75 Jahre Neanderthal Museum

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75 JAHRE NEANDERTHAL MUSEUM


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75 Jahre Neanderthal Museum

Impressum Stiftung Neanderthal Museum

Redaktion: Jens Alvermann

Talstraร e 300

Recherche Museumschronik:

D-40822 Mettmann

Christina Steuer, GeschichtsManufaktur

0 21 04.97 97 - 0

Texte und Fotos: Neanderthal Museum

0 21 04.97 97 - 96 Fax museum@neanderthal.de www.neanderthal.de

Museum gefรถrdert von:


75 Jahre Neanderthal Museum

Inhalt Impressum____________________________________2 Grußworte Grußworte_____________________________________4 Chronik I. Etappe:Startschuss für das Neandertal______________ 10 II. Etappe: Das erste Museum im Neandertal___________ 12 III. Etappe: Erste Schritte nach dem Krieg______________ 14 IV. Teil: Der Marathon zum neuen Museum_____________ 16 V. Etappe: Der Endspurt zum neuen Museum___________ 23 VI. Etappe: Auf der Zielgeraden?____________________ 30

Das Museum heute_____________________________32 Ausstellungen__________________________________ 33 Forschung_____________________________________ 34 Marke________________________________________ 35 Shop_________________________________________ 36 Steinzeitwerkstatt_______________________________ 33 Sonderausstellungen___________________________42 Wanderausstellungen___________________________44 Didaktik_____________________________________46 Veranstaltungen & Events_______________________48 Tagungen____________________________________50 Publikationen_________________________________52 Forschung____________________________________56 Marke & Vernetzung____________________________58 Film & Fernsehen______________________________60 Prominente Besucher___________________________62 Auszeichnungen_______________________________64 Museum & Medien_____________________________66

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Grußworte

75 Jahre Neanderthal Museum

Es muss einen freuen, dass das Neanderthal Museum heute so in Blüte steht. Die Besucher sind angetan bis begeistert, auch und gerade die neugierigsten unter ihnen, die Kinder. Darüber hinaus gibt es Sympathien für das Museum rund um den Globus. Man darf sagen, ohne besonders großspurig zu formulieren, dass das Museum seit seiner Erbauung im Jahr 1996 eine stabile Glückssträhne hatte.

Prof. Dr. Dres. h.c. Gert Kaiser Vorsitzender des Stiftungsrates der Stiftung Neanderthal Museum

Da jedoch nichts von selber kommt, ist das mit einigen Persönlichkeiten verbunden. Es ist ein Segen, dass Landrat Thomas Hendele, aber auch der Kreistag und die Kreisverwaltung erkannt haben, dass sie mit dem Neandertal und seinem Museum eine weltweit sichtbare „landmark“ im Kreisgebiet haben. Dass das Museum bei der politischen Obrigkeit so gut angesehen ist, ja so viele Freunde hat, das ist ein Verdienst des ehemaligen Oberkreisdirektors Robert Wirtz, der bis heute das arbeitsreiche Ehrenamt des Museumsvorstands ausfüllt. Und ein wirklicher Glücksfall für das Museum ist sein Direktor, Prof. Dr. Gerd-Christian Weniger. Glücksfall, weil er sowohl ein international angesehener Wissenschaftler ist, der dem Museum Respekt in der wissenschaftlichen Welt verschafft, als auch ein ideenreicher und geschickter Museumsmann, der zusammen mit seinen engsten Mitarbeitern, Dr. Bärbel Auffermann und Roland Ebbing dem Museum immer wieder positive Aufmerksamkeit verschafft.

Man darf beim Erklären der offenkundigen Glückssträhne einige wichtige Institutionen nicht vergessen: als erste die NRW-Stiftung, die das Museumsgebäude errichtet hat (und die sich damit der Anregung von Johannes Rau nicht verschloss). Dann der heimische RWE-Konzern, dessen damaliger Direktor Dr. Bernd Stoy seinem Vorstandsvorsitzenden Friedhelm Gieske deutlich machen konnte, wie sehr es den Konzern schmückt, wenn er die Ausgestaltung des Museum stiftet. Und schließlich die Kreissparkasse Düsseldorf mit ihrem Vorstandsvorsitzenden Ulrich Rüther. Sie hat durch einen namhaften Beitrag zur Stiftung Neanderthal Museum das Haus auf sehr viel kräftigere Beine gestellt. Und da will ich auch den Landschaftsverband Rheinland nicht vergessen, weil er bei seinen bedeutsamen Kulturförderungen in der Region meist das Museum auch nicht vergisst. Zum Schluss eine sehr persönliche Anmerkung. Auch Glückssträhnen sind nicht bloßer Zufall. Schon gar nicht im Neandertal, das vom Schicksal nicht immer begünstigt wurde. Deshalb fällt mir bisweilen der Anfang der zweiten Strophe jenes berühmten Liedes von Joachim Neander ein: Lobe den Herrn, der alles so herrlich regieret.


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Nur wenige archäologische Funde sind in einem solchen Maße bekannt und weltberühmt geworden, wie der Fund im Neandertal. Der Name „Neanderthaler“ gilt heute als Inbegriff für die frühen steinzeitlichen Menschen und er steht für die Evolution des Menschen. Heute würde bei einem vergleichbaren Fund wohl umgehend ein Museum errichtet. Im 19. Jahrhundert war das noch anders. Unsere Vorfahren wollten durch den Abbau des Kalks teilhaben an dem erhofften wirtschaftlichen Aufschwung. Da wurde keine Rücksicht auf die Natur genommen und Gedanken an ein Museum kamen erst gar nicht auf.

Robert Wirtz Vorsitzender des Vorstandes der Stiftung Neanderthal Museum

Um so erfreulicher ist die Umkehr dieser Einstellung im 20.- Jahrhundert. Der schon früh gegründete Naturschutzverein erkannte die Bedeutung des Fundes und eröffnete 1937 das erste Neanderthal Museum. Das Haus konnte allerdings trotz mehrfacher Umgestaltungen mit der gestiegenen, internationalen Aufmerksamkeit für den Fundort nie ganz mithalten. Alle nach dem Krieg gestarteten Versuche das Museum zu erweitern oder gar neu zu bauen scheiterten. Erst als der Kreis Mettmann in den achtziger Jahren die Initiative ergriff und einen Förderverein Neanderthal Museum initiierte, stiegen die Erfolgsausichten. Förderverein und Kreis gründeten die Stiftung Neanderthal Museum zum Bau und Betrieb des Museums. Die NRW – Stiftung stellte die Baukosten, die RWE AG spendete die Inneneinrichtung und die Stadt Mettmann stellte das Grundstück zur Verfügung. Und plötzlich ging alles ganz schnell.

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Im Oktober 1996 wurde das neue Neanderthal Museum durch den Bundespräsidenten eröffnet. Es fand vom ersten Tag an große Anerkennung und Zuspruch bei Besuchern, den Medien und besonders auch in der Fachwelt. Zahlreiche Berichte und Veröffentlichungen sind seitdem erschienen. Über 2,5 Millionen Besucher bis heute sind ein deutliches Zeichen für die Wertschätzung des Museums. Bei aller Freude über das Jubiläum sollten wir aber auch daran denken, daß noch einiges zu tun bleibt, um den Erfolg auch in Zukunft zu sichern. Das Neanderthal Museum lebt wie kaum ein anderes Museum von den Eintrittsgeldern seiner Besucher. Hohe Besucherzahlen gab es immer in Jahren mit attraktiven Sonderausstellungen. Die Dauerausstellung läßt dafür aber nur noch wenig Platz übrig. Hier muß langfristig Abhilfe geschaffen werden. Der Besuch der Fundstelle endet oft noch mit einer Enttäuschung. Zahlreiche Besucher erwarten einen Blick auf den Fundort mit der Feldhofer Grotte. Sie werden stattdessen zu einer Stelle geführt und angehalten sich diese Grotte in etwa 29 Metern Höhe vorzustellen. Überlegungen zu einer Neuinszenierung sind schon weit gediehen. Die Stiftung Neanderthal Museum möchte das Jubiläum auch gerne nutzen, um sich bei allen Zustiftern für das zur Verfügung gestellte Kapital und bei allen Sponsoren, Freunden und Besuchern unseres Museums herzlich zu bedanken. Bitte bleiben sie uns gewogen und helfen sie auch weiterhin mit, die Erfolgsgeschichte dieses einmaligen Museums in den nächsten Jahrzehnten fortzuführen.


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Bürgerschaftliches Engagement hat die gesamte Geschichte des Neanderthal Museums zutiefst geprägt. Seine Gründung vor 75 Jahren war kein Akt staatlicher Kulturpolitik, sondern beruhte auf dem Einsatz engagierter Bürger. Der Naturschutzverein Neandertal e.V. hat das erste Museum aus der Taufe gehoben und auch die weitere Entwicklung bis hin zur Errichtung des neuen Museums wurde getragen durch ein nie erlahmendes Engagement interessierter Bürgerinnen und Bürger. Die Gründung des Förderverein Neanderthal Museum e.V. kann als Initialzündung für das neue Museum gelten, das 1996 eröffnet wurde. Es zeichnet das Neandertal aus, dass dieser Ort der Weltkultur die Menschen der Region beflügelt hat, sich für ihr Kulturerbe einzusetzen, um es national und international sichtbar werden zu lassen. Prof. Dr. Gerd-Christian Weniger Museumsdirektor Vorsitzender der Neanderthaler-Gesellschaft e.V. Vorsitzender des Naturschutzvereins Neandertal e.V.

Nur auf diesem Wege konnte aus einer Heimatstube im Dachgeschoss des Mettmanner Rathauses ein internationales Forschungsmuseum im Neandertal werden. Funde aus den vom Naturschutzverein Neandertal e.V. initiierten und finanzierten ersten Ausgrabungen zwischen 1927 und 1929 waren wichtige Argumente für die Gründung des Museums. In allen weiteren Planungen spielte die Verbindung des Museums mit einem Forschungsauftrag eine zentrale Rolle. Dadurch ist das Neanderthal Museum heute in einer Breite aufgestellt, die wenige Museen vorweisen können. Vermittlung, Vermarktung und Forschung gegen Hand in Hand mit dem Ziel, das Museum mit allen Gruppen der Gesellschaft zu vernetzen. Das weite Spektrum der Besucher bestätigt dieses Konzept. Nur so gelingt es dem Museum heute, Jahr für Jahr über 70% seiner Kosten durch Umsatzerlöse und Drittmittel einzuspielen.

Das große öffentliche Interesse spornt das Museum und seine Akteure an, ständig auf der Suche zu sein nach einem adäquaten Format. Schon im Jahr der Eröffnung des ersten Museums 1937 wurde aufgrund des großen Besucheransturms postwendend seine Erweiterung gefordert. Auch heute, 75 Jahre später, ist das kulturelle Potential des Ortes noch längst nicht ausgeschöpft. Bürgerschaftliches Engagement ist weiterhin gefordert, um die Geschichte des Museums und seines Tales erfolgreich fortschreiben zu können.


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der Zustifter Nach einem flammenden Plädoyer des Landrats sprang der Funke dann auch wie erhofft auf die Verantwortlichen der Kreissparkasse über. Und in der Verwaltungsratssitzung am 20. Juni 2001 wurde beschlossen, 8.000.000 DM als Initialzündung in den Kapitalstock der fortan vermögenden Stiftung Neanderthal Museum einzulegen. Damit soll das Werk vieler Menschen, die mit Tatkraft, Herzblut und Verstand das Zuhause des Neanderthalers zu einem Kulturträger internationalen Ranges geformt hatten, für weitere Generationen erhalten und weiterentwickelt werden. Thomas Hendele Landrat des Kreises Mettmann Das weltbekannte Neandertal und sein Museum bilden das Kernstück der touristischen Attraktivität im Kreis Mettmann. 1921 wurde das Gebiet zum ersten Naturschutzgebiet Preußens. Unweit des Fundorts des Eiszeit-Menschen eröffnete 1937 ein urzeitgeschichtliches Museum, dem ein Journalist ‘den Charme einer Trafo-Station im Gebirge’ zusprach. 1962 wurde es umgestaltet und es gab Anbau-Pläne, die aber 1982 wegen des Naturschutzes scheiterten. Dem Neubau an anderer Stelle stimmte der Kreis 1985 zu. 1991 verpflichteten er und der Förderverein Neanderthal Museum sich, das neue Museum zu bauen und zu betreiben. Träger der Stiftung Neanderthal Museum wurden sie im Folgejahr. 1996 war der Kreis Mettmann stolz, die Museumstüren für die Besucher zu öffnen. Um die Einmaligkeit der Erlebnisse im Neandertal zu ermöglichen, wird er engagiert bleiben. Künftig sollen die Projekte ‘Erlebnis Neandertal’ und der Masterplan ‘NaturKulTour Neandertal’ das Tal nachhaltig ökologisch und touristisch aufwerten.

Ulrich Rüther Vorstandsvorsitzender der Kreissparkasse Düsseldorf Konnte der Neanderthaler schon selbstständig Feuer machen? Diese Frage wird unter Forschern bis heute äußerst kontrovers diskutiert. Seine ‚Nachlassverwalter’ jedoch beherrschten 40.000 Jahre später das Feuermachen nur all zu gut! Im Juni 2001 wandten sich die Verantwortlichen des Neanderthal Museums, an ihrer Spitze Landrat Thomas Hendele, mit einer im wahrsten Sinne des Wortes zündenden Idee an die Kreissparkasse Düsseldorf. Durch Reiben der bis dahin vermögenslosen Stiftung Neanderthal Museum an einem zu schaffenden ansehnlichen Kapitalstock sollte ein wärmendes Feuer für eine sichere Zukunft des Museums entfacht werden.

Auch in den Folgejahren war die Kreissparkasse gern mit Feuereifer dabei, wenn es darum ging, das Neanderthal Museum zu fördern. Zum Beispiel anlässlich des 150. Jahrestags seiner Entdeckung, als sich der Neanderthaler 2006 auf dem Karnevalswagen der Kreissparkasse unter die Jecken des Düsseldorfer Rosenmontagszugs mischte: Er präsentierte sich dem staunenden Publikum sowohl als ältester Jeck als auch als ältester Sparer der Welt. Tausende Narren erlebten einen Neanderthaler, der überhaupt nicht älter geworden zu sein schien. Ein schöneres Kompliment kann man ihm eigentlich nicht machen. Herzlichen Glückwunsch zum 75. Geburtstag an das Museum, in dem der Neanderthaler zu Hause ist!


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Jochen Borchert Präsident der Nordrhein-Westfalen-Stiftung Naturschutz, Heimat- und Kulturpflege

Milena Karabaic Landschaftsverband Rheinland, Leitung Dezernat Kultur und Umwelt

Liebe Leserinnen, liebe Leser, der Bau des neuen Neanderthal Museums in den 1990er Jahren war eines der ersten und ehrgeizigsten Projekte in der Geschichte der 1986 gegründeten Nordrhein-Westfalen-Stiftung. Aber unser großes Engagement für dieses hochinteressante Museum hat sich gelohnt, wie der anhaltend große Zuspruch der Besucher zeigt. Wir freuen uns, dass das Neanderthal Museum mit vielen engagierten Partnern heute so gut positioniert ist. Auch uns liegt sehr daran, dass dieses Haus für den weltweit vielleicht bekanntesten Menschen aus Nordrhein-Westfalen seiner Bedeutung entsprechend präsentiert wird. Gern hat die NRW-Stiftung deshalb auch geholfen, die Fundstätte für Besucher herzurichten, das alte Museumsgebäude als Steinzeitwerkstatt auszustatten und die Dauerausstellung zu aktualisieren. Das Museum thematisiert nicht nur Fragen der Evolution, es ist seit 75 Jahren auch Teil seiner eigenen Entwicklung und dabei auf einem guten Weg!

75 Jahre Neanderthal Museum in Mettmann Der Landschaftsverband Rheinland gratuliert dem Neanderthal Museum! Vor 75 Jahren öffnete es seine Pforten, um einem breiten Publikum das Leben der Neanderthaler zu erschließen. Seit 1996 ist seine Heimat nun im gelungenen Neubau in unmittelbarer Nähe zur Fundstelle, die 1997 und 2000 durch Grabungen des LVR-Amtes für Bodendenkmalpflege im Rheinland wieder entdeckt wurde, nachdem sie beinahe 150 Jahre lang für die Öffentlichkeit nicht zugänglich war. Der LVR als Zustifter und Mitglied im Stiftungsrat unterstützt die Positionierung des Museums als Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit seit Jahren. Er fördert die vielfältigen museumspädagogischen Aktivitäten, die es Groß und Klein gestatten, in das Leben der Eiszeitjäger einzutauchen und die Wechselausstellungen, die das Leben in der Frühzeit anschaulich machen und die Dauerausstellung ergänzen. Mit der Jubiläumsausstellung „Mensch Affe“ gelingt ein Einblick in die kulturgeschichtlichen Aspekte der Rezeption unserer nächsten Verwandten mit dem gewohnt versierten interdisziplinären Vermittlungsansatz des Präsentation.


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Bernd Günther Bürgermeister der Stadt Mettmann

Arno Werner Bürgermeister der Stadt Erkrath

Dr. Stephan Muschick Geschäftsführer RWE Stiftung

Liebe Freunde des Neanderthal Museums, als Bürgermeister der Kreisstadt Mettmann freue ich mich, dass das Neanderthal Museum sein 75jähriges Bestehen feiert. Zwar gibt es das Museum in seinem heutigen Erscheinungsbild erst seit dem Jahr 1996, doch ein ursprünglich kleineres Museum öffnete bereits 1937 seine Pforten. Woher kommen wir? Wer sind wir? Wohin gehen wir? Dies sind die zentralen, stets aktuellen Fragen, die durch das Museum führen. Heute ist das Neanderthal Museum aus dem Stadtbild und dem kulturellen Angebot Mettmanns nicht mehr wegzudenken. Denn wie keine andere Einrichtung hat das Museum Maßstäbe gesetzt. Das Haus, seine Ausstellungen und die Präsentation der Geschichte des Neanderthalers wurden national und international mehrfach ausgezeichnet. Mit rund 170.000 Besuchern im Jahr gehört das Neanderthal Museum zu den erfolgreichsten archäologischen Museen Deutschlands.

Meine langjährige Erfahrung mit Besuchergruppen im Rathaus hat gezeigt, dass sich das Interesse auf zwei wesentliche Punkte konzentriert. Der eine betrifft die Eisenbahngeschichte mit dem Bau der ersten westdeutschen Eisenbahnverbindung von Düsseldorf nach Erkrath im Jahre 1838. Dazu gehört auch die Steilstrecke zwischen Erkrath und Hochdahl, an welche noch die am Hochdahler Bahnhof aufgestellte ehemalige Umlenkrolle erinnert. Der zweite Punkt beschäftigt sich mit dem Neanderthaler, dessen Überreste im August 1856 auf Erkrather Stadtgebiet gefunden wurden. Prof. Dr. Carl Fuhlrott aus Elberfeld untersuchte die Knochen und kam zu dem Ergebnis, dass es sich um die Reste eines urtümlichen Menschen handeln müsse. Dieser urtümliche Mensch hat das Neandertal weltbekannt gemacht, so dass man im Ausland mit der Nennung dieses Namens mehr Aufmerksamkeit erzielt, als mit den Namen benachbarter Großstädte.

