

Die Alte Rheinmühle in Büsingen



Vorwort Vera Schraner, Bürgermeisterin der Gemeinde Büsingen
Die M ühle im 17. und 18. Jahrhundert
Von der Kornmühle zur einfachen Wirtschaft
Das 19. Jahrhundert
Der Adler und die Brauerei
Das 20. Jahrhundert
Vereins- und Dorfleben
Die Brauerei wird zur Alten Rheinmühle
Die Alte Rheinmühle unter Fredy Wagner
Ein kulinarischer Wallfahrtsort
Gastgeber Andreas Fischer
Die Alte Rheinmühle ab 2004
Etablierter Genuss
Heutiger Erfolg
Anmer kungen und Impressum
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350 Jahre ist es her, seitdem die Alte Rheinmühle in Büsingen erbaut wurde. Gerne lege ich Ihnen diese Publikation ans Herz, die Bilder, Daten und Anekdoten sammelt und damit das Haus ehrt, das seit 2003 zum Eigentum unserer Gemeinde gehört. Blättern Sie durch ein Stück der Geschichte unserer Heimat und der Menschen, die an diesem Ort wirkten.
Die Balken des Hauses haben über die Jahrhunderte so manches miterlebt. Wie gern wäre ich zu jener Zeit Mäuschen gewesen, um zu beobachten, wie bei den legendären «Kellerfesten» von Brauerei-Emma und -Emil gefeiert wurde. Wie gern hätte ich hier der Gründung unserer Buurefasnacht durch den FC Büsingen beigewohnt. Wie mag das vor Ort gebraute Bier geschmeckt haben? Oder ein Menu zur Zeit Fredy Wagners, der Feinschmecker aus nah und fern anzog? Ich habe unseren älteren MitbürgerInnen zugehört – es müssen unvergessliche Zeiten gewesen sein!
Traditionen kommen und gehen. Diejenige des Feierns ist geblieben: Feste aller Art, Versammlungen, Tagungen und Hochzeiten – die Alte Rheinmühle war schon immer ein Ort der Menschen unserer Gemeinde. Heute beherbergt sie eines der führenden Gourmetrestaurants der Region. Es finden kulturelle Events, Benefizveranstaltungen, Lesungen und vieles mehr statt. Unser Pächter Markus Hempel und sein Team leben ihre Gastlichkeit im Hier und Jetzt. Meine Anerkennung für diese Broschüre gebührt ihren InitiantInnen, insbesondere Markus Hempel für sein grosses Engagement sowie allen UnterstützerInnen für die Bilder, die historischen Daten und die Geschichten, die in den dicken Balken des Hauses weiterleben.
Ich wünsche Ihnen viel Lesevergnügen. Vera Schraner, Bürgermeisterin
Bild Seite 6: Rosser ziehen die Schiffe stromaufwärts von Schaffhausen über Büsingen Richtung Stein am Rhein
Bilder rechts oben: Wappen der Familie Im Thurn
Das Junkerhaus in Büsingen
Die Mühle im 17. und 18. Jahrhundert
1674 wurde unmittelbar am Rhein in Büsingen eine Kornmühle als Fachwerkhaus erbaut.
Die Gründer dürften Mitglieder der adeligen Schaffhauser Familie Im Thurn gewesen sein, die über 300 Jahre in Büsingen Vogtsherren waren und das Lehen von Österreich innehatten. Die Familie residierte im Junkerhaus (Bild o.r.), das ebenfalls heute noch erhalten ist.
Jahrhundertelang war der Rhein ein immens wichtiger Verkehrsweg für Güter wie Salz, Getreide, Holz, Sandstein und andere Waren.
Das Rheinufer bei Büsingen fungierte für die Bergfahrt der Schiffe als Weg. Mit Segeln bespannte Frachtkähne wurden von Rossen stromaufwärts gezogen, die entlang des Flusses liefen. Dieses Ziehen der Schiffe durch Pferde wurde «Schälterei» genannt. In Büsingen gab es viele «Rosser», die teilweise sechs bis 18 Pferde benötigten, um die schwer beladenen Schiffe stromaufwärts zu schleppen.
Die Rheinmühle war dabei ein grösseres Hindernis. Denn ihr schräg in den Rhein hineinreichender Damm, der das Mühlrad betrieb, zwang die «Rosser» bei Büsingen, ins tiefe Wasser des Rheins auszuweichen.
Viel häufiger mussten sie die Tiere jedoch ab- und oberhalb der Mühle wieder anhängen. In der Zwischenzeit wurden die Schiffe befestigt, was viel Zeitverlust und Umtrieb bedeutete. Ob dies der Grund war, warum die Kornmühle ihren Betrieb aufgegeben hatte, weiss man aufgrund fehlender historischer Quellen heute nicht.
