierer weniger wichtig. Insgesamt werden mehr Leute ihre Arbeit verlieren und das ist schlecht für die Wirtschaft. Die Technologie schreitet immer weiter voran. Man kann mittlerweile schon mit einer Brille kommissionieren. Wie ich Arbeit definiere? Arbeit ist alles, was man tut, um sein Leben zu organisieren. Sich um Kinder kümmern ist auch Arbeit. Der Unterschied zwischen normaler, bezahlter Erwerbsarbeit und sich um seine Kinder kümmern ist ganz klar: ohne Arbeit könnte ich leben, ohne Kinder nicht. Geld kann für eine bestimmte Arbeit motivierend sein, Kinder sind Motivation für alles. Ich habe noch keine Kinder. Ich habe momentan nur die Arbeit. Diese Arbeit ist gerade wirklich wichtig für mich – und Motivation für mehr. Sie ist mein Weg, um meine Ziele zu erreichen. In meiner Arbeit bekomme ich auch viel Anerkennung, zum Beispiel heute erst. Mein Chef wollte mit mir reden. Er hat mir gesagt, dass er sehr zufrieden ist, dass ich nett und hilfsbereit bin. Aber klar, manchmal gibt es auch Stress in der Arbeit, zum Beispiel mit Kollegen. Einen Chef zu haben ist meiner Meinung nach essentiell, damit gearbeitet wird. Wenn unser Lagerleiter nicht kommt, macht jeder, was er will. Wenn er da ist, ist jeder schneller. Wenn es Merkel und die Regierung nicht gäbe, könnte man sich alles erlauben. Selbstorganisation ohne Hierarchien funktioniert, glaube ich, nicht. Jeder macht dann, was er will. Es ist wie in einer Familie. Man braucht die Eltern. Diese regulierende Funktion gibt es auch durch Religion. “Lorsque le chat n’est pas lá, les souris dansent ”. Ist die Katze aus dem Haus, tanzen die Mäuse auf dem Tisch!


Heimat im Topf Von Luisa Berauer und Ahmad

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PHOTOGRAPHY www.sophiewanninger.com

Wir finden, dass beim gemeinsamen Essen dort immer eine ganz warme, familiäre Atmosphäre entsteht, wir fühlen uns dort wohl. Im November letzten Jahres haben wir, Luisa und Ahmad, uns zum ersten Mal im Bellevue getroffen und waren gemeinsam auf einem Konzert von Omar Souleyman. Seitdem sehen wir uns oft. Der Gesprächsstoff geht uns nie aus, wir erzählen uns gerne voneinander und von unseren Familien, wir besprechen, was war und stellen uns gemeinsam vor, was kommen könnte. Als wir zusammensitzen und überlegen, wie wir einen Artikel über internationale Speisen angehen sollen, dauert es nicht lange und wir sind mitten in einer regen Diskussion über Gewürze, Leibspeisen und die perfekte Reiskochmethode. Natürlich wird dabei viel umschrieben und aufgezeichnet, zur Not muss das Internet her - versuchen Sie einmal zeichnerisch-pantomimisch eine Kaper darzustellen! „Sesam? Ist das nicht das, was man mit Bratwurst isst?“ - „Nee, das heißt Senf! Sesam ist das, was in Hummus drin ist.“ „In Hummus? Kichererbsen?“ - „Die sind auch drin... Sesam ist aber anders, so kleine, gelbe Körner...“ - „Tahina! Das ist vielleicht Sesam?“ - „Echt?“ „Die gelben Punkte auf dem arabischen Brot!". Und so geht es immer weiter. Wir beschließen, Freundinnen und Freunde zu fragen, ob sie gemeinsam mit uns ein internationales Menü kochen möchten. Im Bellevue di Monaco treffen wir jeden Mittwochabend viele Leute aus aller Welt. Da wird zusammengesessen, geratscht und gelernt, viel gelacht, zusammen gekocht und gegessen. Wir finden, dass beim gemeinsamen Essen eine ganz warme, familiäre Atmosphäre entsteht, wir

fühlen uns dort wohl. Auch deshalb beginnen wir dort mit unserer Suche nach Köchinnen und Köchen. Ali und Omar kennen wir schon eine ganze Weile, die beiden sind sofort dabei und schlagen uns vor, eine syrische Linsensuppe zuzubereiten. Bei Aziz waren wir schon einmal zum Essen eingeladen und wünschen uns deshalb von ihm genau das Gericht, das damals so gut geschmeckt hat: Afghanischer Gemüsereis mit Huhn. Dafni, wir kennen sie noch nicht so gut, telefoniert draußen in einer uns fremden Sprache. Wir lauschen ein bisschen. Was ist das? Portugiesisch? Nein, es ist griechisch! Dafni schwärmt von Tyrokafteri, einer Paprika-Fetacreme, die sie an die Promenade ihrer Heimatstadt Volos und an Treffen mit ihren Freunden dort erinnert. Abdu, unser Freund, dem so ziemlich immer gelingt, uns zum Lachen zu bringen, will ein typisch eritreisches Gericht kochen. Er entscheidet sich für Zgnie, eine Art Rindfleischragout, das natürlich mit Injera, den traitionellen SauerteigFladen, auf den Tisch kommt. Abdu warnt uns vorsorglich und kichernd vor der Schärfe der Speise. Wie gut, dass die KulturPaten-Mädels Angelika und Sarah auch da sind, sie kümmern sich um die Nachspeise: Bayerisch Creme, von der nicht rauszufinden ist, ob sie denn nun aus Bayern oder als Crème Bavaroise aus Frankreich kommt. Aber beim Rezept haben wir beim Herrn Schuhbeck gespickt – damit gilt es als bayerischer Klassiker. Spontan laden wir noch Fumie und Thomas zum Kochen ein, die wir ein bisschen später auf der


Teffmehl her, auch Zwerghirse genannt. Abdu nimmt aber einfach Weizenmehl. Injera ist ziemlich praktisch, weil es Besteck und Teller ersetzt. Die Soßen mit Fleisch oder Gemüse liegen auf Injera und werden mit einem Stück davon aufgenommen. Nie mehr abspülen!

Zwei Wochen später. Wir treffen unsere Köchinnen und Köche schon nachmittags im Bellevue und das Schnibbeln, Brutzeln und Dünsten geht los. Ali und Omar kochen Shorbat Addas, eine rote Linsensuppe, die man in Syrien vor allem im Winter isst. Wir stibitzen heimlich Stückchen vom noch heißen, frittierten Brot, das ähnlich wie Backerbsen auf die Suppe kommt. Aziz und Mansoor haben selbstgebackenes Fladenbrot mitgebracht. Der afghanische Reis, mit Karotte, Zwiebel und Rosinen verfeinert und Kabuli Palau genannt, gart zusammen mit den vorher angebratenen Hühnerschenkeln in einem großen Topf. Ein bisschen abgelenkt werden wir zwischendurch von Lotta – mit eineinhalb Jahren unser jüngstes MixMuc-Mitglied. Es will uns nicht so richtig gelingen, sie für‘s Kochen zu begeistern, sie möchte lieber zur orientalischen Musik tanzen, UNO spielen und Datteln essen. Karim haben wir auch noch eingeladen, als waschechter Franzose bäckt er uns eine Gemüsequiche mit Ziegenkäse. Das Kochen läuft erstaunlich unchaotisch und ohne Pannen ab, wir haben es mit guten, routinierten Köchinnen und Köchen zu tun! Es duftet bald nach Kreuzkümmel und Petersilie, gebratenem Gemüse und Fleisch, Zitrone und Vanille. Wir bekommen Hunger und laden schnell noch ein paar Gäste ein, wer soll das denn sonst alles essen? Schon bald trudeln die ersten ein und werden gleich von Fumie eingespannt, beim Füllen der Onigiri zu helfen. Onigiri ist eine in Japan beliebte Brotzeit und wird mit Fleisch, Fisch oder Gemüse gefüllt. Fumie erzählt, fast jede Familie hat in Japan ihr eigenes Onigiri Rezept, deshalb erinnert sie die Speise auch an ihre Mama. Wo deutsche Kinder Pausenbrote in die Schule mitnehmen, sind es in Japan die dreieckigen Reisbällchen. Thomas hat seinen Kartoffelsalat mitgebracht, verfeinert ihn schnell noch mit Senfkörnern und sauren Gurken. Tomatig-würzig duftet Abdus Zgnie, das nun auch fertig ist, genau wie die Injera-Fladen. Die eritreische und äthiopische Küche ist sich sehr ähnlich. Wie Reis in Asien ist Injera dort Grundlage für fast jedes Gericht. Eigentlich stellt man den fermentierten Injera-Teig mit

Chapeau, ihr wunderbaren Köchinnen und Köche, es war so lecker! Ein paar Tage nach unserer gemeinschaftlichen Koch-Aktion las ich, Luisa, in einem Aufsatz über die politische Dimension des Essens. Darin beschreibt die Autorin, wie die Menschen nach der Emigration durch das Zubereiten und Essen von typischen Speisen ihre Heimat erst zu sich holten und dann für andere öffneten, etwa durch die Eröffnung von Restaurants. Die eigene Küchentradition in die Fremde mitzunehmen und zu teilen sei ein Gefühl von Verlust und Verbundenheit zugleich. Das war es vielleicht, was die eigentlich eher unspektakuläre Idee, ein gemeinsames Essen mit Speisen aus den unterschiedlichen Heimaten der Köchinnen und Köche zu kochen, zu einem so besonderen Ereignis hat werden lassen.

Chapeau, ihr wunderbaren Köchinnen und Köche, es war so lecker!

Straße treffen: Fumie will ihre allseits beliebten, mit Thunfisch gefüllten japanischen Reis-Bällchen Onigiri machen, Thomas, in der Nähe von Hannover geboren, plant einen typisch deutschen Kartoffelsalat.

Viele hungrige Testesser sind mittlerweile angekommen. Wir servieren. Um die 25 Personen futtern sich fröhlich durch zitronige Linsensuppe, feine Quiche und duftenden Reis, zartes Hühnchen und die wirklich scharfe, aber sehr leckere Zgnie. Der deftige Kartoffelsalat, die mediterran-scharfe Tyrokafteri und die hübschen Onigiri werden als kleine Zwischengänge verspeist und gelobt. Als abschließendes Schmankerl gibt es die mit frischen Erdbeeren garnierte Bayerisch Creme.


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Rezepte aus unseren Heimaten


Shorbat Addas syrische Linsensuppe (8-10 Personen) 600g rote Linsen (geschält), 1 große Zwiebel, 1,5l Gemüse- oder Hühnerbrühe, 3 TL Kreuzkümmel (gemahlen), Salz, schwarzer Pfeffer, Olivenöl. 6-8 Stück dünnes, arabisches Fladenbrot (Khubz), 1l Sonnenblumenöl, 1 Bund Petersilie, 2 Zitronen. Linsen gut waschen und 5 Min. wässern, Zwiebel in feine Scheiben schneiden und in Olivenöl glasig dünsten, dann mit der Brühe aufgießen. Linsen dazugeben, mit Kreuzkümmel, Salz und Pfeffer würzen. Auf kleinster Stufe ca. 40 Min. köcheln lassen. Das Brot klein schneiden, in reichlich Öl frittieren, bis die Stücke braun werden, gut abtropfen lassen. Zusammen mit frisch gehackter Petersilie und frischem Zitronensaft auf die Suppe geben.

