272 Kommentar
|
TH E LAST WOR D
Du hast keine Chance.
NUTZE SIE!
Wöhrl und SinnLeffers – insolvent. Zero, Kiki, Strauss Innovation: Gang zum Amtsgericht. Internationale Filialisten wie Stefanel und Promod – zahlungsunfähig, ebenso regionale Ketten wie Caro und Charly’s Modetreff. Charles V ögele verschwindet vom Markt. Swarovski wickelt seine Cadenzza-Läden ab, Adidas Neo. Lokale Player wie Sauer in Köln, Nuova Moda in Saarbrücken und Quartier 206 in Berlin machen dicht. Brands wie Madonna, Passport, Vanilla, Baronia, Laurèl und St. Emile sind insolvent oder abgewickelt, Lieferanten wie Steilmann, König Leatherwear und Umlauf & Klein am Boden. Filialbereinigungen bei Esprit, Tom Tailor, Gerry Weber und Hugo Boss, Schließungen auch bei Bonprix, Turbulenzen bei Takko, NKD und K&L Ruppert. Umsatzeinbruch bei Scotch & Soda. Bogner – unter Druck. Rote Zahlen bei Wolford. Stellenabbau bei Triumph. Selbst Gewinner der letzten Jahre wie H&M, Tally Weijl und Mango haben zu kämpfen. 2015 war für viele Player im Modemarkt ein annus horribilis. Die vielen Negativ-Nachrichten stehen in krassem Gegensatz zur hervorragenden Konjunktur hierzulande. Der deutsche Einzelhandel hat das vergangene Jahr mit einem schönen Umsatzplus abgeschlossen. Nach zehn Jahren Aufschwung, Rekordbeschäftigung und Niedrigzinsen hat sich der Konsum zu einer wesentlichen Stütze der Konjunktur entwickelt. Die meisten Modeanbieter haben augenscheinlich nicht viel davon. Das Geld fließt in andere Felder wie Elektronik, Einrichtungen oder Freizeit. Der Textilhandel liefert sich dagegen eine ruinöse Preisschlacht. Black Friday everyday. Die Rotstiftaktionen sind der Modemüdigkeit der Menschen geschuldet und speziell in der ver-
gangenen Herbstsaison natürlich dem späten Sommer. Vor allem aber sind sie eine Folge der durch neue Flächen und Online-Anbieter befeuerten Konkurrenz und damit Symptom eines brutalen Verdrängungswettbewerbes. Von den Über kapazitäten profitieren die Resteverwerter. Es ist kein Zufall, dass FOC-Projekte boomen, TK Maxx und demnächst Saks Off 5th rasant expandieren und Shopping Clubs wie BestSecret Rekordpreise beim Verkauf erzielen. Man mag sich gar nicht vorstellen, wie die Verwerfungen in der Branche ausfallen, wenn das Konsumklima sich mal verschlechtert. Das wird ja irgendwann passieren. Es ist für die von Krisen und Pleiten Betroffenen kein Trost, aber man kann die Nachrichten des Jahres auch anders lesen. Da bedient Zara sehr erfolgreich mit punktgenauen Kollektionen die aktuellen Trends und meldet ein hohes flächenbereinigtes Plus. Da rollt Deichmann sein Filialnetz unbeirrt vom leidenden Rest des Marktes aus und besetzt mit Onygo weitere Marktnischen. Da feiert Topshop Deutschland-Premiere und bauen Primark, Decathlon und Calzedonia ihre Präsenz hierzulande zügig aus. Da investieren Aldi und Lidl in Textilien und eröffnet Kik 160 neue Stores. Da steckt C&A eine Milliarde in seinen neuen Store-Auftritt. Da profitieren Adidas, Nike und
Puma von Sport-Großereignissen, Sneaker-Boom und Rihanna. Da investiert Signa Milliarden in den Ausbau seiner drei deutschen Luxus-Warenhäuser. Da berappelt sich Karstadt und startet Kaufhof unter dem neuen Eigentümer durch. Da haben Fachhändler wie Röther oder Fussl Erfolgsformeln gefunden, die sie seit Jahren multiplizieren. Da wachsen Brands wie Olymp, Opus und Marc Cain mit herausragender Qualität und/oder hervorragender Preis-Leistung. Da verzeichnen Anbieter wie Rabe und Digel mit soliden Produkten ordentliche Wachstumsraten. All das passiert jenseits von Amazon und Zalando, die ihre Marktanteile natürlich ebenso weiter ausbauen und mittlerweile viel Geld verdienen. Es ist eine Binse und doch wahr: Der Markt ist groß, und er bietet Anbietern nach wie vor viele Chancen – Großen wie Kleinen, Vertikalen wie Multilabel-Anbietern, Onlinern wie Stationären. Erfolg ist keine Frage des Betriebstyps, sondern des klaren, profilierten Konzepts und der überzeugenden Leistung für die Kunden. Einzelhändler haben mit jeder neuen Saison die Möglichkeit, ihr Konzept anzupassen und weiterzuent wickeln. Messeplätze wie Berlin geben den Takt vor und bieten Orientierung. Es ist davon auszugehen, dass das Mode-Konsumklima kühl bleibt.
Jürgen Müller ist Autor von P R O FA S H I O N A L S , mit mehr als 7 500 Abonnenten der führende deutschsprachige Fashion Business Blog. Müller arbeitete über 20 Jahre für die „T E X T I LW I R TS C H A F T “, zuletzt als Chefredakteur. Heute besetzt er mit seiner Personalberatung S U I T S . Spitzenpositionen im Mode- und Lifestyle-Business.
Kostenmanagement ist daher essen ziell. Der Wettbewerb wird aber nicht im Back Office entschieden. Die Controller sollen ihren Job machen, doch auch ihr Gehalt bezahlen die Kunden. Mehr denn je kommt es deswegen jetzt auf den Verkauf an. Hier sind besonderer Einsatz und mehr Kreativität gefragt, Kreativität, die sich nicht in ruinösen Rabatt-Aktionen erschöpfen sollte. Der bayerische Filmemacher Herbert Achternbusch hat es mit seinem Bonmot auf den Punkt gebracht: „Du hast keine Chance. Nutze sie!