Sämtliche Chorwerke von Evgenij Gunst

Evgenij Ottovič GUNST SÄMTLICHE CHORWERKE Herausgeber: David Rossel

 VOKALQUARTETTE FÜR MÄNNERCHOR Dalekoj stariny zdes‘ otzvuki slyšny ∙ Ljublju ja tvoj vzor Už ty pole moe, pole čistoe

GEISTLICHE WERKE FÜR GEMISCHTEN CHOR ODER MÄNNERCHOR Alma Redemptoris Mater ∙ Vidi aquam Introitus ∙ Præfatio Defunctorum ∙ Libera me Domine

PASTORALE FÜR GEMISCHTEN CHOR UND ORGEL Berger fidèle et tendre (nach einer Arie aus „Messiah“ von G. F. Händel)

 Copyright © 2011 Musikwissenschaftliches Institut, Universität Basel (Schweiz). Alle Rechte vorbehalten.

Inhaltsverzeichnis Einleitung .................................................................................................................................... 3 Quellenlage................................................................................................................................. 3 Gruppe 1: Die Vokalquartette .................................................................................................... 4 Gruppe 2: Die gregorianischen Choräle ..................................................................................... 5 Gruppe 3: Die Händel-Bearbeitung .......................................................................................... 12 Weitere Skizzen ........................................................................................................................ 15 Zusammenfassung.................................................................................................................... 16 Liedtexte und Übersetzungen .................................................................................................. 17 Quellenverzeichnis ................................................................................................................... 20 Literaturverzeichnis .................................................................................................................. 21

Anhang DALEKOJ STARINY ZDES‘ OTZVUKI SLYŠNY ∙ Vokalquartett für Männerchor (4 Seiten) LJUBLJU JA TVOJ VZOR / PETITE VALSE ∙ Vokalquartett für Männerchor (3 Seiten) UŽ TY POLE MOE, POLE ČISTOE ∙ Vokalquartett für Männerchor (2 Seiten) INTROITUS ∙ für Männerchor (2 Seiten) PRÆFATIO DEFUNCTORUM ∙ für Vorsänger und Männerchor (4 Seiten) LIBERA ME, DOMINE ∙ für gemischten Chor (8 Seiten) VIDI AQUAM ∙ für Männerchor (2 Seiten) ALMA REDEMPTORIS MATER ∙ für gemischten Chor (3 Seiten) BERGER FIDÈLE ET TENDRE ∙ Pastorale für gemischten Chor und Orgel nach der Arie „He shall feed his flock“ aus dem Oratorium „Messiah“ von Georg Friedrich Händel Chorpartitur (5 Seiten) Orgelpartitur (4 Seiten) Dirigierpartitur (10 Seiten)

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Einleitung Das musikalische Schaffen von Evgenij Gunst umfasst in erster Linie Klavierwerke sowie Klavierlieder in russischer und französischer Sprache; dazu kommen Orchesterstücke sowie einige kammermusikalische Werke. Obwohl schon sein gesamtes Lebenswerk in der Musikgeschichte ein weitgehend unbekanntes Feld darstellt, umso mehr ist es noch die Chormusik, welcher Gunst einen vergleichsweise noch viel unscheinbareren Teil seines Wirkens widmet. In seinem Nachlass finden sich Reinschriften von drei kurzen Vokalquartetten für Männerchor, Skizzen zu einer Chorbearbeitung einer Händel-Arie sowie eine Harmonisierung des gregorianischen Chorals Alma Redemptoris Mater für gemischten Chor. Eine übersichtliche Auswahl also? Durchforstet man die zahlreichen losen Skizzenblätter weiter, lassen sich Fragmente von vier weiteren Choralharmonisierungen finden. Was veranlasste Gunst als fast ausschliesslich weltlich komponierenden Tonschöpfer dazu, gregorianische Choräle zu harmonisieren? Dazu werden in der Folge die insgesamt neun Stücke mittels einer Verortung im Leben und Werk von Gunst näher betrachtet und teilweise durch Rekonstruktionsversuche, welche in einem kritischen Bericht festgehalten werden, in eine aufführbare Form gebracht. Im weiteren Sinne werden hiermit auch die Grundlagen für eine nachfolgende Edition und Aufführungen der Chorwerke geschaffen.

Quellenlage Wie bereits erwähnt präsentiert sich die Quellenlage der einzelnen Stücke unterschiedlich, wobei innerhalb der drei vorhandenen Chorwerkgattungen jeweils Gemeinsamkeiten auszumachen sind. Eine erste Gruppe stellen drei Vokalquartette für Männerchor dar. Von zweien liegen jeweils Reinschriften sowie skizzierte Stückteile in Particellform vor; das dritte Stück ist als vollständige Skizze erhalten. Eine zweite Gruppe umfasst fünf chorische Harmonisierungen von gregorianischen Chorälen. Vier davon liegen lediglich als unbezeichnete, mit Bleistift skizzierte Fragmente vor; nur von Alma Redemptoris Mater ist eine mit Titelblatt versehene Reinschrift sowie ein Particell und die Transkription der Choralmelodie erhalten. Ein Chorwerk mit Instrumentalbegleitung bildet für sich eine eigene dritte Gruppe, zumal sich bei diesem Stück die Quellenlage am umfangreichsten präsentiert: insgesamt liegen acht verschiedene Fragmente in Skizzen- oder Particellform vor, welche sich glücklicherweise gegenseitig meist ergänzen.