Kabuli Palau Kabuler Reis mit Huhn (8-10 Personen) 1kg Reis (z.B. Basmati), 750g Hähnchenschenkel, 2-3 Karotten, 1 Zwiebel, 200g Rosinen, 200ml Öl, Kreuzkümmel, Kardamom, Zimt, Salz. Den Reis gut waschen und 1-2 Stunden in Wasser einweichen. Fleisch in Öl anbraten, abgedeckt zur Seite stellen. Geschälte Karotten und Zwiebel in feine Streifen schneiden, mit den Rosinen in Öl anbraten und mit dem abgetropften Reis und dem Fleisch in einem großen Topf mischen (möglichst ein Dampfkochtopf). Nach Geschmack Gewürze und Salz hinzufügen, mit 1½l Wasser aufgießen, geschlossen etwa 45 Min. auf kleinster Flamme garen, bis das ganze Wasser verdampft ist und Reis und Fleisch gar sind.

Kartoffelsalat (6 Personen) 2kg Kartoffeln (mehlig), 200g Mayonnaise, kleine Gewürzgurken, 1 TL Senf (gekörnt), 3 TL weißer Essig, ½ l Gemüsebrühe, 2 EL Olivenöl, Zucker, Salz Pfeffer. Die Kartoffeln mit Schale kochen, schälen und in dünne Scheiben schneiden, in eine große Schüssel geben. Gewürzgurken klein schneiden, mit den restlichen Zutaten mischen und nach Geschmack würzen. Die Masse zu den Kartoffeln geben und vorsichtig unterheben, mindestens 1 Stunde im Kühlschrank ziehen lassen.

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Tyrokafteri griechischer Feta-Dip (6-8 Personen) 250g Feta, 250g Joghurt, 2 rote Paprika, 2 Knoblauchzehen, halbe Tasse Olivenöl, 1 EL Essig oder Zitronensaft, ½ TL Paprikapulver, 1 TL Oregano. Alle Zutaten pürieren, bis eine cremige Masse entsteht. Mindestens 30 Min. in den Kühlschrank, dann mit Pita als Vorspeise servieren. Gut dazu passt Ouzo oder Tsipouro.


Onigiri – japanische Reisbällchen mit Thunfisch (20 Stück) 4 Tassen Sushi Reis, 6 ½ Tassen Wasser, 2 Dosen Thunfisch, 150ml Mayonnaise, Sojasauce, Salz, 2 Nori-Blätter. Den Reis gründlich in kaltem Wasser waschen und mit 6 ½ Tassen Wasser in einen Topf geben. Bei niedriger Hitze köcheln. Deckel dabei leicht schräg platzieren, aber nie abnehmen. Wenn das Wasser verkocht ist, Topf vom Herd nehmen, Reis quellen lassen. Thunfisch mit Mayonnaise mischen, mit Sojasauce und Salz abschmecken. Zwei Löffel Reis auf ein Stück Frischhaltefolie legen, flach drücken und in die Mitte einen Löffel der Thunfischfüllung geben. Die Folie an den Enden hochnehmen, so dass der Reis die Füllung umschließt. Nun mit zwei Händen ein Dreieck formen und mit einem Nori-Blatt-Streifen umwickeln. Itadakimas!

1-2 Tage vorher Hefe in etwas Wasser auflösen, 3 EL Mehl einrühren und an einem warmen Ort mindestens 10 Stunden ruhen lassen. Dann mit 2l Wasser und dem Mehl vermischen. So lange rühren, bis der Teig glatt ist. An einem warmen Ort gehen lassen. Wenn der Teig sich abgesetzt hat, das Wasser abschöpfen. Mit ungefähr 1l sehr warmen Wasser (nicht heiß!) und dem Salz verrühren, bis ein flüssiger, glatter Teig entsteht. Fladen in einer gut beschichteten Pfanne backen. Für die Fleischsoße zuerst Zwiebeln fein schneiden. In reichlich Öl anschwitzen, Chilipulver, klein geschnittenen Knoblauch und Tomaten hinzufügen. Fleisch in sehr kleine Stückchen schneiden und in die Soße geben, mit Wasser aufgießen und nach Geschmack würzen. Etwa eine Stunde köcheln lassen, bis das Fleisch weich und die Soße sämig ist. Zgnie auf Injera servieren.

Quiche aux légumes Gemüsequiche (4-6 Personen)

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Mürbteig : 300g Mehl, 200g Butter, 1 Ei, Salz. Füllung: 2-3 Zucchinis, 250ml Crème fraîche, Eier, 1 Ziegenkäse-Rolle, einige Kirschtomaten, Thymian, Salz, Pfeffer, Olivenöl. Zutaten zu einem Mürbteig verkneten. Zucchini in Scheiben schneiden und mit Olivenöl anbraten. Creme fraîche mit 2 Eiern, Thymian, Salz und Pfeffer verquirlen, Zucchinischeiben dazugeben. Eine runde Form mit dem Teig auskleiden, den Teigboden mit einer Gabel einstechen. Die Zucchini-Masse gleichmäßig auf dem Teig verteilen. Mit halbierten Kirschtomaten und Ziegenkäse-Scheiben bedecken. Bei 180° im den vorgeheizten Ofen etwa 25 Min. backen. Mit grünem Salat servieren! Injera ewn Zgnie Eritreisches Fladenbrot mit Rindfleischragout (8-10 Personen) Injera: 1kg Teff oder Weizenmehl, 1 Würfel Frischhefe, 1 TL Salz, Wasser. Zgnie: 1kg mageres Rindfleisch (ohne Knochen), 1 kg Tomaten (Dose, gestückelt), 4 frische Tomaten, 1kg Zwiebeln, 5 Knoblauchzehen, Chilipulver, Pfeffer, Kreuzkümmel, Salz.


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Bayerisch Creme (6-8 Personen) 500ml Schlagsahne, 5 Eigelb, 70g Puderzucker, 1 Päckchen Bourbon-Vanillezucker, 1 Prise Salz, 1 Päckchen veganes Gelatine-Pulver, frische Erdbeeren, Minze zum Dekorieren. Die Sahne halbfest schlagen und in den Kühlschrank stellen. Eigelb, Puderzucker, Vanillezucker und Salz gut verrühren, bis die Masse schaumig ist. GelatinePulver in etwas Wasser auflösen, in einem Topf kurz aufkochen, dann unter Rühren abkühlen lassen. Eier-Zucker-Masse einrühren. Dann eine Hälfte der Schlagsahne mit dem Mixer einrühren, die andere Hälfte vorsichtig unterheben. In kleine Formen füllen. Mindestens 2 Stunden im Kühlschrank festwerden lassen. Mit frischen Erdbeeren und Minze dekorieren.


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W�s w��de�t du �achen, wenn du zau�ern ��nntest? Julia: Ich würde dafür sorgen, dass am Sonntag in München mehr los wäre. Also etwa ein Foodbazar mit internationalem Essen und Live-Musik nebenbei. Denn das verbindet… Paali: Peace, Love and Unity Jarck Boy: Jeder Mensch sollte Rastazöpfe haben Line: Alle Menschen sollen eine Sprache sprechen Zillian: Jeder Mensch soll glücklich sein Abdu: Jeder Mensch sollte respektvoll und tolerant sein Ghettofighter: Es soll keinen Krieg auf der Welt geben Nadja: Billigere gefördertete Flüge, um andere Länder und Kulturen kennzulernen um Grenzen gar nicht erst enstehen zu lassen Simone: Ich würde jedem Menschen einmal am Tag ein so herzliches Lachen ins Gesicht zaubern, dass ihm die Augen vor Freude tränen und der Bauch weh tut. Denn zwischen lachenden Gesichtern werden Seelen gesund Marcus: Ich wünsche mir, dass jeder Tag Samstag ist Julia H: dass in der Welt mehr geteilt wird Sonja: ich wünsche mir, dass Lines Kind in einer Welt aufwächst, wo es normal ist, ganz viele Menschen unterschiedlicher Herkunft zu kennen. Mam Boy: Eine Welt ohne Hunger Toni: ich wünsche mir eine Welt voller blühender duftender, bunter Blumen, ohne Vorurteile, in der jeder so sein kann wie er will und keine Unterschiede gemacht werden. Eine Welt aus tanzenden und zufrieden lachenden Menschen. Cham Bwoii: Alles (beamen, fliegen etc.) und meine Familie in Afrika glücklich machen und ihnen jeden Wusch erfüllen Sara: Ignorante, fiese Menschen könnten immer nur noch das Gegenteil von ignorant

und fies sein. Und kein passiv aggressives Murmeln mehr, wenn man bei rot über die Ampel geht oder auf der falschen Seite des Fahrradweges fährt. Freundlichkeit verpflichtet. Sophie: Ich würde alle Menschen fliegen lassen können, so dass jeder den Ort seines Herzens besuchen kann Javid: Ich würde etwas machen, dass ich ohne Zauber für immer alles was ich will, machen könnte Jana: Dass die Menschen hier weniger arbeiten müssen und mehr Zeit miteinander verbringen Luisa: dass alle AFDler, Rechtspopulisten, ein paar ausgewählte PolitikerInnen und sonstige Pappnasen für eine bestimmte Zeit in die Haut eines Geflüchteten schlüpfen müssen, und zwar das volle Programm: Erfahrung der Fluchtgründe im Heimatland, Fluchtweg, Leben als Geflüchteter in Deutschland. Und dann werden sie nicht abgeschoben, sondern von engagierten Menschen - womöglich selbst Geflüchteten - gerettet. Stefi: Ich würde gerne die Zeit stoppen können Khadija: Ich würde mich unsichtbar zaubern, ab und zu Shari: Ich würde alle negativen Gedanken wegzaubern, damit die Menschen sich und alle anderen heilen Jonathan: Ich würde ein bisschen mehr unreguliertes Straßenleben mit Lebensmittelständen, ambulanten Verkäufern und Künstlern in unserer Paragraphenreiter-Stadt integrieren Karim: Ich würde durch Telepathie mit Super Evolved Außerirdischen kommunizieren Tim: Weltfrieden! So cheesy das auch klingt… Ahmed: die Deutsche Kultur kennen-und verstehen lernen


"Musik ist unsere gemeinsame Sprache"

Von Toni Pfliegl und Javid

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„Ich glaube, es ist die einfachste Verständigung zwischen verschiedenen Kulturen, gemeinsam Musik zu machen. Wenn man dort eine Verbindung schafft, ist die Verbindung da.“ Wo trifft man sich am besten für ein Interview mit Xaver Himpsl von der Unterbiberger Hofmusik? Auf diese Frage gibt es eine ganz einfache Antwort: im Cafe Henry, direkt um die Ecke des Büros der Unterbiberger Hofmusik und gleich neben dem Pestalozzi Gymnasium, der musischen Schule in München. Unter der Marquise lässt es sich nicht nur gut Kaffee trinken, es ist auch ein Treffpunkt der Brüder Himpsl. Wir hatten Glück und trafen tatsächlich Xavers Bruder Ludwig, der sich ohne große Widerrede ebenfalls auf unser Interview einließ. Doch zu der Unterbiberger Hofmusik gehören mehr als Xaver und Ludwig Himpsl. „Der Grundstock dieser Band ist die ganze Familie“, sagt Ludwig Himpsl. Irene und Franz Himpsl, die Eltern der beiden Brüder haben die Band 1992 gegründet. Mittlerweile gehört auch Franzi (14 Jahre) als der kleinste Bruder mit zur Band.

Neben diesen Grundstock kommen noch weitere Musiker dazu. Eigentlich immer dabei ist ein Tubist und ein Solist (Trompete, Posaune, Sax). Teilweise kommen auch Gastspieler wie zum Beispiel aus der Türkei oder aus Brasilien dazu. Auch ein Gastspiel im Iran und in Ägypten ist dieses Jahr noch von der Unterbiberger Hofmusik geplant. In den Iran wurden sie von der Deutschen Botschaft eingeladen, „um dort zu spielen für die bayerischen Festlichkeiten zum deutschen Nationalfeiertag. Allerdings nicht am 3., sondern am 9. Oktober“, sagt Xaver Himpsl. Auch in Ägypten geht es um den musikalischen Austausch verschiedener Kulturen. Die Unterbiberger Hofmusik spielt nicht nur mit einer ägyptischen Band auf einem Festival des Goethe Instituts, es werden sogar Workshops gegeben.