Mit Freude blickt das Neanderthal Museum auf das 75. Jubiläum seines Bestehens. RWE ist stolz darauf, auch einen Beitrag zu dieser Erfolgsgeschichte geleistet zu haben. Kein archäologischer Fund in Deutschland, der über 150 Jahre zurück liegt, ist weltweit so bekannt wie der Neanderthaler aus dem Namen gebenden Tal zwischen Erkrath und Mettmann. Jährlich lockt das multimediale Erlebnismuseum hunderttausende Besucher an, um den Neanderthaler, den ausgestorbenen Verwandten des heutigen Menschen, zu besuchen. Die entscheidenden Etappen der Menschheitsgeschichte macht eine wunderbare Zeitreise erlebbar: „Leben und Überleben“, „Werkzeug und Wissen“, „Mythos und Religion“, „Umwelt und Ernährung“ sowie „Kommunikation und Gesellschaft“.

Zu diesem Erfolg gratuliere ich und wünsche, dass auch zukünftig zahlreiche Besucher aus dem In- und Ausland den Weg in unser Neanderthal Museum und in die Neandertal-Stadt Mettmann finden.

Wir gehen voRWEg und fördern Kultur und Bildung. Uns geht es darum, zum Nachdenken anzuregen, neue Horizonte zu öffnen und ganz unterschiedliche Menschen miteinander in Kontakt zu bringen, um die Region nachhaltig zu stärken. Wir setzen durch unser Engagement im Kultur- und Bildungsbereich Impulse für unsere Gesellschaft.


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Chronik I. Etappe: Startschuss für das Neandertal

9. August 1921: Das Neandertal wird Naturschutzgebiet

1927–1929 Ausgrabungen im Neandertal

Im November 1920 gründet sich der Naturschutzverein Neandertal e.V. Seine Ziele sind der Schutz des Düsseltales und seiner verbliebenen Natur sowie die Würdigung des Ortes des weltberühmten Menschenfundes. Am 09.08.1921 hat der Verein bereits ein Ziel erreicht. Das Neandertal wird zum ersten Naturschutzgebiet im Freistaat Preußen erklärt. Im gleichen Jahr plant der Leiter des städtischen Realgymnasiums, Dr. Frieshammer, in Mettmann ein Heimatmuseum zu gründen, in dem Knochen und andere Funde aus den Kalksteinbrüchen ausgestellt werden sollen. Ab 1927 werden Funde im Dachgeschoss des heutigen Mettmanner Rathauses präsentiert.

Der Naturschutzverein finanziert Ausgrabungen unter der Leitung von Dr. Richard Rein (Leiter der staatlichen Hauptstelle für naturwissenschaftlichen Unterricht, Zweigstelle Düsseldorf) und Horst Sieloff vom Museum Löbbeke, Düsseldorf. Die Funde, Steinwerkzeuge und Überreste eiszeitlicher Tiere wie Rentier und Mammut, gehen in den Besitz des Vereins über.

9. August 1921: Das Neandertal wird Naturschutzgebiet

1927–1929 Ausgrabungen im Neandertal


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21. August 1935 Eröffnung des Wildgeheges Der Naturschutzverein pachtet Land im Neandertal mit dem Ziel dort Wisente, Auerochsen und andere Tiere zu halten. Anlässlich der Eröffnung des eiszeitlichen Wildgeheges zeigt die Presse sich begeistert: „Dann ziehen über die ‚Tundra‘ des Neandertals Wildarten, die die Erinnerungen an die Jagd unserer germanischen Vorfahren, ja an die der Eiszeitmenschen, der kleinwüchsigen Neandertalmenschen und der hochgewachsenen Renntier- und Mammutjäger, wieder wach werden lassen.“ Bei der Eröffnung spricht Landrat Tapolski. Der Kreisleiter Dr. Peter Berns ist Vorsitzender des Naturschutzvereins.

21. August 1935 Eröffnung des Wildgeheges


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II. Etappe: Das erste Museum im Neandertal

»Was wäre die Paläoanthropologie

ohne die Ur-Erzählung von den Urmenschen – die Geschichte vom Neanderthaler! Als Journalist habe ich diese Story begeistert aufgegriffen. Erste Adresse bei meinen Recherchen war das (neue) Neanderthal Museum. Wie ein Reliquienschrein birgt dieses Haus kostbare Knochen, ob sie nun echt sind oder dupliziert. Zugleich aber enthält es stets aktualisierte Information, zum Teil aus eigener Forschungstätigkeit. Durch eine zeitgemäße, nie schwülstige Präsentation erhält die Information etwas von dem zurück, was auch Reliquien umgibt. Eine Hülle, welche Wissenschaftler in Publikationen meist sorgfältig abtrennen, ohne die aber die Information nicht vollständig wäre: die Aura des Staunens.

1. Mai 1937 Eröffnung Neandertal-Museum Unter der Führung des Naturschutzvereins und mit Unterstützung der Gemeinden Mettmann, Gruiten, Erkrath und des Landkreis Düsseldorf-Mettmann wird das ehemalige Pumpenhaus der Hochdahler Hütte durch einen Hallenbau ergänzt und zum Museum ausgebaut. Dr. Richard Rein entwickelt ein Ausstellungskonzept und wird nebenamtlicher Museumsleiter. Die Ausstellung im neuen Museum wartet u.a. mit zwei elektrisch betriebenen Modellen auf. Eines zeigt die Entdeckung des Neanderthalers, das zweite veranschaulicht den „Werdegang und Erbstrom der Menschheit“. Letzteres entspricht jedoch nicht der nationalsozialistischen Ideologie. Daher muss das Museum kurz nach seiner Eröffnung auf politischen Druck hin wieder schließen. Kreisleiter Dr. Peter Berns erklärt, dass „die Entwicklung des Menschengeschlechts, vor allem aber die rassische Herkunft des germanischen Menschen [ist] nicht eindeutig und überzeugend dargestellt“ sei.

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Martin Meister (Hamburg) Chefredakteur GEO International

1. Mai 1937 Eröffnung Neandertal-Museum


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3. März 1938: Wiedereröffnung des Urgeschichtlichen Museums Nach der Umgestaltung unter Beteiligung des Reichsleiters für Vorgeschichte Prof. Dr. Hans Reinerth wird das Museum als „Urgeschichtliches Museum“ wieder eröffnet. Die Ausstellung konzentriert sich nun auf den Neanderthaler und ihr Rundgang endet mit der „rassengeschichtlichen“ Entwicklung des deutschen Volkes. Der große Erfolg des Museums lässt bald nach der Eröffnung den Ruf nach seiner Erweiterung laut werden. Geplant wird ein Freilichtmuseum, das auch die Freilegung der Wehranlage auf dem Blixberg/Butterberg vorsieht. Dem Naturschutzverein gelingt es 1939 offenbar beim Reichsjägermeister Hermann Göring Zusagen für eine finanzielle Unterstützung zu erhalten. Mit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs kommt das Vorhaben zum Erliegen. Dennoch werden der Besuch von Museum und Wildgehege durch die NSDAP propagiert.

3. März 1938: Wiedereröffnung des Urgeschichtlichen Museums

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III. Etappe: Erste Schritte nach dem Krieg

Das Museum während des Zweiten Weltkriegs Das Museum ist bis in die 1940er Jahre für die Öffentlichkeit zugänglich, wenngleich auch im Keller bereits 1939 Militärpferde untergebracht werden. Die Zusammensetzung der Besucher ändert sich: Während die Zahl der Zivilisten abnimmt, suchen mehr und mehr Wehrmachtsangehörige Wildgehege und Museum auf. In den letzten Kriegsjahren wird das Museum geschlossen, da das Gebäude zunächst als Unterkunft für Soldaten und dann für Fremdarbeiter genutzt wird. Das genaue Datum der Schließung ist unbekannt. Als eine Luftmine den Butterberg trifft, wird auch das Museum beschädigt. Spätestens jetzt werden alle Exponate magaziniert. Viele Objekte sind allerdings zerstört oder entwendet worden. Auch das Wildgehege ist gefährdet. Der Naturschutzverein hat Mühe, alle Tiere zu versorgen. Krankheiten dezimieren den Tierbestand.

Das Museum während des Zweiten Weltkriegs

10. Mai 1947 Wiedereröffnung Nach Kriegsende wird das Museum zügig wiedereröffnet. Da viele Exponate in den Kriegswirren verschwunden sind, vereinbaren der Naturschutzverein und das im Krieg zerstörte Museum Löbbecke aus Düsseldorf eine Kooperation: Das Museum Löbbecke stellt Exponate für die Ausstellung zur Verfügung und im Gegenzug erhält es die Einnahmen aus den Eintrittsgeldern. Der Naturschutzverein kündigt den Vertrag zum Dezember 1950, da er auf die Einnahmen angewiesen ist, um neue Tiere für das Wildgehege ankaufen zu können. Die Lücken in der Ausstellung des Museums werden provisorisch durch Fotografien aufgefüllt.

10. Mai 1947 Wiedereröffnung


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Die Umstrukturierung und Wiedereröffnung 1951/52

1956: 100 Jahre Entdeckung des Neanderthalers

1957: Neanderthaler Geschichtenwald

Auf der Vorstandssitzung des Naturschutzvereins im März 1950 nennt Dr. Karl Vogler, Referent für Heimatpflege beim Kultusministerium NRW sowie Betreuer des Kulturreferats im LVR als vordringlichste Aufgabe des Naturschutzvereins die Wiederherstellung der Ausstellung. Unter dem Eindruck der 1956 bevorstehenden 100-Jahrfeier der Entdeckung des Neanderthalers beschließt die Mitgliederversammlung des Naturschutzvereins Hans Große (Leiter des Heimatmuseums Hilden) und den frisch in Bonn promovierten Urgeschichtler Dr. Karl-Josef Narr mit der Entwicklung eines neuen Museumskonzeptes zu betrauen.

Im Jubiläumsjahr findet mit Unterstützung der Wenner-Gren-Foundation ein internationales Symposium in Düsseldorf statt. Die originale Schädelkalotte wird aus Bonn nach Düsseldorf verbracht und dort ausgestellt. Archäologen und Anthropologen aus aller Welt nehmen an der Enthüllung einer Gedenktafel am Rabenstein teil. Das Museum ist in die Festlichkeiten nicht einbezogen.

Museum und Wildgehege stehen wegen mangelnder Attraktivität in der Kritik. Der findige Unternehmer Erwin Lemmer aus Hochdahl will die touristische Attraktivität des Tales verbessern und plant die Einrichtung eines Neanderthaler Geschichtenwaldes. Im Stile der beliebten Märchenwälder sollen Blockhäuser im Gelände verteilt werden, die Szenen aus dem Leben der Neanderthaler zeigen. Ergänzt werden soll der Geschichtenwald durch ein Vogelhaus, ein Aquarium und ein Terrarium. Lemmer sieht Investitionsbedarf und meint, „dass 70 % fast aller geschlossenen Reisegesellschaften, die das Neandertal besuchten, missmutig und verärgert unser so gastfreundliches und schmuckes Tal verliessen. Die restlichen 30 % dagegen hatten ihren Ärger im Alkohol ertränkt, sodass selbst der „homo neandertalensis“ auf seinem Sockel im Garten der Neanderhöhle den so Scheidenden aufatmend ein ‚Lebewohl‘ nachhauchte“.

Am 20.03.1951 wird das Museum wiedereröffnet. Leihgaben von Originalen aus anderen Sammlungen stehen wegen der mangelnden technischen Ausrüstung des Hauses nicht zur Verfügung. Neben Knochenfunden eiszeitlicher Tiere aus dem Tal selbst werden Schädelabgüsse, Tierplastiken, Höhlenzeichnungen und Bilder der eiszeitlichen Großsäuger gezeigt. Schon kurz nach der Wiedereröffnung werden aufgrund rückläufiger Besucherzahlen und angesichts des bevorstehen Jubiläums Überlegungen angestellt, das Museum zu erweitern.

Lemmers Idee stößt auf Widerstand beim Naturschutzverein. Das Bauamt des Kreises Mettmann stimmt Lemmers Antrag zwar zu, die Naturschutzbehörde lehnt ihn jedoch ab und bringt das Projekt zu Fall.

1957: Neanderthaler Geschichtenwald

Die Umstrukturierung und Wiedereröffnung 1951/52

1956: 100 Jahre Entdeckung des Neanderthalers


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IV. Teil: Der Marathon zum neuen Museum

1960–62: Die Umgestaltung des Museums Der Naturschutzverein, die Kreisverwaltung Düsseldorf-Mettmann, sowie der Landschaftsverband Rheinland verfolgen seit Ende der 1950er Jahre Pläne für eine bauliche Erweiterung des Museums und eine Neuorientierung der Ausstellung. Das unter Prof Dr. Hermann Schwabedissen neu gegründete Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Köln erklärt sich zur Mitarbeit bereit. Schwabedissen verfolgt ein ganzheitliches Ausstellungskonzept, das den eiszeitlichen Menschen im Rahmen der Klima- und Umweltgeschichte präsentiert. Er beauftragt seinen Doktoranden Gerhard Bosinski mit der Umsetzung des Konzeptes. Zur Wiedereröffnung des Museums am 22.6.1962 sind auch bauliche Maßnahmen erfolgt. Fenster, Decken, Heizung und Beleuchtung sind erneuert worden. Besuchertoiletten und ein Kassenhäuschen werden eingerichtet. Die Ausstellungsfläche bleibt mit 300m² unverändert. Zur neuen Ausstellung gehört auch die erste wissenschaftliche Rekonstruktion des Original-Neanderthalers von Dr. Gerhard Wandel.

1960–62: Die Umgestaltung des Museums


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1968 Gründung des Zweckverband Erholungsgebiet Neandertal e.V. Der Kreis Mettmann, die Städte Düsseldorf, Erkrath, Haan, Mettmann, Wuppertal sowie der Naturschutzverein Neandertal e.V. schließen sich zu einem Zweckverband zusammen. Aufgaben des Verbandes sind die Erhaltung des Naherholungsgebietes Neandertal, die Pflege von Natur und Landschaft, sowie der Betrieb von Museum und Wildgehege. Verwaltungssitz ist die Winkelsmühle.

Rekonstruktion einer Neanderthalerin, Nina Kieser und Wolfgang Schnaubelt für das Neandertalmuseum 1993

1968 Gründung des Zweckverband Erholungsgebiet Neandertal e.V.


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1970–1977: Erste architektonische Entwürfe für einen Neubau


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1970–1977: Erste architektonische Entwürfe für einen Neubau Auf der Mitgliederversammlung des Naturschutzvereins am 23.10.1973 schlägt Alfons Biermann, Leiter des Rheinischen Museumsamtes, eine Zusammenarbeit des Neandertalmuseums mit dem Museumsamt und dem Rheinischen Landesmuseum vor. Das Neandertalmuseum soll als gemeinsame Außenstelle betrieben werden. Der Architekt Walter Arns entwirft darauf hin für den Standort des Museums ein neues architektonisches Konzept. Das alte Museumsgebäude wird zum Magazin und soll eine Präparationswerkstatt beherbergen. In einem Neubau sollen Dauer- und Sonderausstellungen sowie eine Forschungsabteilung untergebracht werden.

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1978 Ausstellungskonzeption

»Die Fundstelle des Namen gebenden

Neanderthalers von 1856 ist einer jener Orte, an denen Menschheitsgeschichte in besonderer Weise sichtbar wird. Aus einem kleinen Museum in einem alten Forsthaus entwickelte sich, ab 1996 in einem auch architektonisch gelungenen Neubau, ein attraktives Themenmuseum rund um die faszinierende Menschenform Neanderthaler. Vielfältige museumspädagogische Aktivitäten gestatten es Groß und Klein, in das Leben der Eiszeitjäger einzutauchen. Aktuelle Forschungen zur Zeit der Jäger und Sammler werden zeitnah in die Angebote des Museums integriert. Grabungen des LVR-Amtes für Bodendenkmalpflege im Rheinland in den Jahren 1997 und 2000 führten zur Wiederentdeckung der verloren geglaubten Fundstelle; wenige Jahre später folgte die Wiederherrichtung durch die Stiftung Neanderthal Museum. Damit ist auch jener magische Ort wieder erlebbar, an dem vor über 150 Jahren alles begann.

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PD Dr. Ralf W. Schmitz (Bonn) Kurator, Rheinisches Landesmuseum

Die Dauerausstellung in dem geplanten neuen Museumbau soll nun die Menschheitsgeschichte in ihrer Gesamtheit präsentieren mit einem Schwerpunkt auf der Eiszeit und dem Neanderthaler. Die Vorstellungen von Hermann Schwabedissen sehen eine Verzahnung von Museum und Forschung vor. Aus dem Heimatmuseum soll ein internationales Forschungsmuseum werden. Der Neubau ist in greifbarer Nähe. Denn der Naturschutzverein überträgt auf der Basis eines Erbbaurechtsvertrags das Museum an den Zweckverband. Der Landschaftsverband Rheinland sowie das Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität verpflichten sich, den zukünftigen Betrieb des Museums zu unterstützen. Zur Finanzierung des Neubaus wird eine Beteiligung des Landes NRW und der Bundesrepublik Deutschland angestrebt.

1979: Die Dringlichkeit des Vorhabens Die öffentliche Kritik am Zustand des Museums wird immer lauter. Besucher und Presse greifen das negative Bild immer wieder auf. Die Rheinische Post spricht am 09.06.1979 von einem „Bild des Jammers“ und einem Museum, das allen Grund habe, sich wegzuducken – schließlich sei es zu einer traurigen Knochensammlung „dahingewelkt“. Auch Karl-Josef Narr, Planer der ersten Stunde, äußert sich dahingehend, dass Besucher berechtigt seien, ihr Eintrittsgeld zurück zu verlangen.

1981: Die erneute Überarbeitung der Ausstellung Der Zweckverband veröffentlicht eine Broschüre, die den Planungsstand zusammenfasst. Für den Neubau des Museums werden 7,5 Mio. DM veranschlagt. Die Kosten sollen zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen, dem Landschaftsverband Rheinland sowie dem Zweckverband Neandertal aufgeteilt werden. Bei den Besuchern kalkuliert man mit 150.000 bis 200.000 Besuchern pro Jahr, die Eintrittsgelder von 2 DM bzw. ermäßigt 1 DM entrichten sollen. Die daraus resultierenden Einnahmen sollen für die Unterhaltskosten verwendet werden. Bei der Wiedereröffnung der unter Leitung von Prof. Gerhard Bosinski umgebauten Ausstellung im Juni 1981, sorgt die Rekonstruktion eines Neanderthalers, der nackt aber ohne Geschlechtsteil gezeigt wird, für Spott. Zwei Monate nach der Eröffnung sperrt der Kultusminister im August sämtliche Zuschüsse für einen Museumsneubau. Neben den Problemen bei der Finanzierung erfordern naturschutzrechtliche Bedenken die Suche nach einem neuen Standort. Klaus Beckmann leitet das Museum bis 1996 und unternimmt kleinere Aktualisierungen mit unzureichenden finanziellen Mitteln. In den 1980er Jahren hielt Volker Freund, als Vertreter des Kreises Mettmann, die Fäden in der Hand. Von der Winkelsmühle aus koordinierte er Besprechungen, Ortstermine, den Druck von Informationsbroschüren sowie die Korrespondenz.

1978 Ausstellungskonzeption

1979: Die Dringlichkeit des Vorhabens

1981: Die erneute Überarbeitung der Ausstellung


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1982: Gründung des Fördervereins Neanderthal Museum e.V. Die reine Wissenschaft Eine Episode aus dem Neandertal 1960-1970 Weiland da waren es einhundert Jahr

Die Jahre vergingen, es ging auch der Chef

Seit Fuhlrott die uralten Knochen hier sah.