Insbesondere die letzten beiden Gruppen beanspruchen den grössten Teil der Quellenarbeit, um eine möglichst originalgetreue Rekonstruktion zu erreichen. Sie werden von einem kritischen Bericht begleitet.

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Gruppe 1: Die Vokalquartette Von den drei Vokalquartetten stellen zwei davon kurze Eigenkompositionen von Gunst in der klassischen Liedform A-B-A’ dar, zu welchen er auch die Gedichte verfasste: Далекой старины здесь отзвуки слышны / Dalekoj stariny zdes’ otzvuki slyšny („Ferner Zeiten Widerhall vernehm ich hier“, Nr. 1) und Люблю я твой взор / Ljublju ja tvoj vzor („Ich liebe deinen Blick“, Untertitel Petite Valse, Nr. 2).

Nr. 1 umfasst 35 Takte (A: 1-10; B: 11-24; A’: 25-35) mit einer geschätzten Dauer von zwei Minuten. Die vierseitige Partiturreinschrift ist mit Tinte geschrieben und am Schluss der letzten Seite ist der Liedtext nochmals separat notiert. Zwei weitere Skizzen zu dem Stück sind zudem erhalten: eine zweiseitige Tintenskizze, welche 24 Takte des Stücks enthält, sowie eine einseitige Bleistiftskizze mit 6 Takten. Die Skizzen haben keine editorische Relevanz, da sie vom Notentext her mit der Reinschrift identisch sind.

Nr. 2 umfasst 52 Takte (A: 1-16; B: 17-36; A’: 37-52) mit einer geschätzten Dauer von einer Minute. Von dem Stück sind zwei Partiturreinschriften erhalten: Während die eine Reinschrift in der Reprise eine identische Wiederholung des ersten Teils (A-B-A) aufweist, beinhaltet die andere Reinschrift zwei kleine Variationen (A-B-A’): Im Tenor I werden hochoktavierte Auftaktnoten notiert, und sowohl der Tenor II als auch der Bass II verfolgen in der Reprise je eine eigene Stimme (zu Beginn unisono mit Tenor I resp. Bass I). Die in beiden Partituren vermerkte Metronomangabe h. = 80 (was ein überaus schnelles Walzertempo bedeutet) ist für eine Gesangsformation praktisch kaum umsetzbar und steht zudem im Widerspruch mit der Anweisung „sempre leggiere e poeticamente“. Vielleicht hat Gunst unbeabsichtigt eine fehlerhafte Angabe notiert und ein anderes Tempo wie z.B. h. = 180 gemeint. Da Nr. 1 die Metronomangabe q = 80 aufweist, ist auch ein Verwechslungsfehler vonseiten des Komponisten denkbar. Der Herausgeber hat sich daher entschieden, bei Nr. 2 auf eine Metronomangabe zu verzichten und die Tempowahl entsprechend der Bezeichnung „Tempo di Valse“ den Interpreten zu überlassen. Zu dem Stück sind zudem weitere zwei Skizzen erhalten: Eine zweiseitige Bleistiftskizze mit den ersten 36 Takten der unvariierten Version, welche in einem zweiten Notensystem zusätzlich als Particell notiert sind, sowie ein in Tinte geschriebenes Skizzenblatt mit der Reprise der variierten Fassung. Auch hier weisen die Skizzen keine editorische Relevanz auf.

Das dritte Stück Уж ты поле мое, поле чистое / Už ty pole moe, pole čistoe („Du bist ja doch mein Feld, freies Feld“, Nr. 3) umfasst 32 Takte mit einer geschätzten Dauer von zwei Minuten. Es handelt sich um eine Bearbeitung des gleichnamigen russischen Volkslieds, wovon Gunst die ersten vier Textzeilen mit verschiedenen Harmonisierungen vertont. Als

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Vorlage nahm Gunst die Edition des Liedes aus dem Sammelband russischer Volkslieder von Milij Alekseevič Balakirev (1837Ŕ1910), wo es als Nr. 27 unter dem Titel Протяжная / Protjažnaja („Langlied“) veröffentlicht wurde. Von diesem Stück liegt nur eine zweiseitige in Tinte geschriebene Skizze vor, welche aber vollständig ausnotiert ist. Für die für Männerchor sehr hohe Passage der Takte 21 bis 24 hat Gunst zudem eine tiefer notierte Ossia-Variante angegeben, welche in dieser Edition nicht berücksichtigt wurde.

