VISAVIS Themenzeitung - Fisch & Meer

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Ausgabe November 2012

Eine Sonderveröffentlichung der VISAVIS Verlagsgesellschaft mbH im Handelsblatt

fisch & meer

24 Seit en Inn ovatio n Effek tiv speic hern Riisike n mana gen Produ k schüt te zen

AQUAKULTUREN Raus aus der Nische

EINKAUF Frische als Kompetenzbeweis

STATISTIK Die Vorlieben der deutschen Verbraucher

GRENZENLOS

FISCH AUF DEN TISCH Der Trend zu gesunder Ernährung lässt die Nachfrage nach Seafood steigen. Nachhaltigkeit gewinnt an Bedeutung.


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editorial

Impressum Herausgeber und Verlag: VISAVIS Verlags GmbH www.visavis.de Konzept, Realisierung und redaktionelle Bearbeitung: newpublic communication Verwaltungsges. UG (haftungsbeschränkt) & Co. KG Marie-Curie-Str. 11–13 53332 Bornheim Tel: +49 (0) 2227 9202910 Net: www.newpublic.org newpublic-Redaktionsleitung (V. i. S. d. P.): Wolfgang Haselbauer, w.haselbauer@newpublic.org newpublic-Redaktion: Bernhard Haselbauer b.haselbauer@newpublic.org

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Inhalt Fisch im Einzelhandel ........................................................ Seite 3 Ob Discounter, SB-Warenhäuser, Fachgeschäfte oder mobile Verkaufsstationen – der Kunde hat beim Fischeinkauf die freie Wahl und nicht immer entscheidet der Preis; Qualität wird zunehmend honoriert.

Fisch ohne Grenzen .........................................................Seite 10 Das Angebot hat sich ausgeweitet: Nicht nur heimische Gewässer liefern die begehrte Ware Fisch, die Wirtschaft wird global. Länderübergreifend sind aber auch die Probleme, zu deren Lösung alle gefragt sind.

Die Ware Fisch .................................................................... Seite 5 Das Konsumverhalten der deutschen Verbraucher in Sachen Fisch ist messbar: Die Vorlieben und Kaufgewohnheiten wurden jetzt in einer GfK-Studie unter die Lupe genommen und in Hamburg vorgestellt.

Klimawandel ....................................................................Seite 12 Mit den Auswirkungen einer globalen Klimaerwärmung auf die Meeresbewohner haben sich kanadische Forscher beschäftigt. Sie prognostizieren für die Zukunft ein verlangsamtes Wachstum, sprich kleinere Fische.

Gute Aussichten für Aquakulturen .................................. Seite 6 Steigende Nachfrage nach Seafood geht einher mit sinkenden Fischfangerträgen in den Meeren. Die mögliche Versorgungslücke ist eine Chance für Betreiber von Aquakulturen, Nachhaltigkeit vorausgesetzt.

Umweltsiegel ...................................................................Seite 13 Fisch ist gesund – darauf setzen die Verbraucher und erwarten zunehmend, dass Werte wie Nachhaltigkeit oder Umweltschonung bei Fang und Verarbeitung beachtet werden. Umweltlabel geben Garantien.

Andreas Schnittker a.schnittker@newpublic.org Cornelia Hornschild c.hornschild@newpublic.org Layout: newpublic communication Verwaltungsges. UG (haftungsbeschränkt) & Co. KG Autoren: Dr. Matthias Keller, Dr. Gerd-Uwe Meylahn, Alexander Wever, Verbreitete Auflage: 103.000 Exemplare als Beilage im Handelsblatt

www.issuu.com/newpublic

EDITORIAL

Wirtschaftsfaktor Fisch Von der Fastenspeise zum Trendlebensmittel – Fisch und Fischprodukte haben eine rasante Entwicklung durchlaufen und sich vom Image des Nischenprodukts weit entfernt. Die ehemals ortsbezogene Fischerei – quasi für den Eigenbedarf – hat sich zu einer weltumspannenden Industrie gemausert, bedarf einer ausgefeilten Logistik, hochtechnisierter Verarbeitung – und darf trotz allem die Belange der Umwelt nicht vernachlässigen. Denn letztlich ist sie es, welche die Grundlage zu einer weltweiten Erfolgsgeschichte bildet. In dieser Ausgabe der VISAVIS-Themenzeitung widmen wir uns diesen unterschiedlichen Aspekten des großen Themas Fisch. Fisch kennt keine Grenzen – was wie eine Binsenweisheit klingt, ist für die Konsumenten in Deutschland ein großer Vorteil. Denn ihre Wünsche und Bedürfnisse sind mit heimischem Fang nicht zu befriedigen, sie erwarten – und erhalten – ein breit gespanntes Angebot an Fisch, Krebs- und Weichtieren aus aller Herren Länder. Damit Hand in Hand geht ein wachsendes Interesse der Kunden an Meereserzeugnissen, die umwelt- und ressourcenschonend gefangen, gezüchtet oder verarbeitet werden. Der Blick über den eigenen Tellerrand ist eine Herausforderung für die Wirtschaft und gleichzeitig eine große Chance. Damit die Branche eine Zukunft hat, ist es notwendig, die sie belastenden Probleme wie beispielsweise Überfischung, Klimawandel oder Verschmutzung der Meere länderübergreifend zu lösen. Hier ist die Politik gefragt, die sich auch in der Pflicht fühlt und handelt. Dr. Matthias Keller beschreibt die großen Herausforderungen und Chancen der deutschen Fischwirtschaft. Die steigende Nachfrage nach Fisch und Fischprodukten geht einher mit sinkenden Fangerträgen auf den Ozeanen und Weltmeeren. Die dabei entstehende Versor-

gungslücke kann durch vermehrten Aufbau von Aquakulturen gemildert werden – ein noch relativ neuer und innovativer Bereich, der in seinen Anfängen durchaus fehlerbehaftet war und kontrovers diskutiert wurde. Inzwischen jedoch ist Fisch aus solchen Anlagen dank neuester Technik – zum Beispiel dem geschlossenen Wasserkreislauf – und genau abgestimmten und kontrollierten Abläufen ein Top-Produkt, das auch strengsten Zertifizierungsanforderungen genügt. Ein Plädoyer für innovative Aquakultur hält unser Autor Dr. Gerd-Uwe Meylahn. Fisch und Meeresfrüchte sind inzwischen fast überall und jederzeit erhältlich. Der Discounter bietet Seafood ebenso wie der SB-Supermarkt, das Fischfachgeschäft oder der mobile Handel. Doch wie und wann greifen die Deutschen zu? Eine Frage, der Alexander Wever nachgegangen ist. Er hat das Einkaufsverhalten deutscher Käufer analysiert und sich mit der Frage beschäftigt, welche Maßnahmen der Lebensmitteleinzelhandel ergreift, um den Kunden langfristig zu binden. So flexibel auch das Angebot der Fischwirtschaft geworden ist, letztlich entscheidet der Konsument über Erfolg oder Misserfolg des Sortiments. Eine neue Untersuchung der Gesellschaft für Konsumforschung ist den Vorlieben der deutschen Verbraucher auf den Grund gegangen. Welcher Fisch liegt in der Käufergunst vorn, wo wird er verzehrt, wo eingekauft? Zunehmend wichtig ist in diesem Zusammenhang der steigende Wunsch der Deutschen nach naturnaher Erzeugung und Verarbeitung der Ware. Umweltlabel und Zertifizierungssiegel helfen den Konsumenten bei ihrer Kaufentscheidung. So entwickelt sich die Nachhaltigkeit zum ausgewiesenen Wettbewerbsvorteil. Ihre Redaktion


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einzelhandel

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Bildquelle: © Yuri Arcurs - Fotolia.com

Einkaufen ist Vertrauenssache LEBENSMITTEL Wenn Lieschen Müller und Otto Normalverbraucher Fisch einkaufen, dann gehen sie wahrscheinlich in den Supermarkt – sei es zum Discounter um die Ecke oder zum SBWarenhaus. Die Auswahl an Seafoodprodukten, also Fisch und Meeresfrüchten, im deutschen Lebensmitteleinzelhandel (LEH) ist vielfältiger und umfassender denn je.

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ber sind es überhaupt alle Lieschens und Ottos? Nach einer in der Branche gern verwendeten Faustformel kann man die deutsche Bevölkerung in drei etwa gleich große Gruppen einteilen: Da gibt es zum einen die Fisch-Affinen, die gern Fisch essen und ihn sich auch selbst zu Hause zubereiten, dann die Fisch-Gelegenheitsesser, die Fisch meistens nur im Urlaub oder im Restaurant essen, ihn sich aber nie selbst zu Hause zubereiten würden, und die Fisch-Ablehner, denen es beim Gedanken an Fisch auf dem Teller bereits schaudert. Letztlich kommt also vielleicht gerade jeder zweite Konsument überhaupt als Fischeinkäufer in Frage. Zudem zeigt sich, dass Konsumenten normalerweise erst Seafood einkaufen, wenn sie einen eigenen Haushalt führen. Die Anzahl junger Kunden unter 25 ist äußerst gering. Dafür gibt es bei Fisch dann eigentlich keine Altersgrenze mehr nach oben. Die zarte Konsistenz und gute Verdaulichkeit – wegen des geringen Anteils an Bindegewebe – machen Fisch zu einem beliebten Lebensmittel von älteren und alten Menschen. Traditionell wird Fisch eher zum Wochenende hin eingekauft und zubereitet. Hier spielen zum einen tradierte religiös basierte Verhaltensweisen eine Rolle, zum anderen haftet dem Fisch in der Tat der Touch des „Besonderen“ an, was ihn von alternativen Proteinquellen wie Schwein,

Rind und Geflügel unterscheidet. Für die Fischzubereitung nimmt man sich eben Zeit und bewirtet damit auch gern Gäste. Eine Besonderheit der Wa-

AUTOR

Alexander Wever ist Inhaber der kleinen Beratungsfirma AWF Consulting (www.aw-fisch.de), die sich seit 2008 ausschließlich mit betriebswirtschaftlichen Fragestellungen entlang der Seafood-Wertschöpfungskette befasst und darüber hinaus auch Trainingskonzepte für den Handel entwickelt und durchführt. Zuvor war er Warengruppenverantwortlicher für Fisch bei Globus SB-Warenhaus und Metro Cash und Carry Deutschland.