Jetzt hatte ich Freiheit, das Fell das kam weg

Der Ort der Entdeckung war völlig verdreckt

Nun stand er gereinigt und nackt und auch bloß,

Der Fundplatz, der war unter Altöl versteckt.

Doch unten da war ja noch immer nichts los.

Die Welt, die verhöhnte die rheinische Art,

Als Zeugnis der reinen Wissenschaft

Den Urahn zu ehren; oh, war das so fad

haben wir ihn dann bekannt gemacht.

Nun wurde es nötig hier etwas zu tun,

Am Tage darauf da stand in der Presse

Die Sache war ernst, was machen wir nun?

Dass man es jetzt wohl genauesten wisse,

In Köln dort da war doch ein junger Student

Warum es ihn heute nun nicht mehr gäbe

Man glaubte, dass dieser die Sache gut kennt.

ohne das Ding da, dass er sich vermehre.

Und diesem sein Chef dann lakonisch befahl

Die Wissenschaft war nun ganz schrecklich blamiert.

Nun mach mal Museum Neandertal.

Der sexlose Adam wurd‘ magaziniert.

Steine und Knochen, die gab es genug

Ich glaube, es gibt ihn noch so oder so

Ein Mensch doch, der fehlte, und auch was er trug.

Im Bonner Museum und Monrepos.

Der Bildhauer Wandel, der hat ihn geschafft,

Im neuen Museum da wird es schnell klar,

Natürlich im Sinne der Wissenschaft

Dass Wissenschaft längst noch nicht alles war.

Die Größe die stimmte, die Muskeln, der Bauch,

Das Leben, das stellt doch viel mehr auf die Beine.

Die Haare doch fehlten und Anderes auch.

Als Stratigraphien und Knochen und Steine.

Die Tage vergingen, die Öffnung die kam,

Und was wir nicht wissen, was macht das denn schon,

Doch vorher da sah sich der Chef das noch an

Es bleibt doch am Ende die Illusion.

So nackt und so kahl, dass geht doch zu weit,

Das traurige Ende von unsrer Figur,

Sie lebten doch schließlich in kalter Zeit

Es stellt sie in Frage, die Wissenschaft pur.

Denkt auch an die Kinder, und hurtig und schnell, Erhielt unser Adam ein sehr großes Fell. Untröstlich, verärgert, beleidigt, geschafft Ob dieser Verhöhnung der Wissenschaft. Ertrug ich die Schmach nun für längere Zeit Natürlich und allzeit zur Rache bereit.

Prof. Dr. Gerhard Bosinski (St. Antonine de Nobel Val) Prähistoriker, Professor em. für Ur- und Frühgeschichte, Universität zu Köln und Forschungsbereich Altsteinzeit Neuwied

Unterstützer der Museumsidee aus Politik, Wirtschaft und Kultur gründen den Förderverein. An seiner Spitze stehen zunächst Eberhard von Brauchitsch, Alois Pfeiffer und Manfred Lahnstein. Im März 1985 scheidet der Zweckverband aus dem Museumsprojekt aus. Grund dafür ist vor allem die finanzielle Lage der einzelnen Mitglieder, die eine Beteiligung an dem Museumsneubau nicht erlaubt. Der Kreis Mettmann ist somit gezwungen, nicht nur einen neuen Standort, sondern auch neue Partner bei der Realisierung zu suchen.

1986: Das neue Ausstellungskonzept Unter dem neuen Vorsitzenden des Fördervereins, Prof. Dr. Dres. h.c. Gert Kaiser wird Prof. Dr. Winfried Henke mit Planungen zu einem neuen Ausstellungskonzept beauftragt. Das transdisziplinäre Konzept steht unter dem Motto: „Woher kommen wir? Wer sind wir? Wohin gehen wir?“

1982: Gründung des Fördervereins Neanderthal Museum e.V.


75 Jahre Neanderthal Museum

V. Etappe: Der Endspurt zum neuen Museum

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1987: Die NRW-Stiftung sagt Unterstützung zu Im Jahr 1986 wird Ministerpräsident Johannes Rau Mitglied im Förderverein. Im Jahr darauf erklärt die NRW-Stiftung Naturschutz, Heimat und Kulturpflege auf einer Pressekonferenz am 22.10., den Neubau des Museums mit 12 Mio. DM zu unterstützen.

»Es gibt wohl keinen geeigneteren

Landrat Pensky mit dem Neanderthaler auf Tournee in Berlin-Wedding.

Ort für ein Evolutionsmuseum als das Neandertal. So dachten auch die Gründer des ersten Neandertal-Museums – mit vollem Recht, denn der ‚Neanderthaler‘ gilt seit seiner Entdeckung 1856 als Synonym für den Urmenschen, ist Mythos und wissenschaftliches Dokument zugleich. Das Museum war anfangs ideologisch belastet und blieb in den Nachkriegsjahren ‚provinziell‘. Nachdem die Pläne für ein renommiertes „Schaufenster der Eiszeit“ scheiterten, war auch meine Enttäuschung groß, da ich als anthropologischer Berater involviert war. Mit großer Freude sagte ich deshalb 1986 zu, als Herr Professor Gert Kaiser mich um den Entwurf einer Einrichtungskonzeption bat. Meine Beratungstätigkeit, der Architektenwettbewerb und die Eröffnung des neuen Hauses sowie die stets befruchtende Zusammenarbeit mit Herrn Kollegen Gerd-Christian Weniger und seinen Mitarbeitern habe ich in angenehmster Erinnerung. In diesem Sinne freue ich mich über das hohe internationale Renommee des Forschungsmuseums und wünsche der Leitung und allen Mitarbeitern zum 75-jährigen Jubiläum weiterhin viel Erfolg!

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Apl. Prof. Dr. Dr. h. c. Winfried Henke (Mainz) Professor für Anthropologie, Universität Mainz

1987: Die NRW-Stiftung sagt Unterstützung zu


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75 Jahre Neanderthal Museum

Ankauf des Grundst端ckes Die Stadt Mettmann erwirbt das Grundst端ck des Neanderhofes und stellt es als neuen Museumsstandort zur Verf端gung. Andere Standorte scheiden dadurch aus.

1987: Ankauf des Grundst端ckes

1987: Die Umsetzung des Ausstellungskonzeptes


75 Jahre Neanderthal Museum

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1988: Grundlagen für die Organisationsform Der Kreistag des Kreis Mettmann beschließt der geplanten Stiftung Neanderthal Museum beizutreten und das Betriebskostendefizit des zukünftigen Museums zu übernehmen. Am 18.11.1989 findet in Mettmann ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziertes und vom Förderverein organisiertes wissenschaftliches Symposium statt, von dem neue Impulse für das Ausstellungskonzept ausgehen sollen. Ziel ist, dem Museum und seinem Konzept einen unverwechselbaren Charakter zu verleihen.

1987: Die Umsetzung des Ausstellungskonzeptes

Im Jahr 1990 entwickeln sich Kontakte zu RWE AG, die Rolf Zehetbauer beauftragt einen Entwurf zur gestalterischen Umsetzung

Der Förderverein beauftragt neben Prof. Dr. Winfried Henke den Direktor des Naturkunde Museums Münster, Prof. Dr. Ludwig Franzisket, ein Raumund Ausstellungskonzept zu konkretisieren.

des Ausstellungskonzeptes vorzulegen.

1988: Grundlagen für die Organisationsform


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75 Jahre Neanderthal Museum

1991–1992: Gründung der Stiftung Neanderthal Museum

1993–1994: Der Architektur­ wettbewerb

Der Förderverein Neanderthal Museum e.V. der Kreis Mettmann, die NRW Stiftung Naturschutz, Heimat und Kulturpflege und die Stadt Mettmann sichern über mehrere Verträge die Gründung der Stiftung Neanderthal Museum ab, deren Aufgabe der Betrieb des Museums ist. Der Kreis und der Förderverein sind die Träger der vermögenslosen Stiftung Neanderthal Museum. Die NRW-Stiftung gewährt der Stiftung Neanderthal Museum den Nießbrauch an dem geplanten Museumsbau, für den sie 12 Mio. DM bereit stellt. Die Stadt Mettmann stellt das Grundstück für den Museumsbau im Rahmen eines Erbbaurechtsvertrags zur Verfügung. Die RWE AG sagt zu, 5,5 Mio. DM für die Einrichtung des Museums beizusteuern. Prof. Dr. Dres. h.c. Gert Kaiser wird zum ersten Vorsitzenden der Stiftung gewählt. Oberkreisdirektor Robert Wirtz wird zum Geschäftsführer der Stiftung gewählt.

Die Stiftung Neanderthal Museum lobt einen Wettbewerb für das neue Museum aus, an dem 136 Büros teilnehmen. Die Stiftung beauftragt die Gewinner des 1. und des 2. Preises mit einer Überplanung ihrer Wettbewerbsentwürfe und beauftragt schließlich Günter Zamp Kelp, Julius Krauss und Arno Brandlhuber aus Düsseldorf mit der Planung des neuen Museums.

1991-1992: Gründung der Stiftung Neanderthal Museum

1993-1994: Der Architekturwettbewerb

1993: Wissenschaftliche Planungsgruppe


75 Jahre Neanderthal Museum

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1993: Wissenschaftliche Planungsgruppe Die Stiftung Neanderthal Museum beruft den Urgeschichtler Prof. Dr. Gerd-Christian Weniger zum wissenschaftlichen Leiter der Planungsgruppe. Er steht einem Team externer Experten aus Wissenschaft, Museumskunde, Medien und Marketing vor, das als „Think Tank“ das Museumskonzept weiter entwickelt. Ab 1995 wird er von Dr. Bärbel Auffermann als Volontärin unterstützt. Die französischen Ausstellungsgestalter CREAMUSE erhalten schließlich den Auftrag, die Ausstellung zu realisieren.

1994: Schenkung der RWE AG Im Rahmen eines Schenkungsvertrages stellt die RWE AG dem Förderverein Neanderthal Museum 5,55 Mio. DM für die Einrichtung des Museums und seiner Ausstellung zur Verfügung.

10. Oktober 1996: Eröffnung des neuen Neanderthal Museums Im Beisein des Bundespräsidenten Roman Herzog und des Ministerpräsidenten von NRW, Johannes Rau wird das neue Neanderthal Museum nach einer Bauzeit von 12 Monaten und einer Planungs- und Bauzeit von 24 Monaten für die Dauerausstellung eröffnet. Das neue Museum wird sofort zu einem Besuchermagneten und hat in den ersten 12 Monaten 240.000 Besucher.

1994: Schenkung der RWE AG

10. Oktober 1996: Eröffnung des neuen Neanderthal Museums


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75 Jahre Neanderthal Museum

Seit 1962 ist das Neandertal mein Wohnund Bürostandort. Dr. Martin Dohrmann und Dr. Klockenhoff haben mich in den 60er Jahren in den Naturschutzverein Neandertal geworben und im Förderverein haben meine Frau und ich die Mitgliedsnummer 65.

»In den 60er und frühen 70er Jahren

war das Tal noch nicht so verbuscht wie heute und ökologisch und ästhetisch vielfältiger. Besonnte Magerwiesen waren noch vorhanden und es gab Sichtachsen auf reizvolle Landschaftselemente wie Laubach Wasserfall, Glühwürmchenfelsen, besonnte Felswände und alte Steinbruchkanten, usw. die nach Süden, Südwesten und Südosten orientierten Felswände waren Wärmespeicher mit besonderer Flora und Fauna. Mein Anliegen ist, dass diese Vielfalt wieder erreicht wird. Der Höhenpfad muss kommen. Die vorsichtige Erschließung der reizvollsten Landschaftsbereiche für den Menschen verträgt sich durchaus mit Belangen des Naturschutzes. Es ist eine von Menschen gemachte Landschaft hier und der Mensch muss gestalterisch eingreifen, damit sie nicht zur Monokultur verkommt.

1998: Steinzeitwerkstatt

1998: Ankauf der Fundstelle

In den Räumen des alten Museums wird zunächst provisorisch ein Zentrum für die Didaktik der Steinzeit eingerichtet, das von Besuchergruppen, insbesondere Schulklassen, hervorragend angenommen wird.

Mit Unterstützung der NRW Stiftung erwirbt die Stiftung Neanderthal Museum von der Rheinisch-Westfälischen Kalkwerke AG das Gelände des Frauenhofer Steinbruchs, auf dem sich auch das Areal des ehemaligen Fundortes befindet. Bei Sondagen im Jahr zuvor, hat das Rheinische Amt für Bodendenkmalpflege Reste der Sedimentfüllung der Kleinen Feldhofer Grotte entdecken können. Ausgrabungen im Jahr 1997 und 2000 erlauben es, die Lage der zerstörten Feldhofer Grotte zu lokalisieren (s. Bild oben)

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Richard Bödeker (Mettmann) Landschaftsarchitekt

1998: Steinzeitwerkstatt

1998: Ankauf der Fundstelle


75 Jahre Neanderthal Museum

EUROGA 2002plus: Fundstelle, Steinzeitwerkstatt und Skulpturenpfad Der Kreis Mettmann und die Stiftung Neanderthal Museum beteiligen sich an der Regionalen des Landes NRW. Für die Gestaltung des Fundortes des Neanderthalers wird ein internationaler Wettbewerb für Landschaftsarchitekten ausgelobt. Das Büro Lützow 7 gewinnt den Wettbewerb. Aus der Industriebrache werden ein archäologischer Park und der Fundort erstmals für die Öffentlichkeit zugänglich. Das alte Museumsgebäude wird renoviert und zum einem didaktischen Zentrum ausgebaut. Im Obergeschoss wird die wissenschaftliche Abteilung des Museums eingerichtet. Entlang der Düssel entsteht der Skulpturenpfad „MenschenSpuren“. Zehn Künstler von internationalem Renommee setzen sich in ihren Arbeiten mit dem Konflikt Mensch – Natur auseinander.

10.10.2006: Eröffnung der neugestalteten Dauerausstellung Zum 150jährigen Jubiläum der Entdeckung des Neanderthalers wird die Dauerausstellung des Museums im laufenden Betrieb umfassend überarbeitet.

EUROGA 2002plus: Fundstelle, Steinzeitwerkstatt und Skulpturenpfad

10.10.2006: Eröffnung der neugestalteten Dauerausstellung

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75 Jahre Neanderthal Museum

2006: Zustifterinitiative Ein zur Jahrtausendwende begonnener Prozess mit der Genehmigung der neuen Stiftungssatzung macht aus der vermögenslosen Stiftung Neanderthal Museum eine vermögende Stiftung. Der Kreis Mettmann, die Kreissparkasse Düsseldorf, der Landschaftsverband Rheinland, die NRW-Stiftung sowie die beiden Städte Mettmann und Erkrath stellen durch Zustiftungen ein Vermögen bereit, das für die Erfüllung des Stiftungszwecks eingesetzt werden kann.

17.03.2009: Neanderthaler Gesellschaft e.V. Der Förderverein Neanderthal Museum e.V. wird in die Neanderthaler Gesellschaft e.V. umbenannt, mit dem Ziel, nicht nur das Museum, sondern auch wissenschaftliche Projekte zur frühen Menschheitsgeschichte zu fördern, für eine freie Forschung in der Gesellschaft zu wirken und die breite Öffentlichkeit über die weltgeschichtliche Bedeutung des Neanderthalers aufzuklären.

VI. Etappe: Auf der Zielgeraden?

2010: Masterplan Seit 2004 lotet eine Arbeitsgruppe aus Vertretern des Kreis Mettmann und der Stiftung Neanderthal Museum Möglichkeiten aus, das kulturelle Erbe Neanderthaler und die Naturschätze des Tales kulturtouristisch weiter aufzuwerten. Mit Unterstützung des Landes NRW starte in 2010 der Masterplan NaturKulTour, der alle Träger öffentlicher und privater Belange im Tal zusammenbringt, um die Zukunft des Tales gemeinsam weiter zu entwickeln.

2012: 75 Jahre Neanderthal Museum – die Geschichte geht weiter Die Stiftung beteiligt sich mit dem Fundort des Neanderthalers an dem Aufruf des Landes NRW, potentielle Orte für die Aufnahme in die Liste des Weltkulturerbes der UNESCO zu benennen.

17.03.2009: Neanderthaler 2010: Masterplan Gesellschaft e.V.

2006: Zustifterinitiative


75 Jahre Neanderthal Museum nichts. Das ist die rheinische Baubremse, die vor allem linksrheinisch zwischen dem Kastell Confluentes und Castrum Novaesium, also zwischen Koblenz und Neuss prima zündet. Für die Archäologen des Neandertals aber kann der banale Römer nicht mithalten. Aus Sicht dieses famosen Museums auf der Schäl Sick sind römische Funde neumodischer Plunder. Grußwort des Bundespräsidenten Sie haben richtig gelesen. Zu einem so würdigen Anlass müsste eigentlich der Bundespräsident zu Wort kommen. Aber bis zur Drucklegung dieser Schrift war noch keiner im Amt. Und bevor sein Stellvertreter Seehofer aus Bayern bemüht wird, mach ich das hier mal.

»Der Kirchenmusiker Neander (1650–

1680) war – wie der künftige Bundespräsident – evangelischer Pastor und hieß obendrein wie dieser Joachim. Nur weil der musikalische Gottesmann das Tal oft durchwanderte, ist er letztlich schuld, dass wir heute das Neandertalmuseum feiern. Denn indem man das schroffe Tal an der Düssel nach ihm benannte, gab er unseren ausgestorbenen Verwandten seinen Namen. Gut, der Benennung des Neanderthalers ausgerechnet nach dieser Schlucht haftet eine gewisse Zufälligkeit an – schließlich hat man auch anderswo auf der Welt Skelettteile dieser Gattung gefunden – aber in unserer Region sorgt man eben dafür, dass Zufälle nicht dem Zufall überlassen werden.

2012: 75 Jahre Neandertal Museum – die Geschichte geht weiter

Schließlich erlebt man bei uns im Rheinland Geschichte auf Schritt und Tritt, liegt sie doch unmittelbar unter uns. Machen Sie mal einen Spatenstich in die Erde: Erst kommt der Regenwurm, dann der Römer. Das ist übrigens sehr praktisch, wenn Sie einen Nachbarn haben, der irgendetwas baut, was Ihnen nicht passt. Dann schmeißen Sie einfach eine alte römische Scherbe in die Baugrube, ein Anruf genügt, dann kommen die Archäologen, die finden diese Scherbe dann zufällig, und dann passiert erstmal zwei Jahre lang

Hier werden elementare Fragen des humanen Lebens und Werdens beantwortet: Der Mensch – was macht der eigentlich beruflich? Die längste Zeit unserer Existenz waren wir Jäger und Sammler. Die Männer eher Jäger, die Frauen eher Sammler – deswegen haben Frauen heute noch Handtaschen. Lange hatten wir vom Neanderthaler das Bild eines primitiven Affen, der tumb in der Höhle haust. Weit gefehlt. Heute weiß man: Er hatte bereits Zelte, machte wie wir Camping. Nun werden Sie einwenden: Camping ist, wenn man seine eigene Verwahrlosung als Erholung empfindet. Doch Vorsicht! Der Neanderthaler war kultiviert, hatte Werkzeuge und Waffen, ging auf die Jagd und hat reichlich Fleisch verzehrt, also viel Eiweiß. So kam er zu einem Gehirn mit stolzen 1600ccm Volumen! Da kommt unsereins nicht mit, wir müssen mit bescheidenen 1500ccm durchs Zentralabitur. Damit wir trotzdem alles verstehen, hat man hier im Neandertalmuseum alles so wunderbar plastisch aufbereitet, und man ist fast traurig, dass der Homo Sapiens wie du und ich den Homo Neandertalensis einst verdrängt hat. Aber weiß man´s? Wenn ich mir die kluge Konversation, die prägnante Schädel-Physiognomie, die kräftigen, hervorstehenden Augenbrauen, das volle Haar und den unbändigen Freiheitsdrang vor Augen führe, so glaube ich: Der Neanderthaler hat überlebt – und ist soeben Bundes­ präsident geworden. Wenn das kein Grund zum Feiern ist!