Die drei Vokalquartette stehen in einer gemässigten, volkstümlichen Tonsprache und sind aufgrund ihrer sehr kurzen Dauer (zusammen etwa fünf Minuten) als Gelegenheitswerke zu betrachten. Vermutlich schrieb sie Gunst im französischen Exil; zumindest weist eine der beiden Reinschriften von Nr. 2 mit der Datierung „13./14. Okt. 1945“ darauf hin. In allen drei Stücken lassen sich Themen wie Liebe, Sehnsucht und die Erinnerung an die Heimat ausmachen: In Nr. 1 zeichnet Gunst ein tänzerisches Bild der Erinnerung an eine vergangene Zeit der Unbeschwertheit und Lebensfreude; die konträr zum Text stehende fröhlich-bewegte Melodie sowie der überraschende Gis-Dur-Schlussakkord des in E-Dur stehenden Liedes lassen eine gewisse Ironie Gunsts spüren. In Nr. 2 ist es eine unerwiderte Liebe, die schon fast an Besessenheit grenzt; Gunst beschreibt sie in einem raschen Walzertakt mit leittönigchromatischer Melodie, welche kaum begonnen abrupt endet. In Nr. 3 scheint Gunst seine tiefe Verbundenheit und Sehnsucht nach der russischen Heimat ausdrücken zu wollen Ŕ nach Freiheit in seinem eigenen Feld. Obwohl einfach gehalten, verleihen die ruhige Melodie, langgezogene Bögen und der weite Tonumfang dem Stück einen sehr melancholischen, nachgerade sentimentalen Charakter.

Es ist nicht bekannt, ob die Vokalquartette je aufgeführt wurden. Es ist davon auszugehen, dass Nr. 1 und Nr. 2 zumindest in kleinem Rahmen gesungen worden sein dürften, da sie als reingeschriebene Partitur vorliegen und in Gunsts eigens erstelltem Werkverzeichnis (unter „Verschiedenes“ ohne Opus-Zahlen) vermerkt sind.

Gruppe 2: Die gregorianischen Choräle Die Harmonisierungen von fünf gregorianischen Chorälen stellen in Gunsts gesamtem Schaffen die einzigen Werke mit geistlich-liturgischem Bezug dar. Tonsprachlich knüpfen sie an die grosse russische Tradition liturgischer Chorwerke an, mit der Besonderheit, dass hier der orthodoxe Chorklang mit Choralmelodien der Westkirchen verbunden wird. Mit Ausnahme von Alma Redemptoris Mater sind sie nur als fragmentarische Skizzen erhalten, deren drei haben ihre Herkunft in der katholischen Totenmessliturgie: Der Einzugschoral Introitus („Requiem æternam“), das Sanctus-Vorgebet Præfatio Defunctorum („Vere

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dignum“) und das Responsorium Libera me, Domine aus den Exequien. Der vierte Entwurf beinhaltet die Antiphon Vidi aquam aus der Ostermessliturgie. Sie sind je als einseitige Skizze in Particellform notiert und weisen meist blosse Notenwerte auf ohne Eintragungen bezüglich Taktart, Taktstriche, Tonart, Schlüssel, usw. Der Tonumfang und die Anlage der Stimmen lassen darauf schliessen, dass die Stücke (analog zu den Vokalquartetten) für vierstimmigen Männerchor gesetzt wurden. Auf einzelne Unterschiede und Besonderheiten soll in der Folge eingegangen werden.

Der Choralmelodie

Introitus der

harmonisiert

gleichnamigen

die

Vorlage,

welche im katholischen Choralbuch Graduale Romanum bei der Totenmesse („Missa pro defunctis“) enthalten ist. Anzumerken ist, dass nur der Introitus ohne das im liturgischen Gebrauch direkt anschliessende Kyrie vorliegt.

Die

Bleistiftskizze

umfasst

in

vier

Notensystemen pro Zeile sieben nummerierte Abschnitte (0 bis 6) mit einer geschätzten Dauer von knapp zwei Minuten. Die Abschnitte orientieren sich an der textlichen Unterteilung der Vorlage und sind zu Beginn mit „Tenori“ (obere zwei Systeme) und „Bassi“ (untere zwei Systeme) bezeichnet, was zweifelsfrei auf eine

Ort (Abschnitt – Takt – Note)

Stimme

0 Ŕ II Ŕ 5/8 0 Ŕ III Ŕ 1/5 0 Ŕ IV Ŕ 1,2/2

T2 T1 T2 B1 B1 B1, B2 B1 T2 T1, B1 T2 T1, B1, B2 T1, B1, B2 T2 B1, B2 --T2 B2 T1 T2 T2 T1, B1, B2 T1, B1, B2 ---

1 Ŕ I Ŕ 4/6 1 Ŕ II Ŕ 1/6 1 Ŕ IV Ŕ 2/9 1 Ŕ IV Ŕ 8,9/9 2 Ŕ I Ŕ 1,3,7,9/11 2 Ŕ I Ŕ 11/11 2 Ŕ II Ŕ 4/11 2 Ŕ III Ŕ 1/8 2 Ŕ III Ŕ 7,8/8 2 Ŕ III Ŕ 8/8 3 Ŕ II Ŕ 7/7 4 Ŕ I Ŕ 3/15 4 Ŕ I Ŕ 9/15 4 Ŕ I Ŕ 13/15 5 Ŕ I Ŕ 10/10 6 Ŕ I Ŕ 6/7 6 Ŕ II Ŕ 1,2/3 6 Ŕ II Ŕ 3/3

Ergänzungen (sofern nicht anders vermerkt)

Fermate Bindebogen Fermate Bindebogen Bindebogen Bindebogen Bindebogen Fermate Bindebogen Fermate Bindebogen Bindebogen Fermate Bindebogen Fine Fermate Bindebogen Bindebogen Fermate Fermate Bindebogen Bindebogen da capo al Fine

vierstimmige Männerchorbesetzung schliessen lässt. Der im liturgischen Gebrauch zu wiederholende erste Teil ist nicht ausnotiert. Aufgrund der klaren Notation und des vorhandenen vollständigen Stimmensatzes bedarf die Skizze ansonsten nur der Unterlegung des vorliegenden Choraltextes und die Bezeichnung aufführungspraktischer Besonderheiten der Quadratnotation (z.B. stehen Punkte und Striche für eine Verlängerung des jeweils zugehörigen Notenwertes), um aufgeführt werden zu können.