rengruppe Fisch liegt zudem darin begründet, dass Fisch mit einem immer noch sehr bedeutenden Teil des Angebots heute das letzte Lebensmittel ist, dass der Mensch noch jagen muss und welches sich nicht beliebig reproduzieren lässt. Doch wie kaufen die Deutschen ihren Fisch denn nun ein? Nicht weiter verwundert, dass der Tiefkühlfisch inzwischen die stärkste Produktgruppe mit einem Marktanteil von annähernd 40 Prozent ist, wenn man tiefgekühlte Meeresfrüchte hinzuzählt. Dieser kommt in besonderem Maße dem Frische- und Sicherheitsbedürfnis der Kunden entgegen. Was sich zuerst wie ein Widerspruch anhört, lässt sich schnell auflösen: Schließlich wird der gefangene Fisch häufig unmittelbar nach dem Fang und der Verarbeitung schockgefroren, während der Weg eines frischen Fischfilets aus dem Meer oder aus der Farm bis in die Frischfischtheke auch einmal eine Woche dauern kann. Das führt allerdings bei Einhaltung der Kühlkette zu keinerlei Qualitätseinbußen. Hinzu kommen die einfache Lagerung zu Hause, der sichere Transport und die „schnelle Verfügbarkeit“ dieser Produkte in der eigenen Tiefkühltruhe. Eine weitere bedeutende Produktgruppe sind mit 25 Prozent Marktanteil Fischkonserven und Marinaden, die in Deutschland häufig auf dem Rohprodukt Hering basieren. In jüngerer Zeit wird dieser aber teilweise durch Fische aus asiatischer Aqua-

kultur wie Pangasius oder auch Tilapia substituiert. Nimmt man dann noch den Räucherfisch mit ca. neun Prozent Marktanteil und kleinere Warengruppen wie Fischsalate, Garnelen und andere Weichtiere hinzu, so bleiben für die Warengruppe Frischfisch gerade noch knapp zehn Prozent Marktanteil übrig, die es aber aus Sicht des LEH in sich haben. Denn über ein Tiefkühlund Konservensortiment allein lässt es sich schlecht zu den eigenen Wettbewerbern abgrenzen. Frischfisch ist sicherlich die Königsklasse aller frischen Warengruppen und wird von vielen renommierten Handelsunternehmen wie etwa Edeka oder Globus als ultimativer Nachweis der Frischekompetenz genutzt. Dabei muss einmal ziemlich klar gesagt werden, dass man als Einzelhändler mit Frischfisch normalerweise kein Geld verdienen kann. Personalkosten, Energie und Investitionen in Technik und Raum zehren die Kalkulationsaufschläge schnell auf. Warum hat sich dann trotzdem die Zahl der Frischfischtheken in den vergangenen zehn Jahren um geschätzte 50 Prozent erhöht, nachdem in den neunziger Jahren viele Bedienungstheken geschlossen wurden? Der Grund für die Renaissance der Frischfischabteilungen ist einfach und nachvollziehbar: der unaufhaltsame Vormarsch der Discounter und deren ständige Sortimentserweiterungen. Waren in den achtziger und frü-


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GESUNDE GENIESSER Ein- bis zweimal pro Woche sollte Fisch auf dem Speiseplan stehen. Warum eigentlich? ...wegen seiner Omega-3-Fettsäuren: Diese senken die Triglyceride im Blut und das Thromboserisiko. Außerdem beugen sie Demenz und Herzkrankheiten vor, stärken das Immunsystem – und sind sogar gut für den IQ!

...wegen seines hohen Vitamingehalts: Viele Fische, Krustenund Schalentiere enthalten große Mengen der Vitamine A, D und B.

...wegen seiner Mineralstoffe und Aminosäuren: Vor allem Seefisch enthält reichlich Jod, das essenziell für eine funktionierende Schilddrüse ist. Zusammen mit dem Eiweißbaustein Tyrosin reguliert es den Stoffwechsel und steigert die Leistungsfähigkeit. ...und nicht zuletzt: wegen seines guten Geschmacks!

FISCHHANDEL Supermarkt / Verbrauchermarkt

hen neunziger Jahren die Aldis und Lidls im Umkreis von zehn Kilometern um einen Standort noch an zwei Händen abzählbar und deren Warenangebot schwerpunktmäßig auf Grundbedarfsartikel begrenzt, so hat sich diese Situation heute völlig verändert. Die Discounter haben es geschafft, die Rolle des klassischen Nachbarschaftsladens zu übernehmen, unabhängig davon, ob sich in den Sortimenten immer mehr Markenartikel fanden (Lidl u.a.) oder der Discounter selbst zur Marke wurde (Aldi). Zugute kam ihnen die teilweise rigide Genehmigungspraxis vieler Gemeinden für größere Verkaufsflächen. Auch in Bezug auf ihre Sortimente sind die Discounter auf der Überholspur. Tiefkühlkost, Molkereiprodukte und Feinkost, Obst und Gemüse, Geflügel und Frischfleisch heißen die Stationen, die von Aldi & Co. erfolgreich in die Selbstbedienungsschiene integriert wurden. Heute beherrscht der Discount quasi die gesamte Bandbreite der Frische – mit einer Ausnahme: Das „kleine gallische Dorf“ im Lebensmittel-Imperium heißt Frischfisch und hat sich bisher immer wieder erfolgreich allen Versuchen entzogen, in die SB-Fähigkeit überführt zu werden. Ein wesentlicher Grund liegt in der unsicheren und sich schnell verändernden Versorgungssituation für Frischfisch aus Wildfängen, die zu schnell wechselnden Einkaufspreisen führt. Das macht die auf knappen Spannen basierende Kalkulation des Discounts nahezu unmöglich. Eine Alternative könnte theoretisch gezüchteter Fisch aus heimischer bzw. europäischer Aquakultur bieten, der, frisch geschlachtet und verarbeitet, in einer Verpackung unter Schutzatmosphäre angeboten werden könnte. Dem steht derzeit noch entgegen, dass der Mengenbedarf selbst eines einzelnen Discounters die in der näheren Umgebung verfügbaren Produktionskapazitäten – mit Ausnahme des Lachses – schnell sprengen würde. Einen Ausweg wird vielleicht in Zukunft die „Indoor-Kreislaufanlagen-Aquakultur“ bieten, die eine quasi-industrielle Produktion mit einem qualitativ sehr konstanten Output ermöglicht. In anderen Bereichen wie etwa der Geflügelwirtschaft wird solche Produktion schon in Form von integrierten Produktionskonzepten erfolgreich betrieben. Bis dahin ist aber noch ein gehöriges Stück Weg zu gehen. Und so wird auch weiter erst einmal gelten: „Wer die besten Fischtheken hat, der hat auch die dicksten Au-

Fisch gesamt

Fischfachgeschäft

Discount 36

Frischfisch

40

Räucherfisch

35

Fischkonserven

35

Fischmarinaden

37

Tiefkühlfisch

36

sonstiger Fisch

38

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sonstige Einkaufsstätten

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9 Angaben in Prozent, 2011

Quelle: GfK Panel Services, Fisch-Informationszentrum e.V.w, 2011

Fisch wird heute breitbandig angeboten – der Verbraucher profitiert.

tos auf dem Parkplatz.“ Eine gute Frischfischabteilung schafft und bindet Stammkundschaft, und die ist im eher volatilen LEH heute mehr wert als je zuvor. Frischfischkauf ist Vertrauenssache; da wechselt man nicht so schnell die Bezugsquelle, nur weil es woanders mal ein bisschen billiger ist. Das beweisen übrigens auch die Marktanteile des eher hochpreisigen mobilen und stationären Fischfachhandels mit seinen geschätzten knapp 3000 Einheiten in Deutschland. Sie verlieren zwar stetig gegenüber dem LEH, liegen aber immer noch fast auf dem gleichen Niveau. Dies gibt es in keiner anderen Warengruppe. Den wesentlichen Unterschied zwischen guten und weniger guten Frischfischabteilungen macht übrigens der Faktor Personal, sowohl in Bezug auf Quantität als auch vor allen Dingen in Bezug auf Qualität. Gute „Frischfischleute“ sind selten. Die Anforderungen bezüglich Warenkunde, des Gefühls für eine sichere Disposition und Kochkenntnissen in Kombination mit nicht zu unterschätzenden körperlichen Belastungen sind hoch. Und den Lehrberuf des Fischfachverkäufers gibt es im Gegensatz zum Fleischerei- und Bäckereifachverkäufer schon lange nicht mehr. Hier müssen die innerbetriebliche Weitergabe von Kenntnissen durch Kollegen, der Besuch von externen Seminaren und viel Eigeninitiative zusammenkommen. Als Erfolgsfaktor hinzu kommt das Einkaufserlebnis in einer gut geführten Fischabteilung, die in Sachen Sortiment immer wieder Überraschungen bieten sollte. Im Frischebereich kann der Handel heute aus einem Sortiment von deutlich über 100 verschiedenen Fischen und Meeresfrüchten aus aller Welt wählen, die regelmäßig verfügbar sind. Die Renner in der Kundengunst sind zum einen die Klassiker wie Seelachs, Kabeljau, Rotbarsch

und Lachs, zum anderen aber auch Produkte, die vor 15 Jahren häufig noch unbekannt waren, wie etwa Pangasius, Thunfischfilet oder frisches Jakobsmuschelfleisch. Grundsätzlich schätzen die meisten Kunden heute einen hohen Conveniencegrad bei ihren Produkten: Ganze Fische mit Kopf, Schuppen und Gräten sind schon lange gegenüber Filets auf dem Rückzug. Bisher nur wenig durchgesetzt haben sich fertig marinierte Produkte, Spieße und andere Frischeconvenience-Produkte, wie man sie etwa von der Fleischtheke kennt. Ein wichtiges Thema beim Zusammenstellen des Sortiments im LEH spielt heutzutage natürlich die „Nachhaltigkeit“, sei es in Bezug auf Fischereimethoden und Zustand der Bestände bei Wildfängen oder aber auch in Bezug auf Umwelteinflüsse bei der Aquakultur. Die Deutungshoheit über den Begriff und die Einschätzung einzelner Arten und Bestände sind heute zwischen Seafood-Industrie und NGOs heiß umkämpft. Der LEH – zwischen diesen beiden Polen – hat in den vergangenen Jahren teilweise reagiert und bestimmte, besonders in die Kritik geratene Spezies wie etwa den Aal und die meisten Haifischprodukte aus seinen Sortimenten genommen. Solche Anstrengungen des Handels, wie etwa die Formulierung einer nachhaltigen Einkaufspolitik, der verstärkte Einkauf von MSC-zertifiziertem Fisch (Wildbestände) oder Biofisch und zukünftig ASC-zertifiziertem Fisch (beides für Aquakultur) werden von den Handelskonzernen dann auch offensiv in ihrer Außendarstellung genutzt. So kann man abschließend sagen, dass die Sortimente im LEH noch nie so nachhaltig wie heute waren, ohne dass es einen Anlass geben sollte, sich auf den Lorbeeren auszuruhen.


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konsum

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FAVORITEN DER VERBRAUCHER

Die Ware Fisch NACHGEFRAGT Welcher Fisch ist am beliebtesten, wo kaufen die Deutschen ihn ein, wie lauten die Prognosen? Das Hamburger Fisch-Informationszentrum e.V. hat neue Zahlen.