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Jürgen Becker (Köln) Kabarettist


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75 Jahre Neanderthal Museum

»Neanderthaler liefen den ganzen Tag

mit Knüppeln durch die Gegend“ und „Museen sind langweilige Lagerhallen voll mit altem Zeug“ – nicht zuletzt Dank des Neanderthal Museums sind das längst widerlegte Halbwahrheiten und Vorurteile. Man muss sich nur die enorme Bandbreite des Museumsprogramms und seiner Themen zwischen Urgeschichte(n) und den großen Fragen der Gegenwart und Zukunft ansehen, um zu erkennen, warum dieses besondere Museum einen hervorragenden Ruf unter Experten genießt und zugleich immer mehr kleine und große Fans begeistert. Im Neanderthal Museum wird aus grauer Vorzeit lebendige Geschichte. Etwas Besseres kann man über ein Museum nicht sagen. Ich gratuliere herzlich zum jugendlichen Fünfundsiebzigsten!

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Hannelore Kraft (Düsseldorf) Ministerpräsidentin des Landes NordrheinWestfalen

Als am 10. Oktober 1996 das neue Museum eröffnet wurde, war endlich eine kulturelle Herausforderung von europäischem Rang angenommen worden: ein Museum war entstanden an dem Ort, der ein wichtiges Kapitel europäischer Kulturgeschichte geschrieben hat.

Das Museum heute Seitdem haben über 2,5 Millionen Menschen das Neanderthal Museum besucht. Das Tal hat sich mit Herrichtung der Fundstelle, dem Kunstweg MenschenSpuren und der Etablierung der Steinzeitwerkstatt in den Räumen des alten Museums weiter entwickelt. Zur Zeit laufen die Planungen für „Erlebnis Neandertal“ zur naturverträglichen kulturtouristischen Aufwertung des Tales, sowie die Bewerbung um das Weltkulturerbe-Siegel der Unesco. Das Neanderthal Museum ist als Stiftung bürgerlichen Rechts organisiert, mit dem Kreis Mettmann als zentralem Gewährsträger. Es gehört zu den wenigen Museen in Deutschland, denen es gelingt, sich vor allem aus Eintrittserlösen und eingeworbenen Drittmitteln zu finanzieren. Jährlich werden im Bereich Führung und Didaktik weit über 3.000 Veranstaltungen durchgeführt. Neben den 150.000–160.000 Besuchern in Dauer- und Sonderausstellungen kommen so bis 25.000 Menschen jährlich in die Steinzeitwerkstatt. Der hohe Anspruch an die Eigenfinanzierung ist eine große Herausforderung, die sich in der Ausrichtung des Museums und auch in der täglichen Museumsarbeit widerspiegelt.


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75 Jahre Neanderthal Museum

Besucherzahlen

»Ein wunderbares Museum! Weltweit Ausstellungen Seit der ersten Sonderausstellung im neuen Neanderthal Museum „Ötzi“ wurden im Untergeschoss des Museums 35 Ausstellungen zu den verschiedensten kulturgeschichtlichen Themen gezeigt. Ziel ist es, mit Ausnahme der Ab- und Aufbauphasen kontinuierlich Sonderausstellungen zu präsentieren. Darunter sind Ausstellungen, die von anderen Häusern übernommen wurden, die gemeinsam mit anderen Museen entwickelt wurden und auch Ausstellungen, die in Eigenkonzeption entstanden. Letztere werden in der Folge als Wanderausstellungen auf dem europäischen Markt angeboten und spielen Einnahmen für das Museum ein.

Dr. Bärbel Auffermann ist als stellvertretende Museumsdirektorin zuständig für das Ausstellungsmanagement. Ihr ist es gelungen, dem Neanderthal Museum trotz der begrenzten Ausstellungsfläche ein national und international anerkanntes Profil für erfolgreiche, besucherorientierte Ausstellungen zu verschaffen.

bekannt und anerkannt. Ergänzen sollte man es durch ein „Museum der Zukunft“, das die technischen und sozialen Entwicklungen der nächsten Jahrzehnte abschätzt. Erkrath – Fundort des Neanderthalers, ein Alleinstellungsmerkmal, das von der Mehrheit der heute auf der Erde lebenden Menschen verstanden wird. Dazu ein seriöser Blick in die Zukunft. Dieser Ort könnte für die Evolutionsgläubigen das werden, was Mekka für die Muslime ist. Zuviel für Erkrath?

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Hasso von Blücher (Erkrath) Unternehmer


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75 Jahre Neanderthal Museum

»Schon sehr lange hatten wir bedauert,

dass es den bisherigen Museen nicht gelingen wollte, die große Bedeutung des Fundes hier im Tal angemessen zu würdigen, obwohl seit mehr als 100 Jahren alle namhaften Lexika dieser Erde den „Neanderthaler“ erwähnen und ihn zum bekanntesten Bewohner unserer Heimat machten. Erst der Initiative der auch heute noch in Leitung der Neandertal- Gesellschaft und des Museums tätigen Verantwortlichen ist es zu verdanken, dass mit dem Neubau des jetzigen Hauses mit großem Erfolg nicht nur eine neuartige informative Museumskonzeption umgesetzt wurde, sondern auch die wissenschaftliche Erforschung der Evolution des Menschen weiter vorangetrieben wird. Uns lag daran, deutlich zu machen, dass auch Bürger dieses „Neandertal-Landes“ mit bescheidenen Beiträgen helfen können, gesetzte Ziele zu verwirklichen und ihre Verbundenheit mit dem Museum zu zeigen. Unsere Stiftung HABRIS soll dies noch lange tun. Als Förderer der ersten Stunde gratulieren wir zum 75-jährigen Bestehen des Neanderthal Museums ganz herzlich, wünschen immer viele wissbegierige oder „nur“ neugierige, aber stets zufriedene Besucher und der Forschungstätigkeit mindestens soviel Erfolg, dass sie immer wieder Freude macht.

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Pleistocene People and Places

nespos.org

Forschung von der DFG finanzierten und an der UniverDas Neanderthal Museum hat sich unter der sität Köln beheimateten SonderforschungsLeitung von Prof. Dr. Gerd-Christian Weniger bereiches „Our way to Europe“ die Proseit seiner Eröffnung im Jahre 1996 zu einer jektgruppe „Westlicher Mittelmeerraum“. international anerkannten Institution zur Erforschung der frühen Menschheitsgeschichte Darüber hinaus finden regelmäßig internationale Tagungen und Symposien statt, entwickelt. Mehrere Forschungsprojekte im die transdisziplinäre Forschungskontakte europäischen Verbund wurden von Drittmitund Denkprozesse anregen. Die Ergebnisse telgebern gefördert. Es betreut mit NESPOS dieser Tagungen werden in einer eigenen die größte Datenbank zur Archäologie der Schriftenreihe vorgelegt. Eiszeit weltweit. Aktuell koordiniert das Neanderthal Museum im Rahmen Anzahl der des Führungen 1997 bis 2011

Anzahl der Führungen

3.000

Hans & Brigitte Schmits (Mettmann) 2.250

1.500

750

1997 1998 1999 2000 2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

0 2008

2009

2010

2011


75 Jahre Neanderthal Museum

Marke Im Vorfeld des Jubiläums 2006 intensivierte die Stiftung Ihre Anstrengungen das Markenprofil des Neanderthal Museum zu schärfen. Im Anschluss an die Erstellung der Neanderthaler Rekonstruktion, die in Anlehnung an eine WDR-Dokumentation etwas augenzwinkernd den Namen „Mr. N.“ erhielt, wurden mit Unterstützung von Grafikern und Fotografen so genannte Keyvisuals und ein neues Corporate Design entwickelt, welches in den folgenden Jahren auf sämtliche Medien des Museums übertragen wurde. Maßgeblich geprägt wurde das neue Marketingkonzept vom stellvertretenden Direktor Roland Ebbing, der seit Ende 2004 für die Bereiche Finanzen, Marketing und Personal verantwortlich ist; „Die Marke Neanderthal Museum emotional aufzuladen und weite Kundenkreise für unser Haus zu begeistern, ist unser Ziel“.

Neben dem Design der Medien und einer veränderten Kundenkommunikation stand auch eine Reform des Museumsshops und seines Sortimentes auf dem Plan. Auch hier zeigte sich binnen kürzester Zeit die positive Verschmelzung von Innenarchitektur, CorpoFinanzen Museum rate Design und einer Kundenorientierung, die in der Museumslandschaft Ihres Gleichen sucht. Reaktionen auf dieses ganzheitliche Markenverständnis ließen nicht lange Kreis Mettmann auf sich warten. 2008 zählte das 16% Neanderthal Museum zu den Top 10 der deutschen Kulturmarken. Auch Zinserträge die Weiterentwicklung der digitalen 10 % Marke in Form von Internetseite, Social-Media-Präsenzen und SmartDrittmittel 10 % phone-App brachten große Anerkennung in der Fachwelt, in Publikationen Umsatzerlöse Museum und weit darüber hinaus. 63 %

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75 Jahre Neanderthal Museum

Shop Den Museumsshop des Hauses betreibt die Stiftung in eigener Regie. Er trägt mit seinen Erlösen zur Finanzierung des Gesamtbetriebes bei. Unsere Shopmanagerin Petra Jäschke B.A. hat in den zurückliegenden Jahren ein Konzept für Shopbetrieb und -sortiment entwickelt, welches in der Museumslandschaft große Beachtung findet. Der fein abgestimmte Mix an außergewöhnlichen Präsenten, exklusiven Geschenkartikeln und besucherorientierten Souvenirs für „groß und klein“ macht den Erfolg aus. Die Weiterentwicklung der Eigenprodukte hin zu einer „Reseller-Kollektion“ betreibt die Stiftung ebenfalls mit Erfolg. Die Produkte des Neanderthal Museum finden sich somit in den Museumsshops namhafter deutscher Häuser und des deutschsprachigen Auslandes wieder. Anzahl der Veranstaltungen in der Steinzeitwerkstatt 1997 bis 2011

Workshops in der Steinzeitwerkstatt

2.000

1.500

1.000

500

1997 1998

1999

2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

0 2009

2010

2011

Steinzeitwerkstatt Im Museum und seinem erlebnispädagogischen Bereich, der Steinzeitwerkstatt, finden jährlich über 3000 Veranstaltungen statt: Führungen, Workshops, Seminare, Steinzeitgeburtstage und Lehrerfortbildungen. Bereits mit Neueröffnung 1996 startete das Museum mit einem differenzierten Führungsangebot. Seit 1998 wurde in den Räumen des alten Museums die Steinzeitwerkstatt betrieben, die 2002 mit Mitteln der Euroga 2002plus renoviert wurde. Der Leiterin der Museumspädagogik, Beate Schneider M.A., gelang es in den vergangenen Jahren, das Museum als außerschulischen Lernort in Nordrhein-Westfalen zu etablieren. Die pädagogischen Angebote des Museums sind auf die Lehrpläne der verschiedenen Altersstufen und verschiedener Fächer abgestimmt.

»Als ich das Museum betrat hatte ich

gleich das Gefühl, dass der Bursche im Eingang irgendwie mit mir verwandt war. Vielleicht lag es aber auch daran, dass meine Mutter früher, wenn es Gehacktes zum Essen gab, immer zu mir gesagt hat: Los Michael – iss das „Mett Mann“! Auf alle Fälle habe ich mich sofort wie zuhause gefühlt. Das Passfoto meines Vorfahren hat dann endgültig alle Zweifel beseitigt. Ich wünsche allen Besuchern in den nächsten 75 Jahren, dass es ihnen im Museum genauso gut gefällt wie mir. Beste Grüße aus der Hammaburg!

«

Mike Krüger (Hamburg) Komiker, Kabarettist und Sänger


75 Jahre Neanderthal Museum

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I subsequently returned to Bonn in 1985 to collect more data (this time radiographic for cross-sectional geometric analyses) from both the Neandertal remains and the late Upper Paleolithic Oberkassel skeletons.

75 Jahre Neanderthal Museum

»The Neandertal find is still one of the

most important in the history of palaeoanthropology, and it is very appropriate that there is a wonderful Museum to celebrate it, and place it in context. Congratulations to the Neanderthal Museum on its 75 years from someone who began his career with the study of the Neander Valley fossil, and who has enjoyed visiting the Museum many times!

«

Dr. Chris Stringer (London) Paläoanthropologe, Natural History Museum London, “Head of Human Origins”

»In 1973, as a naïve graduate student,

I spent the fall travelling around Europe looking at the leg and foot bones of Neanderthals, and secondarily at the remainder of the skeleton as available. In the course of my travels, I took the train from Brussels via Cologne to Bonn (only realizing I was on the right train after it had left the Cologne station), found a little hotel in Bonn, managed to reserve a room in German, and located the Rheinisches Landesmuseum. I had previously received permission from Hans Joachim to examine the human remains from the Neandertal, so I made my way on a cold and damp November morning to the museum. I was warmly received, and the postcrania of the skeleton appeared in a padded wooden box (described to me as “die Heilige Kuh”). The calotte (“die ganz Heilige Kuh”), then on display was not available for study.

Over the years, in analyses of both the Neanderthals and early modern humans, the data I gathered from the Kleine Feldhofer Grotte remains and the Oberkassel ones (morphometric, biomechanical and paleopathological), has become integral to what is really of interest to me, and has been since the beginning of my paleontological forays. The concern is with them as people, as seen through their paleobiology, and not necessarily with whom they had sex (which, after all, is what the phylogenetic analyses really concern). I, and the field, have moved far beyond my initial doctoral investigations of Neandertal feet and knees. Methods have changed. The fossil record has grown and been cleaned up. Most paleontologists look beyond the Neanderthals in the Late Pleistocene, especially to early modern humans. But in many ways the questions remains the same. Who were they, and what do they tell us about who we are?

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Prof. Dr. Erik Trinkaus (St. Louis) Professor für Paläoanthropologie, Universität St. Louis

»Als ich im Jahr 2008 mein freiwilliges »Das neue Museum von Günter Zamp

soziales Jahr der Kultur im Neanderthal Museum absolvierte, konnte ich mir nicht vorstellen, welche Arbeit hinter der Ausstellung des Museums steckt.

Kelp gilt zu Recht als einer der originellsten und gelungensten Museumbauten der Gegenwart. Auch hier ist der genius loci freilich nicht materiell oder gar als Reliquie der Naturwissenschaft gegenwärtig, aber die Anschaulichkeit in der Darstellung des Kapitels der Menschheitsgeschichte, für das der Neanderthaler steht, ist höher als jedes Fundstück es sein könnte.

Organisation, Forschung, Verwaltung, Museumspädagogik und Haustechnik –ich lernte den „Blick hinter die Ausstellung“ kennen und war überrascht, welche interessanten und verschiedenen Arbeitsfelder das Neanderthal Museum vereint. Ich wünsche dem Museum und dem „dahinter steckenden“ tollen Team alles Gute und viele weitere erfolgreiche Jahre!

Prof. Dr. Walter Grasskamp (Weilheim) Ordinarius für Kunstgeschichte, Akademie der bildenden Künste München

Nadine Griebl (Duisburg) FSJK 2008, Mitglied der Deutschen FrauenNationalmannschaft Unterwasser-Rugby

«

«


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»Wenn es die Paläoanthropologie nicht

gäbe, dann würden wir heute noch unsere Existenz mit Märchen und Mythen mehr verals erklären. Dank rationaler Forschung wissen wir heute glücklicherweise, daß unsere Vorfahren nicht Adam und Eva hießen, sondern eben Homo rudolfensis oder Homo ergaster. Und daß wir mal einen entfernten Vetter hatten, den Neandertaler, der genauso ein Spielball und zufälliges Produkt einer langen Evolutionsgeschichte war wie wir. Solche Erkenntnisse sollten uns weltanschauliche Bescheidenheit lehren. Es ist Zeit, sich von der anmaßenden Vorstellung zu verabschieden, daß wir Menschen die „Krone der Schöpfung“ seien. Im Neanderthal Museum lernen wir: Wir sind nur eine Möglichkeit unter vielen. Und wahrscheinlich noch nicht einmal die allerbeste.

«

Jacques Tilly (Düsseldorf) Illustrator, Bildhauer und Karnevalswagenbauer

»Name verpflichtet: Am Anfang war der

Feuerstein, und zwar noch VOR dem Feuer, denn wie hätte man sonst letzteres überhaupt machen können. Wenn man also einen Namen trägt wie ich, wird aus dieser Erblast kulturelle Verpflichtung. Zwar ist jeder augenblicklich mein Todfeind, der mich mit „Fred“ anredet, denn mit dem zweidimensionalen Dummbolzen der Flintstone-Familie habe ich nichts gemein. Aber seit ich – ewig ist es schon wieder her – für den WDR mal eine Reportage über das Neanderthal Museum machte, spüre ich sofort eine Art Verwandtschaft mit dieser Seitenlinie unserer Abkunft. Da mir alles Geradlinige suspekt ist, sind mir Seitenlinien sowieso lieber. Dazu hege ich viel Sympathie für Ausgestorbene, weil diese Leute ihre Fehler nie wieder gut machen können. Es gibt ja diese bunte Rekonstruktion im Museum, wie der Neanderthaler ausgesehen haben mag. Da erkenne ich schon eine Verwandtschaft. Aber nicht im Gesicht. Weder die treudoofe Mimik noch der suff-rötliche Teint kommen mir nahe, und weil ich derlei Antlitze regelmäßig im Kölner Karneval sehe, hätte ich auch keine Lust, mich mit so einem Typ auf ein Bierchen zu treffen. Aber vieles andere ist mir vertraut: Die Körpergröße zwischen 155 und 165, wunderbar, da bin ich endlich sogar mal auf der Seite der

»Als gebürtiger Kölner, der in Düsseldorf aufgewach-

sen ist, war das Neanderthal Museum für mich schon in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts ein beliebtes Ziel. Aber wie anders präsentiert es sich heute?! Es gibt ein spannendes Zeugnis von dem, wer und was wir sind und woher wir kommen.

Größten. 70 Kilo passt exakt, 75 JahreMittelgewicht Neanderthal Museum und die im Vergleich zum Homo sapiens verkürzten Beine habe ich auch. Die Forscher sagen, der Neanderthaler hätte einen zu großen Kopf gehabt und wäre dadurch benachteiligt gewesen. Genau das hat auch mein Sportlehrer damals im Gymnasium jedes Mal gebrüllt, wenn ich mich seinen sinnlosen Muskelbelastungen verweigerte: „Du Wasserkopf! Du Qualle! Drückst du dich schon wieder?“ Damals, als ich in sachkundiger Führung durchs Museum streifen durfte, ahnte ich zwar die Verwandtschaft, musste sie aber verdrängen, weil der Neanderthaler nach dem Stand der Wissenschaft dieser Zeit als genetisch ausgestorben galt. Angeblich verweigerte er die Paarung mit der regulären Menschenlinie, wofür ich durchaus Verständnis habe, denn es gibt eine Menge Leute, denen auch ich mich nur mit Handschuhen nähern mag. Aber inzwischen wissen wir es besser, dank der Mitochondrien, unseren mütterlichen Herkunftsverrätern: Es gab den Kontakt, es gab die Vermischung… meine Güte, wenn man so aussieht wie auf der Rekonstruktion, kann man ja wohl nicht sehr wählerisch sein. War ja auch ziemlich dunkel damals. Es ist ein schönes, sympathisches Haus, das Neanderthal Museum, ich erinnere mich noch gut an die Spirale des Rundgangs mit immer wieder neuen Überraschungen. 75 Jahre ist es jetzt alt, ich übrigens auch, schon wieder eine Gemeinsamkeit. Daher: Alles Gute für die Zukunft und eine Bitte für die Gegenwart: Passt gut auf meine Verwandten auf.