Mit dem Jahr 1711 ist erstmals überliefert, dass das Haus am Rhein eine Konzessionsurkunde für ein Wirtshaus erhielt. Aus einer späteren Urkunde von 1767 geht hervor, dass dem Wirtshaus «Zum Adler» vom k. u. k. österreichischen Oberamt Stockach die Wirtschaftsgerechtigkeit, also die Betriebsbewilligung, verliehen wurde. Die ehemalige Kornmühle war nun zur Wirtschaft geworden.
Das 19. Jahrhundert
1803 taucht erstmals in einem amtlichen Dokument der Name eines Wirtes für den «Adler» auf. Es war Hans Konrad Güntert, der gleichzeitig Küfer und später Vogt in Büsingen war, was mit dem heutigen Bürgermeister vergleichbar ist. Er erhielt 1815 von der Grossherzoglichen Kreisdirektion Konstanz die Bierbrau-Gerechtigkeit. Daraufhin liess er in der ehemaligen Kornmühle eine Bierbrauerei einrichten.
Den «Adler» gab es fortan im Haus an der heutigen Junkerstrasse 92, der dort bis ins Jahr 1998 erhalten blieb.
Die alte Kornmühle am Rhein war zur damaligen Zeit «nur» Brauerei und hatte in den folgenden 20 Jahren keine Funktion als Wirtshaus. Zum Jahr 1834 ist überliefert, dass das Haus kurzzeitig als Schulhaus benutzt wurde, da das Dach der Büsinger Dorfschule einsturzgefährdet war und man einen temporären Unterschlupf benötigte.
Bild links: Die Brauerei zunächst Kornmühle, nun Brauerei
Seite 9: Dampfschiff ab den 1850er-Jahren befuhren Dampfschiffe den Rhein und passierten den «Alten Adler»
Postkutsche Im 18. und 19. Jahrhundert verkehrten in Büsingen sowohl deutsche als auch schweizerische Postkutschen.
Aufgrund seiner Lage als deutsche Exklave in der Schweiz war Büsingen in ein grenzüberschreitendes Postnetz eingebunden, was zu einer besonderen Rolle des Ortes im regionalen Postwesen führte.
Familie Güntert:
Wirte über Generationen
Der Adlerwir t übertrug die Brauerei seinem Sohn Konrad, der damit das gesamte Anwesen übernahm. Er selbst erwarb Anfang der 1820er-Jahre ein weiteres Haus an der Landstrasse nach Schaffhausen und zog 1824 mit seinem Tafernrecht, also der Ausschankgenehmigung, dorthin. Mit der Schanklizenz zog auch der Name an die Landstrasse.
1843, als Konrad Güntert Junior vom Bezirksamt in Radolfzell die Genehmigung erhielt, sein selbst gebrautes Bier sowie Branntwein auszuschenken und dazu kalte Speisen anzubieten, wurde die Brauerei doch wieder zur Wirtschaft. Sie hiess ab diesem Zeitpunkt «Alter Adler».
Bild links: der Adler
Bis heute eine Gaststätte in der Junkerstrasse 92
1858 erhielt er die Genehmigung, die Bierwirtschaft zu einer Schank- und Speisewirtschaft zu erweitern und auch warme Speisen anzubieten. Konrad Güntert starb schon wenig später 1861. Drei Jahre lang führte dessen zweite Ehefrau Verena den «Alten Adler», dann starb auch sie. Also übernahm sein Sohn Johannes Güntert aus erster Ehe 1864 das Anwesen. Das Gebäude wurde damals als zweistöckiges Wohnhaus mit Scheuer, Stallung, Keller, Brunnenhaus und Bierbrauerei beschrieben. Auch er erhielt die Konzession für eine Speisewirtschaft.
Nach Johannes Günterts frühem Tod im Jahr 1869 übernahm seine Witwe Elise die Gastwirtschaft und heiratete 1872 August von Ow, der den «Alten Adler» fortan führte.
Er tat dies bis ins Jahr 1892, als der Bierbrauer Hermann Güntert mit seiner Frau Wilhelmina den väterlichen Betrieb übernahm und grosszügige Umbaumassnahmen veranlasste, die dem Haupthaus die Gestalt verliehen, die es noch heute hat: mit zwei Sälen und den dazugehörigen Wirtschaftsräumen. Das Bier für die Gäste braute er selbst. Hermann Güntert war es wohl auch, der den Namen des Wirtshauses in «Brauerei» änderte.