Im weltweiten Vergleich führt Fisch auf deutschen Tellern immer noch ein Schattendasein: Während der Verbrauch international bei 18,5 kg pro Kopf liegt, verzehrte der Deutsche 2011 im Schnitt nur 15,6 kg. Dennoch – oder gerade deswegen – Anlass genug, sich einmal genauer mit dem Fischkonsum in Deutschland zu befassen: Auf einer Pressekonferenz gab das Fisch-Informationszentrum e.V. (FIZ) am 5. September 2012 in Hamburg einen Überblick. Die Rangliste der bedeutenden See- und Süßwasserfische auf dem deutschen Markt im Jahr 2011 wurde demnach wieder von Alaska-Seelachs angeführt. Er stand mit 23,3 Prozent weiterhin an der Spitze der fünf am häufigsten konsumierten Fischarten. Auf dem zweiten und dritten Platz folgten der Hering mit einem Marktanteil von 18,5 Prozent und der Lachs mit 12,5 Prozent. Thunfisch belegte mit 11,2 Prozent den vierten Platz und Pangasius blieb mit 4,8 Prozent vor der Forelle auf Platz fünf. Laut Daten der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) wurde die größte Menge an Fisch und Meeresfrüchten in den bevölkerungsreichsten Bundesländern eingekauft: NordrheinWestfalen steht somit an erster Stelle, gefolgt von Bayern, Niedersachsen und Baden-Württemberg. Spitzenreiter im Fischeinkauf dagegen ist mit 5,7 kg die Hansestadt Hamburg, gefolgt von Schleswig-Holstein und Sachsen. Im Einzelhandel stellte die Fischbranche für 2011 im Vergleich zum Vorjahr keine großen Veränderungen fest: Die Discounter setzen nach wie vor die größte Menge an Fisch und Meeresfrüchten um, allerdings sank ihr Anteil 2011 von 53 auf 51 Prozent. Entsprechend sank auch ihr Anteil am Gesamtwert der eingekauften Menge von 43 auf 42 Prozent. Super- und Verbrauchermärkte mit Frischfischtheken gewannen dafür an Bedeutung und steigerten ihren Umsatzanteil um einen Prozentpunkt auf 36 Prozent. Ihr Anteil am Wert der Einkäufe verzeichnete dementsprechend einen leichten Anstieg von 36,7 auf 37,3 Prozent. Mit unverändert fünf Prozent fallen die Fischfachgeschäfte beim Umsatz nach wie vor kaum ins Gewicht. Dafür erhöhten sie ihren Anteil am Wert der Einkäufe von 7,6 auf 8,6 Prozent. Der Fachhandel domi-

niert weiterhin gemeinsam mit dem mobilen Fischhandel und den Supermärkten den Frischfisch-Sektor. Die Discounter hingegen stehen an erster Stelle, wenn es um den Einkauf haltbar gemachter Fischerzeugnisse wie TK-Fisch, Fischdauerkonserven und Räucherfisch geht. Hinsichtlich der GfK-Angaben zum Außer-Haus-Verzehr merkte Thomas Lauenroth, Vorsitzender des FIZ, an: „Die vorliegenden Daten zum Gesamtverbrauch und zu den Haushaltseinkäufen lassen eine direkte Aussage zum Außer-Haus-Verzehr von Fisch nicht zu, da diese in unterschiedlichen Bezugsgrößen, nämlich Fanggewicht und Produktgewicht, angegeben werden. Wir haben daher eine Abschätzung vorgenommen und berechnet, dass im Jahr 2011 ca. 2,9 kg an Fisch und Meeresfrüchten, gerechnet in ‚Produktgewicht’, außer Haus verzehrt

wurden. Das entspricht einem Anteil von ca. 38 Prozent. Ca. 62 Prozent des Fischverzehrs erfolgte somit zu Hause.“ Die Perspektive ist optimistisch: Zwar blieben die Einkäufe privater Haushalte im ersten Halbjahr fünf Prozent unter dem Vorjahresniveau; aufgrund der guten Versorgungslage mit Fisch und Meeresfrüchten geht Lauenroth aber davon aus, „dass im zweiten Halbjahr 2012 die Nachfrage wieder ansteigt und an das Vorjahresergebnis anschließen kann.“ Der Verband rechnet außerdem damit, „dass aufgrund der positiven Grundeinstellung der Verbraucher zu Fisch und Meeresfrüchten in den nächsten Jahren ein Pro-Kopf-Verbrauch von 16 kg erreicht wird“. Wer dagegen hoch hinaus möchte, orientiere sich einfach am Süden: In Portugal liegt der jährliche Fischverzehr im Schnitt bei 61 kg pro Person.

APPETITLICH Anteil der Fischarten beim Fischverzehr Angaben in Prozent Alaska-Seelachs 23,3

Fischeinkauf in den Bundesländern Einkauf im Einzelhandel in kg pro Person Hamburg

5,7

18,5 Lachs 12,5

Brandenburg

5,2

Berlin

5,1

Niedersachsen

4,9 Pangasius 4,8

Nordrhein-Westfalen

4,8

Mecklenburg-Vorpommern

4,8

Thüringen

4,7

Deutschland

4,6

22,7 Süßwasserfisch

Rheinland-Pfalz

4,5 12,4 Krebs- und Weichtiere

Als Sushi oder in der Dose – Thunfisch ist begehrt und bedroht. Eine Alternative: Boniten

Bremen

4,8

Seefisch 64,9

Lachs ist besonders reich an Omega-3-Fettsäuren. Er wird roh, gekocht, gebraten oder geräuchert verzehrt.

Sachsen

5,3

Thunfisch, Boniten 11,2

Eine der häufigsten Fischarten ist der Hering, der seit jeher auf dem menschlichen Speisezettel steht.

Schleswig-Holstein

5,6

Hering

Der Alaska-Seelachs ist absoluter Favorit und kommt meist als Fischstäbchen oder Schlemmerfilet auf den Tisch.

Saarland

4,4

Bayern

4,4

Sachsen-Anhalt

4,4 4,0 3,8

Hessen Baden-Württemberg

Quelle: Fisch-Informationszentrum e.V., 2011

Genau hingeschaut haben die Konsumforscher in ihrem Ranking in Sachen Fisch. Vorlieben und Kaufgewohnheiten wurden umfassend durchleuchtet.

Der Süßwasserfisch Pangasius hat zartes, mild schmeckendes Fleisch und stammt häufig aus Aquakulturen.


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DAS SIEGEL

Bildquelle: © Malena und Philipp K - Fotolia.com

Der ASC (Aquaculture Stewardship Council) wurde vom World Wide Fund for Nature (WWF) und der holländischen Initiative für nachhaltigen Handel (Sustainable Trade Initiative – IDH) als unabhängige internationale Initiative gegründet.

Während der MSC (Marine Stewardship Council) verantwortungsvolle Fischerei zertifiziert, handelt es sich beim ASC gewissermaßen um das „Schwestersiegel“ für verantwortungsvolle Aquakultur.

Angebotsvielfalt sichern UMWELTVERTRÄGLICH Moderne Aquakulturbetriebe legen höchsten Wert auf Qualitätssicherung – nur so können sie im Wettbewerb bestehen. Neue Entwicklungen helfen. Es beinhaltet fünf Kernpunkte:

Umweltverträgliche Aquakultur

• • •

Artgerechte Tierhaltung

Einhaltung sozialer Standards.

Vollständige Rückverfolgbarkeit Qualitätssicherheit auf jeder Verarbeitungsstufe und die

Die ersten Fischprodukte mit ASCLabel sind bereits in Deutschland im Handel. In den kommenden Monaten sollen diverse Marketingaktionen den Bekanntheitsgrad des Siegels bei den Verbrauchern steigern.

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tabile bis steigende Nachfrage signalisiert: Fisch und Fischprodukte sind eine gern gewählte Ernährungsalternative. Das Konsumentenverhalten spiegelt sich auch in der Preisentwicklung wider: Laut einer Untersuchung des Fisch-Informationszentrums e.V. verteuerten sich Fisch und Fischprodukte im Jahre 2011 um 3,9 Prozent, die Preise für Frischfisch stiegen innerhalb dieses Zeitraums sogar um 9,3 Prozent. Eine Herausforderung für die Fischwirtschaft. Aus dieser Situation heraus deckt die Aquakultur mit steigendem Anteil den Bedarf an Fisch- und Fischerzeugnissen. Und: Diese Produkte werden in Teilen schon heute nach weltweit gültigen Standards zertifiziert – für Top-Angebote ein absolutes Muss. Heiko Lenk, Geschäftsführer der Distributionsfirma Lenk Seafood Services, bezeichnet die Zertifizierung durch ASC oder Global G.A.P. als eine zwingende Voraussetzung für den Vertrieb von Ware unter seinem Premiumlabel „TopSea“. Produzenten müssen sich dabei konsequent an nachhaltigen Produktionsprozessen ausrichten. Damit Verbraucher Produkte aus Aquakultur als qualitativ hochwertiges Angebot annehmen, ist es notwendig, die Produktionsbedingungen zu optimieren und sie auch verstärkt unter Umwelt- und Nachhal-

tigkeitsaspekten zu betrachten. Bei diesem noch relativ jungen Produktionszweig besteht hier noch Innovationsbedarf aber auch -potential. Ein Ansatzpunkt und auch Anreiz für Unternehmen aus der Landwirtschaft besteht hierbei aus Förderprogrammen für Aquakultur. Diese bietet beispielsweise die Landwirtschaftliche Rentenbank an. Sie unterstützt die gesamte Wertschöpfungskette von der Fischzucht bis hin zur Verarbeitung durch zinsgünstige Darlehen. Allgemein gesprochen erzeugt die Aquakultur aquatische, das heißt im Wasser lebende, Organismen unter kontrollierten Bedingungen. Charakteristisch ist, genau wie in der Tierzucht, die Zuordnung der aquatischen Organismen zu konkreten Besitzern. Die realen Produktionsbedingungen in der Aquakultur sind allerdings sehr differenziert: Neben der „klassischen“ Produktion in Erdteichen oder Betonbecken werden aquatische Organismen auch in Netzkäfiganlagen produziert, und zwar in Binnenseen aber auch Meeresbuchten. Gemeinsames Merkmal ist, dass die Fische in abgegrenzten Wasservolumen (Teichen, Netzkäfigen) leben und gefüttert werden. Dieses Wasser ist dabei natürlichen Einflüssen ausgesetzt, wie etwa Temperaturverlauf, Sauerstoffgehalt, Wasserverschmutzung usw., welche das Wachstum und die Überle-

bensrate der Fische wesentlich beeinflussen. Im Gegenzug beeinflusst der Fischproduktionsprozess selbst auch das genutzte Wasser, indem dieses mit den Stoffwechselendprodukten und Futterresten belastet wird. In der Vergangenheit gelang es den Fischproduzenten nicht immer, ein nachhaltiges Verhältnis der Produktionsmenge zu den Produktionsvoraussetzungen zu finden, so dass teilweise schwerwiegende Umweltschäden die Folge waren. Seit einigen Jahren werden daher zunehmend geschlossene Wasserkreisläufe (gWK) für die Fischproduktion genutzt, manchmal sogar in Verbindung mit Pflanzenproduktion (Hydroponik). Charakteristische Merkmale Das Funktionsprinzip der gWK ist die Kreislaufführung des Wassers, welches die Nutzung für die Fischproduktion, aber auch die Wasserreinigung mit einschließt. Wir sprechen von einem solchen System, wenn ca. 15 Prozent des Wasservolumens der Anlage innerhalb von 24 Stunden ausgetauscht werden. Diese Rate kann geringer sein, wenn z.B. Denitrifikationsfilter vorhanden sind. Genutzt werden gWK sowohl im Süß- als auch im Salzwasser. Der technische Aufwand, der Stromverbrauch und das erforderliche Qualifikationsniveau