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Herbert Feuerstein (Brühl) Journalist, Kabarettist und Entertainer

Es ortet unsere Region und liest ihre Spuren. Ein Spurenleser, das ist und bleibt das Neanderthal Museum für mich. Ich gratuliere herzlich zum 75.Geburtstag.

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Dr. Michael Vesper (Frankfurt am Main) Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes


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75 Jahre Neanderthal Museum

»Knochenlese

Künstler, Musiker, Handwerker. Dorfdepp, Trottel, tumber Gesell. Nachbar, Freund, Verwandter. Konkurrent, Nebenbuhler, Fremdgänger. Vorgänger, Vorfahre, Vorbild. Irrlicht, Irrweg, Irrtum. Irrwitzig, welche Projektionsfläche ein paar Knochen bieten, Raum für Fantasie und Wunschdenken. Er hat schon immer große Emotionen hervorgerufen, der Neanderthaler, das ganze Spektrum zwischen Abscheu und Bewunderung. Das hat er mit manchem noch lebenden Kultstar gemeinsam: Er polarisiert. Das Elend des Historizismus – nicht dabei gewesen zu sein und keine Zeugen zu kennen – setzt in seinem Fall große Lust frei, Fabulierlust, Paläopoesie. Er ist immer beides: Trend und Gegentrend, Held und Antiheld. Es ist ein fast unmögliches, ein unzumutbares Projekt, aufzuräumen in diesem Spannungsraum, ohne die Spannung zu zerstören, den schillernden Mythos. Das ist die Aufgabe von Findern, Forschern und Museumsmachern. Es gilt, die richtigen Bilder zu erkennen und von den falschen, den veralteten, den blinden zu trennen. Aber Vorsicht! Die Projektionsfläche muss bleiben. Sie muss anstiften zum Zurückblicken, in den Spiegel schauen, zur Identitätssuche. Was macht den Menschen aus? Was eint ihn mit seinem Verwandten, seinem Ahnen, was trennt ihn? In jeder Epoche wurde diese Frage anders beantwortet. Manche suchten ihre Identität in der Distanz, andere in der Nähe.

Heute ist er uns unerwartet nahe gerückt, genetisch, intellektuell und emotional. Lange Zeit haben wir mit und neben ihm gelebt. Die Spekulationen darüber, wie dieses Leben aussah, liefern den Stoff für neue Mythen: Eine prähistorische multikulturelle Gesellschaft? Scharfe Segregation? Wir suchen die Antwort in seinen und unseren Genen. Und finden: Sex! Zwischen ihm (oder ihr) und uns, zwischen Homo sapiens und Homo Neandertalensis. Eine Antwort auf all unsere Fragen ist das nicht, aber neuer Stoff für Gerüchte, für Projektionen, Geschichte für Geschichten.

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Andreas Sentker (Hamburg) Ressortleiter Wissen, DIE ZEIT

»Kaum ein Thema im Bereich der Wissen-

schaften interessiert den Menschen mehr als die Frage seiner Herkunft. Und seit vielen Jahren gibt es in Deutschland keine bessere Adresse, sich darüber auf den neuesten Stand bringen zu lassen, als das Neanderthal Museum in Mettmann. Profunde und kompetent und dabei gleichzeitig spannend und unterhaltsam – das macht dem Museumsteam so rasch keiner nach. Völlig verdient wurde es für seinen Ausstellungen schon mehrfach international ausgezeichnet. Und auch als Wissenschaftsjournalist bei NATIONAL GEOGRAPHIC bekomme ich hier immer die Auskünfte, die mir helfen, das neueste Wissen über alle Fragen rund um die Evolution des Menschen für die interessierten Leser verständlich aufzubereiten. Herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum und viel Erfolg für die nächsten Jahre.

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Jürgen Nakott (Hamburg) Redakteur National Geographic

»Es ist kaum zu glauben, aber wahr: Ich,

die geborene Elberfelderin, war erst im Alter von 68 Jahren – also 2011 – zum ersten Mal im Neandertaler Museum. Dabei ist das ganze von meinem Landsmann Carl Fuhlrott ins Rollen gebracht worden. Der Hobbyforscher vermutete gleich, dass es sich hier um unseren Urahn handelt, während die Fachwelt das noch leugnete. Inzwischen aber sind die Experten auf demselben Level wie die interessierten Laien und betrachtet die Entwicklung der Menschen mit ähnlich unvoreingenommenem und umfassendem Blick. Entsprechend hat mich das 1996 errichtete Neandertal-Museum beeindruckt. Mit wissenschaftlicher Präzision und künstlerischer Kreativität wird dort die Ur-Geschichte der Menschheit präsentiert – und dabei sogar auf die oft sehr unterschiedliche Geschichte von Frauen und Männern geachtet. Und das ganze macht auch noch Spaß! Sogar den Kindern. Carl Fuhlrott wäre begeistert.

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Alice Schwarzer (Köln) Journalistin, Feministin, Chefredakteurin EMMA


»Am 21. Dezember 2012 ist Weltunter-

gang. Das sagt zumindest der Kalender der Maya voraus, den uns dieses Volk hinterlassen hat, bevor es auf ungeklärte Weise aus der Historie verschwand. Seit jeher ordnen Kalender das zyklische System, der Jahre, Monate, Tage und Stunden, das unser Dasein prägt. Insofern entspricht die schleifenartige Spiralform, als konzeptionelle Basis für die Räumlichkeit des Neanderthal Museums (1), der zyklischen Prägung unseres Alltags und ist zugleich ihr metaphorisches Modell. Am 4. Mai 2012 feiert das Neanderthal Museum sein 75 jähriges Bestehen. Von da an hätten wir also noch 232 Tage bis zum Ende dieser Welt. 232 Tage und 231 Nächte, bis wir uns möglicherweise von diesem Planeten verabschieden müssen und die Geschichte der Menschheit jählings beendet wäre. Das Neanderthal Museum, mit seiner ins Ungewisse gebauten Zukunftsperspektive, wäre überflüssig. Das Kaffee im tangentialen Endpunkt der Zeitspirale leer, sein kulinarisches Angebot aus den Vitrinen verschwunden. Die Ausstellungsspirale, so sie denn noch existiert, ohne Sinn, die realistischen Nachbildungen unsere Vorfahren vereinsamt, entlang des gewundenen Präsentationsraumes, welcher der Zeit als Metapher gewidmet war. Die Jade

farbene Glasfassade ohne Glanz, fahl in der permanenten Dämmerung des Untergangs. Glücklicherweise ist es unwahrscheinlich, dass die Welt wirklich am 21. Dezember 2012 untergeht. Die Besucher des Museums werden also auch danach ihre elliptisch geschraubten Bahnen durch die Szenarien der Ausstellung ziehen können, um schließlich im Kaffeehaus, als Repräsentanten der Gegenwart, Kaffee oder Tee trinkend, zum Ausstellungsobjekt zu werden. Sie werden dort weiterhin darüber nachdenken können, ob die Zeitspirale, die sie gerade durchschritten haben, nun eher linearen oder zyklischen Charakter hat. Nach wie vor werden viele der Besucher von weit her kommen, um endlich zu klären, was es mit dem Mythos des Neanderthalers auf sich hat. Die mediale Präsenz der Institution ist ja überregional um nicht zu sagen weltweit. Der komplexen Thematik, eines Museums zur Entwicklungsgeschichte der Menschheit, entsprechend, ist das Neanderthal Museum verknüpft mit den informativen, globalen Netzwerken unserer Tage. Sein Privileg, als Institut mit einem Bauwerk ausgestattet zu sein, das die Thematik Menschheitsgeschichte an einem bestimmten geografischen Ort und als gebaute Metapher repräsentiert, macht es zu einem Bollwerk der Gegenständlichkeit, zum Knoten im medialen Netzwerk, der Orientierung und Kommunikation in der informativen Drift unseres aktuellen Alltags erzeugt. So wie es aussieht über den 21. Dezember 2012 hinaus.

«

Prof. Günter Zamp Kelp (Berlin) Architekt, Professor i. R. Hochschule der Künste Berlin

»Als der Neanderthaler gefunden wurde, gehörte

der Fundort noch zur Gemeinde Haan. Der Neanderthaler könnte deshalb auch als Haaner gelten. Auf seinen Streifzügen als Sammler und Jäger dürfte er sich bereits mit dem köstlichen Wasser aus der Haaner Felsenquelle erfrischt und seine hervorragenden Eigenschaften für die Gesundheit geschätzt haben. Deshalb begleitet uns der Neanderthaler überzeugend in unseren Werbekampagnen. Jüngst haben wir sogar Neanderthaler Mineralwasser eingeführt.

75 Jahre Neanderthal Museum

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»„Mensch, wie ein Neanderthaler sehen

Sie ja gar nicht aus!“ Dieses nett gemeinte Kompliment mit einem Augenzwinkern höre ich ab und zu, wenn ich mich und meinen Arbeitgeber Radio Neandertal vorstelle. Eines ist klar: ohne das Neandertal und ohne das Neanderthal Museum hätte unser Radio einen anderen Namen. Die Gründungsväter des Senders hatten 1990 nach etwas Einmaligem gesucht, das unsere Region repräsentiert und das weit über die Grenzen des Kreises bekannt ist. Auf das Neanderthal Museum können wir im Kreis Mettmann stolz sein, weil es allen Generationen die Entwicklungsgeschichte des Menschen auf anschauliche und moderne Weise erzählt. Genauso wollen wir beim Radio berichten: anschaulich und modern aus dem Leben der Menschen im Kreis Mettmann. Und darum sind sich das Radio und das Neandertal mit seinem Museum vielleicht näher als manche glauben. Herzlichen Glückwunsch zum 75. Jubiläum!

«

Tatjana Pioschyk (Mettmann) Chefredakteurin Radio Neandertal

Als Mineralbrunnen steht die Haaner Felsenquellefest zu Ihrer bergischen Herkunft und fördert das Brauchtum und die Eigenheiten unserer Region. Auch das Neanderthal Museum mit seiner weltbekannten Ausstellung über die historischen Funde und die Frühgeschichte der Menschheit steht seit 75 Jahren sehr erfolgreich für unsere Region als einzigartiger Botschafter.

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Gabriele Römer (Haan) Unternehmerin, Haaner Felsenquelle


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75 Jahre Neanderthal Museum

Sonderausstellungen Die Ausstellungen vertiefen unterschiedliche Aspekte der Menschheits­ geschichte und richten sich an ein breites Publikum.

»Wer trägt wen? Das ist beim Tragen

stets die Frage, und damit beschäftigt sich das Mannheimer Forschungsprojekt „Homo Portans“ (www.homo-portans. de). Neuerdings wird dem Menschen eine neue Last aufgebürdet: er soll Gene des Neanderthalers in sich tragen. Zunächst ist gemeint: wir tragen das Erbmaterial, damit die Evolution uns trägt. Können wir den Neanderthaler dann biologisch nicht mehr abwerfen, so können wir uns doch noch kulturell über ihn stellen. Allerdings haben andere Untersuchungen ergeben, dass der Neanderthaler das „Sprachgen FOXP2“ getragen haben soll. Er spräche für den Besitz von Kultur, und für Zweifel daran, wer hier von wem getragen oder ertragen wird. Wenn das jung gebliebene Neanderthal Museum nach der Herkunft des Menschen fragt, stellt es immer auch die Frage nach Last und Entlastung, Tragen und Getragenwerden. Seine Erzählung trägt aber nicht nur wissenschaftlich, sondern entlastet auch von der Bürde, dass wir bis jetzt keinen Begriff unserer Herkunft gefunden haben. Herzlichen Glückwunsch zum 75. Geburtstag.

«

Prof. Dr. Christian Holtorf (Coburg) Professor für Wissenschaftsforschung und Wissenschaftskommunikation, Hochschule Coburg


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75 Jahre Neanderthal Museum

Oldenburg

Bielefeld

L체beck

Bilder im Dunkeln

Bilder im Dunkeln

Wien

Bilder im Dunkeln

Bilder im Dunkeln

Meppen Bilder im Dunkeln

Wilnsdorf Bilder im Dunkeln

Haderslev Bilder im Dunkeln

Bautzen Bilder im Dunkeln

Wanderausstellungen Einige selbst produzierte Ausstellungen werden im Anschluss an anderen Orten pr채sentiert und entwickeln sich zu einem neuen Gesch채ftsfeld des Museums.

Nebra Mammuts

Garding Mammuts


75 Jahre Neanderthal Museum

Erfurt

Kassel

Galgen, Rad und Scheiterhaufen

Galgen, Rad und Scheiterhaufen

Kevelaer Galgen, Rad und Scheiterhaufen

Hagen

Hattingen

Die Rückkehr des Ötzi

Mulhouse

Die Rückkehr des Ötzi

Nebra Die Rückkehr des Ötzi

Die Rückkehr des Ötzi

Eichstätt

Wangen Die Rückkehr des Ötzi

Freiburg Die Rückkehr des Ötzi

Die Rückkehr des Ötzi

Berlin-Pankow Die Rückkehr des Ötzi

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75 Jahre Neanderthal Museum

Didaktik Neben Museumsf端hrungen umfasst das didaktische Programm verschiedene Bildungsangebote, Steinzeitgeburtstage von 5 bis 100, Seminare und Workshops.


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»Roland Ebbing hatte damals die Idee

den Slogan des Museums „Zeitreise erleben“ bildlich darzustellen. Er wollte ein Foto haben, auf dem ein Kind mit der damals neuen Nachbildung des Neanderthalers zu sehen ist. Mein Papa hat dann im Sommer 2006 die Bilder gemacht. Ich war damals acht Jahre alt und obwohl dieser Ferientag im Neandertal hauptsächlich aus Fotografieren bestand war es doch eine tolle Erfahrung für mich. Ich habe viele Leute, die im Museum arbeiten kennen gelernt und alle waren super nett zu mir. Es hat total Spaß gemacht und ich war hinterher schon manchmal etwas stolz als ich mich auf Plakaten, Anzeigen, Büchern, Zeitungen und im Internet entdeckt habe. Manchmal besuche ich meinen „Steinzeit Freund“ im Museum und habe das Gefühl, dass er mich vielleicht sogar wiedererkennt, mir zuzwinkert und sagt: „Hi Paula, du bist aber ganz schön groß geworden.“ ;-)

«

Paula Neumann (Iserlohn) Schülerin


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75 Jahre Neanderthal Museum

»I have been studying Neanderthals

through my entire professional career, and doing it directly, in the museums and universities of Europe housing Neanderthal remains, and not from the literature. I began my museum work on Neanderthals on the Krapina collection in Zagreb, and my first visit to the Bonn museum was in 1978. Long before the superb, unexpected research results from genetics, these visits and my other research placed me in the tradition of Hrdlička and Weidenreich, understanding the remains to show that Neanderthals provided a significant contribution to modern human ancestry and that specific ancestral links were common in the early modern populations of Europe. For me, the most amazing thing is the personal knowledge that I’m part Neanderthal. I’m proud to be a part Neanderthal, and proud to be part of the European population where we all are part Neanderthal. Our president, Barack Obama, with a mother from Kansas and a father from Kenya, once referred to himself as a mutt. As it turns out, we are all mutts!

«

Prof. Dr. Milford H. Wolpoff (Ann Arbor) Professor für Paläoanthropologie, Universität Michigan

Veranstaltungen & Events

Talfest

Ersttagspostamt Sonderbriefmarke Neanderthaler

Illumina

Steinzeit Live

Darwin Day

Eröffnung neue Dauerausstellung Indianerwochenende

KinderForscherNacht

KinderSchädelNacht


75 Jahre Neanderthal Museum

Kinderfest „Spurensuche“

KinderMammutNacht Drachentag

Steinzeitsommer (Familienfest)

Museumsnacht / Pay what you want Eröffnung des Fundortes

Internationale Meisterschaften mit prähistorischen Jagdwaffen KinderRabenNacht Markt der Kulturen

KinderKrimiNacht

Sommerfest Musik und Techniken der Vorzeit Sommerfest Techniken der Vorzeit

Sommerfest Die Kelten kommen

…und action! Aktionen im Untergeschoss

Museumsfest

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75 Jahre Neanderthal Museum

Tagungen Ergänzend zu den Forschungsprojekten, die im Neanderthal Museum durchgeführt werden, finden regelmäßig Symposien, Workshops und Tagungen mit einem internationalen Fachpublikum statt. Der Themenschwerpunkt liegt auf der frühen Menschheitsgeschichte und themenübergreifenden kulturanthropologischen Fragenstellungen. Ergebnisse dieser Tagungen werden im Verlag des Neanderthal Museums oder in Zusammenarbeit mit anderen Verlagen publiziert.


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Bestattungsbefunde in ethnoarchäologischer Perspektive 13. bis 15. Juni 1997 Archäologie und Biologie der Auerochsen 25. – 26. Oktober 1997 Central and Eastern Europe from 50,000-30,000 BP Neandertals and Modern Humans – Discussing the Transition 18. bis 21. März 1999 Neandertal 2000 – Chronologie der Gegenwart 11. bis 13. Mai 2000, Juni bis Juli 2000 Experimentelle Archäologie 6. bis 8. Oktober 2000 Höhlenkunst und Raum 11. bis 13. Oktober 2002 Neandertal Research and Digital Tools 15. bis 16. Juni 2004 EVAN-Workshop 25. bis 27. Oktober 2006 EVAN-Workshop 18. bis 19. Juni 2009 Pleistocene Databases – Acquisition, Storing, Sharing 10. bis 11. Juni 2010 Falkes not Blades – Discussing the role of flake production at the onset of the Upper Palaeolithic 17. bis 18. März 2011 Pleistocene People and Places 13. bis 15. Oktober 2011

»Und dann krochen sie in die Höhlen buntgewandet Zylinder und Frauen Wein und Gebäck heimelnd naturbelassen Höhlenromantik Künstlerfest in der Neanderhöhle.

Künstler der verschiedenen Düsseldorfer Schulen z.B.: Schadow, Hübner … die, im altdeutschen Rock die Schüler, in der Burschentracht, romantisch halt. Ich war leider nicht dabei, kann mir aber vorstellen, dass diese damalige Selbstverständlichkeit ein guter Anfang für heute wäre, Museum und Umgebung ähnlich aktuell zu etablieren. Wir sollten anfangen, die alten schönen Geschichten zu erzählen, um zu verstehen, dass die Vergangenheit uns hilft,

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die Zukunft zu begreifen..

Prof. Dr. Markus Lüpertz (Berlin) Maler, Grafiker und Bildhauer


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75 Jahre Neanderthal Museum

Das Museum gibt Museumsführer und Begleitbände zu den Ausstellungen heraus. Im Verlag Neanderthal Museum erscheint auch eine wissenschaftliche Schriftenreihe, die die Ergebnisse von Fachtagungen bündelt. Lehrmaterial wird ebenfalls bereit gestellt.