Bilder oben: Rheinimpressionen
Die «Brauerei» vom Westen her fotografiert
Blick von Osten
Ein Fussweg führte am Ufer entlang
20. Jahrhundert
Anfang des 20. Jahrhunderts, im Jahr 1908, begann eine wechselhafte Zeit für die «Brauerei». Familie Güntert veräusserte das Anwesen an Isaak Neuburger und seine Ehefrau Bona geb. Weil in Gailingen. Im selben Jahr noch erwarb Emil von Ow (Kortlis) den ehemals «Alten Adler» und betrieb die Wirtschaft, die man «d’Brauerei» nannte, mit seiner Frau Emma geb. Walter über fünf Jahrzehnte.
Während dieser Phase war die «Brauerei» ein beliebter Treffpunkt für die Dorfgemeinschaft. Hier wurde 1924 der Fussballclub FC Büsingen aus der Taufe gehoben, der nach dem Zweiten Weltkrieg 1947 gleich nochmals gegründet werden musste – ebenfalls in der Brauerei. Hier fanden viele Vereinssitzungen statt, genauso wie die legendären Fasnachts- und Silvesterbälle oder die Gartenfeste in den
1950er-Jahren, die nicht nur draussen, sondern in der Brauerei ausgerichtet wurden. Auch die Feuerwehr des Ortes nutzte die Brauerei für ihre Sitzungen. Die Kegelbahn in der Brauerei lockte zudem über Jahrzehnte viele Büsingerinnen und Büsinger zum geselligen Zusammensein.
1962 mussten die fleissigen Wirtsleute von Ow die Brauerei jedoch schliessen. Eine erfolgreiche Ära ging zu Ende.
Bild links: Feuerwehr Büsingen um 1925
Bilder oben: noch vorhandene Kegel aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts
Auszug aus dem Gründungsdokument des FC Büsingen
Bild oben links: Othmar Ernst
Oben rechts: Alfred (Fredy) Wagner
Der Flurlinger Industrielle Othmar Ernst kaufte das Gebäude, nachdem die Wirtsleute der Brauerei den Betrieb 1962 aufgegeben hatten. Ihm schwebten jedoch ambitioniertere Ziele mit dem Haus vor, das über die Jahrhunderte schon so viel erlebt hatte. Er sanierte es während zwei Jahren umfangreich und ergänzte es durch einen Anbau. Dabei liess er im Erdgeschoss ein Restaurant einrichten und schuf im ersten Stock einen Festsaal. Zudem baute er diverse Gästezimmer aus. Auch eine Gartenwirtschaft entstand in dieser Zeit.
Jetzt war das Anwesen parat für eine neue gastronomische Aufgabe. Es sollte ein Anziehungspunkt für Gourmets aus nah und fern werden.
Am 11. August 1964 wurde das Haus feierlich unter dem neuen Namen «Alte Rheinmühle» wiedereröffnet. Eine goldene Ära begann. Mit Alfred «Fredy» Wagner gelang Othmar Ernst ein wahrer Glücksgriff. Er heuerte den Meisterkoch als Pächter für das Haus an, der die Alte Rheinmühle als leidenschaftlicher Gastgeber innerhalb kürzester Zeit zu grosser Blüte führte.
Die Alte Rheinmühle unter Fredy Wagner
1964 also begann die neue Zeitrechnung des Hauses als Hotel-Restaurant. Der erst 31-jährige Alfred «Fredy» Wagner war ein Geschäftsführer mit viel Gespür für Kunst und Kultur, was sich im Veranstaltungsprogramm und in der Art ausdrückte, wie er das Haus nach aussen hin darstellte. Als einer der ersten Gourmet-Tempel der damaligen Zeit hallte der Ruf des Hauses bald über die Landesgrenzen hinaus. Berühmte Gäste wie Otto
Seit dem Jahr 1985 und dem Eigentümerwechsel war die Fredy Wagner Gastronomie AG Pächterin der Alten Rheinmühle, Alfred Wagner führte die Geschicke des Hauses als Geschäftsführer weiter.
Bildtafel links: Gastraum um 1970
Bilder oben: Fredys Wagner Küchenriege
Weihnachtsbotschaft von Hand geschrieben
Dix, Max Frisch, Robert Stolz, Hans Erni, Graf Lennhard und Gräfin Sonja Bernadotte, Prof. Dr. Friedrich Schmieder, Carl Roesch, Hans Küng oder Lothar Spät pilgerten nach Büsingen, um in den Genuss der Speisen von Fredy Wagner zu kommen. Dabei gelang es ihm, diesen Ort so zu führen, dass auch die heimischen Gäste sich bei ihm willkommen fühlten.
Im November 1996 endete Fredy Wagners Zeit. Das Haus fand in Hotelier Felix Walter 1997 einen neuen Besitzer, der die Küche von Grund auf sanierte und das Hotel-Restaurant 1998 wieder eröffnete. Doch schon im Februar 2001 erfolgte die erneute Schliessung.