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TOP TEN sind größer als in herkömmlichen Varianten der Aquakultur. Das hat in der Vergangenheit häufig dazu geführt, dass diese Anlagen nicht erfolgreich, d.h. profitabel, betrieben wurden. Mittlerweile sind aber technisch bzw. ökonomisch bewährte und nachhaltige Lösungen verfügbar. Ein allgemeiner Kritikpunkt an der Aquakultur ist die Verwendung von Mischfuttermitteln mit einem hohen Anteil an Fischmehl. Im Prinzip werden also minderwertige Fische in Form von Fischmehl eingesetzt – um höherwertige Fische zu füttern, bei einem Wirkungsgrad von ca. 5:1 Anlass genug für vielfältige Anstrengungen in Forschung und Futtermittelindustrie, gleichwertige, besser verfügbare Substitutionen zu entwickeln und einzusetzen. Die Technologie des gWK In gWK wird der Wasserverbrauch für die Fischproduktion im Vergleich zur herkömmlichen Aquakultur um den Faktor 100 verringert. Damit ist

1. Silberkarpfen (Hypophthalmichthys molitrix) – Der meistproduzierte Fisch der Welt 2. Grasfisch (Ctenopharyngodon idella) – China erbringt 98,5 Prozent der Weltproduktion 3. Gemeiner Karpfen (Cyprinus carpio) – Aquakulturproduktion in mehr als 100 Ländern 4. Catla (Catla catla) – Besatzfischversorgung hat sich gravierend verbessert 5. Marmorkarpfen (Hypophthalmichthys nobilis) – Naturnahrung spielt auch in Aquakultur eine wichtige Rolle 6. Niltilapia (Oreochromis niloticus) – Aquakulturproduktion hat sich in zehn Jahren verdreifacht 7. Karausche (Carassius carassius) – 99,9 Prozent der Aquakulturproduktion kommen aus China 8. Atlantischer Lachs (Salmo salar) – Kommerzielle Lachszucht begann erst vor vierzig Jahren 9. Pangasius (Pangasius spp.) – Über 91 Prozent der Weltproduktion kommen aus Vietnam 10. Rohu (Labeo rohita) – Zuchtprogramme sollen Wachstum des Fisches verbessern

Quelle: Jahrbuch Aquakultur 2010 / 2011, Dr. Manfred Klinkhardt

Fischarten Aquakultur

Fisch liegt zunehmend im Trend – bei sinkenden Fangerträgen. Die ansteigende Nachfrage macht die Zucht in Aquakulturen weltweit rentabel. es möglich, praktisch an beliebigen – aber geeigneten – Standorten eine Fischfarm zu bauen und dort die unterschiedlichsten Fischarten zu produzieren. Für die Wasserversorgung des gWK reichen ein Brunnen, ein öffentliches Trinkwassernetz oder ein Oberflächengewässer mit geeigneter Wasserqualität aus. Dieses Wasser kann für die jeweils zu produzieren-

de Fischart temperiert werden. Damit ist die Vegetationsperiode bzw. das Wachstum der Fische nicht mehr vom Klima und der Wasserqualität abhängig, sondern jeden Tag des Jahres gegeben. Das verkürzt die Produktionszeit, in der die Fische ihr Verkaufsgewicht erreichen, ganz enorm – insbesondere bei wärmeliebenden Fischarten, die mehr als 22 Grad Was-

sertemperatur benötigen. In geschlossenen Wasserkreisläufen können die Fische optimal mit Wärme, Futter und Sauerstoff versorgt werden, die Reinigungsanlage sorgt für eine gleichbleibend höchste Wasserqualität in den Fischbecken – Voraussetzung für eine sehr hohe Zuwachsleistung bzw. Jahresproduktion je Flächeneinheit der Fischfarm. Diese Jahres-Zuwachsleistung fällt im Vergleich zu herkömmlichen, vom Klima abhängigen Verfahren zehn Mal so hoch aus. Ein weiterer wesentlicher Vorteil von gWK ist die Möglichkeit, umweltrelevante Emissionen stark zu reduzieren. Auf Grund des vergleichsweise geringen Wasserverbrauches fällt auch entsprechend wenig Ablaufwasser an, welches zudem umfassend gereinigt und desinfiziert werden kann. Insbesondere feste Schmutzstoffe und Phosphor können dabei weitgehend eliminiert werden. Damit steigen die Chancen, an unterschiedlichsten Standorten die vorgegebenen Grenzwerte einzuhalten und somit eine Wasserableitgenehmigung

I N N OVATI O N S H I L F E

POTENZIAL VON NISCHENPRODUKTEN ERKENNEN Die Belange der Agrarwirtschaft und ihre Unterstützung sind sein Metier. Dr. Horst Reinhardt ist Mitglied des Vorstandes der Landwirtschaftlichen Rentenbank und als solcher unter anderem zuständig für den Bereich Fördergeschäft. Im Gespräch erläutert er, wie hilfreich diese speziellen Programme für neue Geschäftbereiche wie beispielsweise Aquakultur sein können. Die Landwirtschaftliche Rentenbank bietet auch Förderprogramme für Unternehmen der Fischwirtschaft und Aquakultur an. Warum engagieren Sie sich dafür? Die Rentenbank ist die Förderbank für die Agrarwirtschaft in Deutschland. Hierzu gehören die Unternehmen der Fischwirtschaft und Aquakultur. Letztere ist zusätzlich noch ein vergleichsweise neuer und innovativer Bereich. Hieraus ergeben sich zahlreiche Ansatzpunkte für Förderangebote. Wie bei unseren anderen Förderprogrammen auch, unterstützen wir dabei die gesamte Wertschöpfungskette von der Fischzucht bis zur Verarbeitung.

Die Landwirtschaftliche Rentenbank mit Sitz in Frankfurt/Main unterstützt unbürokratisch und schnell u.a. Unternehmen der Aquakultur, der Fischerei und der Vermarktung von Fischereierzeugnissen in Deutschland. Aktuell bietet sie dazu drei unterschiedliche Förderprogramme: Wachstum, Nachhaltigkeit und Betriebsmittel. Das Programm Wachstum soll Investitionen erleichtern, die die Einrichtung einer Aquakulturanlage oder Teichwirtschaft zum Ziel haben – z.B. Errichtung von Gebäuden oder Erwerb von Grundstücken. Im Bereich Nachhaltigkeit werden Maßnahmen unterstützt, die dem Umwelt- und Verbraucherschutz dienen. Hier seien beispielsweise Verbesserung der Wasserqualität, Senkung des Verbrauchs oder energetische Sanierung genannt. Im Förderprogramm Betriebsmittel schließlich kann Hilfe bei der Finanzierung von notwendigen Produkten wie Futter geleistet werden.

Welche Angebote machen Sie den Unternehmen denn? Wir fördern die Unternehmen mittels zinsgünstiger Darlehen. Diese vergeben wir aber nicht direkt an die Betriebe, sondern wählen den Weg über deren Hausbanken. Besonders günstige Zinssätze bieten wir beispielsweise für Vorhaben der ökologischen Aquakultur, der Direktvermarktung, zur Verbesserung des Wasserverbrauchs oder für energetische Sanierungen an. Wie sind Ihre bisherigen Erfahrungen mit der Aquakultur? Die Aquakultur in Deutschland ist immer noch eine Nische – allerdings eine sehr innovative mit einem hohen Potenzial. Dies gilt insbesondere für die Kombination von Fischzucht und Erzeugung von Bioenergie. Denn gerade bei der Biogasproduktion fällt Wärme an, die gut von Aquakulturbetrieben genutzt werden kann. Fischzucht ist aber alles andere als einfach, nicht zuletzt aufgrund des hohen Innovationsgrades. Daher ist die Umsetzung der geplanten Projekte für die Investoren nicht immer ganz leicht. Auch bei den begleitenden Banken ist

ein hohes Maß an Fachwissen und Erfahrung notwendig, das jedoch teilweise erst noch aufgebaut werden muss. Weitere Informationen unter: www.rentenbank.de

Förderung: „Mit zinsgünstigen Darlehen unterstützt die Landwirtschaftliche Rentenbank neue und innovative Bereiche“, so Dr. Horst Reinhardt.


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Im August 2012 wurde erstmals ein Produkt mit dem unabhängigen ASC-Siegel für verantwortungsvolle Aquakultur ausgezeichnet: Der zertifizierte Tilapia stammt aus Indonesien, wo das US-amerikanische Unternehmen Regal Springs eine der größten Fischfarmen weltweit betreibt. Die dort eingesetzten schwimmenden Käfige wirken sich nachweislich

zu bekommen. Die festen Schmutzstoffe – also Kot- und Futterreste – werden separat zwischengespeichert. Sie können dann als Dünger auf landwirtschaftlichen Flächen ausgebracht, als Energielieferant in Biogasanlagen zugesetzt oder für die Produktion von Kompost verwendet werden. Aus Gründen der Wärmeisolierung und der allgemeinen Abkopplung von Umwelteinflüssen jeder Art werden gWK in Gebäude integriert. Damit können weitere kosten- und umweltrelevante Faktoren kontrolliert werden: Der Elektroenergieverbrauch eines solchen Betriebes er-

Der geschlossene Wasserkreislauf funktioniert nur in Gebäuden.

gibt sich überwiegend aus dem Betrieb von Pumpen und Kompressoren, die kontinuierlich arbeiten. Der thermische Energiebedarf für das Austauschwasser ist ebenfalls weitgehend konstant. Die Temperierung der Gebäude folgt dem Klimaverlauf. All dies macht es möglich, Sekundärwärmequellen ganzjährig zu nutzen bzw. Blockheizkraftwerke geeigneter Kapazität einzusetzen, welche sowohl elektro- als auch thermische Energie liefern und zum Beispiel mit Erd- oder Biogas betrieben werden. Die zu- und abfließenden Wasser- und Luftströme im Gebäude der Fischfarm sind

Z U KU N F T S C H A N C E N

GEPRÜFTE QUALITÄT ÜBERZEUGT kaum auf ihre Umwelt aus. Damit hebt sich die Farm positiv von anderen Regionen in Asien ab, wo Aquakulturen zur Abholzung wertvoller Mangrovenwälder und damit zur Gefährdung des Ökosystems geführt haben.

Mit der kontinuierlichen Überwachung der Wasserqualität und der Gewährleistung guter Arbeitsbedingungen erfüllt Regal Springs weitere ASC-Kriterien. Immer mehr Produkte – wie Lachs, Shrimps oder Pangasius – sollen ASC-zertifiziert werden, bis verantwortungsvolle Aquakultur nicht mehr die Ausnahme bildet, sondern die Regel. Im deutschen Handel sind die ASC-zertifizierten Tilapia-Produkte (z. B. „TopSea“ von Lenk Seafood) erhältlich - z.B. bei Kaufland.