Die Præfatio Defunctorum entstammt dem Messbuch Missale Romanum und wird in liturgischem Gebrauch mehrheitlich von einem Vorsänger gesungen; nur in der responsorialen Einleitung ist die Gemeinde als Antwortgeberin beteiligt. Die weitgehend vollständige Skizze umfasst 16 Abschnitte mit Notenwerten ohne weitere Bezeichnungen und einer geschätzten Dauer von dreieinhalb Minuten. Vom ersten Abschnitt fehlt der zweite Teil

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ab den Worten „Dominus vobiscum“; ein in der Skizze notierter E-MollAkkord an dieser Stelle lässt eine

Ort (Abschnitt – Takt – Note)

Stimme

Ergänzungen

1 Ŕ I Ŕ 1/12 1 Ŕ I Ŕ 7/12-12/12

-Cantus T1, B1, B2

1 Ŕ II Ŕ 2,3/3 2ŔI 2 Ŕ I Ŕ 5/7-7/7

T2 -Cantus T1, B1, B2

2 Ŕ II

T2 T1, B1, B2 Cantus T1, B1, B2 B1 Cantus T2 Chor Cantus Chor Cantus Chor Cantus Cantus Cantus Cantus Cantus Chor Cantus Cantus Cantus Chor Cantus Chor Cantus Chor Cantus Chor Cantus Chor Cantus Chor Cantus ---

boccha chiusa Choralmelodie ergänzt Akkord von 1/12-6/12 bis 12/12 verlängert Bindebogen, Fermate boccha chiusa Choralmelodie ergänzt Akkord von 1/7-4/7 bis 7/7 verlängert Choralmelodie ergänzt Akkord von 2 Ŕ I ergänzt Choralmelodie ergänzt Akkord von 2 Ŕ I ergänzt Bindebogen, Fermate Fermate Bindebogen, Fermate Bindebogen Fermate Bindebogen Fermate Bindebogen Fermate Fermate Fermate Fermate Fermate Bindebogen Fermate Fermate Fermate Bindebogen Fermate Bindebogen Fermate Bindebogen Fermate Bindebogen Fermate Bindebogen Fermate Bindebogen Fermate Ritardando [ad libitum]

Ergänzung der fehlenden Melodie aus der

Vorlage

passend

zum

auszuhaltenden E-Moll-Akkord zu.

Gunst gab in dieser Skizze keine Besetzung an und es sind viele z.T. undeutliche

Korrekturen

in

den

Notenwerten eingezeichnet, was eine eindeutige Zuordnung erschwert. Geht man im Zusammenhang mit den anderen Choralharmonisierungen von einer vokalen Besetzung aus, so lässt der skizzierte tiefe Tonumfang erneut auf

eine

Männerchorbesetzung

schliessen. Da die einzelnen Noten der Vorsänger-Melodie aus der Vorlage in die

harmonisierenden

Akkord-

Notenwerte eingebettet sind, könnte es sich

aber

auch

um

einen

Instrumentalbegleitsatz handeln; die Begleitung einer von einem Vorsänger gesungenen Choralmelodie durch ein Orgelpositiv hat eine weitreichende Tradition in der liturgischen Praxis.

Dagegen

spricht,

dass

sich

die

Melodie des Vorsängers mit den

2 Ŕ III 2 Ŕ IV Ŕ 7,8/8 3 Ŕ I Ŕ 6,13/13 4 Ŕ I Ŕ 6,7/7 5 Ŕ I Ŕ 1,12/15 5 Ŕ I Ŕ 8,15/15 6 Ŕ I Ŕ 1,7/15 6 Ŕ I Ŕ 9,15/15 7 Ŕ I Ŕ 1/16 7 Ŕ I Ŕ 5,16/16 8 Ŕ I Ŕ 9/9 9 Ŕ I Ŕ 8,17/17 10 Ŕ I Ŕ 15/15 11 Ŕ I Ŕ 7/7 11 Ŕ II Ŕ 2/13 11 Ŕ II Ŕ 13/13 12 Ŕ I Ŕ 11/11 12 Ŕ II Ŕ 9/9 13 Ŕ I Ŕ 4/16 13 Ŕ I Ŕ 10,16/16 13 Ŕ II Ŕ 2,7/15 13 Ŕ II Ŕ 11,15/15 14 Ŕ I Ŕ 2/13 14 Ŕ I Ŕ 13/13 14 Ŕ II Ŕ 7/11 14 Ŕ II Ŕ 11/11 15 Ŕ I Ŕ 1/15 15 Ŕ I Ŕ 15/15 15 Ŕ II Ŕ 8,11/17 15 Ŕ II Ŕ 10,17/17 15 Ŕ II Ŕ 11/17