Bei der zweiten CD waren die beiden Brüder mit etwa acht und zehn Jahren dann schon selbst dabei. Da Claudio Roditi aus Brasilien kommt,war hier schon ein starker brasilianischer Einfluss zu hören und hat Xaver und Ludwig aka Wiggerl dazu bewegt, selbst eine brasilianisch-deutsche Band zu gründen. Die „Bavaschôro“. Eine Band von fünf Leuten, die sich von der Sprache her genau in der Mitte teilen lässt. Das muss man auch erst einmal fertig bringen. Zwei Bayern, zwei Brasilianer und ein halber Portugiese. So hat sich das Ganze dann langsam weiterentwickelt. Mit den CDs und den Reisen kam immer neue Musik dazu. Nach einer Reise in die Türkei entstand zum Beispiel die Idee zu einer weiteren CD, der „Bavaturka“. Die bayrisch-türkische CD. Je nachdem wohin die Reise geht, ergeben sich immer neue Arrangements und Stücke. Von Indien über die Türkei, Armenien und Ägypten in die USA ist alles dabei. Auf die Frage nach den Vorteilen des gemeinsamen Musik Machens antwortet Ludwig Himpsl: „Ich glaube, es ist die einfachste Verständigung zwischen verschiedenen Kulturen, gemeinsam Musik zu machen. Wenn man dort eine Verbindung schafft, ist die Verbindung da“. Durch Musik wirst du also ohne weitere Worte in eine Gruppe oder Kultur integriert. „Der Vorteil der Musik liegt weiter darin, dass Musik direkt die Emotionen triggert. Immer. Und es funktioniert so gut“, meint Xaver Himpsl. Doch gestartet wird trotzdem bei der bayerischen Volksmusik, welche auch im Ausland interessant klingt und somit der musikalische und kulturelle Austausch stattfinden kann. Austausch innerhalb Bayerns, genauer München, findet montags im Hofbräukeller oder auch im Fraunhofer Theater und dem Herzkasperlzelt statt. Dort findet sich die Community und lernt sich kennen. Nach außen wollen die Musiker der Unterbiberger Hofmusik die Freude an der Musik und am Zusammenspiel tragen. „Denn das entscheidet ganz oft am Schluss, dass das ganze positiv ausgeht. Egal in welcher Situation. Quasi ein Verstehen durch das Zusammenspielen“, sagt Xaver Himpsl. „Auch das Verbinden der Kulturen ist ein Zeichen, das

wir nach außen senden wollen. Die Unterschiede zwischen den Menschen sind gar nicht so groß. Das ist immer weniger als man denkt. Wir spielen mit den Leuten von überall aus der Welt und es funktioniert. Das ist auch ein Zeichen, was man nach außen sendet. Die Musik ist unsere gemeinsame Sprache“, sagt Ludwig Himpsl.

Zu Beginn haben die Eltern bayerische Volksmusik gespielt, fast schon in Stubenmusi-Besetzung. „Eine traditionelle Stubenmusibesetzung wäre Harfe, Zither und Kontrabass. Unsere damalige Version mit Tuba und Trompete ist schon ein bisschen die lauterer Variante“, sagt Xaver Himpsl. Der brasilianische Jazztrompeter Claudio Roditi, bei dem Franz Himpsl einen Kurs belegte. „Ich fand die Musik so geil und war der Meinung, man muss etwas daraus machen.“ Gemeinsam mit Claudio Roditi wurde dann 1995 die erste CD aufgenommen: „Bajazzo“. Sie war, sagt Himpsl, der Anfangspunkt von dem, was heute die neue bayerische Volksmusik ist. Meistens wissen das aber nur die Musiker untereinander.

Hierzu gehört natürlich eine gewisse Offenheit, die wir alle in uns haben sollten, damit wir sie auf verschiedenste Art und Weise nach außen tragen können. Seine Musik öffnen heißt allerdings auch, nicht zu vergessen woher sie ursprünglich kommt. Selbst Franz Himpsl red immer no Bayerisch obwohl er auch Türkisch glernt hat. Nach einer einstündigen regen Unterhaltung mit den Himpsl Jungs kommen wir zur Frage nach der Zukunft. "Es soll noch eine Weile so weitergehen", sagen sie. "Es ist sehr schön, mit der Familie zu spielen." Die kurzfristigen Ziele stehen nun erstmal im Vordergrund. Der Mut zur Spontanität, Kreativität und zur Offenheit steht bei der Unterbiberger Hofmusik im Mittelpunkt und beeindruckt uns als Interviewer und Zuhörer sehr.


Von Jana Schützendübel und Abdu

"Das kreative Schaffen verbindet Menschen"

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Was ist dein beruflicher Hintergrund? Ich habe an der Kunstakademie in München studiert und stelle Schmuck her. Ich finde, dass Arbeiten mit den Händen gut tut: Wenn man etwas fertig hat, freut man sich auf einer ganz einfachen Ebene. Für Peace of Paper engagiere ich mich ehrenamtlich. Wäre es mein Job, wäre ich mehr unter Druck. Ich finde, die Leichtigkeit ist wichtig.

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Eugenie Hinrichs ist Mitgründerin von Peace of Paper, einem Non-ProfitIntegrationsprojekt, in dem Geflüchtete und Münchner gemeinsam in Stempel- und Siebdruck-Workshops arbeiten. Im Bellevue di Monaco, einem Wohn- und Kulturzentrum im Zentrum Münchens.

MixMuc: Wie ist die Idee für Peace of Paper entstanden? Eugenie Hinrichs: Die Idee, Druck-Workshops anzubieten, kam in der Zeit, als ganz viele Geflüchtete nach München gekommen sind, ab August 2015. Meine Peace of Paper-Kollegin Karin und ich haben uns unterhalten über das, was wir erlebt haben und haben gesehen, dass es für Geflüchtete anstrengend ist, in Unterkünften zu leben und auch schwierig, Leute kennenzulernen. Da dachten wir, warum nicht Abwechslung in die Unterkünfte bringen? Wie kamt ihr auf Stempeln und Siebdrucken? Stempeln ist eine einfache Technik, die eigentlich jeder kann. Dabei wird Sprache nicht dringend gebraucht und trotzdem sagt man auf einer anderen Ebene, der künstlerischen, etwas aus. Siebdruck habe ich vorher auch noch nie gemacht, wir haben das dann alle zusammen gelernt. Peace of Paper sollte eine Möglichkeit für Geflüchtete sein, einfach und mit einer Leichtigkeit etwas zu erleben und auch mit Leuten, die aus München kommen, Zeit zu verbringen. Das kreative Schaffen verbindet Menschen. Ich habe höchsten Respekt vor Leuten, die mit den Leuten lernen oder auf die Ämter gehen. Das, was wir machen, macht Freude. Aber man kann ja auch nicht den ganzen Tag nur deutsch lernen, man muss mal Programm wechseln.


Geht es euch in den Workshops allein um das gemeinsame Schaffen oder werden eure Drucke auch weiter verwendet? Es kam eine Idee zur anderen und wir dachten, dass wir aus den Drucken Geschenkpapier machen könnten. Viele Leute haben keinen Kontakt mit den Menschen, die geflohen sind. Aber wenn sie ein Geschenk in unserem Papier bekommen, sind wir auch bei ihnen angekommen. Man hört ab und zu den Vorwurf, für Flüchtlingsprojekte sei jetzt immer Geld da. Wir erzeugen durch den Verkauf selber Geld. Wir haben wirklich viel Papier verkauft vor Weihnachten und auch jetzt mit Postkarten. So tut das Geschenkpapier Gutes. Ja. Außerdem ist es schön, die Workshop-Teilnehmer, die hier Hilfe bekommen, selber zu Hilfeerzeugern zu machen: Das Geld fließt in drei Hilfsprojekte, die wir derzeit unterstützen. Welche? Wir unterstützen Seewatch, ein Projekt das Menschen auf der Flucht auf dem Mittelmeer rettet, außerdem die Organisation Orienthelfer. Sie hilft Menschen in Syrien. Und die IHA, Intereuropean Human Aid Association, die Hilfsangebote für Flüchtlingslager koordiniert. Wie funktioniert Peace of Paper? Wir haben einmal im Monat einen Workshop in der Unterkunft in der Aschauerstraße. Abdu war einer der ersten aktiven Teilnehmer. Im Moment sind wir auf der Suche nach einer zweiten Unterkunft. Im März 2016 waren wir das erste Mal im Welcome Café in den Münchner Kammerspielen. Außerdem gibt jeden Monat zwei Termine von Peace of Paper im Bellevue: Einmal dienstags mit dem interkulturellen Frauencafé Juno und einmal mittwochs zusammen mit "Über den Tellerrand".

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Die Workshops finden also nicht nur in den Unterkünften statt? Uns ist wichtig, dass wir auch hier im Bellevue ein Treffen veranstalten. Wenn uns die Leute aus den Unterkünften kennen, dann kommen sie auch mal hierher. Speziell das Bellevue ist so schön gelegen in der Mitte der Stadt, es gibt Tee und Angebote. Man ist nicht irgendwo im Keller oder irgendwo außerhalb, man lernt auch die Stadt ein bisschen kennen.

Wie schauen die Gruppen aus? Machen mehr Männer oder Frauen mit? Wir bevorzugen gemischte Gruppen. Mit einer Unterkunft haben wir aufgehört, weil da nur noch Männer sind: Wenn Frauen mitmachen, dann machen die Männer auch gerne mit. Aber wenn keine Frauen mitmachen, dann ist es irgendwie nicht cool für sie. Jetzt sind über das Café Juno im Bellevue einige Frauen dabei. Das ist natürlich toll, weil viele Frauen sonst weniger ausgehen als Männer. Das fanden wir sehr schade. Die Frauen kommen dann auch mit Kindern. Für die ganz Kleinen ist der Umgang mit den Stempeln allerdings schwierig. Ich würde sagen ab acht Jahren kann´s losgehen! Gab es auch Schwierigkeiten auf eurem Weg? Es war von Anfang an eine tolle Erfahrung und die Idee hat viele Türen geöffnet. Alle haben sehr positiv reagiert. Manchmal ist es eine Herausforderung, die Bewohner in den Unterkünften zu erreichen, die noch kein deutsch sprechen. Sie wissen nicht, was wir in den Workshops machen. Die Menschen, die gerade in Deutschland angekommen sind, lernen bei uns viel darüber, wie die Leute hier ticken, zum Beispiel wie sich Deutsche verabreden. Für viele ist das gar nicht so leicht. Ich denke, Peace of Paper ist auch ein gutes Übungsfeld für einen Job oder ein Praktikum. Wie schauen eure Drucke aus? Es gibt zum Beispiel einen Bogen von uns, für den jeder ein Auge gemacht hat. Auf dem Geschenkpapier ist jedes Auge einmal drauf. Wir haben unterschiedliche Motive wie Augen, Hände, Blumen, Menschen, Sterne. Das ist etwas, was ich gerne mag: Wenn am Schluss ein Geschenkpapier herauskommt, wo von allen Leuten, die mitgemacht haben, ein Motiv drauf ist. Die Bögen, die wir am Ende des Abends machen, sind oft sehr spontan und chaotisch - ein Dokument dessen, was am Abend passiert ist. Gibt es einen Moment, an den du dich besonders gerne erinnerst? Wir waren in den Kammerspielen und haben viele Sterne gedruckt. Nur ein Afghane hat ein Haus gemacht. Daraus wurde dann ein total schöner Bogen. Wir haben das Haus unten aufs Papier gedruckt und darüber die Sterne der anderen. Viele geflohene Menschen stellen Häuser dar. Das fand ich interessant. Aber es ist eigentlich auch logisch, wenn man kein Haus mehr hat.