Heiko Lenk, Geschäftsführer von Lenk Seafood Services, gibt im VISAVIS-Interview einen kurzen Ausblick auf die Entwicklung der Fischwirtschaft. Wie wird sich der asiatische Markt in Zukunft entwickeln? Mit welchen Produkten? Wir unterscheiden zwischen zwei Klassen: Fisch und Seafood. Fisch sind die herkömmlichen Fischfilets und ganze Fische, die aus Wildfang oder Aquakultur kommen; der Seafoodbereich dagegen umfasst vornehmlich Garnelen. In Asien wird der Fokus auf Aquakultur liegen, um den stetig steigenden Bedarf an Fisch und Seafood decken zu können. Zuchtfische wie Tilapia und Pangasius sind ebenso im Kommen wie die Garnelenaquakultur und Convenience-Produkte daraus. Können Sie uns die ASC-Zertifizierung erklären? ASC ist das neue Siegel für verantwortungsvolle Aquakultur. Charakteristisch

ist die besondere Transparenz: Alle Zertifizierungen und Audits werden von unabhängigen Fachleuten vorgenommen und veröffentlicht. Dadurch unterwerfen sich die Farmer und Produktionsbetriebe diesen Regularien. Wir können uns so besser auf unsere eigentliche Aufgabe konzentrieren, nämlich die Vermarktung dieser Produkte in Partnerschaft mit den Betrieben. Außerdem führt uns der ASC neue verlässliche Partner für die jeweiligen Produktgruppen zu – ein weiterer Grund, weshalb wir gern mit ihm zusammenarbeiten. Was macht Ihre Marke „TopSea“ aus und wie positioniert sich diese am Markt? Unser generelles Ziel lautet „From Source to Consumer“, d.h., die fertig verpackte Ware vom Ursprung direkt zum Verbraucher zu bringen, ohne weitere Veredelung in Europa. Unsere Aufgaben in Deutschland beschränken sich auf die Distribution, Disposition und Kundenbetreuung. Uns ist sehr wichtig, dass wir mit

Heiko Lenk (rechts) stellt sich den Fragen von Florian Blum, VISAVIS-Redaktion.

unserer Hauptniederlassung in Bangkok direkt am Ort der Rohware sind. Dort befindet sich auch unsere Abteilung für Qualitätssicherheit: Wir sind für jegliche „TopSea“-Ware vor Ort in den Fabriken, um die Standards – von den hygienischen Bedingungen bis zu den Produktionsabläufen – zu gewährleisten und zu erhalten. Als Marke im oberen Premiumsegment unterliegt „TopSea“ strengen Kriterien. Sämtliche Ware muss aus verantwortungsvoller und zertifizierter Aquakultur stammen, wobei wir nur Ware aus ASC oder Global GAP akzeptieren. Letztere ist eine Zertifizierung aus dem Agrarbereich, die heute noch bei Garnelen vorgenommen wird, weil die endgültigen Parameter für die Garnelenzertifizierung für den ASC noch ausstehen. „TopSea“-Produkte enthalten übrigens keinerlei chemische Zusätze, sie sind zu 100 Prozent natürlich. Bei bearbeiteter Ware arbeiten wir mit keiner der sog. E-Nummern, also Geschmacksverstärkern oder Bindungsmitteln. Wir verwenden auch keine künstlichen Aromen. Welche Neuerungen planen Sie für das kommende Jahr? Zunächst wird bereits Ende Oktober das „TopSea“-Programm um die ersten Garnelenprodukte erweitert. Dieses Programm wird nächstes Jahr zügig ausgeweitet. ASC-Garnelen sollen in 2013 folgen, sobald eine Zertifizierung von Garnelenprodukten unter diesem Siegel möglich ist. Wir sind der festen Überzeugung, dass ASC in den nächsten fünf Jahren zum täglichen Bedarf und der Verfügbarkeit in den Märkten fest dazu gehören wird. Infos: www.sea-scout.com

Bildquelle: Dr. Gerd-Uwe Meylahn

ASC-PIONIERE


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aquakultur

SCHEMA

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Reinsauerstoffüberträger

Futtersystem Desinfektion

definiert, so dass bei Bedarf über Wärmetauscher Energie zurückgewonnen werden kann. Ein gWK, in welchem eine Satzfischerzeugung integriert ist, bekommt als Input lediglich Austauschwasser aus gesicherter Herkunft, Energie, Reinsauerstoff und Futter. Das sind gute Voraussetzungen für eine Zertifizierung der Produktion nach gängigen, weltweit gültigen Standards. Dabei muss selbstverständlich sowohl das Futter selbst als auch der nach außen abgeschirmte Produktionsprozess die Bedingungen erfüllen. Die Zertifizierung des Fischverarbeitungsprozesses, wenn vorhanden, ist eine zusätzliche wichtige Prämisse für den Verkauf der Produkte im oberen Premium-Segment. Der geschlossene Wasserkreislauf erfüllt alle Forderungen, um Produkte in höchster Qualität zur erzeugen und erreicht damit auch die ökonomische Zielstellung. Ganz konkret bietet der gWK die Möglichkeit, den Tendenzen in Preisentwicklung und Produktangeboten zu folgen. Ist Frischfisch ständig verfügbar, wird er auch zunehmend und zu steigenden Preisen nachgefragt. Ökonomisch stellt sich die Frage, wie profitabel die Fischerzeugung in gWK tatsächlich gestaltet werden kann. Dazu ist es notwendig, zwei wesentliche Fragen zu klären: Wie effektiv lässt sich der Produktionsprozess der Fische gestalten, d.h. welche Kosten fallen an? Und: Wie sehen die Verkaufsbedingungen aus, bzw. wie hoch sind die Erlöse? Bezieht man die genannten Vorteile und

Messung Steuerung Alarmierung Datenverarbeitung

Fischbecken

Wärmegruppenträger

Pumpengruppe Biofilter

Mechanischer Filter

Wasser Futter Sauerstoff Energie Produkte

Überlauf Wasser

Schlamm

Quelle: Dr. Gerd-Uwe Meylahn

Ein hoher technischer Aufwand ist erforderlich, um Fische in geschlossenen Wasserkreisläufen zu züchten. Dennoch ist das Prinzip mittlerweile ausgereift. Möglichkeiten mit ein, so ist eine profitable Fischproduktion, welche zudem als nachhaltig bezeichnet werden kann, möglich – ein Anreiz auch für Finanzinvestoren. Praktische Nutzung der gWK Im Prinzip könnten die meisten Fischarten in geschlossenen Wasserkreisläufen gehalten werden. Letztlich kommt es aber darauf an, Fischfutter effektiv zu Fischfleisch zu „veredeln“. Dazu sind besonders Fischarten geeignet, die in warmem Wasser bei ca. 20 bis 26° Celsius leben können, das Futter aktiv aufnehmen und sich möglichst einfach vermehren lassen. Für die Entscheidung, welche Fische im gWK produziert werden sollen, ist auch wichtig, dass für diese Arten eine große Nachfrage besteht und sie bei Verkauf einen ho-

hen Ertrag erbringen. Nicht immer gelingt es, alle diese Kriterien gemeinsam zu realisieren. Süßwasserbetriebene gWK produzieren derzeit in größeren Mengen Fische wie Welsartige, Aale, Störe (Fleisch und Kaviar), Zander, Barsche, Tilapia, Baramundi, Satzfische allgemein. Salzwasserbetriebene gWK konzentrieren sich auf Plattfische wie Steinbutt und Scholle, Dorsch, Doraden, Wolfsbarsch, Grouper oder Snapper, um einige zu nennen. Insbesondere die Erzeugung von Setzlingen für die verschiedenen Fischarten erfordert spezielles Knowhow, da sich die Vermehrungsbesonderheiten und die speziellen Ansprüche der kleinen Fische sehr voneinander unterscheiden. In dieser Phase der Fischproduktion kommt es auf bestimmte Details an, die schon bei der technischen Ausstattung der Fisch-

farm, aber auch bei der Betreuung beachtet werden müssen. Sehr wichtig ist die konsequente Einhaltung der seuchenhygienischen Bestimmungen, um die Einschleppung von Fischkrankheiten zu vermeiden. Wenn dies trotz aller Vorsicht misslingt, gibt es jedoch ein großes Spektrum von therapeutischen und prophylaktischen Möglichkeiten zur Behandlung der Fische. Antibiotika, immer wieder als „Nachteil“ dieser Produktionstechnologie angeführt, sind in diesem Zusammenhang nicht erforderlich bzw. gar nicht einsetzbar, da sie den lebenswichtigen Biofilter schädigen würden. Fazit Die Aquakultur – sowohl die „klassische“ als auch in Form des geschlossenen Wasserkreislaufs – bietet eine reelle Chance, den steigenden Bedarf an Fisch und Fischprodukten zu decken und die natürlichen Fischbestände in den Gewässern zu entlasten. Wirklich nachhaltig wird die Aquakultur, wenn auch die sozialen Komponenten vor Ort berücksichtigt werden und die Produzenten auf einen verantwortungsvollen Umgang mit den natürlichen Ressourcen achten (siehe Wanderspalte links). Dem gWK wird ebenfalls eine beträchtliche Rolle zukommen, gilt er doch als Erfolg versprechendes Konzept. Wenn die Förderbedingungen stimmen, hat Aquakultur eine große Zukunft. Dr. Gerd-Uwe Meylahn

EIN GUTER FANG: QUALITÄT VON TOP SEA FA I R

S E A F O O D

Das 1. ASC-Produkt weltweit! Jetzt im Handel erhältlich.

Lenk Seafood Services GmbH · 22941 Bargteheide · www.topsea.net


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Grenzenlos HERAUSFORDERUNG Die Fischwirtschaft muss auf geändertes Verbraucherverhalten reagieren – und tut dies auch. Sie garantiert durch weltweite Importe größtmögliche Vielfalt und setzt zunehmend auf Nachhaltigkeit. Dabei wird sie von der Politik unterstützt.

D

ie Welt ist nicht genug!“ So könnte man die Lieferfähigkeit der Unternehmen der Fischin„ dustrie, des Fischimports und des Fischgroßhandels in Deutschland beschreiben. Ausgeklügelte Logistikkonzepte bringen per Schiff, Flugzeug und LKW die gewünschten Fische und Meeresfrüchte aus aller Welt schnell zum „Point of Sale“ und erfüllen somit jeden Verbraucherwunsch. Die

Entwicklung der Fischbestände in den EUGewässern auf der einen Seite und die stetige Nachfrage nach Fisch und Meeresfrüchten auf der anderen Seite haben zu einer enormen Steigerung der Einfuhren aus Drittländern in den letzten Jahrzehnten geführt. Der Markt für Fische, Krebs- und Weichtiere in Deutschland übertrifft mit einer Importabhängigkeit von über 80 Prozent noch die Fisch-Abhängigkeit der Europäischen Uni-

Bildquelle: Petra Bork - www.pixelio.de

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Bildquelle: © European Union, 2012; Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz

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on, die bei rund 50 Prozent liegt. Ohne die Möglichkeit, Fische, Krebs- und Weichtiere aus allen Weltmeeren einführen zu können, wären die große Vielfalt auf dem Fischmarkt und das außerordentliche Genuss- und Geschmackserlebnis nicht möglich. In der letzten Dekade vor dem Jahrtausendwechsel ist auch das Interesse der Verbraucher an Informationen über die Herkunft der angebotenen Fische und Fischprodukte gewachsen. Meldungen der Welternährungsorganisation (FAO) über die kritische Entwicklung zahlreicher Fischbestände fanden großen Niederschlag in der Öffentlichkeit. Verbraucher- und Umweltschutzverbände forderten von der Fischwirtschaft mehr Informationen über die Herkunft und die Produktionsmethoden der angebotenen Fische. Heute erhält der Verbraucher sowohl auf Basis freiwilliger Initiativen als auch durch gesetzliche Regelungen eine Vielzahl an Herkunfts- und Transparenzinformationen entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Das Wissen darüber, wie und wo Fische gefangen werden und welche Maßnahmen zur Sicherheit und Qualitätserhaltung der „Lebensmittel aus dem Meer“ beitragen, ermöglicht es dem interessierten Verbraucher, Fische aus nachhaltig bewirtschafteten Fischbeständen und umweltverträglich geführten Aquakulturen einzukaufen. Am bekanntesten ist das blaue Siegel des Marine Stewardship Council (MSC), das für umweltbewussten und nachhaltigen Fischfang steht. Da viele verarbeitende Unternehmen und Händler in Deutschland eine MSCZertifizierung zunehmend zur Voraussetzung ihrer Beschaffung machen, hat sich das Siegel rasch verbreitet: Mittlerweile gibt es auf dem deutschen Markt über 4.577 MSC-gekennzeichnete Artikel. Weltweit sind es über 15.000. Als eine Art „Schwestersiegel“ für Aquakulturen wurde der ASC (Aquaculture Stewardship Council) gegründet. Erste mit dem Siegel des ASC gekennzeichnete Produkte sind dieses Jahr auf den Markt gekommen.