Nach zwei Jahren Leerstand erwarb die Gemeinde Büsingen die gesamte Liegenschaft 2003 und liess eine Totalrenovierung durchführen. Einem Neuanfang stand nichts mehr im Wege.
Gastgeber Andreas Fischer
Bilder oben rechts:
Eröffnung mit Kompetenzteam v. l.:
Philipp Sammer, Andreas Fischer, Elefterios Aggelidakis
Ein Sechsspänner der Feldschlösschen-Brauerei gratuliert zur Wiedereröffnung
Wer hätte besser an die Ära Wagner anknüpfen können als ein Gastronomie-Profi, der bei Fredy Wagner selbst in die Lehre gegangen war? In Andreas Fischer fand die Gemeinde Büsingen den idealen Pächter für die Alte Rheinmühle, der sich freute, in die Fussstapfen seines Lehrmeisters zu treten. Nach der Eröffnung im Mai 2004 gelangte das Hotel-Restaurant mit Gastgeber Andreas Fischer schnell auf die Erfolgsspur zurück. Er führte das Haus zu 14 Gault-Millau-Punkten und zur Aufnahme in die Tafelgesellschaft zum Goldenen Fisch.
Andreas Fischer rückte den Kastaniengarten stärker in den Fokus der Gäste und baute den Ort als Ziel für Heiratswillige aus. Zwischen 40 und 60 Hochzeiten fanden jährlich in der Alten Rheinmühle statt. Die Kombination aus der Trauung in der Büsinger Bergkirche mit einer Schiffstour auf dem Rhein machte den Ort zur beliebten Hochzeitsdestination, die sie heute noch ist.
50 Jahre beste Kulinarik
2014 feierte man das 50. Jubiläum der Alten Rheinmühle als anerkanntes Restaurant in der Region. 19
Etablierter Genuss
Als Andreas Fischer sich 2017 als Pächter von der Alten Rheinmühle verabschiedete, übertrug er seine Nachfolge an Markus Hempel, der schon seit drei Jahren in der Alten Rheinmühle wirkte. Zuerst als Sous Chef, später als Küchenchef.
Unter Markus Hempels Geschäftsführung ist die Alte Rheinmühle heute in einem sehr sicheren Fahrwasser am Rhein angekommen. Weiterhin finden beinahe jedes Wochenende Hochzeiten im Haus statt. Man ist, wie schon zu Zeiten Andreas Fischers, der feinbürgerlichen Küchentradition verpflichtet und schliesst sich sowohl im Mai als auch im Herbst den kulinarischen Festivals im Blauburgunderland an.
Unverändert schön ist es, am Rhein zu sitzen und die Idylle des Ortes zu geniessen. Und das soll auch nach über 350 Jahren noch lange so bleiben.
Bild Seite 20: der aktuelle Rheinmühlen-Wirt Markus Hempel am Gästetisch
Seite 21 oben links: das RheinmühleKüchenteam
Oben rechts: geniessen mit Blick auf den Rhein
Anmerkung
Die Verga ngenheit der Alten Rheinmühle abzubilden, ist ein schwieriges Unterfangen. Es gibt wenige urkundliche Erwähnungen, wenige Zeichnungen, Bilder oder andere künstlerische Überlieferungen, wenige Fotografien. Durch die häufigen Besitzerwechsel ist kaum etwas erhalten geblieben.
Dennoch sind wichtige Eckdaten überliefert. Der Archivar Detlev Girres hat viele davon zusammengetragen. Ihm, Carina Schweizer, Gunnar Lang, Andreas Schiendorfer und Kay Weisse verdanken wir, dass Elemente der Geschichte des Ortes in verschiedenen Publikationen sowie auf der Gedenktafel an der Alten Rheinmühle selbst, festgehalten wurden.
Bertold Neuberger schliesslich sei Dank für die grafische Gestaltung dieser Broschüre, Anja Egy für die Texte.
Herausgeber: Gemeinde Büsingen am Hochrhein, Bürgermeisteramt
Auflage: 1.000 Exemplare
Gestaltung: Bertold Neuberger, Visuelle Kommunikation, Büsingen
Text und Konzept: Anja Egy, Text und Journalismus, Winterthur
Druck: Berchtold Print-Medien GmbH, Singen
Bildnachweis: Seite 2: David Alois Schmid: «Schaffhausen am Rhein», Museum zu Allerheiligen Schaffhausen, Sammlung Bernhard Neher/Schenkung
Stiftung Oscar Neher
Seite 3: Wappen der Familie Im Thurn: Schaffhauser Staatsarchiv Fotografie: Roland Sigwart, Frank Müller, Gemeinde Büsingen
www.alte-rheinmuehle.ch · www.buesingen.de