Von Marcus aka One Corner & Stefanie WitterauF MixMuc: Herr Hillreiner, was unterscheidet die SchlaUSchule von anderen staatlichen Schulen? Rudolf Hillreiner: Der größte Unterschied an unserer Schule ist, dass unsere Schüler Flüchtlingsstatus haben. Manche haben bereits ein Asylverfahren, andere noch nicht. Das beinhaltet auch besondere Probleme. Jeder unserer Schüler hat einen anderen Rucksack dabei, in dem Sachen drin sind, die nicht so schön sind. Das spielt eine große Rolle in unserem Unterricht. Es geht bei uns um die Inhalte, aber auch um den Menschen. Was hast du bereits erlebt? Wie soll es für dich weiter gehen? Wie geht es für dich in Deutschland weiter? Das sind Fragen, mit denen wir uns mit jedem Schüler beschäftigen. Unsere Lehrer unterrichten, aber helfen auch beim Asylantrag und beim Fußfassen in der deutschen Gesellschaft.

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SchlaU – diese Abkürzung steht nicht im eigentlichen Sinne für schlau, sondern für schul-analoger Unterricht. Gegründet wurde die SchlaU-Schule im Jahr 2000 vom Trägerkreis Junge Flüchtlinge e.V. für die Bildung von unbegleiteten minderjährigen und jungen Flüchtlingen. Sie werden in den gleichen Fächern wie an einer Mittelschule unterrichtet. Wir haben uns mit dem stellvertretenden Schulleiter Rudolf Hillreiner getroffen, der seit 16 Jahren an der SchlaU-Schule unterrichtet.

"Lernen heiSSt Freude und das wollen wir transportieren"


Wie lange bleiben die Schüler an der SchlaU-Schule? Normalerweise sind es zwei Jahre. Aber es gibt immer Schüler, die länger brauchen, etwa drei oder vier Jahre. Das kommt auf die Vorbildung des Schülers an, also ob er in seinem Heimatland schon in die Schule gegangen ist. Wenn jemand länger als zwei Jahre braucht, versuchen wir darauf individuell einzugehen. Schule ist wichtig! Wir versuchen das Paket für jeden einzeln zu packen. Wie viele Schüler hat die Schule? Als wir vor 17 Jahren gestartet haben, hatten wir nur zwei Klassen. Seitdem ist die SchlaU-Schule gewachsen. Wir haben alleine in der Schwanthalerstraße 220 Schüler in 15 Klassen. In unserem zweiten Standort der Schillerstraße kommen nochmals 80 Schüler dazu. Das sind 300 Schüler! Von meinen Freunden habe ich nur Positives über die SchlaU-Schule gehört. Sie kommen gerne zum Unterricht. Warum ist das so? Von guten Erfahrungen zu hören, ist schön. Ich denke unsere Schule funktioniert so gut, weil die Lehrer und Sozialpädagogen, die hier arbeiten, versuchen, jeden Schüler einzeln zu sehen. Viele Schüler lernen bei uns zum ersten Mal zu vertrauen. Sie haben viel geleistet, die Flucht bewältigt, aber noch nie Menschen kennengelernt, denen sie vertrauen können. Vertrauen - das ist wohl eines unserer Erfolgskonzepte. Welche Schwierigkeiten gibt es? Wenn viele Kulturen und Länder aufeinander treffen, gibt es natürlich Konflikte. Aber als Schwierigkeit würde ich das gar nicht sehen. Wenn ein Problem auftaucht, dann spricht man zusammen und arbeitet daran. Verglichen mit anderen Mittelschulen haben wir, finde ich relativ wenige Konflikte.

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Was passiert, wenn die Schüler zu spät zum Unterricht kommen? Viele unserer Schüler können nachts nicht schlafen, weil sie psychische Probleme haben. Die Toleranz beim Zu-Spät-Kommen ist daher größer als an anderen Schulen. Es gibt Schüler, die in einer Gemeinschaftsunterkunft schlafen mit anderen, die nicht zur Schule gehen. Es muss jeder Einzelfall angeschaut werden. Lernen heißt Freude und das wollen wir auch transportieren.

Welche Ziele haben die Schüler? Im Grunde sind es die gleichen Ziele, die auch deutsche Schüler haben. Sie wollen einen Schulabschluss machen, einen Ausbildungsplatz bekommen oder eine weiterführende Schule besuchen. Wir haben auch Schüler, die ein Studium anstreben. Die Ziele sind die gleichen, nur die Voraussetzungen von unseren Schülern sind unterschiedlich. Die sind immer verknüpft mit den Aufenthaltsgenehmigungen, das haben deutsche Schüler natürlich nicht. Das macht es schwerer. Schüler aus sicheren Herkunftsländern werden immer wieder abgeschoben. Wie geht die Schule damit um? Wir versuchen zu helfen. Wir haben Schüler aus Ghana oder dem Senegal - sogenannte sichere Herkunftsländer. Die sind unmittelbar betroffen. Wir gehen den Weg zusammen weiter und schauen nach vorne. Wie fühlen Sie sich dabei? Ich selbst fühle mich traurig und betroffen. Wenn einer unserer Schüler den Brief mit der Abschiebung bekommt, dann versuche ich, Schüler und auch Lehrer aufzufangen. Was politisch läuft, kommt auch bei uns an. Die Schüler haben Angst, auch so einen Brief zu bekommen und haben dann etwas anderes im Kopf als Hausaufgaben oder pünktlich im Klassenzimmer zu sein. Wir besuchen das Ausländeramt und versuchen dem Schüler zu helfen. Leider kann die SchlaU-Schule nicht immer helfen. Ich wünsche mir, dass die Gesetze nicht verschärft werden, sondern sich in die andere Richtung entwickeln. Welchen Tipp können Sie Ehrenamtlichen geben, die zum ersten Mal mit Ge-flüchteten zusammen arbeiten? Mein Tipp ist, ganz normal mit ihnen umzugehen. Es wäre ratsam, nicht gleich die Fluchtgeschichte in den Vordergrund zu ziehen. Sondern die Arbeit in den Mittelpunkt zu setzen, bei Nachhilfe zum Beispiel die Inhalte. Den Menschen einfach kennenzulernen und sehr sensibel mit der Flucht umzugehen. Außerdem nicht gleich beleidigt sein, wenn der Schüler einen versetzt. Viele haben andere Probleme.


Rund um den Hauptbahnhof ist München so multikulturell wie sonst nirgendwo. Wir sprechen mit drei Leuten, die dort Fuß gefasst haben.

42 Von Marcus aka One Corner & Julia RID

Business �ultikulti


„Egal, welches Handy, ich repariere sie alle.“ Bah arbeitet in einem Handyladen – dort hat er ziemlich rasch Deutsch gelernt. Doch sein Start in Deutschland war schwierig. Marcus: Hallo, wir sind mit dem MixMuc Team heute bei Bah in einem Handygeschäft. Bitte stellen Sie sich kurz vor. Bah: Mein Name ist Bah, ich bin seit fast drei Jahren in Deutschland und repariere Handys in einem Handygeschäft in der Schillerstraße. Wie ist es für Sie in Deutschland? Ich bin hierher gekommen, habe schnell Deutsch gelernt und daraufhin gleich eine Arbeit als Handyreparateur gefunden, da ich schon in Gambia sieben Jahre in einem Handyladen selbstständig gearbeitet habe bzw. selbständig ein Handygeschäft betrieben habe. Warum gefällt Ihnen diese Arbeit? Diese Arbeit gefällt mir, weil ich diese Arbeit einfach machen kann, ohne dies in der Schule oder in der Universität gelernt haben zu müssen. Egal, welches Handy repariert werden muss, ich repariere sie alle. Und wo haben Sie Deutsch gelernt? Ich bin seit zwei Jahren hier und kann noch nicht so gut Deutsch sprechen wie Sie. Haben Sie so gut und schnell Deutsch gelernt, weil Sie hier in diesem Handyladen arbeiten und mit den Kunden und Kollegen Deutsch sprechen? Ja, und ich habe mit meinem Chef immer Deutsch gesprochen, am Anfang noch manchmal Englisch, aber dadurch habe ich viel gelernt. Was ist der Unterschied zwischen Gambia und Deutschland in Bezug auf Ihre Arbeit? Hier als auch in Gambia geht bzw. ging es mir gut mit dieser Arbeit. Jedoch war ich in Gambia selbstständig und in Deutschland arbeite ich für jemanden. In Gambia konnte ich selbstständig einkaufen, verkaufen und einfach machen. Und hier kann ich das nicht tun, da ich nicht selbstständig bin. Gibt es für Sie Schwierigkeiten in Deutschland? Am Anfang war es für mich hier schwierig, weil ich kein Deutsch sprechen konnte und dadurch keine Arbeit gefunden habe. Aber so nach einem Jahr lief es dann mit dem Deutsch sprechen gut und ich habe eine Arbeit gefunden und jetzt wollen viele Menschen mit mir zusammenarbeiten.

Was machen Sie in der Freizeit? Also wenn ich Freizeit habe bin ich immer mit meinen Freunden unterwegs und wir gehen in den Club. Und was ist Ihr Lieblingsclub? Ich gehe gerne zu Reggae-Konzerten ins Backstage. Momentan allerdings nicht mehr so oft. Wieso? Haben Sie keine Zeit mehr für Party machen wegen der Arbeit? Ja, genau. Ich habe nur am Sonntag frei und da möchte ich einfach schlafen.

„Wenn Afrikaner einmal in deinem Geschäft waren, gehen sie nie wieder raus.“ Hanif weiß, wie man multikulturell handelt - er führt seit 2002 den Kaschmir Basar, ein Geschäft für afrikanische und asiatische Lebensmittel sowie Afro-Kosmetik. Marcus: Bitte stellen Sie sich kurz vor. Hanif: Mein Name ist Hanif, ich komme aus Pakistan, lebe seit 2000 in München und führe dieses Geschäft zusammen mit meinem Bruder selbstständig seit 2002. Was haben Sie dann von 2000 bis 2002 gemacht? Ich habe an der LMU BWL studiert. Wow! Haben Sie also schon in Pakistan Deutsch gelernt? Ja, ein Jahr lang. Ich wollte Deutsch lernen und das Studium war in Deutsch und Englisch. Wo kommen all die Produkte in dem Geschäft her? Die meisten Produkte kommen aus Europa, wie zum Beispiel aus Frankreich und England. Daneben gibt es aber auch Sachen aus Pakistan, Indien, Senegal, Nigeria, Gambia, Kongo und anderen Ländern. Welche Sprache sprechen Sie mit den Händlern, wenn Sie die Produkte importieren? Englisch.


Welche Produkte kommen aus Afrika? Die getrockneten Garnelen kommen aus Gambia. Aus dem Senegal kommt Chof, Sankel und Gheicha, das ist getrockneter Fisch. Was gefällt Ihnen an München, was nicht? München ist meine Stadt. Mir gefällt die Infrastruktur, die Leute sind freundlich und gebildet. Das ist hier nicht so wie in der Provinz. Die Münchner haben Verständnis, sie schauen dich nicht komisch an. Sie kommen rein und fragen freundlich, hi wie geht’s. Das gefällt mir. Woher kommen die Menschen, die hier einkaufen? 80 Prozent der Kunden kommen aus Afrika, weil es hier so viele Produkte aus Afrika zu kaufen gibt. Deutsche machen nur etwa 1520 Prozent der Kundschaft aus. Viele davon sind Stammkunden. Wie bringen Sie Leute in Ihren Laden? Als unser Geschäft noch in der Schwanthalerstraße war, hatten wir viel Laufkundschaft. Jetzt sind wir etwas versteckt in einem Hinterhof zu finden und es kommen fast nur Stammkunden vorbei. Afrikaner haben eine andere Mentalität, da läuft vieles über Mundpropaganda: Da erzählt ein afrikanischer Kunde seinem Freund etwas von dem Geschäft und plötzlich wissen es 100 Afrikaner. Und wenn sie dann einmal in dem Geschäft waren, gehen sie nie wieder raus, geschweige denn zu einem anderen. Wir brauchen also keine Werbung.