Publikationen

»Markenentwicklung und Markenpflege

sind in Kultur und Sport ein zentrales Thema. Die Marke „Neanderthaler“ spielt in der Champions League der Kulturmarken in Europa. Trotz ihres Alters von über 150 Jahren ist sie enorm vital und hat in den letzten Jahren einen erstaunlichen Aufschwung erfahren. Das Neanderthal Museum hat zu dieser Entwicklung sicher entscheidend beigetragen. Ich wünsche dem Museum viel Erfolg bei der weiteren Arbeit. Der Neanderthaler hat sicher das Talent ein weltweiter Allstar zu werden und sein Tal sowie die Region Mettmann prominent zu vertreten.

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Paul Breitner (Brunnthal) Scout des FC Bayern München, FußballWeltmeister


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75 Jahre Neanderthal Museum

Ausstellungsführer und Begleithefte: Auffermann, Bärbel; Weniger, Gerd-Christian (Hg.) (1997): Zeitreise. Ein Gang durch die Menschheitsgeschichte. Texte und Bilder aus dem Neanderthal Museum. Auffermann, Bärbel; Weniger, Gerd-Christian (Hg.) (1998): Frauen-Zeiten-Spuren. Orschiedt, Jörg; Auffermann, Bärbel; Weniger, Gerd-Christian (1999): Familientreffen. Deutsche Neanderthaler 1856–1999. Auffermann, Bärbel; Weniger, Gerd-Christian (2000): Zukunft Neandertal. Auffermann, Bärbel; Weniger, Gerd-Christian (2001): Time Travel. Van Bergen Henegouwen, Arne; Kennis, Adrie; Kennis, Alfons (2001): Urmenschen. Narr, Karl J.; Weniger, Gerd-Christian (Hg.) (2001): Der Neanderthaler und sein Entdecker: Johann Carl Fuhlrott und die Erforschungsgeschichte. Marten, Volker F.; Weniger, Gerd-Christian (Hg.) (2002): MenschenSpuren. Katalog zum Kunstweg MenschenSpuren. Pastoors, Andreas; Weniger, Gerd-Christian (2004): Bilder im Dunkeln. Filme zur Höhlenkunst der Eiszeit. DVD. Pastoors, Andreas; Weniger, Gerd-Christian (2004): Bilder im Dunkeln: Höhlenkunst der Eiszeit. Die Sammlung Wendel. CD-ROM. Auffermann, Bärbel (2008): Zeitreise erleben. Texte und Filme aus der Dauerausstellung auf CD-ROM. Auffermann, Bärbel (2008): A journey back in time. Texts and movies from the permanent exhibition on CD-ROM. Auffermann, Bärbel; Berens, Dunja (2008): Mammutfurz und Feuerstein. Schneider, Beate (2008): Evolution des Menschen. Lehrmaterial Biologie für die Sekundar-stufe II. Auffermann, Bärbel; Graefe, Jan (2009): Monster und Mythen. Auffermann, Bärbel; Graefe, Jan (2010): Galgen, Rad und Scheiterhaufen. Einblicke in Orte des Grauens. Auffermann, Bärbel; Graefe, Jan (2010): Mammuts – Giganten der Eiszeit. Auffermann, Bärbel; Weniger, Gerd-Christian (2012): Zeitreise erleben. Das Buch zur Dauerausstellung. Auffermann, Bärbel; Pannhorst, Kerstin (Hg.) (2012): Wie Menschen Affen sehen.

»Wenn man den Geburtsort der

menschlichen Paläontologie bestimmen müsste, dann wäre dieser Ort zweifelsohne das Neandertal. Schließlich wurden genau hier zum ersten Mal fossile Überreste von Menschen gefunden, die sich deutlich von denen heute lebender Menschen unterscheiden. Seitdem konnte die Existenz von Neanderthalern in verschiedenen Regionen Eurasiens, belegt durch zahlreiche fossile Funde, nachgewiesen werden. Damit ist der Neanderthaler heute der am besten erforschte Urzeitmensch. Doch die zahlreichen Fundstätten sind dabei sicherlich nicht der alleinige Grund für die große Anziehungskraft und Wahrnehmung in der Öffentlichkeit sowie die große Anzahl wissenschaftlicher Untersuchungen auf diesem Gebiet. Im komplexen System des Stammbaums der menschlichen Evolution dokumentiert der letzte Verzweigungspunkt vor einer halben Million Jahre jeweils den Ast, der das Vorkommen der Neanderthaler dokumentiert und jenen, der für den modernen Menschen steht. Zum einen fremd und zum anderen doch so nah: so können wir vom Neanderthaler lernen, wer wir wirklich sind.

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Prof. Dr. Jean-Jacques Hublin (Leipzig) Direktor Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie


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75 Jahre Neanderthal Museum

»Ich kannte bereits das alte Neandert-

hal Museum – und habe es nach der Neugestaltung kaum wiedererkannt: die neue Konzeption hat mich beeindruckt und sofort begeistert. Es ist ein ganz neues Erlebnis, die „Schnecke“ zu begehen, eine Gestaltung und Architektur, die mich „gepackt“ hat. Seit dem bin ich kontinuierlicher Besucher der Ausstellungen und finde diese jedes Mal auf`s Neue interessant. Vielleicht liegt das auch ein wenig daran, dass ich selbst bereits wissenschaftlich zum Ursprung des Neanderthalers geforscht habe. In einem Sonderforschungsbereich der Deutschen Forschungsgemeinschaft habe ich mich mit der Wanderung des modernen Menschen nach Europa und dem Zusammentreffen mit dem Neanderthaler beschäftigt. Die Frage, wo man herkommt und wo man hingeht, beschäftigt die Menschen seit je her und eint das Museum und meine Forschung: Es ist unser beider Beweggrund. Zum 75. Jubiläum gratuliere ich dem Neanderthal Museum ganz herzlich, wünsche auch zukünftig viel Erfolg und freue mich auf viele weitere spannende Ausstellungen!

«

Prof. Dr. Ulrich Radtke (Duisburg) Rektor der Universität Duisburg-Essen


75 Jahre Neanderthal Museum

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Reihe Wissenschaftliche Schriften: Weniger, Gerd-Christian (Hg.) (1999): Archäologie und Biologie des Auerochsen. (Wissenschaftliche Schriften des Neanderthal Museums, 1). Orschiedt, Jörg; Weniger, Gerd-Christian (Hg.) (2000): Neandertals and Modern Humans – Discussing the Transition. Central and Eastern Europe from 50.000–30.000 B.P. (Wissenschaftliche Schriften des Neanderthal Museums, 2). Pastoors, Andreas; Weniger, Gerd-Christian (Hg.) (2003): Höhlenkunst und Raum: Archäologische und architektonische Perspektiven. (Wissenschaftliche Schriften des Neanderthal Museums, 3). Macchiarelli, Roberto; Weniger, Gerd-Christian (Hg.) (2011): Pleistocene databases: acquisition, storing, sharing. (Wissenschaftliche Schriften des Neanderthal Museums, 4). Pastoors, Andreas; Peresani, Marco (Hg.) (2011): Flakes not Blades: The role of flake production at the onset of the Upper Palaeolithic in Europe. (Wissenschaftliche Schriften des Neanderthal Museums, 5).

»We understand so much of ourselves

when we can have this perspective of history. And in a way the further we can go back the more we have a possibility of going forward. This is in a way to be able to look at present existence from the position of Neandertal. I think it makes us so much more aware of our nature now, what are the dangers, what are the possibilities.

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Anthony Gormley (London) Bildhauer

»Das Neanderthal Museum ist zum

bedeutenden „Flaggschiff“ und „Botschafter“ der Stadt Mettmann, des Kreises Mettmann und der Region „Neanderland“ geworden. Identifikation der Bürger mit ihrer Heimat und Attraktivität für Gäste entsteht durch Institutionen, auf die die Bürger stolz sind. Genau dieses ist in den jüngsten Jahren der 75jährigen Geschichte des Neanderthal Museums entstanden und profilbildend geworden!

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Prof. Dr. Bernd Günter (Düsseldorf) Professor für Betriebswirtschaftslehre/ Marketing, Universität Düsseldorf


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75 Jahre Neanderthal Museum

Jabrud II (1998–2004)

Steinzeitliche Besiedlungsund Umweltgeschichte im westlichen Mittelmeergebiet – Exemplarische Studien in Katalonien (DFG, 1996–1998) Abgusssamlung des menschlichen Fossilreports (Krupp Stiftung, 2001–2003)

Forschung EVAN „European Virtual Anthropology Network“ (Europäische Kommission 2006–2010)

Pleistocene People and Places Paläolithische Wandkunst und Siedlungsverhalten in Höhlensystemen. Eine Fallstudie der VolpHöhlen (Frankreich) (DFG, 2002–2004)

Kommunikation und Ressourcennutzung. Modelluntersuchungen zu Raumkonzepten magdalénienzeitlicher Wildbeuter (DFG, seit 2012) Regionale Differenzierungen im späten Mittelpaläolithikum der Iberischen Halbinsel. Erstellungen einer Datensammlung zur wissenschaftlichen Analyse und zur Implementierung in NESPOS (Gerda Henkel Stiftung, 2008–2010)

n


Sammlung Wendel (Gerda Henkel Stiftung, 2001–2002)

75 Jahre Neanderthal Museum

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Europe@ncestors (EuropäischeKommission, 2000–2001)

ORION „Object Rich Information Network“ (Europäische Kommission, 2002–2003)

NESPOS Pleistocene People and Places (seit 2006)

nespos.org SFB 806 “Our Way to Europe” (DFG, seit 2009)

»In paleontology, few things are more

evocative than the sense of place imparted by those special spots on our planet’s surface that have yielded the tangible fossil evidence for our human past. And nowhere does the visitor feel this more strongly than in the lovely limestone valley in which the original Neanderthal bones were unearthed in august of 1856. Sadly, the original site itself is gone, victim to the activities of quarrymen. But for 75 years the unique feeling and mystique of the Neanderthal have been embodied by the on-site museum that celebrates this pivotal finding in the history of paleoanthropology. Nothing I have encountered, anywhere, brings the past alive with greater immediacy than does he synergy between museum and place that one experiences in Mettmann. And with each renewal, the Neanderthal Museum goes from strength to strength. Bring on the centenary!

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Prof. Dr. Ian Tattersall (New York) Primatologe und Paläoanthropologe, ehem. Abteilungsleiter American Museum of Natural History

TNT „The Neanderthal Tools“ (Europäische Kommission, 2004–2006) Der Übergang vom Mittelzum Jungpaläolithikum in Südwesteuropa. Modelluntersuchungen zur Steingerätetechnologie (DFG, 2007–2011)


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75 Jahre Neanderthal Museum

Marke & Vernetzung


75 Jahre Neanderthal Museum

Die Marke Neanderthal Museum erfolgreich zu platzieren, erfordert viele Akteure. Eine Vernetzung auf regionaler, nationaler und europäischer Ebene ist dabei von großer Bedeutung. Gerade die touristische Vermarktung ist ohne starke Partner, wie neanderland, Düsseldorf Marketing & Tourismus GmbH, Tourismus NRW e.V., Ruhr Tourismus GmbH oder die Erlebnismuseen kaum vorstellbar. Die intensive Zusammenarbeit und Vernetzung bildet die Grundlage für die Präsenz auf internationalen Tourismusmessen und sichert Publikumsströme aus den verschiedensten Quellmärkten.

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durch die Epochen geschickt, bei „Mammuts – Giganten der Eiszeit“ wurde die Tierwelt der Steinzeit in Lebensgröße dargestellt und in der Ausstellung „Monster und Mythen“, konnte man erfahren wie aus normalen Tieren oder Begebenheiten plötzlich Monster wurden und welche Fehleinschätzungen wissenschaftlich widerlegt werden konnten.

»Schon nach meinem ersten Besuch im

Neanderthal Museum als Bundesfinanzminister war klar, welche Schlagzeilen es geben würde: Die Fotografen hatten mich direkt neben dem lebensgroßen „Neanderthaler“ abgelichtet und natürlich fragte eine große deutsche Wochenzeitung danach: „Wer ist wer?“. Dies war jedoch bei weitem nicht der erste und der letzte Besuch, der mich in das Museum führen sollte. Ich war schon viele Male privat im Museum zu Gast und habe die wechselnden Ausstellungen besucht. Schon der Weg zum Museum ist eine Reise wert. Wenn man durch das Neandertal fährt, ist es eine der schönsten Naherholungsgebiete im Umkreis von Düsseldorf und das Gebäude beeindruckt durch seine Architektur, die sicherlich zu Recht eine Auszeichnung erhalten hat. Viel wichtiger ist jedoch das Innenleben des Gebäudes. Neben der Dauerausstellung zum Leben des Neanderthalers, seinem Fundort und der Humanevolution von der Steinzeit bis heute, bietet das Museum viele weitere Überraschungen. Viele wechselnde Ausstellungen greifen Themen rund um Naturwissenschaft und die Evolution auf und vermitteln diese immer wieder spannend und ungewöhnlich: So wurden im letzten Jahr die Besucher auf eine „Lego- Zeitreise“

Vielfältige Angebote für Jugendliche, jedoch nicht nur für Jugendliche, runden das Programm ab: Bogenschießen, Feuer machen wie in der Steinzeit, Erfahrung der Natur des Neandertals. Zu Recht ist das Neanderthal Museum, mit 170000 Besuchern jährlich, eines der beliebtesten Museen in NRW und über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Professor Weniger und sein Team schaffen es immer wieder, Geschichte erlebbar und spannend zu gestalten. Kindern und Jugendlichen wird unter anderem im Projekt „U18 ArchäoForscher“, bei dem Sie praktisch die Menschheitsgeschichte erfahren können, vielfältiges Wissen über die Geschichte vermittelt. Gerade in der heutigen Zeit, in der Bildung immer wichtiger wird, ist es wirklich herausragend auf welche spielerische Weise hier Wissen vermittelt und Kindern und Jugendlichen Lust auf „Mehr“ gemacht wird. Ich kann mich nur bei Herrn Prof. Dr. Weniger und seinem Team für die geleistete Arbeit in den letzten Jahren bedanken und wünsche Ihnen noch viele spannende Ausstellungen, Entdeckungen und natürlich viele begeisterte Besucher.

«

Peer Steinbrück (Berlin) Mitglied des Bundestages


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75 Jahre Neanderthal Museum

Der große Schultest mit Jörg Pilawa

1,2 oder 3

Herr Mettmann

Die geheimen Höhlen der Grafen Bégouën Kampf um prähistorische Kunstschätze

Neander Jin


75 Jahre Neanderthal Museum

ZDF Nachtstudio

Lokalzeit D체sseldorf

Film & Fernsehen Vom Tatort bis zur Lokalzeit: Wir sind medienpr채sent und sitzen auch mal neben Phil Collins.

Stern TV

Tatort

Kerner

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75 Jahre Neanderthal Museum

Prominente Besucher Offiziell und inkognito besuchen das Museum auch zahlreiche Prominente aus Politik und Unterhaltung.


75 Jahre Neanderthal Museum

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»Der Neanderthaler. Er ist der erste

Mensch, der es hier auf unserem Planeten geschafft hat eine Marke zu werden. Unser Neanderthaler hat Geschichte geschrieben und die Welt verändert. Sein Leben beschäftigt und berührt uns. Er hat einen weltweit bekannten Namen und ein unverwechselbares Äußeres. Wir fühlen uns ihm verbunden – mit vier Prozent – wie wir heute einigermaßen sicher wissen. 42.000 Jahre nach seinem Kommen hat er sich dieses schöne Zuhause mehr als verdient. Aus Markensicht ist er ein Superstar und der berühmteste „Deutsche“ aller Zeiten. Wir sollten ihn gut behandeln.

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Frank Dopheide (Düsseldorf) Chairman Scholz & Friends


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75 Jahre Neanderthal Museum

Auszeichnungen Das Neanderthal Museum hat Maßstäbe gesetzt – und das nicht nur bei der Präsentation der Geschichte des Neanderthalers. Dies zeigen uns nicht nur die vielen zufriedenen Besucher deutlich sondern auch die vielfältigen Preise, die das Museum seit seiner Eröffnung für seine Konzeption und seine Architektur erhalten hat.

»The discovery of Neandertal man

in 1856 was a turning point for the understanding of life on Earth. It soon became clear that, as argued by the discoverers, the remains were those of a fossil form of man, and this, together with the publication, three years later, of Darwin‘s „The Origin of Species“, carried the implication that Evolution applied to humans too. Ever since, the nature of the relation between Neandertals and extant people — ancestrals? distant cousins? evolutionary dead-end? — has been one of the hottest issues of Paleoanthropology. The creation of a Museum at the find locality has helped generations of citizens, students and scholars to better understand the significance of the original finds, and especially so since the idea for a Museum Foundation and a new, appropriate building was launched some twenty years ago. Not only has the museum brilliantly delivered on its educational brief, it has also developed or participated in the development of major research initiatives: scientific conferences, publication series, research projects, and, perhaps most importantly, the NESPOS Service. Congratulations!

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Prof. Dr. João Zilhão (Barcelona) Professor für Archäologe, Universität Barcelona

Ausgewählter Ort, 2006 und 2009


75 Jahre Neanderthal Museum

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BDA Preis, 1997

Rheinland Award, 2000

Architekturpreis NRW, 1998

1997 Architekturpreis Beton 1997, verliehen vom Bundesverband der Deutschen Zementindustrie.

2000 Auszeichnung mit dem Rheinland Award 2000 für innovatives Tourismusmanagement im Rheinland.

2008 Nominiert für die KULTURMARKE DES JAHRES, präsentiert durch den KULTURSPIEGEL und Causales, Berlin

1997 „Auszeichnung guter Bauten“, BDAPreis Düsseldorf 1997, verliehen vom Bund Deutscher Architekten.

2002 Auswahl des Neanderthal Museums durch eine nationale und internationale Jury für die Sonderausstellung „Neue deutsche Architektur – Eine reflexive Moderne“.

2009 Mit der Online-Datenbank NESPOS Gewinner des Wettbewerbs „365 Orte im Land der Ideen“ als „Ausgewählter Ort 2009“.

1998 European Museum of the Year Award Special Commendation 1998, verliehen vom Europäischen Museumsforum. 1998 „Architektur Preis Nordrhein-Westfalen 1998“, verliehen vom Bund Deutscher Architekten. 1999 Auszeichnung der Webseite mit einem Goldstar des International Council of Museums.

2003 Besondere Anerkennung des Neanderthal Museums durch die Stiftung Lebendige Stadt im Rahmen der Preisverleihung „Das beste Konzept für lebendige Museen und moderne Kulturstätten“. 2006 Gewinner des Wettbewerbs „365 Orte im Land der Ideen“ als „Ausgewählter Ort 2006“.

2009 Deutscher Archäologiepreis der Deutschen Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte 2010 Preisträger des Wettbewerbs Kooperation. Konkret.2010 für das Programm „Humanevolution trifft Religion“ in Kooperation mit dem Gymnasium Wülfrath. Der Preis wird jedes Jahr von der Medienberatung NRW ausgeschrieben.