(sofern nicht anders vermerkt)

Begleitharmonien häufig überlappt, wobei anzumerken ist, dass dies der Skizzierung Gunsts entspricht und deshalb gewollt so notiert worden sein dürfte. Unter Berücksichtigung der liturgischen Aufführungspraxis des Chorals (Vorsänger und Gemeinde) und des Tonumfangs von Vorsängerstimme und Harmonisierung ergibt sich die Möglichkeit einer chorischen Rekonstruktion, die Choralmelodie des Vorsängers einem Tenor- oder Baritonsolisten zuzuordnen (bzw. die Choralmelodie der Gemeinde in der Einleitung der entsprechenden

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Stimmgruppe im Männerchor), während die Begleitharmonien vom Männerchor gesungen werden. Bleibt noch die Problematik, wie der rezitative Text des Vorsängers auf die in langen Notenwerten gesetzte Begleitung im Chor verteilt werden kann; hierfür bietet sich der Versuch an, die Begleitharmonien des Chores mit dem nachfolgenden und liturgisch zusammenhängenden Text des Sanctus, welches unmittelbar nach der Präfation von der Gemeinde gesungen wird, zu unterlegen. Es sei ausdrücklich erwähnt, dass es sich hier um einen editorischen und praxisbezogenen Versuch handelt, zu einer passenden chorischen Rekonstruktion des Fragments beizutragen. Wer eine liturgisch orientierte Fassung bevorzugt, wird vermutlich eher auf den Einsatz eines Orgelpositivs für die Harmonisierung zurückgreifen wollen. Um eine aufführbare Fassung zu erhalten, ist aber auf jeden Fall der auch hier von Gunst nicht notierte Choraltext hinzuzufügen und die Bezeichnung aufführungspraktischer Besonderheiten der Quadratnotation zu berücksichtigen.

Die Skizze zu Libera me, Domine mit einer geschätzten Dauer von fünf Minuten ist aus editorischer Sicht vermutlich die interessanteste, weil umfang- und variantenreichste der vier Choralskizzen von Gunst. In 22 Abschnitten, von Gunst mit 0 bis 21 nummeriert, werden für einige davon zwei Varianten skizziert, während andere Abschnitte komplett fehlen. Gunst notierte

am

Anfang

drei

Kreuze

zur

Tonartbezeichnung

fis-Moll

sowie

die

Vortragsbezeichnung „Tranquillo“; eine Taktart bezeichnet er aufgrund der freien Rhythmik des Chorals wie auch zuvor nicht. Die genaue Besetzung ist nicht vorgegeben; im Kontext mit den anderen Choralharmonisierungen und aufgrund des tiefen Tonumfangs in vielen Abschnitten ist auch hier von einer Männerchorbesetzung auszugehen. Allerdings gibt es für einige Abschnitte Ŕ namentlich die ersten sechs Ŕ eine alternative Harmonisierung, deren Tonumfang grösser ist bzw. weiter in die Höhe geht. Dies würde also eher auf einen gemischten Chor hinweisen. Man könnte annehmen, Gunst hätte eine Besetzungsvariante für gemischten Chor nicht vollständig ausskizziert. Berücksichtigt man nun die liturgische Aufführungspraxis dieses Chorals Ŕ die ersten sechs bei Gunst nummerierten Abschnitte werden „da capo“ wiederholt Ŕ so könnte die Beschränkung dieser Variante auf diese Abschnitte sinnvoll erscheinen. Einige folgende Abschnitte sind jedoch lediglich mit der Nummerierung, d.h. ohne Notenwerte versehen und fehlen somit komplett. Es geht nicht hervor, aus welchen Gründen Gunst bei diesen Abschnitten offenbar ausdrücklich keine Harmonisierung skizzierte. Aufführungspraktische Überlegungen, dass gewisse festgelegte Abschnitte wie in der Praxis üblich nur vom Vorsänger gesungen werden, können ausgeschlossen werden, denn es fehlen gleichermassen vom Vorsänger oder vom Chor gesungene Teile. Die fehlenden Abschnitte nun mit Harmonisierungen von fremder Hand zu

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ergänzen, ist eine unbefriedigende Lösung; wie in vielen fragmentarisch erhaltenen Kompositionen ist die Gefahr gross, das Fragment eher zu verfälschen als zu vervollständigen. Als geeignetste Möglichkeit bietet sich das schlichte Weitersingen der gregorianischen Melodie in Begleitung eines chorischen Quint-Orgeltons ad libitum an. So kann die Komposition in authentischer Tonsprache vervollständigt und in sich geschlossen gehalten werden, ohne sie mit fremden, potenziell verfälschenden Harmonisierungen ergänzen zu müssen. Somit schafft dieser Rekonstruktionsversuch Ŕ er sei auch hier ausdrücklich als Versuch deklariert Ŕ eine Möglichkeit, die einzelnen Skizzenteile in eine kohärente Fassung zu bringen, welche zudem die liturgischen Gepflogenheiten berücksichtigt: das Responsorium wird von einem Männerchor bis zum Schluss durchgesungen, bis für die Wiederholung der ersten sechs Abschnitte die hohen Stimmen für eine zusätzliche Klangfarbe und einen stimmungsvollen Schluss des Stücks sorgen.