Erziehen Sie Ihre Kinder nach dem muslimischen Glauben? Meine Kinder treffen ihre eigene Entscheidung, ich kann diese nicht beeinflussen. Denn ich kann sie nur erziehen. Man muss es selber entscheiden, ob man nach muslimischen Glauben leben möchte oder eben nicht, man kann die Entscheidung nicht erzwingen. Jede/-r muss selber Wissen und Erfahrungen sammeln, bevor man etwas entscheidet. Deutschland gibt jedem zwei Rechte: das Recht zum Leben und eine eigene Richtung einzuschlagen. Welche Sprache sprechen Ihre Kinder? Urdu und Deutsch. Wie unterscheidet sich Familie und Erziehung in Pakistan zu Deutschland? In Pakistan haben wir mehr Zeit für die Familie. Hier geht das nicht so gut wegen der Arbeit, Schule, unterschiedliche Kultur, Zeit. Das ist ein ganz anderes System. Was würden Sie Menschen raten, die gerade in München ankommen? Als Ausländer muss man unbedingt erst einmal richtig Deutsch lernen, Ruhe bewahren, nur eine Richtung einschlagen, Bildung, wenig Party machen, viel lernen und immer leise sprechen. Ich hab so viel gelernt von Ihnen heute. Gott sei Dank. Mehr Infos: www.facebook.com/kaschmirbasar/

Haben Sie selbst schon einmal afrikanisches Essen probiert? Ja, und zwar: Chip, Chof, Jollof-Reis und vieles mehr.

Haben Sie eine Frau bzw. Kinder? Ja, ich habe eine Frau, und zwar nur eine! Gemeinsam haben wir vier Töchter, sie sind alle in Deutschland zur Welt gekommen. Sind Sie Moslem? Ja.

„Ich wollte meinen Job eigentlich nur zehn Tage machen.“ Eigentlich wollte Mati aus Argentinien als Elektrotechniker arbeiten. Doch vorerst ist er in einem lateinamerikanischen Restaurant hängengeblieben – dort trifft er umso mehr internationale Leute. Marcus: Wir sind vom MixMuc Team und möchten mir Ihnen ein Interview für unser Lifestyle, Kultur und Politikmagazin machen. Bitte stellen Sie sich kurz vor. Mati: Mein Name ist Mati, ich bin 20 Jahre alt, komme aus Argentinien und wohne seit neun Monaten in München. Wie ist München in Ihren Augen? Die Leute hier sind wirklich sehr cool. In Mün-

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Was ist ein typisches Gericht aus Pakistan? Chicken Curry, Belau oder Beriani. Die pakistanische Küche ist groß mit etwa 30 verschiedenen Nationalgerichten. Wir haben drei verschiedene Beriani, Fleisch mit Pickle gekocht, Fleischbällchen mit dem Namen Kofta und vieles mehr. Bekannt sind wir aber für unsere Gewürze.


Hier ist es also einfacher zu leben als in Argentinien, da es hier sicherer ist. Was ist noch gut oder schlecht hier für Sie? Ich habe eine Zeit lang in Australien verbracht. Dort ist es wirklich auch sehr schö n. Ich finde, das Leben hier kann man mit dem in Australien vergleichen. Der Unterschied jedoch ist, dass es dort einfacher mit der Sprache war. Deutsch ist schon sehr kompliziert. Aber es gibt nichts, was man nicht lernen kann. Also würde ich sagen, Deutsch zu lernen ist für mich die größte Herausforderung. Sie arbeiten in einem lateinamerikanischen Restaurant, richtig? Wie läuft es? Täglich kommen viele Menschen vorbei. Aufgrund der Nähe zum Hauptbahnhof kommen hier Leute von der ganzen Welt zum essen her, auch viele Touristen. Es ist eine schöne Atmosphäre. Kommen Sie mit den Menschen während der Arbeit leicht in Kontakt? Ja, wenn ich das Essen zubereite, fragen mich die Leute, woher ich komme, was ich hier in München mache, seit wann ich hier bin usw. Das ist echt cool. Besonders, wenn sie mir dann Trinkgeld geben. Also freuen Sie sich über das Trinkgeld? Natürlich. Ich kann damit mein Monatsticket für die öffentlichen Verkehrsmittel bezahlen.

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Was machen Sie in der Freizeit? Im Allgemeinen gehe ich gerne feiern. Aber gerade mach ich das in München nicht, da ich auf die öffentlichen Verkehrsmittel angewiesen bin. Und da ich dann vielleicht die letzte Bahn verpasse und bis fünf Uhr morgens auf die nächste warten muss, verzichte ich gerade darauf. So gehe ich gerade lieber in den Park und mache dort Fotos. Ich mag Fotografie und arbeite gerne an meiner Internetseite. War es schwierig für Sie in München einen Job zu finden? Nein, das war ganz leicht. Ich bin Anfang August von Australien nach München gekommen und ich wohne hier nun mit meiner deutschen Freundin zusammen.

Als ich angekommen bin, habe ich einen Lebenslauf erstellt und bei spanischen Restaurants in München nach Jobs gesucht, da ich noch kein Deutsch sprechen konnte. Also habe ich mich bei mehreren Restaurants beworben. Dieses hier hat gerade nach jemanden gesucht, also bin ich geblieben. Also ist Ihr Chef glücklich Sie gefunden zu haben, oder sind Sie glücklich einen Job zu haben? Beides. Ich wollte meinen Job eigentlich nur zehn Tage machen, da ich eigentlich Elektrotechniker gelernt hatte und in diesem Berufsfeld etwas finden wollte, aber mein Chef bat mich darum, länger zu bleiben. Daher mache ich diesen Job erst einmal und lerne derweil noch etwas besser Deutsch. Ich arbeite täglich 4 bis 5 Stunden. Wollen Sie einen Deutschkurs machen? Ja, klar. Aber jetzt noch nicht, da ich bereits zwei gemacht habe und erst noch ein bisschen durch Europa reisen möchte. Nach etwa drei Monaten komme ich zurück und möchte mit einem neuen Kurs starten.

"Die Leute hier sind wirklich sehr cool. In München gibt es sehr viel Kultur und man findet, was auch immer man sucht."

chen gibt es sehr viel Kultur und man findet, was auch immer man sucht. Es ist eine große Stadt, das mag ich. Im Vergleich zu Argentinien ist es wirklich sicher. Man kann auf die Straße gehen, ohne Angst zu haben, gleich ausgeraubt zu werden. Das ist toll.



von Zillian Jode

They know our �t��Y Mein Name ist Zillian Jode, ich bin 20 Jahre alt und komme aus Gambia. Seit drei Jahren wohne ich in München und besuche dort eine Schule. In meiner Freizeit widme ich mich meiner großen Leidenschaft: dem Nähhandwerk. Das hat viel mit meiner Mutter zu tun. Sie brachte mir bereits als Kleinkind bei, wie man Nähmaschinen bedient und verschiedene Kleidungsstücke anfertigt. In der familieneigenen Schneiderei mitzuhelfen, das war selbstverständlich für mich. Darüber hinaus stachelte die Arbeit meinen künstlerischen Ehrgeiz an. Schon bald begann ich eigene Ideen für Modeentwürfe zu kreieren und umzusetzen. Inspiriert von meiner Mutter sowie der afrikanischen Mode wollte ich meine Leidenschaft, das Schneidern, auch in München fortführen. Da erwies sich ein Praktikum im Vinty´s (Vintage- und Secondhand-Mode) als Glücksfall. Die Mitarbeiter*innen unterstützten mich in jeder Hinsicht und gaben mir Raum, meine eigenen Modelle anzufertigen. Mit den Ergebnissen war ich sehr zufrieden: Endlich konnte ich Verantwortung übernehmen und meine bisherigen Erfahrungen einbringen. Der nächste Schritt lag auf der Hand: Warum nicht eine eigene Mode-Show arrangieren? Im Herbst 2016 war es dann soweit: Ich hatte meine ganze Freizeit, die mir meine Schulausbildung ließ, genutzt, um auf meinem Zimmer in einem Flüchtlingsheim eine eigene Kollektion zu schneidern: Kleider, Hemden und Hosen, die afrikanische Stoffe mit angesagten Schnitten und legerer Urban Wear kombinierten. Die erste eigene Modeschau im Vinty‘s wurde zum Erfolg: Einige hundert Gäste kamen und bestaunten die Models, die meine Kollektion auf dem Laufsteg präsentierten. Und das sollte erst der Anfang sein: Ich entwickelte neue Ideen für Modekreationen, machte weitere Praktika und sammelte Arbeitserfahrungen in renommierten Modelabels unter anderem bei Noh Nee und Talbot Runhof. Viele Münchner mit und ohne Fluchthintergrund unterstützten mich dabei – unter anderem auch das mit Freunden gegründete internationale HipHop-Kollektiv One Corner (ich schreibe und performe nebenbei auch HipHop). Als One Corner organisieren wir zusammen Konzerte, Mode-Shows und weitere Veranstaltungen in München. Am 12ten August ist das nächste Event im Club Lovelace geplant. In diesem

neuen Münchner Club – eine Zwischennutzung in einem ehemaligen Bankhaus in der Kardinal-Faulhaber-Straße – geht für mich ein Traum in Erfüllung. Im Zentrum der Stadt, gleich um die Ecke von Frauenkirche, Marienplatz und Bayerischem Hof, eine afrikanische Modeshow zu präsentieren. Meine neue Kollektion heißt They know our story. Mit dem gewählten Namen möchte ich die derzeit haltlose Praxis der Asylverfahren andeuten. Man wartet zwei bis drei Jahre, lernt die Sprache sowie sich anzupassen, findet Menschen und eine neue Heimat, um dann seine komplette Geschichte zu erzählen und daraufhin sein Zuhause wieder zu verlieren. Dieses Warten und Bewegen in Unsicherheit macht Menschen kaputt. Wenn „sie“ unsere Geschichte doch angeblich schon kennen, warum schicken sie uns denn dann nicht gleich zurück? Vor diesem Hintergrund werde ich im Lovelace eine bunte und innovative Auswahl an Streetwear vorstellen. Zentral bei den Modestücken ist mein afrikanischer Einfluss, aber ich bringe auch Akzente meiner neuen Umgebung in München mit ein. Diese Brücke herzustellen ist mir ein Anliegen, das über die Mode hinaus geht. Ich denke wir können viel voneinander lernen, wenn wir unterschiedliche Ansätze kombinieren und uns darauf einlassen. Perspektiven zu verändern sehe ich als eine menschliche Bereicherung und ich versuche ein Stück dazu beizutragen. Für die Zukunft wünsche ich mir irgendwann selber ein Label, mit Läden und Angestellten zu führen, und meine Mode auch weltweit zu vertreiben. Ich hoffe One Corner sind mit von der Partie und an dieser Stelle möchte ich allen UnterstützerInnen herzlich danken. Nur durch Eure Förderung war und ist es mir möglich, mein Talent zu entfalten.

Zilllian präsentiert seine Mode am 12.08.17 im Rahmen seiner Fashion-Show „The know our Story“ im The Lovelace (Kardinal-Faulhaber-Straße 1)

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Von Cham Bwoii

Als ich im Jahr 2014 nach Deutschland kam, musste ich auf eine deutsche Schule gehen um Deutsch zu lernen. Und um ehrlich zu sein, war ich am Anfang ganz schön überfordert. Denn das Schulsystem als auch das Schulleben in Gambia ist ganz anders als in Deutschland.