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75 Jahre Neanderthal Museum

Museum & Medien

22

FORUM

Wirtschaftsblatt NRW 2/06

Die NeanderthalerStrategie

Die zweite Menschwerdung

DIE ZEIT: Es gab auch vor 1856 Funde vormenschlicher Fossilien. Die Entdecker haben sie nicht als solche erkannt. Warum war das bei dem Fund im Neandertal anders? Was macht ihn zum ersten Zeugen unserer Frühgeschichte, zum Begründer der Paläoanthropologie? Gerd-Christian Weniger: Der Lehrer Johann Carl Fuhlrott hat diese 16 Knochenteile gesehen und war überzeugt: Das ist ein fossiler Mensch. Dabei war er selbst von der Evolutionstheorie nicht überzeugt. Die war ihm als Christ nicht geheuer. Er hatte aber in den Höhlen der Region schon viele fossile Großsäuger gesehen. Darum war er sicher, dass er es nicht etwa mit einem verscharrten Mordopfer, sondern tatsächlich mit einem Fossil zu tun hatte. Als Darwin dann seine Entstehung der Arten veröffentlichte und alle Welt wie gebannt auf Fossilien starrte, wurde der Neandertaler zum zentralen Kronzeugen der Menschwerdung. ZEIT:Warum hielt Fuhlrott die Knochen lange Zeit unter Verschluss? Weniger: Er hatte Angst. Er wurde von allen Seiten angefeindet. Dass der berühmte Pathologe Rudolf Virchow die seltsame Form des Schädels als Folge einer rachitischen Erkrankung deutete, machte die Sache nicht einfacher. Paradox: Fuhlrott als Christ zweifelt nicht an der Existenz eines fossilen Menschen. Und Virchow, der die Evolutionstheorie befürwortet, bestreitet im Angesicht des Fundes, dass es ein Fossil ist. ZEIT: Fuhlrott bekam für die Knochen sehr viel Geld aus dem Ausland geboten – und widerstand. Weniger: Wir sind ihm sehr dankbar dafür. Aber das war bei vielen außergewöhnlichen Funden so. Fund und Forscherbiografie verweben sich auf eine Weise, die eine Trennung unmöglich macht. Vielleicht war Fuhlrott aber auch von einem starken Nationalbewusstsein geprägt. ZEIT: Vergebens. Der Neandertaler ist bisher nicht

So n

Der berühmteste Deutsche

PATRICK GLAIZE-UGC YM

Mensch liebt Neandertaler

zählen, hätten, mit Blick auf die Sexszenen im Film, entgegnet,… ... dass es Kontakte einschließlich geglückter Fortpflanzung gegeben hat. Daran habe ich nicht gezweifelt.

Heute haben Sie endlich Gewissheit. Analysen von Zellkern-DNA haben die Vermischung von Neandertaler und Modernem Menschen eindeutig bewiesen. Ein historischer Moment? Wir haben den Neandertaler bei uns im Museum auch gegen Widerstände und Kritik immer als unseren Bruder dargestellt. Wir wurden dafür von Kollegen auch angegriffen. Das, was wir hier zeigen, hieß es, sei wissenschaftlich nicht haltbar. Nun wurde unsere Sicht der Geschichte bestätigt.

„AO – Der letzte Neandertaler“ von Dokumentarfilmer Jacques Malaterre versucht das Leben der Neandertaler in Spielfilmform zu rekonstruieren. AO (Simon Paul Sutton) ist der letzte seiner Art, auf seiner Reise von Nord- nach Südeuropa trifft und verliebt er sich in die Homo Sapiens Aki (Aruna Shields). Der Film lief erfolgreich in Frankreich und ist in Deutschland nun als DVD erschienen. geh

Zufallsprodukt und nicht Ergebnis eines Anpassungsprozesses. Auch kann man in Siedlungsplätzen im Vorderen Orient zwischen dem, was Neandertaler und der Moderne Mensch hinterlassen haben, keine Unterschiede erkennen. Wenn man das voraussetzt, müssen wir davon ausgehen, dass wir uns auch im Wir müssen uns an den Gedanken gewöhnen, Verhalten sehr ähnlich waren. Sie waren Jäger dass in uns allen ein Neandertaler steckt? und Sammler, kleine Gruppen, ohne hierarUnd zwar mit bis zu vier Prozent unseres Erbchische Strukturen, hochmobil. Das steckt Seit zehn Jahren zeigt Gerd-Christian Weniger seinen Besuchern die menschliche Seite des berühmtesten Deutschen guts. Das ist nicht wenig, wenn man berück- auch in uns. sichtigt, wie lange der Kontakt zurückliegt und bedenkt, dass es den wohl nur sporadisch Überhaupt wandelt sich das Neandertalergab. Wir haben bereits vor über zehn Jahren Image immer mehr zum Positiven. Woran unserepolitisch Museumsbesucher ein liegt das? wollen Sie die Sprache des Neandertalers korrektgefragt, zu be-ob sieZEIT:Wie Es sind noch Knochen im Sediment tief darunter wir, auch den Neandertaler Neandertaler in ihrem Stammbaum stören Uns ist unsere Vergangenheit enorm wichtig belegen, die versteinert schließlich nicht? verborgen, gewiss auch Steinwerkzeuge. Das Bo- handeln. geworden. Wir interessieren uns mehr und würde. mehr für unsere Wurzeln,funktioniert und je mehr wir nur er- indirekt, Weniger: Der Nachweis dendenkmalamt hat beschlossen, den so genannten ZEIT: Ein Integrationsprogramm für ein Fossil? Und? fahren, desto positiver überrascht sind wir. über ein Werkzeug, das so komplex für mehr Gerech- zum Beispiel Zeugenblock zu erhalten, für spätere Generationen. Weniger: Genau. Ein Programm Keiner der Befragten hat sich dagegen gewehrt. Unsere Gesellschaft hat Technik zu einem zenist, seine Herstellung so anspruchsvoll, tralen Pfeiler ihrer Existenz gemacht und jetzt tigkeit. Ich bin überzeugt, dass jedem Forscher auch geworden Bei einigen Humanoiden hatte man ja schon erkennt sie, welches enorme Wissen bereits und den Menschenbild bei der dass die Weitergabe der Technik durch reine ImiZEIT:Hat die Interpretation menschlicher Fossilien sein persönliches Welt-immer Verdacht. Wird Verhalten eigent- die Menschen der Steinzeit besaßen. tation nicht mehr möglich ist. Deutung der Funde dielichFeder führt. vererbt? auch mit Ideologie zu tun? Zunächst einmal gibt es morphologische Un- In dem Film wird das Neandertaler-Bild geZEIT: Aber wem gehörten diese komplexen WerkWeniger: Ja, natürlich. Das ist das zentrale Thema terschiede. Aber bis heute kann niemand radezu überzeichnet. Der einfühlsame, gutzeuge?herzige Schließlich haben moderner Mensch und im Neandertal Gäste, des Neandertalers und das seiner Erforschung. Seit 1929 wartet es hier zweifelsfrei erklären, auf warum Neandertaler Naturbursche gegen den kriegeridiesen Körperbau hatten, insbesondere im Be- schen, grundbösen Homo Sapiens. War der Becher. Der Herr Pro- Neandertaler lange Zeit koexistiert. Nicht umsonst wurde in ebenjenem Jahr, in dem das Restaurant und Hotel reich des Schädels. Wahrscheinlich war er ein Neandertaler der bessere Mensch?

man den Neandertaler fand, Sigmund Freud geboren. Der Neandertaler hat mit Charles Darwin zusammen das christliche Schöpfungsbild abgeräumt. Und dann kommt dieser Freud daher, lotet die Tiefen unserer Psyche aus und stößt dabei auf gänzlich unkultivierte Facetten. Und der Neandertaler ist wiederum die ideale Projektionsfläche für das Wilde, Tierische, Archaische in uns. All das, was wir als zivilisierte Abendländer nur ganz ungern am Tisch sitzen haben, projizieren wir nun auf den Neandertaler und sind es auf diese Weise los. Viele

fessor ist hier gern gesehen. Sein Museum bringt Gäste ins Tal, 150 000 im Jahr, und nicht alle stärken sich in der Cafeteria des modernen Museumsbaus. Im Restaurant Becher gleich nebenan gibt es gute deutsche Küche – und uralte deutsche Schlager, die so mancher Gast schon mitgesungen hat, als sie gerade die Hitparaden stürmten. Heute ist es ruhig. Das nasskalte Schneewetter hat die Gäste verschreckt. Ein ganzer Bus voll älterer Damen ist nicht zum Essen gekommen. Nebenan, im Museum, herrscht dagegen Betriebsamkeit.

Weniger: Die späten Neandertaler haben eine besondere kulturelle Dynamik entwickelt – bevor der anatomisch moderne Mensch auftrat. Das kann man nicht nur an Funden, sondern auch an der Klimakurve belegen. Vor 45 000 Jahren wurden die Zeiträume zwischen extremen Klimaereignissen immer enger. Das war Stress für die Populationen, die mussten nach Lösungen suchen … ZEIT: … der Klimawandel als Kulturmotor. Weniger: Ja, das muss man so sagen. Der Umweltdruck führte dazu, dass sich kulturell enorm

dertaler gefunden worden. Rechnen Sie noch mit 126 spektakulären Entdeckungen? Weniger: Wenn ich mal meiner Fantasie freien Lauf lasse: Wer weiß, vielleicht liegt ja irgendwo eine Neandertalerin mit einem anatomisch modernen Menschen in einem Doppelgrab … Weniger steigt langsam die 400 Meter lange gestreckte Spirale hinauf, die den eigentlichen Ausstellungsraum des Neanderthal Museums bildet. Zehn Jahre ist der Bau nun alt – und er ist schön gealtert. Die verarbeiteten Materialien haben Patina angesetzt – einige Erkenntnisse aber auch. Und das ist nicht so schön. Zum Jubiläum wird die Dauerausstellung behutsam überarbeitet. So genannte Forscherboxen sollen beständig aktuelle Ergebnisse, neue Funde, neue Interpretationen bereithalten. Die wächsernen Nachbildungen der Neandertaler werden aktualisiert, neue sollen hinzukommen. Sie werden – Ausdruck von Individualität – ihre ganz eigene Mimik haben, während die Vorgänger ein wenig wie Neandertaler-Darstellerpuppen wirken. Der Ahn bekommt ein Gesicht.

ZEIT: Wenn der Besucher das Museum verlässt, ist er dem Neandertaler ein Stück näher gekommen? Weniger: Hoffentlich ist er sich selbst näher gekommen, das ist unser eigentliches Ziel. Wir sagen dem Besucher: Schau dir an, woher du kommst. ZEIT:Gibt es eine neue Sehnsucht nach historischer Selbstvergewisserung? Weniger: Mit Sicherheit. Die Zukunft ist ungewiss. Die Gegenwart vergeht scheinbar immer schneller. Da tut ein Blick in die Vergangenheit gut. Wir lernen dabei, dass wir einem enormen Wandel unterliegen. Dass sich unser Lebensraum immer wieder dramatisch verändert hat. ZEIT:Sie wollen uns über die Angst um die Zukunft der Menschheit hinwegtrösten?

Wissen Seite 33–35

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PATRICK GLAIZE-UGC YM

JOHANNES GALERT

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Foto [M]: Thomas Ernsting/Bilderberg

as Tor in die Vergangenheit öffnet sich auf Knopfdruck. Als das stählerne Gatter surrend zur Seite gewichen ist, betritt Gerd-Christian Weniger die Brücke, die über die Düssel führt. Das breite Geländer ist schneebedeckt. Für Weniger eine ideale Grundlage. Rasch hat der Direktor des Neanderthal Museums die prähistorische Situation in den Schnee gekritzelt: das enge Tal, das der Fluss in den weichen Kalkstein gegraben hat. Steil aufragende Felswände auf beiden Seiten. Neun Höhlen, weit über der Talsohle gelegen und nur von oben erreichbar. Der Gast sieht heute von alldem nichts mehr. Der Kalk wurde abgebaut. Die Steinbrucharbeiter haben ganze Arbeit geleistet. Der Fels ist zurückgewichen, das Tal an einzelnen Stellen fast 400 Meter breit. Eine Straße führt an der Düssel entlang, wo vorher nicht einmal ein schmaler Pfad denkbar war. Die Höhlen sind längst zerstört. Auf einer Anhöhe ragt ein Kalksilo empor. Noch bis 2008 darf im Neandertal Kalk abgebaut werden. Immer pünktlich um elf Uhr wird gesprengt. An solchen Tagen, sagt der Direktor, wackle das Museum. Weniger zeichnet weiter: Hier die Felswand mit den Feldhofer Grotten, dort das vom Fluss glatt geschliffene Kalkplateau, auf das Arbeiter im Steinbruch die Sedimente aus den Höhlen warfen, eine Mischung aus Kalkschutt und Lehm – und Knochen. Hier wurde es 1856 entdeckt, das berühmteste deutsche Fossil: der Neandertaler.

Mittwoch, 23. März 2011 67. Jahrgang Nr. 69 D/SB/R1/R2/R3/R4/R5/S Frankfurter Rundschau

NEANDERTHAL-MUSEUM

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Frankfurter Rundschau Mittwoch, 23. März 2011 67. Jahrgang Nr. 69 D/SB/R1/R2/R3/R4/R5/S