Bildquelle: www.fotolia.com - il-fede

Die Geschichte der Fischwirtschaft in Deutschland In den Küstenregionen der Nordund Ostsee gehört der Fisch seit jeher zum Speisezettel der Bevölkerung. Obwohl die Traditionen des Herings- und Stockfischhandels bis in das Mittelalter zurückreichten, hemmte die schnelle Verderblichkeit des Fischfleisches lange Zeit die Entwicklung eines umfangreicheren überregionalen

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Fischhandels. Als dann ab 1885 eine Dampfhochseefischereiflotte unter deutscher Flagge aufgebaut wurde, war der Weg zur industriellen Fischverarbeitung frei. Der Ausbau des Eisenbahnnetzes ermöglichte zusätzlich erstmals einen Handel mit frischen Seefischen im gesamten Gebiet zwischen Nord- und Ostseeküste sowie den Alpen. Voraussetzung für all diese Entwicklungen, aus denen die moderne Fischindustrie und der Fischgroßhandel entstanden, waren die ausreichende Rohwarenversorgung und eine schnelle Distribution. Aus kleinsten Anfängen, die als Nebenerwerb von Fischern an der Ostseeküste entstanden waren, entwickelte sich ein Wirtschaftszweig innerhalb der Ernährungsbranche, der es erstmals schaffen sollte, das negative Image des „toten Seefisches“ aufzubrechen und Fisch bis weit ins Binnenland zu einem beliebten Nahrungsmittel werden zu lassen. Die Nordsee und der Nord-Atlantik waren in der gesamten Geschichte der deutschen Fischindustrie und des Fischgroßhandels die unumstritten wichtigsten Fanggebiete für die zur Verarbeitung oder in den Handel kommenden Fischarten. Sowohl die Ansprüche der Uferstaaten auf einen immer größeren Teil der Fanggebiete, die letztlich zur Neuregelung des Seerechts in seinen 200-Seemeilen-Wirtschaftszonen führten, als auch die Übernutzung einzelner Bestände zwangen die deutsche Fischwirtschaft, neue Wege der Rohwarenbeschaffung zu beschreiten. So nahm die Bedeutung der Rohwarenimporte von Fisch zu. Andererseits wurde versucht, neue Fischarten in den deutschen Markt einzuführen. Die Anpassung an die sich verändernden Umstände kann als eine entscheidende Qualität der deutschen Fischwirtschaft gesehen werden. Diese Flexibilität war allerdings auch nicht nur aufgrund der sich verändernden Rohwarensituation notwendig, sondern ebenso sehr wegen der zunehmenden Europäisierung der Fischwirtschaft, die schließlich in der Gemeinsamen Fischereipolitik mündete. Während für den Verbraucher die Vielzahl neuer Arten vor allem eine Bereicherung des Angebots bedeutete, hieß es für die Fischindustrie, dass sie sich immer weiter von der Rohwarenversorgung durch die eigene Flotte lösen musste. Aus der deutschen Fischindustrie und dem Fischgroßhandel war endgültig ein Wirtschaftszweig geworden, der aufs engste mit dem europäischen und dem Welthandel verflochten war. Aus den am Ende des 19. Jahrhunderts gegründeten Un-

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ternehmen, für die die Fischverarbeitung oft nicht mehr war als eine Verbesserung der Möglichkeit, die Fänge ihrer eigenen Fischereifahrzeuge in den Markt zu bringen, waren spezialisierte Unternehmen der Lebensmittelwirtschaft geworden. Sie hatten mit der eigentlichen Fischerei immer weniger zu tun und trennten sich nach und nach endgültig von ihren eigenen Fangflotten.

Staatssekretär Peter Bleser befürwortet die verbesserte Förderung der nachhaltigen Fischerei durch die Europäische Kommission.

EU-Kommissarin Mara Damanaki betont, dass Haushaltsmittel verstärkt auf den Umweltschutz ausgerichtet werden sollen.

Der Weg der EU zur Gemeinsamen Fischereipolitik 1976 etablierte die Europäische Gemeinschaft eine gemeinsame 200Seemeilen-Fischereizone aller Mitgliedstaaten und beschritt damit einen Weg, an dessen Ende die Gemeinsame Fischereipolitik (GFP) stand. Der Fokus lag zunächst im Wesentlichen auf dem notwendigen Strukturwandel der Fangflotten, das heißt der Anpassung der Fangkapazitäten an die vorhandenen Fangmöglichkeiten. Seit 1977 wurden hierzu ergänzende Beihilfeprogramme für den Fischverarbeitungsbereich innerhalb der Gemeinschaft eingeführt. Die Förderung neuer Technologien und die Verbesserung der Hygienebedingungen waren wesentliche Elemente der politischen Bemühungen, überalterte Betriebe an die Bedingungen eines gemeinsamen Marktes anzupassen. Der fortschreitende Abbau innereuropäischer Zollschranken und die Vereinheitlichung von z.B. Qualitäts- und Größenklassen, Verpackungen oder Etikettierungen von Fischprodukten wurden für die Betriebe der deutschen Fischwirtschaft zu weiteren Chancen und Herausforderungen. Als Ziel galt es, einen wirklichen gemeinsamen Markt für Fi-

Vom Nebenerwerb zum Wirtschaftsfaktor – moderne Logistikkonzepte erfüllen Verbraucherwünsche.


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K L I M AWA N D E L

BALD KLEINERE FISCHE IN DEN OZEANEN Kanadische Forscher sagen für den Fall einer globalen Klimaerwärmung ein verlangsamtes Wachstum der Fische voraus. Bis zum Jahr 2050 könnten die Meeresbewohner bis zu einem Viertel ihrer Körpergrösse einbüssen. Erwärmt sich ein Gewässer und sinkt der Sauerstoffgehalt, dann verändern sich die Verteilung und der Stoffwechsel der Fische, und ihr Wachstum ist beeinträchtigt. So viel ist aus älteren Studien bereits bekannt. Nun hat ein Team der Universität von British Columbia in Vancouver diese Veränderungen für die kommenden Jahrzehnte extrapoliert – unter Berücksichtigung verschiedener Klimamodelle des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC). Die Resultate sind beachtlich: Für den schlimmsten Fall – ein Szenario mit hohen Emissionen und einer Klimaerwärmung von rund drei Grad bis Ende dieses Jahrhunderts – prognostizieren die Forscher, dass die Körpergrösse von Fischen durchschnittlich zwi-

schen 14 und 24 Prozent abnimmt. Die Resultate wurden in der neusten Ausgabe der Fachzeitschrift «Nature Climate Change» veröffentlicht. Tropen besonders betroffen Gemäss William Cheung und seinem Forscherteam dürften besonders im Indischen Ozean in Zukunft kleinere Fische geangelt werden. Generell sind die tropischen und mittleren Breitengrade besonders betroffen: In diesen Regionen soll der Verlust an Körpergrösse bei Fischen durchschnittlich über 20 Prozent betragen. Relevant für die Berechnungen waren die durchschnittlichen Temperaturen am kühlen Meeresgrund, die für das Laichen und das Wachstum der Fische am meisten Aussagekraft haben. Zwar werden sich diese Temperaturen im Indischen Ozean nur minimal verändern – die Forscher rechnen mit einer Erwärmung von 0,017 Grad Celsius pro Jahrzehnt und einem leicht sinkenden Sauerstoffgehalt. Doch auch

solche kleinen Veränderungen behindern die Fische in ihrem Wachstum. Die neuen Lebensbedingungen bringen Fische aber auch dazu, sich neue Laichplätze zu suchen. Diese Migration grösserer Fische in gemässigtere Gebiete spielte bei den Berechnungen bezüglich der durchschnittlichen Körpergrösse der Fische ebenfalls eine wesentliche Rolle. Neue Dynamik in der Nahrungskette Die Forscher verglichen ihre Berechnungen mit historischen Daten und stellten fest, dass die bisherige Entwicklung der Körpergrösse der Fische mit den berechneten Szenarien einhergeht. Das spricht für die Zuverlässigkeit der Resultate. Prognosen beruhen aber immer auf einer Vielzahl an Vereinfachungen. So haben die Wissenschafter in ihrer Studie beispielsweise nicht berücksichtigt, ob und wie stark sich die verschiedenen Fischarten an veränderte Lebensbedingungen anpassen können. Eine veränderte Grössenverteilung der Fische Erschienen in der „Neuen Zürcher Zeitung“ am 02. Oktober 2012; mit freundlicher Genehmigung der „Neuen Zürcher Zeitung“

Solch große Fische könnten schon bald der Vergangenheit angehören – geschuldet dem Klimawandel.

könnte ausserdem zu einer neuen Dynamik in der Nahrungskette führen, da das Verhältnis zwischen Raub- und Beutefischen stark von deren Grösse abhängt. Einigkeit herrscht aber in einem wichtigen Punkt: Die Fischbestände werden durch eine immer stärkere Nutzung der Meere durch die Menschen in Mitleidenschaft gezogen – sei es durch die Zerstörung und Verschmutzung von Lebensräumen oder durch Überfischung.

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schereiprodukte zu erreichen, in dem im Interesse von Produzenten und Verbrauchern Angebot und Nachfrage aufeinander abgestimmt werden. 1983 mündeten alle diese Bestimmungen erstmals in der Gemeinsamen Fischereipolitik, die fortan bestimmend für die gesamte europäische Fischwirtschaft und somit auch für die deutschen Unternehmen wurde. Überprüfungen der GFP in den Jahren 1992, 2002 und aktuell im Jahr 2012 haben zu ihrer Aktualisierung und Modernisierung beigetragen. Der jüngste Reformvorschlag wird allerdings noch im Europäischen Parlament und im Rat diskutiert und voraussichtlich im Jahr 2014 in Kraft treten. Umsatz der Fischbranche in Deutschland Im Zeitalter der Überschussgesellschaft hat es die deutsche Fischindustrie verstanden, im harten Wettbewerb ihren Produkten einen Platz im Nahrungskorb des Verbrauchers im In- und Ausland zu sichern. Fisch ist eine wichtige Eiweißquelle des Menschen und damit ein wichtiger Bestandteil der gesunden Ernährung. Zum bedeutendsten und stärksten Wachstumsbereich in der deutschen Fischindustrie zählt die Herstellung von tiefgefrorenen Fischerzeugnissen. Der deutlich wachsende Zuspruch auf Seiten des Verbrauchers beweist deutlich, dass Weiterentwicklungen bei Fertiggerichten auf Fischbasis mit hohem Convenience-Charakter honoriert werden. Insgesamt stellten die Unternehmen der deutschen Fischverarbeitungsindustrie im Jahre 2011 Fischwaren in einer Menge von 492.231 Tonnen zu einem Verkaufswert ab Werk in Höhe von 1,8 Milliarden Euro her. Damit nimmt Deutschland nach Spanien, dem Vereinigten Königreich und Frankreich den vierten Platz in der Rangfolge der bedeutendsten Fischverarbeitungsländer in der Europäischen Union ein. Der wichtigste Standort der Fischindustrie in Deutschland ist Bremerhaven: Hier sind fast 5.000 Beschäftigte im Fischereihafen, in der Fischwirtschaft oder bei ihren Zulieferern tätig. Cuxhaven folgt auf dem zweiten Platz. Mit der Kutterfisch-Zentrale und der Deutschen Fischfang Union ist die Stadt Sitz der größten deutschen Fischfangkapazitäten. Der Import erfolgt heute auch durch die Luft: Im Perishable Center Frankfurt (PCF) des Frankfurter Flughafens werden jährlich rund 20.000 Tonnen Fisch und Meeresfrüchte umgeschlagen.