Zusätzlich ist das Verhältnis zwischen Lehrer und Schüler in Deutschland anders: In Gambia bleibt das Verhältnis immer relativ kühl und wird nur auf das Mindeste begrenzt. In Deutschland können Lehrer zu guten Ansprechpartnern werden, die bei jeglichen Angelegenheiten helfen.

Als einer der ersten Unterschiede ist mir aufgefallen, dass es in deutschen Schulen keine Schläge als Bestrafung gibt, in Gambia schon. Wenn man in Gambia nur ein einziges Mal zu spät in die Schule kommt, gibt es Schläge auf die Hände.

Meiner Meinung nach ist jedoch der größte Unterschied, dass Schüler in Gambia eine Schuluniform tragen müssen. Diese besteht meistens aus einem blauen oder weißen T-Shirt, einer schwarzen Hose und schwarzen Schuhen. Die Haare müssen kurz sein, bei Mädchen ordentlich zusammen gebunden. Es sind auch keine Rastas und Dreads erlaubt. In Deutschland können sich die Schüler meistens nach Lust und Laune kleiden.

In Deutschland muss man erst bei wiederholter Verspätung nachsitzen. Auch die Anzahl der Schulfächer in Gambia ist viel größer als in Deutschland und in dem westafrikanischen Land wird in jedem Fach eine schriftliche Prüfung geschrieben. Dazu haben die Schüler in Deutschland viel öfter und in kürzeren Abständen Ferien oder irgendwelche Feiertage. Dagegen haben die Schüler in Gambia viel längere Sommerferien, und zwar ganze drei Monate.

Ich persönlich finde die Schulen hier in Deutschland viel fortschrittlicher. Es ist lockerer und dazu versuchen die Lehrer den Schülern mehr Freiheiten zugeben, damit sie selbstständiger werden.

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Schule in Deutschland und Gambia zwei komplett unterschiedliche Systeme.

"Wenn man in Gambia nur ein einziges Mal zu sp�t in die Schule kom�t, gibt es Schl�ge auf die H�nde"


von Mam BOY

Der Grund warum ich rappe

Mein Name ist Mam Boy und ich bin Künstler. Ich komme aus Gambia, was in Westafrika liegt. Seit 2015 bin ich in Deutschland und mache hier seit etwa einem Jahr Musik. Auch in Gambia habe ich bereits drei Jahre lang Musik gemacht. Meine Musikrichtung ist Hip Hop und Rap.

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Als ich etwa 13 Jahre alt war, hatte ich meinen ersten Live-Auftritt auf einer Bühne. In Gambia war es zu dieser Zeit üblich, dass neue Künstler ein „Loblied“ für den Präsidenten sangen, welcher dann die Künstler mit Geld unterstützte. Mein damaliger Song war nicht für den Präsidenten, sondern für die Menschen, die dort in Gambia leben. Ich sang auf Wolof, einer afrikanischen Sprache, sodass mich jeder verstehen konnte. Ich sang von Problemen und Ungerechtigkeit. Der Beat, den mir damals der DJ gab, war ein Hip Hop Beat. Die Menschen waren begeistert. Das ist der Grund, warum ich immer noch rappe. Musik ist nicht nur mein Hobby, sondern sie hilft mir Gesehenes und Erlebtes besser zu verarbeiten. Zudem möchte ich mit meiner Musik Menschen berühren, so wie sie mich berührt.


50 Der Musiker One Corner stellt sich vor


#modemitmehrwert Damen-, Herren- und Kindermode, Trachten, Vintage, Accessoires und Schuhe. VINTY'S MÜNCHEN

Von Marcus & JUlia Rid

Landsberger Straße 14 | 80339 München Tel 089 50072410 | muenchen@vintys.de ÖFFNUNGSZEITEN: Mo bis Fr 11 – 19 Uhr Sa 11 – 16 Uhr

Ich heiße Marcus und bin HipHop Artist. Meine Karriere als Musiker startete Anfang 2000. Ich wurde in der größten Stadt im westafrikanischen Staat Gambia geboren und bin der älteste Sohn meiner Eltern.

White“, „Mama“ und viele mehr zu produzieren. Nach erfolgreichen Live-Auftritten hatte ich das Gefühl, das Herz der Zuschauer und Personen aus der Musikindustrie für mich gewonnen zu haben.

Ich hatte zu Beginn als Musiker eine Menge Hindernisse auch aufgrund sozialer, religiöser und kultureller Einflüsse. Deswegen war es mir anfangs nicht möglich, mich auf meine Träume zu konzentrieren und diese auch zu erreichen.

In 2016 habe ich mich mit anderen aufstrebenden Musikern zusammengeschlossen und im Oktober 2016 im Rahmen des „MixMuc Festivals“ im Club Ampere im Muffatwerk einen legendären Live-Auftritt erlebt. Das Muffatwerk zählt zu einen der besten Partylocations der Stadt.

Anfang 2015 bin ich nach Deutschland gekommen. Hier habe ich Kontakt zu Musikproduzenten aufgebaut, um weiterhin an meiner Musikkarriere zu arbeiten. Nach mehrfachen Treffen mit verschiedenen Produzenten und Promotern entschied ich mich dazu, mit TGR Productions zusammen zu arbeiten. Durch die Zusammenarbeit mit diesem Musiklabel erhielt ich die Möglichkeit, Songs wie „Niggas ain't me“, „Black or

Seitdem bin ich unhaltbar auf dem Vormarsch. Bis Anfang 2017 habe ich über 14 Konzerte gegeben. Wenn du mehr mir zu mir und meiner Musik erfahren willst, findest du mich und meine Kollegen der Band „One Corner“ auf Facebook oder Youtube.


Sie ist im Senegal geboren, mit sechs Jahren kam sie nach Deutschland. Momentan arbeitet Khadija Diedhiou (20) in München als Dolmetscherin. Im Interview erzählt sie, wie sie im Alltag mit ihrer doppelten Herkunft umgeht, was sie an der senegalesischen Kultur am meisten schätzt und wie sie mit dem Rassismus umgeht, der ihr immer wieder begegnet.

Nadja: Mit sechs Jahren bist du mit deiner Mutter zu deinem Stiefvater nach Deutschland gezogen. War die Angst da, dass du deine Sprache verlierst? Khadija Diedhiou: Die Angst war auf jeden Fall da. Als ich dann fließend deutsch gesprochen habe und das zu Hause ausprobiert habe, hat meine Mutter immer gesagt: Sprich Wolof mit mir (Anm. d. Red.: eine der Nationalsprachen Senegals neben der offiziellen Amtssprache französisch). Das war Regel Nummer Eins: Wenn sie auf Wolof redet, dann wird auf Wolof geantwortet. Wenn sie auf Deutsch redet, ist es egal. Meinen Stiefvater habe ich immer auf Deutsch alles gefragt, was ich wissen wollte.

Von Nadja Tausche

"Du d�rfst deinen Ursp�ung nicht �u��lenden" 52


Welcher Kultur fühlst du dich mehr verbunden? Das ist schwer zu sagen. Ich versuche immer, "Best of both worlds" zu machen. Meine deutsche Seite ist einfach drin, weil ich hier lebe und weil ich mich integrieren will und muss. Aber ich muss mich immer wieder an meine Herkunft erinnern: Du hast Wurzeln, du hast einen Ursprung und den darfst du nicht vernachlässigen oder ausblenden. Viele meiner Freunde haben sich komplett an die deutsche Kultur angepasst, aber ich lebe das Senegalesische. Ich bin dort geboren, ich esse jeden Tag senegalesisches Essen, ich spreche täglich die Sprache, genauso wie ich deutsch spreche. Ich will, dass meine Kinder später die senegalesische Kultur mitbekommen. Aber Deutschland ist auch meine Heimat. Ich habe einfach zwei Heimaten. Zugehörig fühle ich mich mal hier und mal da, je nach Situation und Körpergefühl. Was gefällt dir am meisten an der senegalesischen Kultur? Was mir am meisten gefällt, ist dieses Familienbündnis. Im Senegal steht die Familie über allem. Besonders die Mama, sie ist für die Familie der Kern. Wenn ich Streit mit meiner Mutter habe, muss ich mich entschuldigen - ich bin das Kind. Durch meine Kultur weiß ich, dass ich dieser Frau etwas schuldig bin in meinem Leben. Und das ist, etwas zu werden: Als meine Mutter will sie, dass ich was Besseres werde als sie und dass ich die Ziele erreiche, die ich erreichen will. Was schätzt du an der deutschen Kultur am meisten? Was ich hier mitnehme, ist dieses diszipliniert sein, pünktlich sein, sich fokussieren auf das, was man machen will, sich Ziele setzen. Und Briefe öffnen - Bürokratisches habe ich hier in Deutschland definitiv gelernt. Würde ich im Senegal leben, wäre ich glaube ich nicht so. Im Senegal habe ich mich oft mit Leuten getroffen und ich war einfach pünktlich. Das kennen die nicht, keinen interessiert dort die Uhr. Nervt es dich, wenn du in Deutschland gefragt wirst, wo du herkommst? Nein, das nervt mich nicht. Ich habe ja Attribute, die zeigen, dass ich nicht deutsch bin. Das ist doch verständlich, dass jemand fragt. Was mich nur aufregt, ist dieses "Für eine Afrikanerin sprichst du ganz schön gut Deutsch." Das ist ein Vorurteil, nach dem Motto wir können alle kein Deutsch, wir sprechen alle gebrochenes Englisch. Als ob wir

alle ungebildet wären. Das ist es, was ich respektlos und nervend finde. Findest du, die Deutschen sind rassistisch? Nein, ich nenne es eher Unwissenheit. Und Unwissenheit sollte man nicht bestrafen, eher sollte man versuchen, diesen Menschen etwas beizubringen. Aber ich begegne auch bewusstem Rassismus. Wenn jemand schon von Anfang an rassistisch eingestellt ist, bringt es nichts, zu reden. Ich gehe diesen Menschen dann aus dem Weg, das ist Energieverschwendung. Ich habe gelernt zu unterscheiden, ob ein Mensch Unwissen ausstrahlt oder ob er dich gerade nur verletzen will. Willst du irgendwann zurück in den Senegal? Ja, ich will auf jeden Fall dort alt werden. Im Moment könnte ich nicht im Senegal leben, ich habe mich zu sehr an die westliche Kultur und Lebensart gewöhnt. Aber in ein paar Jahren möchte ich anfangen, mir im Senegal ein Leben aufzubauen. Dann würde ich aber wohl immer wieder zurückkommen nach Deutschland. Im Senegal sage ich auch dementsprechend, ich bin Deutsche. Und die Senegalesen sagen, du bist nicht eine von uns, du bist europäisch. Weil ich anders bin, ich esse und rede anders. Mein Wolof ist zwar gut, aber ich habe trotzdem einen Akzent. Aber wenn die Menschen im Senegal sagen du bist deutsch, und die hier sagen du bist aus dem Senegal... ... dann bin ich ja gar nichts (lacht). Du musst im Herzen wissen, was du bist. Und das weiß ich. Ich liebe meine Kultur, ich liebe meine Religion, ich faste zu Ramadan und zurzeit versuche ich mich ein bisschen im Beten. Fünf Mal am Tag, es ist schwierig, aber ich versuche es. Gleichzeitig habe ich Freunde, die schwul sind, ich gehe feiern. Ich probiere diese ganzen Gegenpole aus, ich bin offen für alles. Wenn ich zu Hause bin, dann finde ich wieder zurück und komme auf den Boden der Tatsachen. Das ist einfach beruhigend.


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Martin Manzel und ich treffen uns in einem Café. Der Berliner Anwalt mit Schwerpunkt Migrations- und Europarecht erzählt, was ihn momentan besonders beschäftigt. Im Asyl- und Migrationsrecht zeige sich, wie willkürlich die Justiz mit dem Grundgesetz umgeht.