„Der wilde Kerl ist geadelt worden“

NE A

DIE ZEIT Nr.3

nicht nur, um auf die Jagd zu gehen, sondern auch, um miteinander Sex zu haben. SPIEGEL: Waren die Begegnungen eher flüchtig? Oder gab es zwischen NeanKooperation und Konkurrenz – beide Verhaltensweisen sind im Menschen dertalerfrauen und Menschenmännern angelegt. Sie prägen seit Beginn der Menschwerdung unser soziales und so etwas wie stabile Beziehungen? ökonomisches Handeln. Wir können heute vom Ursprung lernen – müssen Weniger: Es werden wohl nur flüchtige Kontakte möglich gewesen sein. Was dazu allerdings unglaublich weit in die Urgeschichte zurückgehen. die beiden jetzt im Erbgut gemeinsam Ein anthropologischer Exkurs von Professor Dr. Gerd-Christian Weniger, haben, ist ja auch nur relativ wenig. Das spricht nicht für eine massive VermiDirektor des Neanderthal Museums in Mettmann. schung. Wir dürfen aber auch nicht vergessen, dass es sich um eine ganz kleine Population von Neandertalern handelte. Wir sprechen da über 100 000 oder 200 000 Individuen, die nur einen geringen Abdruck im Genpool des modernen Menschen hinterlassen haben. SPIEGEL: Bei welchen Anlässen könnte es zum Sex zwischen Menschen und Neandertalern gekommen sein? Weniger: Wenn man ein Stück BisonJagen und Sammeln prägte uns fleisch gegessen hat und am Lagerfeuer vier Millionen Jahre lang saß, gab es sicher Möglichkeiten … SPIEGEL: Waren Neandertalermänner für Diese ältesten Dokumente klammern jedoch Menschenfrauen überhaupt attraktiv? eine Lebensform völlig aus: Das Jagen und Die Silhouette des Weniger: Wer sich heute unter den weltANTHROPOLOGIE berühmtesten DeutSammeln. Sie erscheint uns im europäischen weit lebenden Menschen umschaut, schen auf seinem Kontext fremd. Dabei war sie bis vor 10.000 weiß, dass Aussehen ganz unterschiedFundort in Erkrath Jahren die einzige politische und ökonomische lich bewertet wird. Die Attraktivität bei Düsseldorf S. 35 Nr. 3 DIE ZEIT liegt immer im Auge des Betrachters. SCHWARZ cyan magenta yellow SCHWARZ CYAN MAGENTA GELB Organisationsform des Menschen weltweit. Sie 2. Fassung! SPIEGEL: Gab es zwischen den Menschen hat uns seit über vier Millionen Jahren begleiund ihren nächsten Verwandten nicht tet, sie hat unsere Menschwerdung geprägt doch zu große Unterschiede? und sie hat uns befähigt, alle Lebensräume died/pan/F PX1 - 29.03.2011 11:49:36 - s.gehrmann d/pan/F PX1 - 29.03.2011 11:49:36 C 7451 C Preis Deutschland 3,00 ¤ Weniger: Nein. Wenn man vor der ReLesen, schauen, hören: www.zeit.de/musik Nr. 3 12. Januar 2006 61. Jahrgang WISSEN 35 Cyan Magenta Gelb Schwarz Cyan Magenta Gelb Schwarz ser Welt zu besiedeln – von den Tropen bis zur konstruktion des Neandertalers in unArktis. Heute haben sich nur noch versprengte serem Museum steht, erkennt man, dass Relikte dieser Lebensform bei Weniger, indigenen VölGerd-Christian 57, Anthro- tion von ihren eigenen Forschungser- das ein menschliches Wesen ist. kern am Rande der und modernen Welt erhalten. SPIEGEL: 21 Warum zweifelten viele Ihrer pologe Direktor des Neanderthal gebnissen überholt worden ist. PANORAMA 20 PANORAMA Kann Museums es daher überhaupt gelingen, über Ein- die GeSPIEGEL: Wie liefen die sexuellen BegegForscherkollegen bislang daran, dass in Mettmann, blick in diese ferne Vergangenheit Jäger nungen praktisch ab? beide Menschenarten etwas miteinanmeinsamkeiten von der modernen Menund Sammler zu und erhalten? Wir Archäologen Weniger: Jäger und Sammler sind darauf der gehabt haben könnten? schen Neandertalern Auch ein Fossil muss sozial integriert werden. Ein Gespräch mit Gerd-Christian Weniger, dem Direktor DKR 38,00 · FIN 5,80 ¤ · E 4,30 ¤ · F 4,30 ¤ · NL 3,90 ¤ · A 3,40 ¤ CHF 6,00 · I 4,30 ¤ · GR 5,00 ¤ · B 3,90 ¤ · P 4,30 ¤ · L 3,90 ¤ · HUF 1030,00 Weniger: Das hat mit dem Mythos des angewiesen, ihre Geschlechtspartner in können auf drei große Quellengattungen des Neanderthal Museums, über das politisch korrekte Bild vom Urmenschen Von Andreas Sentker SPIEGEL: Erbgutanalysen des anderen Gruppen zu suchen. Das wis- wilden Mannes zu tun, der dem Neanzurückgreifen. Zum einen gibt es seit dem 17. Leipziger für evolutionäre sen wir von ethnohistorisch belegten dertaler anhaftet – er ist die Projektion einen großen Fundus historischer dreidimensional zugänglichJahrhundert machen soll.Max-Planck-Instituts Bisher wacht jeder Forscher eifersüchtig über seine KnoAnthropologie zeigen: SammMenschen und Beispielen. Für jede Gruppe ist es ex- all dessen, was wir aus unserem Aufzeichnungen und ethnographischer chen. Wird die virtuelle Anthropologie die WissenNeandertaler haben sich doch ver- trem wichtig, außerhalb der eigenen menschlichen Erbe verbannen wollen. quasi demokratisieren?lungen zum Leben der letzten Jäger- und uch das Schicksal des Namensgebers Waren wir menschlicheschaft Raubtiere? Sind Sie überrascht? Weniger: Was da bisher geschieht, hat nurmischt. bedingt M E N S C H N EVerwandtschaft A N D E RTA L auf E R Braut- oder Bräu- SPIEGEL: Welche Neandertaler-Eigendieser Erde. Sie beschreiben meines Hauses – des Homo sapiens mit Wissenschaft zu tun … Sammlervölker Weniger: Nein. Das beseitigt nur meine tigamschau zu gehen. Deswegen tref- schaften stecken in uns? … sondern und Ränkespielen. schnelle undmit vorMacht-Verhaltensweisen und Organisationsprinzipineanderthalensis, der im Sommer Auf diese Frage gibt es keine ZEIT: Weniger: Wir tragen morphologisch das letzten fen sich diese hochmobilen Gruppen Weniger: Ja, ganz genau. Wer den Knochen im Zweifel. Die archäologische Forallem keine einfache Antwort.Schrank Dennhat, Kooperaen, die global einheitlich sind: Das dass es 1856 von Steinbrucharbeitern entdeckt wurde entscheidet, welcher Forscher ihn erstaunlich zu vermutet schung seit 15 Jahren, immer wieder zu gemeinsamen Aktio- eine oder andere in uns. Bei manchem sehen bekommt – und welcher nicht. Dabei gehöinnere Kräf- Zusammenleben in kleinen, beweglichen – ist eng mit demLiebevoller Spannungsfeld von Koope- tion und Konkurrenz sind zentrale die Vermischung gegebenGruphaben muss. nen an gemeinsamen Lagerplätzen – Zeitgenossen fällt mir auf: Oh, das ist aber ren die Funde meist zu öffentlichen Sammlungen. Ersatzvater: Neandertaler „AO“ mit Menschenkind. Furchtlose Kriegerin: die Homo Sapiens Aki. ist Weltkulturerbe. Diepen Situation sich te unseres Menschseins. DerDas archäologische ohnewird ausgeprägte Hierarchie, in denen ration und Konkurrenz verbunden. SPIEGEL: Welche Hinweise auf die Kreuein starker Überaugenwulst. Fast so, wie aber drastisch verbessern. Führerschaft aufgab persönliches Könnenschon? und Seine Geschichte verliert sich mit dem Auf- Blick auf den Neanderthaler öffnet es denn bisher es von Der Film stellt das gängige Bild auf den Kopf. Das beginnt schon mitwir dem Eisbären gleich zuNeandertalerskeletten kennen. ZEIT: Undallerdings wie wollen Sie diese Mauer aus zung Eitelkeit Joschka Fischer: In seiner künstlerischen Freiheit geht er natür- Anfang. Eine solche Begegnung zu dieser Zeit und uns Forscherneid die den Zugang gründete. Auch die Kleidung lich zu weit. Sobald im Film verschiedene war noch nicht möglich. Weniger: Bei den eiszeitlichen Menschen SPIEGEL: Ist der Neandertaler also gar heute durchbrechen, im soziale Intelligenz tauchen des modernen Menschen und provo- neue Einsichten und die Chance Gruppen aufeinandertreffen, gibt es Mord war für das Klima, so wie es im Film herrscht, zu Fossilien verwehrt? Überleben ganz wäre un- ausgestorben? und Totschlag. Das können sich Jäger und völlig ungeeignet, einnicht in Europa bestand weitgehende Mein Scharon zu betrachten: Die zweite Quellengattung sindeine archäoloziert die Frage: Welche der beiden Verhaltens- Spiegel unserer Ursprünge Weniger:Beim Neandertaler ist das relativ einfach, Sammler nicht erlauben, dazu waren ihre Po- möglich gewesen. Und AOs Aussehen erinnert mehr an eine Art Monster und weicht sehr von pulationen viel zu klein und jedes einzelne denn es gibt mit etwa 300 Individuen ziemlich vieWeniger: Nicht wirklich, er ist in uns aufkulturelle Gleichheit. Das war ein Indiz, Menschenleben viel zu wertvoll. Sie waren unseren Rekonstruktionen im Museum ab. wir im Eiszeit- gische Funde und Befunde. Hundertausende weisen war für den frühen Menschen ent- Woher kommen wir? Wie waren Wie der Mann des Krieges den le. Die meisten Kollegen sind begeistert. Sie sehen auf die guten Beziehungen zu ihren Nachbarn biologische ÜberschneiFrieden vorbereitet hat Seite 3 Warum die Wissenschaft populäre Filme überWaren den angewiesen. Sie mussten ihre Geschlechts- Trotzdem verliebt sichgegangen. die nicht gerade unatsogar die Vorteile. Abgesehen dem dass Wissen- es alter? wir menschliche Raubtiere? vonvonWerkzeugen undauch Siedlungsresten aus der scheidend? partner in anderen Gruppen finden und traktive Aki in AO. Steinzeitmenschen nicht verteufelt. Ein Gespräch über schaftshotelbetrieb, der die Forscher an wichtigen man Verkehrsrowdys noch dungen gegeben haben muss. brauchten in Krisenzeiten Hilfe von anderen. Offensichtlich hat in SPIEGEL: diesem Fall nichtDarf sein Die Welt hätte Ariel Scharon wilde Männer, Körperpflege und die Erkenntnis, dass der Aussehen, sondern seine fürsorgliche, sanfte Standorten belastet, leiden auch die Funde selbst, Art den Ausschlag gegeben. Er hat sich doch Geborene Pazifisten waren die Neandertaler SPIEGEL: Konnten Sie sich mit dieser Aufals Neandertaler beschimpfen? Neandertaler in uns allen steckt noch länger gebraucht Seite 2 wenn sie oft angefasst werden. Es bleiben Mikrorührend um ihr Kind gekümmert. Das ist doch nicht. dem Film, wie sehrAuf der Nein, hier wird der Mythos des wilden Man- das Sympathische an Weniger: keinen Fall! Der Neanderfassung durchsetzen? spuren zurück, mit der Zeit runden sich Ecken und Josef Joffe nes in einen Mythos des guten Mannes umge- Neandertaler Gefühle zeigt, sein BeschützerHerr Weniger, „AO - Der letzte NeandertaPERSON & FILM Kanten ab. Da bietet die Digitalisierung Weniger: eine rieinstinkt. Wir wissen, dass es behinderte Neandeutet. Beides ist sicher falsch. ler“ ist in erster Linie eine Liebesgeschichte Nein. Es gab über viele Jahre taler ist von den Paläogenetikern geDer Kampf um die Nachfolge dertaler gab, die von der Gruppe über Jahre zwischen dem Neandertaler AO und der HoGerd-Christian Weniger, sige Chance. Vor allem sitzen Sie nicht mehr wie Keiner hat unser MenschenbildHatso verändert der Moderne Mensch den Neandertaler gepflegt wurden. Dieses Wissen unterstützt mo Sapiens Aki. Beim Gedanken an diese RoJahrgang 1953, ist Direktor des entscheidet über Israels Zukunft hinweg große Zweifel. Nun freuen wir adelt worden. Er ist jetzt auch ein mofrüher vor einem Fossil, und das nächste sehen Sie nun eigentlich ausgerottet, oder nicht? manze hätten sich Wissenschaftler vor eiNeanderthal-Museums in den Prozess seiner Humanisierung. wie der Neandertaler. 150 Jahre nach seiner Die Vermischung von Neandertaler und Monem Jahr noch entsetzt an den Kopf gefasst. Mettmann. Weniger vertritt seit Monate später in einem tausend Kilometer entGisela Dachs Seite 2 Neandertaler-Rekonstruktion, Weniger uns natürlich, dass die biologische Frakderner Mensch. dernem Mensch gab es wahrscheinlich nur im Ein Film-Klischee bleibt. Es hätte sicher Forscher gegeben, PaläogenetiJahren die Ansicht, dass Der Neandertaler fernten Institut. Sie können sich in der Datenbank Vorderen Orient, nicht in Europa. Hält man wird als ungepflegter Waldschrat dargestellt. ker oder Paläoanthropologen, die hätten das es eine Vermischung von Entdeckung sagen uns die Forscher, wie er sich die Klimageschichte Europas vor Augen Und das stört mich ungemein. Neandertaler als völligen Humbug bezeichnet, als reine FikNeandertaler und Homo viele Datensätze gleichzeitig ansehen. hält, kommt man zu dem Schluss, dass vor sind häufig schmutzig, jede Form von Körpertion. Sapiens gegeben haben muss. ZEIT: Es sind schon verhältnismäßig viele Nean40 000 Jahren die Neandertaler in unseren hygiene ist ihnen offenbar fremd. Das ist für Jüngste Forschungsergebnisse stützen seine These. lebte – und wie er wirklich aussah Und Sie, der Sie sich zu den Archäologen Breitengraden durch Klimastress ausgestor- Primaten ein ungewöhnliches Verhalten. GeNeandertaler am Feuer (Rekonstruktion)

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12. Januar 2006

DIE ZEIT

Prisma

BERTHOLD STEINHILBER / LAIF

Nr. 3

Waren wir offene, humane Wesen? Und: Kann man sich dieser Frage wissenschaftlich überhaupt nähern oder bleibt man unweigerlich im Dickicht philosophischer Diskurse stecken? Für den gewöhnlichen Kulturanthropologen oder Philosophen abendländischer Prägung ist der Beginn menschlicher Urgeschichte untrennbar mit einem großartigen, befreienden Gewaltakt verbunden: Zeus tötet Kronos, Kain tötet Abel, ein Mörderaffe tötet im Filmklassiker „2001“ seinen Widersacher – die Geschichte beginnt. Aber reichen diese Bilder tatsächlich bis zu unseren Ursprüngen zurück? Unser kulturelles Gedächtnis beginnt mit den ersten schriftlichen Aufzeichnung. Alle frühen Erzählungen – sei es das Gilgamesch-Epos oder sei es die Bibel – berichten von Gesellschaften, deren Existenzgrundlage Ackerbau und Viehzucht waren. Gesellschaften, in denen die Auseinandersetzung um Ressourcen wie Land, Wasser, Vorräte zum Alltag gehörte. Viehnomaden stritten mit Ackerbauern und Ackerbauern stritten untereinander um Zugangsrechte und Verfügungsgewalt.

Ab ins »Netz 2006«: Fußball berührt alle

SbenPsind.I Der E anatomisch G E L moderne 1 9 Mensch / 2 0ist1 hen 0 Sie in den Zoo. Die Affenarten sind alle gedann in einen weitgehend unbesiedelten Raum eingesickert.

Diese These lässt der Film auch zu. AO ist der letzte seiner Art. Er lebt in einer weitgehend menschenleeren Umgebung, er ist alleine, mit ihm sterben die Neandertaler aus. Da ist der Film ganz nah an der Wissenschaft.

pflegt. Das ist Teil ihrer Überlebensstrategie.

Sind Neandertaler-Filme, wie „Steinzeit Junior“ aus dem Jahr 1992, der absoluter Klamauk ist, für Sie dann Fluch oder Segen? Für uns ist das letztendlich ein Vorteil. Tatsächlich? Sehen Sie, das Bild des Neandertalers wird

seit jeherinkontrovers diskutiert»4und wir müsFoto: Model-Kopf eines Neanderthalers, fotografiert der Sonderausstellung Millionen Jahre Mensch« im Staatlichen Museum für Naturkunde Stuttgart; United Exhibits/Science Photo Library / Agentur Focus

7000 bis 10 000 Neandertaler sollen in Europa gelebt haben. Viele sind das nicht. Es gibt hinsichtlich der Populationsgröße unterschiedliche Schätzungen. Wir haben das vor ein paar Jahren anhand von Klimadaten und der Größe des potentiellen Siedlungsraumes zu berechnen versucht. In einer warmen Phase der letzten Eiszeit kommen wir auf ein Maximum von 160 000 Menschen, aber wir gehen davon aus, dass die realen Zahlen deutlich darunter geblieben sind. In einer kalten Phase kommt man nur noch auf eine maximale Population von 25 000, also sind Zahlen von unter 10 000 durchaus realistisch. Kritisch wird es, wenn der Aufwand, sprich die Entfernungen, zu groß werden, um einen potenziellen Partner zu finden.

sen damit auch umgehen. Natürlich betreiben wir seriöse Wissenschaft, aber unsere Aufgabe verlangt auch, die Menschen da abzuholen, wo sie gerade stehen. Und dann muss man zum einen solche Filme akzeptieren und zum anderen selbst das Potenzial der Marke Neandertaler gelegentlich nutzen. Auch wir treiben schon mal Blödsinn mit dem Neandertaler. Mitunter darf es auch etwas schräg sein.

Dr. Seltsam in Teheran Blick in die Vergangenheit der Menschen: der Schädel

Schräg? Im Hinblick auf den Eurovision Song Contest in Düsseldorf sind wir gerade dabei, den Neandertaler zum Gesangsstar aufzubauen.

Aber haben diese PR überhaupt nötig?Michael naumann eines Homo Irans Führung will die Bombe. Gemeinsam könnten die Großmächte sieSiestoppen Von Es geht darum, das Thema Neandertaler an vieNeanderthalensis. PHOTOLIBRARY/MAURITIUS

A

riel Scharon wird Israel nicht mehr regieren. Bis auf Ägyptens Diktator Mubarak sind die Führer des nahöstlichen Ancien Régime aus der Geschichte abgetreten: Palästinas Jassir Arafat, Iraks Saddam Hussein, Syriens Hafis al-Assad, Saudi-Arabiens König Fahd. Gemeinsam pflegten sie ihre ohnmächtige Feindschaft mit Israel. Doch keiner von ihnen verfügte (anders als die Israelis) über die ultimative Waffe, die Atombombe. Ihre Nachfolger sind militärisch schwach und registrieren den neuen Nachbarn: die U. S. Army, mit 140 000 Soldaten auf dubioser Demokratisierungsmission im Irak. Solange die Amerikaner da sind, so lange wird es keine konventionellen Kriege mehr auf der arabischen Halbinsel geben. Nur ein islamischer Staat in der Region, Iran,

AO legt deshalb eine unglaublich weite Strecke zurück, von Nordeuropa bis ans Mittelmeer. Der Neandertaler soll aber gar kein

len Stellen in der Gesellschaft zu platzieren, gerade da, wo es nicht erwartet wird. Es gibt aber tatsächlich Kollegen, die darüber forschen, wie der Neandertaler gesungen haben könnte.

großer Läufer sein? Frankreichs undgewesen Deutschlands. Bisher ging es um nischen Militärsatelliten ins Weltall befördert und Mobil waren Jäger und Sammler natürlich. Welches Geheimnis wollen Sie noch lüften? die Frage: Ist das Land bereit, seinen so offenkun- baut den 1000-Megawatt-Reaktor in Buschir aus. Und je kälter das Klima wurde, desto höher Ich würde gerne einen Lagerplatz entdecken, die Mobilität. Die Distanz, die AO zu- an dem ein Neandertaler anatomisch digenwurde A-Bomben-Plänen abzuschwören oder Peking und hateinmit Teheran einen Öl- und Gaslieferücklegt, ist trotzdem enorm in der Kürze der moderner Mensch gemeinsam bestattet wurnicht? Wahrscheinlich nicht. Worüber also noch rungskontrakt über 20 Milliarden Dollar geZeit. Da schießt der Film über das Ziel hinaus. den. Das wäre ein echtes Highlight. Dann würde die Geschichte von AO real. Beide Veto-Mächte werden UN-Sankverhandeln? schlossen. Wie oft haben Sie den Kopf schütteln müstionen gegen Iran zu verhindern wissen. Interview: Sebastian Gehrmann sen, als Sie den Film gesehen haben? Israelische Militärs hatten sich selbst bis zum Achtzehn Jahre lang hatten die Iraner kritische Teile ihrer Nuklearforschungslabors vor der Inter- März dieses Jahres eine Frist gesetzt: Sollte bis danationalen Atomenergiebehörde (IAEA) verbor- hin Iran nicht vor den UN-Sicherheitsrat zitiert gen. Hinter doppelten Wänden eines Kraftwerks worden sein, wäre der point of no return überin Teheran entdeckten die Inspektoren im Febru- schritten. Liegt er auf jener »Linie«, die Steinmeiar 2003 Tausende Zentrifugen zur Uran-Anrei- er am Dienstag ins Spiel brachte? Die israelische cherung. Im Oktober desselben Jahres handelte Luftwaffe besitzt 500 hochmoderne BunkerJoschka Fischer in Teheran mit seinen Kollegen knacker-Bomben aus dem US-Arsenal. Doch in aus Paris und London eine Verpflichtung Irans Wirklichkeit gibt es für Israel keine ernsthaften aus, dieses Programm zu suspendieren. Doch von militärischen Optionen: Weder kann es als HilfsJahr zu Jahr wurde klarer, dass die Regierung der sheriff Washingtons auftreten, noch könnte es

Für jeden, der schon einmal gekickt hat: Das große Online-Spiel zur WM auf www.zeit.de und im Leben S. 61

Der vermeidbare Tod Die Vogelgrippe kommt näher.Aber Deutschland ist auf die Seuche besser vorbereitet als die Türkei Von Andreas Sentker

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s sind Bilder wie aus dem Mittelalter, die uns aus der Türkei erreichen; so primitiv sieht die Hatz auf Hühner, Gänse und Enten aus. Wären da nicht die Schutzmasken der Häscher, ihre Plastiktüten, in die sie hastig das Geflügel stopfen, kopfüber und noch lebend. Wären da nicht Bulldozer, die Gruben zuschieben, in denen inzwischen mehr als 100 000 Tiere liegen. Es sind Nachrichten wie aus einer unaufgeklärten Zeit. Menschen sterben an Unwissen. Kinder zahlen mit ihrem Leben für die Armut und Ahnungslosigkeit der Eltern, die auch todkranke Tiere noch schlachten und auf den Tisch bringen. All dies hätte verhindert werden können. Erste Fälle von Vogelgrippe waren bereits im

nicht von erkrankten zu unterscheiden sind – und sich eine mögliche Seuche so der Kontrolle entzieht. Die Parole wird also wieder lauten: Ab in den Stall. Wichtige Vogelzugrouten führen über das östliche Mittelmeer und die Türkei. Bald werden Gänse und Störche zurückkehren. Sollte die Türkei die Seuche bis dahin nicht in den Griff bekommen haben, droht Europa die Ausbreitung der Krankheit – mit gravierenden wirtschaftlichen Folgen. Schon jetzt hat Verbraucherschutzminister Horst Seehofer angekündigt, Hühner und anderes Federvieh von Anfang März bis Anfang April wieder in die Ställe zu sperren. Die Proteste dagegen dürften leiser ausfallen als noch im Spätherbst. Das


75 Jahre Neanderthal Museum

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»Die Kunststiftung NRW freut sich sehr,

Webzugriffe auf neanderthal.de 2008: 130.000 2009: 212.388 2010: 192.360 2011: 220.097 Ranking In Summe aller Web 2.0 Aktivitäten (facebook, Twitter, ...): Platz 4 in NRW (hinter NRW Forum, Museum Ludwig und Museum Folkwang) Insgesamt Platz 2. unter den deutschen Archäologiemuseen www.pluragraph.de

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dem Neanderthal Museum zu seinem wichtigen Jubiläum zu gratulieren und für die Zukunft eine weitere gedeihliche Entwicklung zu wünschen. Das Haus genießt einen internationalen Ruf und es gibt wohl kaum einen anderen Ort, an dem man so profund und anschaulich zugleich in das anthropologische Werden der Menschheit eingeführt wird. Die Kunststiftung NRW konnte 2002 dazu beitragen, einen Skulpturenpark im Außenbereich des Museums zu realisieren. Dem Künstler und Kurator Volker Friedrich Marten gelang es zusammen mit Zadok Ben-David, Anne und Patrick Poirier, Magdalena Abakanowicz, Jaume Plensa, Antony Gormley, Klaus Simon, Giuseppe Penone, Ian Hamilton Finlay und Nils Udo der durch menschliche Eingriffe stark zerstörten Naturlandschaft eine neue Würde und Anmut zukommen zu lassen. Das noch in den 1820er Jahren von der Düsseldorfer Malerschule als wild romantische Naturkulisse entdeckte Neandertal, wurde ab den 1850er Jahren vollständig durch den Kalkabbau zerstört und damit auch die eigentliche Fundstätte des Neanderthalers. Volker Friedrich Marten begab sich mit seinen Bildhauerkolleginnen und Kollegen auf die Suche nach den „MenschenSpuren“ in der renaturierten Parklandschaft. Das Ergebnis zeigt, wie eng Natur und Kultur in einer Metamorphose miteinander verwoben sind und wie weit entfernt von Endgültigkeit sich diese Symbiose befindet.

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Dr. Fritz Behrens (Düsseldorf) Präsident der Kunststiftung NRW


1937–2012


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