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B E W E RT U N G S H I L F E

ONLINE-ANSICHT DER FISCHBESTÄNDE WELTWEIT Rückgrat der Fischwirtschaft Das Gesamtaufkommen an Fisch und Fischereierzeugnissen in Deutschland betrug im Jahr 2011 2,24 Millionen Tonnen (Fanggewicht). Die Eigenproduktion, die sich aus den Eigenanlandungen deutscher Fischer und der Produktion der Binnenfischerei sowie aus Aquakultur zusammensetzt, steuert hierzu etwa 278.000 Tonnen bei. Damit stellt sie etwa zwölf Prozent des Basisaufkommens dar. Importe beliefen sich im Jahr 2011 auf rund 1,96 Millionen Tonnen und haben mit 88 Prozent den größten Anteil an der Versorgung des deutschen Marktes, der im Jahr auf einen Nahrungsverbrauch von 1,28 Millionen Tonnen (Fanggewicht) kommt. Dies ergibt einen Pro-Kopf-Verbrauch von 15,6 kg pro Jahr. Erwartet wird, dass in den nächsten zehn Jahren der Fischverbrauch pro Kopf die Marke von 18 bis 20 kg erreicht. Rund 65 Prozent der in Deutschland vermarkteten Fische sind Seefische, die heute überwiegend im Nordostatlantik und im Nord- und Südpa-

In der Debatte zur Überfischung stehen sich die Aussagen der Fischbranche und diverser Naturschutzorganisationen und Umweltverbände allzu oft unvereinbar gegenüber. Dr. Matthias Keller, Geschäftsführer des Bundesverbands der deutschen Fischindustrie und des Fischgroßhandels e. V., kritisiert den „Hinweis auf die ‚übermäßige’ Befischung einzelner Fischbestände ohne die jeweilige Nennung des Bewertungsschemas“ als „unlauter“. Dieser führe „zu unvollständigen Veröffentlichungen durch die Medien und somit zu einer Verunsicherung der Verbraucher“. Die Gegenseite wiederum warnt vor der Störung des Gleichgewichts im Ökosystem Wasser. Im Internet können sich Interessierte ein eigenes Bild vom Zustand der Fischbestände machen, die für den deutschen Markt von Bedeutung sind: Bis Ende 2012 wird die Datenbank der Website „Fischbestände online“ Informationen zu rund 130 für den deutschen Markt relevanten Fischbeständen aus weltweit über 30 Fischarten umfassen. Außerdem finden Nutzer eine Übersicht der FAOFanggebiete sowie eine kurze Darstellung der Fischarten und ein Glossar.

Die Website ist eine Initiative des Handels zur Förderung einer nachhaltigen Fischerei. Die Idee dazu entstand in der Arbeitsgruppe „Herkunftsangaben für Fischereierzeugnisse“ im Rahmen des Runden Tisches „Nachhaltige Fischerei“, der vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) initiiert wurde.

Zusammengestellt werden die Informationen vom Johann Heinrich von Thünen-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei. Die Aktualisierung erfolgt in der Regel jährlich, vor allem auf der Basis der veröffentlichten Berichte zwischenstaatlicher wissenschaftlicher Organisationen. www.fischbestaende-online.de

Die FAO teilt die Welt in 19 Fanggebiete auf – ergänzende Infos bietet eine neue Website „www.fischbestaende-online.de“.

N AC H H A LTI G K E I T

MSC-SIEGEL FÜR UMWELTBEWUSSTEN FISCHGENUSS Fisch ist lecker, gesund und spielt für die Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung eine entscheidende Rolle. Um das Nahrungsmittel Fisch für heutige und nachfolgende Generationen zu sichern, ist ein verantwortungsbewusster Umgang mit dieser wertvollen Ressource notwendig. Genau das hat sich der MSC (Marine Stewardship Council) zum

Marnie Bammert

Ziel gesetzt und gemeinsam mit Wissenschaftlern, Fischereiexperten und Umweltorganisationen einen Umweltstandard entwickelt, der die Prinzipien für eine nachhaltige Fischerei definiert und als Grundlage für die Beurteilung von Fischereien dient. Fangbetriebe, die im Rahmen eines komplexen, wissenschaftsbasierten Bewertungsverfahrens beweisen können, dass sie diesem Standard gerecht werden, dürfen ihren Fang mit dem MSC-Siegel kennzeichnen. Änderungen vorantreiben Die zertifizierten Fischereien haben gezielt darauf hingearbeitet, die Anforderungen und Kriterien des MSC-Standards zu erfüllen. Auch nach erfolgter Zertifizierung müssen die Fischereien weiterhin an sich arbeiten und kontinuierlich ihre gute Leistung unter Beweis stellen. Dadurch treibt das MSC-Programm notwendige Änderungen im Management von Fischereien voran. Dass dieser Anspruch nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis funktioniert, bestätigen jüngste Ergebnisse wissenschaftlicher Studien. Sie belegen, dass die MSC-

Zertifizierung von Fischereien zu messbaren ökologischen Verbesserungen in unseren Weltmeeren führt. So hat etwa die Hokifischerei in Neuseeland ihre Bestände vollständig wieder aufgebaut, die Seehechtfischerei in Südafrika hat den Beifang an Seevögeln drastisch reduziert und die Schollenfischerei in Holland hat freiwillig Gebiete für ihre Fischerei gesperrt. Dies sind nur einige Beispiele, die den positiven Beitrag des MSC-Programms unterstreichen und zeigen, dass Handel und Verbraucher beim Kauf von Fisch mit MSC-Siegel den Fischbeständen und der Meeresumwelt helfen. Globale Abnehmer von Fisch und Meeresfrüchten als Motor für einen positiven Wandel Nachhaltigkeitsaspekte spielen in der Beschaffung von Fisch und Meeresfrüchten eine immer größere Rolle. Weltweit machen verarbeitende Unternehmen und Händler eine MSC-Zertifizierung zunehmend zur Voraussetzung ihrer Beschaffung. So ist die Anzahl MSC-gekennzeichneter Artikel in Deutschland inzwischen auf über 4.000, weltweit auf über

15.000 gestiegen. Die Abnehmer von MSC-zertifiziertem Fisch und Meeresfrüchten sind der Motor, der einen positiven Wandel der weltweiten Fischereiindustrie vorantreiben kann. MSC-Zertifizierung: Nicht nur ein Gewinn für die Umwelt Der MSC nutzt die Macht der Verbraucher, des Handels und der Industrie, um Fischereien Anreize zu verantwortungsbewusstem Verhalten zu geben. Dabei bringt eine MSC-Zertifizierung nicht nur Gewinne für die Umwelt: Produzenten, Händlern und Verkäufern gibt das MSC-Siegel Sicherheit über die nachhaltige Herkunft der Ware, bietet positive Kommunikationsanlässe und verhilft zu einem besseren Image. Auch zertifizierte Fischereien bestätigen, dass ihnen das MSC-Logo dabei geholfen hat, sich auf existierenden Märkten zu behaupten und neue Märkte zu erschließen. Einige Fischer berichten sogar über höhere Erzeugerpreise. Marnie Bammert Country Manager DACH Marine Stewardship Council


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TRENDS Vergessene Arten Überfischung ist ein weltweites Problem, dass viele Fischarten existenziell bedroht – unter ihnen so beliebte Arten wie Sardinen oder Makrelen. Doch es gibt zu Unrecht in Vergessenheit geratene Alternativen, die italienische Fischer nun aufzeigen. Sardinelle, Strumpfbandfisch, Unechter Bonito oder Mittelmeersandaal könnten die bedrohten Populationen entlasten – und schmecken auch verwöhnten Gaumen.

Frisch vom iPhone Frisch muss er sein, der Fisch. Doch nicht jeder Konsument ist ein geborener Experte. Hilfreich ist hier die neueste Version der iPhone-App „Wie frisch ist mein Fisch?“, die sich auf langjährige Forschung stützt. Sie hilft dem Nutzer mit Fotos und Beschreibungen, den Status der gekauften Ware einzuschätzen und gibt Prognosen über die Haltbarkeitsdauer.

Regionale Aufzucht Die Rückbesinnung auf regionale Produkte schließt auch deutschen Fisch mit ein. Er stammt zum Beispiel aus sächsischen Zuchtbetrieben, dem Müritzgebiet oder Brandenburg und die Auswahl ist groß: Im Angebot sind Karpfen, Forellen, Hechte und Welse aber auch Maränen, Saiblinge und Zander.

zifik gefangen werden. Auf Süßwasserfische entfallen rund 23 Prozent, wobei hier mit einem Marktanteil von zwölf Prozent Lachs den Löwenanteil ausmacht. Krebs- und Weichtiere spielen in Deutschland mit einem Anteil von zwölf Prozent im internationalen Vergleich noch eine geringe Rolle. Woher stammen unsere Fische? Die Hauptlieferländer für Fisch und Fischereierzeugnisse waren im Jahr 2011, bezogen auf den Wert der Einfuhren, mit 59 Prozent Länder au-

ßerhalb der EU. Norwegen ist weiterhin vor China der größte Handelspartner auf der Importseite. Nach China sind die USA und Vietnam die bedeutendsten Herkunftsländer. Innerhalb der EU war Polen vor den Niederlanden und Dänemark der wichtigste EU-Handelspartner für Fischereierzeugnisse: Bezogen auf den Wert der Einfuhren führte Polen im Jahr 2011 mit Einfuhren im Wert von 493 Millionen Euro die Rangliste der bedeutendsten Fischherkunftsländer an. Der Wert der Einfuhren aus Norwegen betrug 490 Millionen Euro. Ins-

gesamt wurden Fisch und Meeresfrüchte im Wert von 3,5 Milliarden Euro eingeführt. Dem standen Ausfuhren von Fisch und Meeresfrüchten im Wert von 1,6 Milliarden Euro im Jahr 2011 gegenüber. Nachhaltigkeit und Fischfang in Einklang bringen Die Gemeinsame Fischereipolitik zu reformieren, ist eine notwendige und ehrgeizige Herausforderung, die gelingen muss, wenn die Fischbranche auch in Zukunft Fisch und