Von Verena Niepel

"Zu g��u�en, dass alle nett und ehrlich sind ist genauso �e�cheuert wie �u ��gen, alle sind k�iminell"


Verena: Herr Manzel, sie sind Migrationsanwalt und spezialisiert auf Europarecht, was bereitet ihnen momentan am meisten Sorgen? Martin Manzel: Ich mache mir momentan große Sorgen, dass wir die Grundlage des Staates anrühren, also die Grund- und Menschenrechte. Wenn ich mir die Situation im Asylrecht, im Aufenthalts, im Ausländer- und Migrationsrecht angucke, befürchte ich, dass wir genau diese Grundlage des Staates anrühren. Dass wir da unsere rechtsstaatlichen Grundsätze verkaufen, weil wir mit den rechtsstaatlichen Mitteln der Sache nicht mehr Herr werden zu scheinen. Wir hatten lange eine relativ ungehinderte Zuwanderung, Flüchtlinge sind über die Balkanroute gekommen, jetzt über das Meer. Sie nehmen lebensgefährliche Wege auf sich, um in die Festung Europa oder nach Deutschland zu kommen und wir wissen nicht, was wir mit ihnen machen sollen. Wir wissen nicht, wie und wohin wir sie zurückschicken sollen. Sie beschäftigen sich sicher mit vielen verzwickten Fällen momentan. Ja, das ist leider Teil meines Jobs. Ein ganz erschütterndes Beispiel ist für mich ein Verfahren, das momentan immer noch läuft: es geht um eine Familie - Vater, Mutter, ein zweijähriges und ein sechs Monate altes Kind - die aus der Türkei geflüchtet ist. Alle haben türkische Pässe. Die Mutter hat aber noch gleichzeitig eine rumänische Staatsangehörigkeit. Die deutschen Behörden sagten, wir schieben sie alle ab und ich sagte naja, die Frau ist ja Rumänin und legte eine Urkunde vor. Daraufhin sagten die Behörden „Ja wenn die Rumänin ist, dann schieben wir jetzt den Vater mit den beiden Kindern ab“. Es gibt Gründe, warum der sechs Monate alte Säugling seine Mama braucht, im wahrsten Sinne des Wortes, er wird mehrmals am Tag gestillt. Ich konnte das gerade noch verhindern, dass die Familie abgeschoben wurde. Welche anderen Probleme gibt es im Asylrecht? Beim Fall Anis Amri zeigt sich die andere Seite der Willkür. Da fühlte sich niemand wirk-lich zuständig. Man hat es nicht geschafft, ihn abzuschieben, obwohl von ihm eine klare Gefährdung ausging und die Behörden das auch wussten. Solche Fälle gibt es eben auch. Die Leute sagen, sie kommen aus Tunesien und heißen Ali Karim. Dann fragen die Behörden Daten ab und Tunesien sagt: Nein, den kennen wir gar nicht. Das liegt daran, dass er eigentlich aus Algerien kommt. Das ist eine Situation, die sehr schwierig ist. Menschen

nehmen bewusst falsche Identitäten an, um nicht abgeschoben zu werden und täuschen damit den Staat, von dem sie ja eigentlich Hilfe und Schutz verlangen. Das ist teilweise knallhartes Kalkül. Zu glauben, dass alle nett und ehrlich sind ist genauso bescheuert wie zu sagen, alle seien kriminell. Was tun? Wir müssen aufpassen, dass wir unsere Grundlagen, unsere Verfassung nicht aus dem Blick verlieren. Einerseits müssen wir Gefährder schneller abschieben, andererseits müssen wir Bedürftige besser schützen. Wo es kein faires Verfahren mehr gibt, ist Willkür Tür und Tor geöffnet. Ich habe ein schönes Gedicht von Eugen Roth, das würde ich gerne mal zitieren. Es heißt „Das Böse“. Hier geht es um einen Baum, und ich hoffe, dass der deutsche Rechtsstaat nicht dieser Baum ist.

„Ein Mensch pflückt, denn man merkt es kaum, Ein Blütenreis von einem Baum. Ein andrer Mensch, nach altem Brauch, Denkt sich, was der tut, tu ich auch. Ein dritter, weils schon gleich ist, faßt Jetzt ohne Scham den vollen Ast Und sieh, nun folgt ein Heer von Sündern, Den armen Baum ganz leer zu plündern. Von den Verbrechern war der erste, Wie wenig er auch tat, der schwerste. Er nämlich übersprang die Hürde Der unantastbar reinen Würde.“


56 Wie Javid ein Rezept f�� die �ukunft kennenlernt


von Javid und Julia Harig

Sich in einer Woche rundum orientieren - das verspricht das Seminar „Perspektiven bilden“ jungen Menschen, die vor einem neuen Lebensabschnitt stehen. Javid war dabei.

Als Javid im Dezember 2015 nach Deutschland kommt, will er in seiner neuen Umgebung, der Bayernkaserne, möglichst schnell Fuß zu fassen. Er will Deutschland kennenlernen und sich mit Deutschen austauschen. Aus der Bayernkaserne heraus ist dies aber gar nicht so einfach. Deshalb erkundigt er sich bei einer sozialen Sprechstunde über Aktivitäten, die es außerhalb der Unterkunft gibt. Am meisten begeistern kann er sich für ein Projekt namens „Perspektiven bilden“, ein Seminar des Bildungsvereins Commit e.V., das ihm ermöglicht diesen ersten Wunsch in Deutschland zu erfüllen: „Ich war neu in Deutschland und ich wollte auch deutsche Leute treffen und ihre Sprache und Kultur kennenlernen.“ Also meldet er sich für die Seminarwoche im Klostergut Schlehdorf am Kochelsee an. Eine Woche, die für ihn sehr viel mehr sein wird als eine bloße Auszeit von der Unterkunft und spielerisches Kennenlernen der deutschen Kultur. Denn Ziel des Seminars ist, dass die jungen Teilnehmer zwischen 16 und 26 Jahren, egal welcher Herkunft, eigene Stärken und Talente erforschen. Durch globales Lernen sollen Kompetenzen der Teilnehmer gefördert werden, um sie zu vielfältigen Lebenswegen zu ermutigen. Und so treffen sich 25 junge Menschen für eine gemeinsame Seminarwoche. Sie wohnen, essen, und haben gemeinsam Spaß. Doch vor allem lernen sie von- und miteinander. Sie widmen sich ihrer Persönlichkeit und öffnen sich für ihre Zukunft. Sei es im Poetry Peace Workshop, in dem sie verschiedene Schreibtechniken lernen und jeder dazu ermutigt wird, sich etwas von der Seele zu schreiben, einem Workshop der sich mit globalpolitischen Fragen beschäftigt, einer Wanderung, auf der gemeinsam Wildkräuter kennengelernt und gesammelt werden oder einem Programmpunkt, indem man seinen eigenen Lebensweg in bildhafte Skulpturen aus Ton und andere Materialien übersetzt. Um nur einen kleinen Einblick in das breite Angebot der Seminarwoche zu geben. Verena Schneeweiß ist Teil des zehnköpfigen Leitungsteams. „Ich finde es total spannend zu sehen, wie unterschiedliche Leute ganz unterschiedliche Perspektiven auf die Welt haben. Und dann ist es schön, auch mal in einem solchen Rahmen,

der wie eine Auszeit ist vom Alltag, eine Woche zu begleiten, in der junge Menschen sich die Zeit nehmen und ihnen die Zeit gegeben wird sich mit Fragen zu sich und der eigenen Zukunft auseinanderzusetzen“, sagt sie. Auch Javids Fazit spiegelt wieder, dass der Austausch mit anderen über eine ganze Woche hinweg tolle Möglichkeiten bietet: „Toll war, dass man viel über das eigene Leben nachdenkt, und auch viel von anderen Leuten erfährt. Das Seminar ist wie eine kleine Pause in deinem Leben. Du lebst als Geflüchteter hier in Deutschland, aber in dieser Woche denkst du nicht immer darüber nach. Du hast neue Gedanken und Zeit, dich zu fragen was du vom Leben willst.“ Verena lernt in dieser Woche Javids grenzenlose Energie kennen. Sie beschreibt ihn als jungen Menschen, der sich weder von Sprachbarrieren noch von philosophischen Fragestellungen beirren lässt und es in kurzer Zeit geschafft hat, sein eigenes Leben mutig zu reflektieren und anzupacken. Anpacken ist das Stichwort. Denn Javid packt nicht nur seine Zukunft an, sondern in diesem Jahr ein zweites Mal die Seminarwoche. Und diesmal als Teammitglied. Nur ein Jahr später ist er vom Teilnehmer zum Gestalter geworden und freut sich, seine Erfahrungen im Sommer mit den neuen Seminarbesuchern teilen zu können, sie zu motivieren und ihnen Perspektiven aufzuzeigen. Es gibt keine Grenzen. Du kannst immer weiter denken, alte Gedanken wieder überdenken. Da wo du gerade bist, kann du weitermachen und du kannst höher denken.


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Im P��tr�it: Ti� Yilm��


von Sonja Steppan

„Wenn die Jungs zu spät kommen, schicke ich sie halt wieder heim. Sie sollen auch Pünktlichkeit lernen, und Zuverlässigkeit.“

Einen, der sich hauptberuflich mit geochemischen Vorgängen, Grundlagen der Mineralogie und Gesteinslehre auseinandersetzt und sich nach seinem Doktortitel auf tektonische Veränderungen spezialisiert hat, stellt man sich nicht zwangsläufig automatisch im Boxring vor. Noch viel weniger vielleicht als jemanden, der ehrenamtlich Jugendliche mit Fluchthintergrund trainiert und Frauen per se für das stärkere Geschlecht und die größeren Performer hält. Umso einleuchtender werden jedoch exakt diese Zusammenhänge, wenn der Vulkanologe Tim Yilmaz veranschaulicht, dass es beim Boxen eben nicht darum geht, jemandem aggressiv die Fresse zu polieren oder etwa den Gegner, wie beim Judo, mit geringstem Aufwand zu Fall zu bringen, indem er dazu verleitet wird, die eigenen Kräfte gegen sich zu wenden. Der Boxkampf an sich strahle eine Dynamik aus, die vom gegenseitigen Respekt, ausgeprägter Kondition und der eigenen Körperspannung getragen wird, und nicht zuletzt dem Bewusstsein über die physikalische Beschaffenheit des menschlichen Organismus. Da sind Kenntnisse um die Petrologie mitnichten fehl am Platz.