Stimme

Ergänzungen

0M Ŕ I Ŕ 1/9 0M Ŕ I Ŕ 7/9 0M Ŕ II Ŕ 6/6 1M Ŕ I Ŕ 1,4,8/13 1M Ŕ I Ŕ 13/13 2M Ŕ I Ŕ 1,8,12,14/20 2M Ŕ I Ŕ 19,20/20 3M Ŕ I Ŕ 4,7,10,23/27 3M Ŕ I Ŕ 7,9,18,26/27 4M Ŕ I Ŕ 1/15 4M Ŕ I Ŕ 2/15 4M Ŕ I Ŕ 5,10/15 5M Ŕ I Ŕ 2,4,8,14/22 5M Ŕ I Ŕ 4,13,22/22 6M Ŕ I Ŕ 1,6,11/12 6M Ŕ I Ŕ 6,11,12/12 7M Ŕ I

--T2 T2 T1, B1, B2 T2 T1, B1, B2 T2 T1, B1, B2 T2 T1 B1, B2 T2 T2, B1, B2 T1 T2, B1, B2 T1 T1 B1, B2

8M Ŕ I

T1 B1, B2 T1 B1, B2 T1 B1, B2 T1, T2, B2 B1 T2 T1, T2, B1 T1 T2, B1, B2

boccha chiusa Fermate Bindebogen, Fermate Bindebogen Fermate Bindebogen Fermate Bindebogen Tenuto, Fermate boccha chiusa Bindebogen Tenuto, Fermate Bindebogen Tenuto, Fermate Bindebogen Tenuto, Fermate Choralmelodie ergänzt Orgelpunkt F#Ŕc# ergänzt [ad libitum] boccha chiusa [ad libitum] Choralmelodie ergänzt Akkord von 7M Ŕ I ergänzt Choralmelodie ergänzt Akkord von 7M Ŕ I ergänzt Choralmelodie ergänzt Akkord von 7M Ŕ I ergänzt Bindebogen Tenuto, Fermate Tenuto, Fermate Bindebogen Choralmelodie ergänzt Orgelpunkt F#Ŕc#Ŕf# ergänzt [ad libitum] boccha chiusa [ad libitum] Choralmelodie ergänzt Akkord von 13M Ŕ I ergänzt Bindebogen Tenuto, Fermate

Ort (Abschnitt – Takt – Note)

9M Ŕ I 10M Ŕ I 11M Ŕ I Ŕ 10,16,19,23,26/27 11M Ŕ I Ŕ 7,9,18,26/27 12M Ŕ I Ŕ 4,10/10 12M Ŕ I Ŕ 6,8/10 13M Ŕ I 14M Ŕ I 15M Ŕ I Ŕ 2/15 15M Ŕ I Ŕ 5,10,15/15

(sofern nicht anders vermerkt)

T1 T2, B1, B2 T1, B1, B2 T2

9

16M Ŕ I 17M Ŕ I 18M Ŕ I 19M Ŕ I Ŕ 5,7/9 19M Ŕ I Ŕ 9/9 20M Ŕ I Ŕ 1,3/9 20M Ŕ I Ŕ 9/9 21M Ŕ I Ŕ 1,4,6/7 21M Ŕ I Ŕ 6,7/7 0g Ŕ I 1g Ŕ I Ŕ 1,4,8,13/13 1g Ŕ I Ŕ 13/13 2g Ŕ I Ŕ 1/20-10/20 2g Ŕ I Ŕ 1,5,8,12,14/20 2g Ŕ I Ŕ 19,20/20 3g Ŕ I Ŕ 4,7,10,19,23,26/27 3g Ŕ I Ŕ 7,9,18,26/27 4g Ŕ I 5g Ŕ I Ŕ 2,4,8,14/22 5g Ŕ I Ŕ 4,13,22/22 6g Ŕ I Ŕ 1,6,11/12 6g Ŕ I Ŕ 6,11,12/12 6g Ŕ I Ŕ 7/12

identisch mit 5M Ŕ I Identisch mit 6M Ŕ I Choralmelodie ergänzt, identisch mit 12M Ŕ I Ŕ 1/6-6/6 Melodie aus 12M Ŕ I Ŕ 1/6-6/6 ergänzt

----T2 T1, B1 T1, B1, B2 T2 T2, B1, B2 T1 T1, T2, B2 B1 --S, A A, T, B S, B1 T B1 A, T, B S, A A, T, B S, A, B1 --T1, T2 S, A A, T, B S A, T, B S, A ---

Bindebogen Fermate Bindebogen Fermate Bindebogen Fermate Männerchor aus 0M Ŕ I ergänzt Choralmelodie ergänzt Bindebogen Fermate Verdoppelung A durch Melodie B1 ersetzt Choralmelodie ergänzt Bindebogen Fermate Bindebogen Tenuto, Fermate Männerchor aus 4M Ŕ I ergänzt T2 aus 4M Ŕ I T1 aus 4M Ŕ I Bindebogen Fermate Bindebogen Fermate ritardando [ad libitum]