KO M P E TE N Z

CUXHAVEN – STANDORT MIT ZUKUNFT Fisch, Strand, Wattenmeer – das alles bietet Cuxhaven, eines der ältesten deutschen Seebäder, seinen zahlreichen Besuchern. Doch wer dabei nur an Urlaub und Erholung denkt, greift viel zu kurz. Denn die touristisch interessante Lage am Meer macht auch ihre Wertigkeit als Wirtschaftsstandort aus: Gelegen an der Mündung des Weltschifffahrtsweges Elbe und in unmittelbarer Nähe zum Nord-Ostseekanal bietet die Stadt mit dem Tiefwasserhafen Cuxport ideale Bedingungen als Stand-

Cuxhaven ist zweitgrößter Umschlagplatz für Nordseekrabben. Zukunftssichernd wurde nun die erste deutsche Erzeugergemeinschaft der Krabbenfischer gegründet.

ort für Umschlag-, Lager-, Verarbeitungsund Logistikunternehmen. Fischfang und -verarbeitung gehören bis heute zu den wichtigsten Wirtschaftsfaktoren. Rund 40 Unternehmen mit etwa 1.600 Mitarbeitern sind hier ansässig und prägen den Fischereistandort Cuxhaven – den größten in Niedersachsen. Er ist Anlaufstelle für Frischfisch der Kleinen Hochsee- und Kutterfischerei. Deren Fang wird – filetiert und gekühlt – ortsnah angelandet und mit ausgefeilter Technik gelagert, kommissioniert und dann zeitnah umgeschlagen. Für die Fischerei ist Nachhaltigkeit oberstes Gebot. Engmaschige Netze minimieren unerwünschten Beifang, MSC-Zertifizierung garantiert bedenkenlosen Genuss, die Einhaltung des „International FoodStandards“ und Hygienevorschriften gewährleistet größte Sorgfalt beim Umgang mit der Ware Fisch. Cuxhaven ist aber zudem auch Anlaufpunkt der Großen Hochseefischerei, bei der frisch gefangener Fisch noch an Bord filetiert und tiefgefroren wird. So ist die Deutsche Fischfang Union bis hoch in den Nordatlantik aktiv und Tiefkühlfisch das wichtigste Standbein der Fischwirtschaft. Angeliefert wird nicht nur übers Wasser, auch LKW bringen die begehrte Ware, die in modernsten Kühlhäusern vor Ort eingelagert und dann weltweit ausgeliefert wird. Umschlag, Logistik und Transport – das ist nur die eine Seite der Fischwirtschaft. Ein wichtiges Standbein für Cuxhaven als Wirtschaftsstandort ist die Veredelung. Ob Räucherfisch, Fischsalate und Marinaden, Antipasti oder Kaviar – hier

entstehen Delikatessen. In großen Teilen noch in Handarbeit, unterstützt durch moderne Technik, wird Fisch kulinarisch verwertet. Der Großteil der Beschäftigten ist in der Verarbeitung tätig. Hohe Stückzahlen bei höchster Qualität – das ist der Anspruch. Etabliert hat sich Cuxhaven inzwischen zudem als zweitgrößter Umschlagplatz für Nordseekrabben. Innovative Entwicklungen erlauben nunmehr neben der manuellen auch die maschinelle Pulung – und holen so Arbeitsplätze nach Deutschland zurück. Zudem haben sich jetzt 120 Krabbenfischer zu einer Erzeugergemeinschaft zusammengeschlossen. Ihr Ziel: Stärkung ihrer Position bei Großhändlern und Qualitätssteigerung beim Krabbenfang – für eine zukunftssichere Branche. Vor Ort haben sich in der Stadt Firmen angesiedelt, die das nötige Verpackungsmaterial für die Ware Fisch herstellen. Hauchdünne Dosen beispielsweise, abgestimmt auf die speziellen Anforderungen der hochsensiblen Produkte, werden vor Ort benötigt und bereitgestellt und finden später ihren Weg von Cuxhaven in die Welt. Cuxhaven punktet mit seinen Kompetenzen in Fischfang und Fischverarbeitung, verfügt über ein hohes Know-how in der Frischfisch-Logistik, über modernste Produktionsanlagen. Zunehmend hat sich die Stadt zudem als Frisch- und Frostfisch-Distributionsstandort positioniert. In dieser Stadt am Meer treffen sich Tradition und Moderne aufs Schönste, gehen Industrie und Handwerk eine zukunftsträchtige Verbindung ein. Infos unter: www.afw-cuxhaven.de


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Meeresfrüchte fangen, verarbeiten und handeln will. Die EU-Kommission hat ihre Hausaufgaben gemacht und einen anspruchsvollen Katalog mit Vorschlägen zur nachhaltigen Reform der Fischereipolitik erarbeitet. Wie der Parlamentarische Staatssekretär des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Peter Bleser, berichtet, war der deutschen Seite vor allem wichtig, dass das Nachhaltigkeitsprinzip bei der Reform oberste Priorität erhält. Denn, so Bleser, die nachhaltige Bewirtschaftung der Fischbestände sei nicht nur die Grundlage für eine erfolgreiche wirtschaftliche Zukunft der deutschen Fischereibetriebe, sondern sichere zugleich die bestmögliche Versorgung der Verbraucher mit frischem Fisch und Fischprodukten. „Diese Forderung wurde voll erfüllt“, bilanzierte der Staatssekretär bei der Eröffnung des Deutschen Fischereitags 2012 in Papenburg. „Die europäischen Fischereien müssen bis 2015, soweit möglich, spätestens aber bis 2020 nach dem Prinzip des maximalen Dauerertrages (MSY) bewirtschaftet werden.“ Doch diese Reform justiert nicht nur die Stellschrauben für die nachhaltige Bestandsbewirtschaftung neu. Weitere Kernpunkte sind die Regionalisierung des Fischereimanagements, die Beendigung der Vergeudung von lebenden Ressourcen (Beifänge und Discard), die Förderung der Aquakultur und die verantwortungsvolle Zusammenarbeit mit Drittländern hinsichtlich der Fangmöglichkeiten in EUDrittländern sowie die geplante Erweiterung der Verbraucherinformation.

Da es sich dabei um sehr ambitionierte Ziele handelt, werden zur Überprüfung dieser Vorschläge sehr intensive Beratungen nötig sein, um am Ende durchdachte und brauchbare Regeln – insbesondere für die praktische Durchführbarkeit – zu erlassen. Unabhängig davon zeigen die beschlossenen Erhöhungen der Fangquoten für das Jahr 2012, beispielsweise in der Nord- und Ostsee sowie vor Norwegen, dass sich bei konsequenter Umsetzung der bereits jetzt bestehenden Vorschriften und effizienten Kontrollen Fischbestände durchaus positiv entwickeln können. Die Fischwirtschaft teilt die vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz als deutschen Beitrag für die europäische Diskussion herausgestellten Kernpunkte und Positionen zu den 14 vorgeschlagenen Reformelementen. Nur durch gezielte Reformen lässt sich die Gemeinsame Fischereipolitik weiterentwickeln und den neuen Herausforderungen anpassen. Dies sollte zum einen durch die Ausweitung von mehrjährigen Bewirtschaftungs- und Wiederauffüllungsplänen sowie die Stärkung der regionalen Beratungsgremien im Rahmen der GFP geschehen. Hinzu kommt die Durchsetzung der Maßnahmen zur Bekämpfung der illegalen Fischerei (IUU-Verordnung) auf europäischer und internationaler Ebene, die Etablierung des Prinzips des maximalen Dauerertrags (MSY) und die Definition und Einführung weiterer, ökosystembasierter Managementkomponenten im Fischereimanagement. Schließlich gilt es noch, den verantwortungs-

bewussten Verbraucher durch Verbesserung von Markttransparenz und Produktinformationen zu stärken und das Nachhaltigkeitsprinzip im Rahmen internationaler Fischereiabkommen unter Berücksichtigung der Interessen der Partnerländer zu verankern. Finanzielle Unterstützung soll zukünftig der neue Europäische Meeres- und Fischereifonds (EMFF) leisten, der den derzeitigen Europäischen Fischereifonds (EFF) und diverse andere Instrumente ersetzt. Für den Zeitraum von 2014 bis 2020 hat die Europäische Kommission eine Mittelausstattung in Höhe von 6,5 Milliarden Euro vorgeschlagen. Die Ausrichtung scheint dabei klar zu sein: „Für den Bau großer Schiffe wird kein Geld bereitgestellt“, betont Maria Damanaki, EU-Kommissarin für maritime Angelegenheiten und Fischerei. „Dagegen werden die kleine Küstenfischerei und die Aquakultur davon profitieren, dass die Haushaltsmittel der Gemeinsamen Fischereipolitik stärker auf den Umweltschutz ausgerichtet werden.“ Beim deutschen Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz ist der neue Fonds auf Zustimmung gestoßen. „Für richtig und zukunftsweisend halten wir die verbesserte Förderung einer nachhaltigen Fischerei sowie die Berücksichtigung der Aquakultur als neuen Förderschwerpunkt“, so Staatssekretär Peter Bleser. „Die Förderung der bestehenden Aquakulturbetriebe muss weiterhin möglich sein.“ Probleme müssen länderübergreifend gelöst werden Für die deutsche Fischwirtschaft haben die neuen Maßnahmen der Gemeinsamen Fischereipolitik und der Gemeinsamen Fischmarktorganisation einen außerordentlichen Anteil an der Sicherung der Existenz ihres wirtschaftlichen Handelns. Intakte Fischbestände sind allerdings nicht nur ein europäisches Thema. Denn Fische kennen keine Grenzen. Die Weltmeere sind durch Probleme bedroht, die kein Land allein lösen kann: Die Verschmutzung der Küstengewässer und der Ozeane, Klimawandel, Ölkatastrophen und Überfischung sind Bedrohungen, denen sich langfristig nur durch internationalen Konsens begegnen lässt. Daher werden auch in Zukunft intensive Kommunikation und größtmögliche Transparenz gefragt sein. Der Weg zu einer nachhaltigen Fischerei ist der erste Schritt in diese Richtung.

Dr. Matthias Keller ist Geschäftsführer des Bundesverbands der deutschen Fischindustrie und des Fischgroßhandels e.V. mit Sitz in Hamburg. Er beschreibt die großen Herausforderungen und Chancen der deutschen Fischwirtschaft.

TERMINE SlowFisch Die Messe für nachhaltigen Genuss Messe Bremen 09.-11. November 2012 www.slowfisch-bremen.de Magdeburger Meeresangeltage Messe Magdeburg 10.-11. November 2012 www.magdeburgermeeresangeltage.de Internationale Grüne Woche Große Fischpräsentation des Fisch-Informationszentrums in Halle 14.1 18.-27. Januar 2013 www.gruenewoche.de Jagen & Fischen 2013 Messe Augsburg 17.-20. Januar 2013 www.jagenundfischen.de AQUA-FISCH Messe Friedrichshafen 08.-10. März 2013 www.aqua-fisch.de


Achten Sie beim Fischeinkauf auf das MSC-Logo, damit Fisch und unsere Meere erhalten bleiben. Das MSC-Logo kennzeichnet Produkte aus Fischereien, die vorbildlich gef端hrt sind und Fisch auf nachhaltige Weise fangen.


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