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Seine eigene Box-Karriere trieb Tim Yilmaz erst ab der Volljährigkeit voran, nachdem er seine Position als Handball-Torwart aufgeben musste und die Energie brach im Raum lag. Zunächst trainiert von Kai Melder im MTV, mit dem er bis heute sowohl freundschaftlich als auch professionell verbunden ist, fand er schnell Begeisterung für eine Disziplin, die lange als Unterschichten-Sportart galt – für Kids, die sich Tennis und Golf nicht leisten konnten. Nicht erst Muhammad Ali setzte als Ikone der Emanzipationsbewegung der Afroamerikaner und Vietnam-Wehrdienstverweigerer in der Sportwelt politische Akzente, und so geht mit dem Boxen die Philosophie einher, dass die Fähigkeit, einen Konflikt anständig auszutragen, nicht im Ring bleiben muss. Der erste Impuls, jungen Geflüchteten zwischen 13 und 18 Jahren das Boxen beizubringen, ist für Tim Yilmaz ein ganz simpler: "Der wichtigste Aspekt der Integration

ist eine schnelle Heranführung an einen Alltag, ein völlig normales Leben mit gleichaltrigen Freunden, die gemeinsam lernen, feiern und sich austoben können", sagt er. Sein Vorhaben, eine Gruppe zu trainieren, sprengte rasch alle Rahmen: Statt der erwarteten sechs, sieben Schützlinge kamen auf einen Schlag um die dreißig Jugendliche, die sich teilweise kaum verständigen konnten – trotz allerlei Dolmetscher. So reihte sich an die neu erlernten sportlichen Fähigkeiten automatisch ein inkludierter Deutschunterricht, der den Jungs soweit Körperteile, Bewegungen und Abläufe erklärte, das sie sich nach zehn Wochen am normalen Sportbetrieb in andere Teams eingliedern konnten. "Das Boxen ist ideal für die Integration junger Männer, da das Herumsitzen in Gemeinschaftsunterkünften kompensiert wird, und die aus Krisengebieten und traumatischer Fluchtsituation mitgebrachte Energie ein Ventil findet", sagt Tim. Ihm liege besonders am Herzen, das pädagogische Fördern mit dem sportlichen Fordern zu verbinden und Berührungsängste abzubauen. Anders als in einer Mannschaftssportart wie Fußball baut der Kampf gegen einen einzigen Gegner im Sparring den Respekt auf, den du auch vor dir selbst haben musst. Zur Übungseinheit zählen auch Ausdauer und Koordination, ein ganzheitliches Training eben, und „wenn die Jungs zu spät kommen, schicke ich sie halt wieder heim. Sie sollen auch Pünktlichkeit lernen, und Zuverlässigkeit.“ Der 38-Jährige empfindet es als größten Erfolg, wenn ihm die Jungs auch Monate und Jahre später noch mit verbindlicher Dankbarkeit gegenüber ihm als Trainer und Lehrer begegnen. Ob er nun auf dem vulkanischen Fuji oder Aso in Japan Gesteinsproben nimmt, um tektonische Veränderungen zu untersuchen, oder jungen Menschen die körperliche Auseinandersetzung mit der eigenen Stärke und dem Respekt vor dem Gegner beibringt – Tim Yilmaz scheint ein Meister des schleichenden Prozesses, des sanften Neubeginns und der koordinierten Veränderung zum Besseren zu sein.


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Medien2017 preis

Dr. Georg Schreiber

Die Gesundheitsreform sieht vor, dass künftig alle gesetzlichen Krankenkassen insolvenzfähig sind. Auch für die landesunmittelbaren Krankenkassen, die ser derzeit noch als insolvenz unfähig gelten, soll die Insolvenzfähigkeit hergestellt werden. Gleichzeitiges werden die noch bestehenden Bundesverbänden als solidarische Haftungsverbünde der jeweiligen Kassenart aufgelöst. Die Haftungsgebäude der Landes- und Spitzenverbänden passen nicht mehr in die von der Politik gewünschte neue Struktur mit einem GKV-Dachverband. Die Haftungsaufgaben gehen allerdings nicht auf den Spitzenverband über. Den Krankenkassen droht damit im Falle einer dauerhaften Leistungsunfähigkeit die Eröffnung eines Insolvenzverfahrensvor der Zahlungsunfähigkeit schüt das Gesundheitssystem Krankenkassen droht Krankenkassen, die

zur Förderung des journalistischen Nachwuchses

Wettbewerb für Printmedien, Hörfunk, Fernsehen und Internet! Zugelassen sind Beiträge junger Journalistinnen und Journalisten bis einschließlich 35 Jahre zu den Themen Gesundheit und Soziales, die zwischen dem 1. Januar und dem 31. Dezember 2017 in einer in Bayern erscheinenden Zeitung oder Zeitschrift veröffentlicht oder von einem Rundfunksender mit redaktionellem Sitz bzw. einem Landesstudio in Bayern ausgestrahlt worden sind. Zugelassen sind auch speziell für das Internet produzierte Beiträge mit thematischem Bezug zum Freistaat. Im Printbereich wird zudem ein bundesweiter Sonderpreis ohne Altersbeschränkung vergeben. Der Medienpreis ist mit insgesamt 30.500 Euro dotiert. Informationen und Anmeldung: Internet: www.aok-medienpreis.de e-mail: medienpreis@by.aok.de Telefon: 089 62730-184 AOK Bayern, Zentrale, z. Hd. Frau Andrea Winkler-Mayerhöfer Carl-Wery-Str. 28, 81739 München

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Ausgeschrieben von der AOK Bayern in Zusammenarbeit mit den Nachwuchsjournalisten in Bayern e.V. (NJB) - unterstützt von der Deutschen Journalistenschule München e.V. (DJS).

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16.05.2017 10:04:48


Gesprochene, gesungene oder getanzte "gelebte Utopie" mit Christian Felber, Ecco Meineke, Kathrin Anna Stahl, Till Hofmann, Rainer Maria Schießler, Eva Gottschaller, Dr. Reinhard Ammer, Liesl Weapon, Oansno, MixMuc Chor, Schicksalscombo, Daniel Graziadei und Désirée Opela, Münchner Kneipenchor, Sebastian Horn und Gerd Baumann mit Dreiviertelblut und vielen weiteren! KulturProzession mit Beteiligung etlicher Kultur- und SozialPartner des KulturRaum München e.V. + Open Stage für alle Utopisten und musikalische Zukunftsträume bei der Abschlussveranstaltung.

Seit Anfang des 2016 feiern wir diese neue Partyreihe im Feierwerk. Sie entstand, um den vielen geflüchteten Menschen in unserer Stadt ein Forum zu bieten, bei dem einmal nicht ÜBER SIE gesprochen, sondern MIT IHNEN gefeiert werden kann. Grundprinzip: Spiel Du mir Deine Musik vor und ich Dir meine. Alle Gäste können Ihr Handy an unsere Anlage anstöpseln und einen vorbereiteten Track zum Abend beitragen. Nur die mitgebrachten Handys und das Prinzip Zufall steuern den musikalischen Verlauf dieses Abends. Auf pakistanischen Banghra-Pop folgt so senegalesischer Reggae, auf syrischen Oriental-Rock erklingt deutscher HipHop.... Für unsere Münchner Partygäste ist das eine tolle Gelegenheit, die unterschiedlichen Herkunftsländer und Kulturen in Gestalt ihrer aktuellen popkulturellen Strömungen kennenzulernen. Aber sie sollen auch selbst in diesen internationalen Dialog einstimmen und einen Track aus dem eigenen Handy vorstellen.

29.09.17 Eksotik Meksotik endlich wieder tanzen

Jeden zweiten Freitag im Monat: PLUG–IN–BEATS im Feierwerk

Prozession und Abschlussveranstaltung im Hofbräuhaus: offen und kostenfrei | Tickets für Hauptveranstaltung bei München Ticket | 18 € | Achtung: Plätze im Festsaal begrenzt

Große und kleine Bühnen mit vielfältigem Kulturprogramm: Konzerte, Kinderprogramm, Ausstellungen, Installationen, Biergarten, Theater und Performances, Workshops, Straßenkunst, Quartiersaktionen, Kulinarisches, Party, Picknick, Tanz – alles was von Herzen kommt (und bunt ist)! DrauSSen: Hotspots mit Bühnen und Platz zum Mitmachen u.a. Grünspitz, Alpenplatz, Weinbauernstraße Drinnen: Kneipen, Restaurants, Brauerei und Stehausschank, Ateliers, Geschäfte, Kirchen, Institutionen und vieles mehr... Ois Giasing wird veranstaltet von Real München e.V. gemeinsam mit Obergiesing, u.a. Stadtteilladen Giesing, Green City e.V., Trikont, Wirtshaus Altgiesing, das Edelweiss, Flo**, RiffRaff, Giesinger Bräu, Café Schaumamoi, TeLa Aktiv e.V. Real München e.V. ist ein Verein der die real existierende, vielfältige Struktur der Münchner Gesellschaft auf kultureller Ebene sichtbar machen will. Nicht nur durch vielfältige Inhalte, sondern auch durch die unterschiedlichen Hintergründe der Organisatorinnen und Organisatoren. Vielfalt wird nicht nur auf die ühne gebracht, sondern schon in der Zusammensetzung des Teams ausschlaggebender Faktor. Wir glauben, dass Kuration, Organisation und Planung von kulturellen und künstlerischen Projekten in der heutigen Zeit nur durch eine diverse Besetzung des durchführenden Teams sinnvoll und nachhaltig ist.

X-Cess | Beginn: 22:00 h | Eintritt: 7 € Eksotik Meksotik Resident DJ Süperfly Visuals: Karim Dabbèche Hier spiegelt der musikalische Aromenmix unserere gesellschaftliche Vielfalt wieder! Musical Norientalism - anatolischer Funkfolk, kurdischer Halay, Gazinomüzik, Arabesk, Anatolian & Arabian Psychodelia, Electro- und Hip Hop-Mashups, Schlager aus der Türkei, Griechenland, dem nahen Osten, Israel, Ägypten, Maghreb, Nordafrika, dem Balkan, Deutschland und auch aus Memphis, Tennessee amalgamieren im Sud der Leidenschaft und der Hitze des Südostens. Eksotik Meksotik findet ungefähr einmal im Monat an unterschiedlichen Spielorten statt. Regelmäßig werden passende Liveacts eingeladen, um mit uns dieses gemeinsame Motto zu zelebrieren. Tanzen Tanzen Tanzen!

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Utopien einer Stadt. Die Münchner Kulturprozession. 9 Impulsvorträge an 3 Orten in der Münchner Innenstadt (ab 18 Uhr) Heilig-Geist-Kirche | Alter Rathaussaal Hofbräuhaus München

02.09.17 Ois Giasing Das Giesinger Kultur festival

12.07.17 GäsTESpiEL Benefizreihe des KulturRaum München e.V.

MixMuc empfiehlt...


Herausgeber: Nachwuchsjournalisten in Bayern e.V. & Kulturraum München e.V. Redaktionsleitung: Caroline von Eichhorn & Sonja Steppan (NJB e.V.) Luisa Berauer & Julia Rid (Kulturraum München e.V.) Autoren: Abdu, Ahmad, Anna Luise Bath, Caroline von Eichhorn, Cham Bwoii, Ghettofighter, Jana Schützendübel, Jarckboy, Javid, Jonathan Fischer, Julia Harig, Julia Rid, Katharina Stadler, Khadija Diedhiou, Luisa Berauer, Mam Boy, Marcus, Nadja Tausche, Omari* (Name geändert), Paali, Sarah Gollwitzer, Simone Bauer, Sonja Steppan, Stefanie Witterauf, Toni Pfliegl, Verena Niepel, Zillian Jode Illustrationen & Collagen Karim Dabbèche, Sarah Gollwitzer, Carolin Kunstwadl, Elmi Design, Jana Schützendübel Layout: Moby Digg Fotos: Anna Luise Bath, Julian Baumann, Thomas Degen, Caroline von Eichhorn, Sarah Gollwitzer, Perspektiven bilden Commit München e.V., Julia Rid , Sophie Wanninger, Stefanie Witterauf

Mit freundlicher Unterstützung von:

Besonderer Dank geht an: Florian Kreier, u. a. für die Einladung zum Panama Plus Festival Sophie Wanninger für die wunderbaren Fotos und den flexiblen Einsatz Moby Digg für das großartige Layout Melanie Castillo und Jonathan Fischer für die besondere journalistische Unterstützung Alle Kooperationspartner, den Presseclub München & die Hanns-Seidel-Stiftung Alle KollegInnen von Kulturraum München e.V. und den Nachwuchsjournalisten in Bayern e.V. Alle InterviewpartnerInnen Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung der Redaktion wieder. Die Zeitschrift, alle in ihr enthaltenen Abbildungen und Beiträge, sind urheberrechtlich geschützt. Jeglicher Nachdruck, auch auszugsweise, ist nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages gestattet. Kontakt: Caroline von Eichhorn (NJB e.V.): carolinevoneichhorn@njbonline.de Luisa Berauer (Kulturraum München e.V.): berauer@kulturraummuenchen.de



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