10

Die Antiphon Vidi aquam entstammt der Liturgie zur Osterzeit, in welcher sie ausschliesslich gesungen wird. In der Bleistiftskizze von Gunst ist nur die Antiphon ohne den dazugehörigen 117. Psalm vertont

Ort

Stimme

Ergänzungen

(vom Psalm sind lediglich zwei

(Abschnitt – Takt – Note)

0 Ŕ I Ŕ 7,8,9,10/10 2 Ŕ I Ŕ 1,3,8/12 2 Ŕ I Ŕ 12/12 3 Ŕ I Ŕ 3,10,14/15 3 Ŕ I Ŕ 14,15/15 4 Ŕ I Ŕ 1/12-9/12

T2 T1, B1, B2 T2 T1, B1, B2 T2 T2 T1, B1, B2

4 Ŕ I Ŕ 11,12/12 5 Ŕ I Ŕ 1/14-11/14

T2 T2 T1, B1, B2

5 Ŕ I Ŕ 12,14/14 6 Ŕ I Ŕ 1/18-8/18

T2 T2 T1, B1, B2

6 Ŕ I Ŕ 14/18-18/18

T2 T1, B1, B2

7ŔIŔ 1,2,3,7,11/14 7 Ŕ I Ŕ 14/14 8 Ŕ I Ŕ 1,3,7/8 8 Ŕ I Ŕ 7,8/8 9 Ŕ I Ŕ 1,4/7 9 Ŕ I Ŕ 7/7 10 Ŕ 1,4/5 11 Ŕ I Ŕ 1,5/8 11 Ŕ I Ŕ 5/8

alle

Tenuto, Fermate Bindebogen Fermate Bindebogen Fermate Choralmelodie ergänzt Akkord von 4 Ŕ I Ŕ 10/12 ergänzt Fermate, Bindebogen Choralmelodie ergänzt Akkord von 5 Ŕ I Ŕ 12/14 ergänzt Fermate, Bindebogen Choralmelodie ergänzt Akkord von 6 Ŕ I Ŕ 12/18 ergänzt Choralmelodie ergänzt Akkord von 6 Ŕ I Ŕ 13/18 ergänzt; Melodie T1 (16/18: c1 → h) und B2 (18/18: A → c) harmonisch angepasst Bindebogen

Schlusswendungen vage skizziert, welche

in

der

berücksichtigt könnten

Edition

wurden).

nicht Hierbei

aufführungspraktische

Überlegungen eine Rolle gespielt haben:

Der

Psalm

ist

rezitativ

angelegt und besteht lediglich aus dem ersten Psalmvers und der kleinen Doxologie („Gloria Patri“).

Die

Antiphon

ist

melismatisch

angelegt und wird dazu nach dem Psalm vollständig wiederholt. Ihr kommt somit die zentrale Bedeutung im

Stück

zuteil,

berücksichtigt Dagegen bereits

was

haben

sprechen

und

fragmentarische

könnte.

könnten

unvollständige

vertonung

Gunst

die

Antiphondas

Notenbild

sehr der

11 Ŕ I Ŕ 6/8-8/8

Bleistiftskizze; auch hier sind einige

B1 T2, B1, B2 T2 T2, B1, B2 T2 alle T2, B1 --alle B1 T1, B1, B2

(sofern nicht anders vermerkt)

Fermate Bindebogen Fermate Bindebogen Fermate Bindebogen Tenuto, Fermate pesante Bindebogen Choralmelodie ergänzt Harmonisierung mit Schluss nach G-Dur ergänzt

Abschnitte nur teilweise vertont und bedürften für eine Aufführung entsprechenden Ergänzungen. Ungeachtet der eventuellen Absicht Gunsts, den Entwurf zu einer fertigen Komposition auszuarbeiten, lässt die vorhandene Skizze nur spekulative Schlüsse zu ihrem schlussendlichen Zweck zu. Aus dem vorhandenen Skizzenmaterial können die fehlenden Teilabschnitte passend ergänzt werden, was für eine Rekonstruktion zu einer aufführbaren Fassung notwendig ist; daneben sind die üblichen Ergänzungen wie Textunterlegung und Notenwertbezeichnungen vorzunehmen.

Das fünfte und letzte Stück Alma Redemptoris Mater ist eine marianische Antiphon, welche zur Advents- und Weihnachtszeit gesungen wird. Als einzige Choralharmonisierung

11

liegt sie als Partiturreinschrift mit Titelblatt vor, des weiteren ist ein Particell und die Transkription des gregorianischen Chorals von Gunsts Hand erhalten.

In zwölf Abschnitten mit einer geschätzten Dauer von

zweieinhalb

Harmonisierung gemischten

Minuten für

Chor.

bis Sind

setzt zu die

Gunst

eine

achtstimmigen anderen

vier

Bearbeitungen nur fragmentarisch vorhanden und bedürfen einer Rekonstruktion von fremder Hand ohne

Kenntnis

von

Gunsts

ursprünglichen

Absichten, so macht sich in dieser Musik der Charakter

einer

ausgearbeiteten

und

abge-

schlossenen Komposition bemerkbar Ŕ es offenbart sich hier die Qualität des Handwerks von Gunst, was allenfalls noch bei der rekonstruierten Fassung von Libera me, Domine auszumachen ist. Aufgrund der vorliegenden Reinschrift ist es denkbar, dass das Werk schon aufgeführt wurde; allerdings hat es Gunst im Gegensatz zu den zwei in Reinschrift vorliegenden Vokalquartetten nicht in sein Werkverzeichnis aufgenommen.

Gruppe 3: Die Händel-Bearbeitung Nach der Schliessung seines eigenen Konservatoriums in Paris war Gunst vornehmlich als Korrektor, Kopist sowie gelegentlich als Arrangeur tätig, um sein Leben überhaupt finanzieren zu können. In seinem Nachlass sind dazu Bearbeitungen zweier Werke von Gabriel Fauré (Le ruisseau, op. 22 und Dolly, op. 56) aufzufinden. Nicht einordbar in die vorherigen zwei Chorgruppen, aber aufgrund der Menge der vorhandenen Skizzen als eigene Gruppe klassifizierbar sind Gunsts Entwürfe für ein Chor-Arrangement der Arie He shall feed his flock aus dem Oratorium Messiah von Georg Friedrich Händel. Das Stück dauert je nach Tempowahl fünf bis acht Minuten und vertont zwei biblische Verse aus dem Buch Jesaja (40,11) und dem Matthäusevangelium (11,28-29) in der Fassung der King-James-Bibel.

Formal ist die im 12/8-Takt stehende Arie der im Barock beliebten Gattung der Pastorale zuzuordnen und nach dem Schema A-A-B-A-A-B-B aufgebaut, wobei jeder neu eingeführte A- oder B-Teil eine leichte Variation des vorangegangen darstellt (in einer etwas umständlichen Kurzform als A-A’-B-A’’-A’’’-B’-B’’ zu formulieren; der Einfachheit halber werden die einzelnen Teile in Strophennummern gefasst: 1-1’-2-3-3’-4-4’). Gunst bewahrt in seinen Entwürfen den Grundcharakter des Originals; einzig den Tonartwechsel nach der

12

zweiten Strophe, welcher in den meisten von Händels Originalfassungen enthalten ist, lässt er ausbleiben. Als Text benutzt Gunst nicht den englischen Bibeltext, sondern eine dichterische französische Übersetzung. Die Urheberschaft der Übersetzung ist nicht geklärt; ob sie Gunst selber geschrieben hat, ist aufgrund seiner nicht perfekten Französischkenntnisse anzuzweifeln. Jedenfalls lässt sich daraus schliessen, dass die Entwürfe für einen französischen Auftraggeber entstanden sind. Es liegen insgesamt acht fragmentarische Skizzen von Gunst vor, auf welche nachfolgend kurz eingegangen wird.

Die ersten vier Blätter enthalten Skizzen für alle vier Strophen in G-Dur in Particelloder Chorpartiturform: Skizze 1 enthält Fragmente der 1. und 3. Strophe (beide A-Teile), Skizze 2 enthält Fragmente der 1. Strophe sowie im Particell alle vier Strophen, Skizze 3 enthält Fragmente der 2. und 4. Strophe (beide B-Teile) und Skizze 4 nochmals Fragmente der 2., 3. und 4. Strophe. Aus diesen vier Skizzen können die Chorstimmen mit den von Gunst berücksichtigten Variationen des Originals sowie der französische Liedtext vollständig zusammengetragen werden.

Zwei weitere Skizzen enthalten Entwürfe für eine Instrumentalbegleitung in G-Dur: Skizze 5 enthält Fragmente der 1. und 2. Strophe, die doppelseitige Skizze 6 solche für alle vier Strophen. Sie sind durchgehend in dreizeiligen Notensystemen notiert. Die obere Zeile enthält jeweils die Melodie des Chorsoprans (bzw. des Solisten in Händels Vorlage), die mittlere Zeile enthält eine Reduktion der begleitenden Chorstimmen (bzw. der

Takt

Strophe

Quelle

Stimme

Bemerkungen gemäss Händels Vorlage ergänzt

Skizzennummer

1–4

VS

--

Orgel

5–9

1

10 11 – 15

ÜL 1‘

16 17 – 23

ÜL 2

24 – 25 26 – 30

ÜL 3

31 32 – 36

ÜL 3‘

37 38 – 44

ÜL 4

denkbar wären hierbei aus stilistischen

45 46 – 52

ÜL 4‘

Überlegungen ein Blasinstrument (z.B.

53 – 56

NS

1, 2 5, 6 -1, 2 6 -3 5, 6 -2, 4 6 -4 6 -3 6 -3 6 --

Chor Orgel Orgel Chor Orgel Orgel Chor Orgel Orgel Chor Orgel Orgel Chor Orgel Orgel Chor Orgel Orgel Chor Orgel Orgel

Streicher in Händels Vorlage) und die untere Zeile den Bass aus Händels Vorlage. Die Anlage der Skizze deutet auf eine Orgelpartitur hin; dies könnte darauf

hinweisen,

dass

Gunst

die

Bearbeitung für den gottesdienstlichen Gebrauch

entwarf.

Da

die

Melodiestimme sowohl in der oberen als auch in der mittleren Zeile ausnotiert ist, könnte die obere Zeile auch einem anderen Instrument zugeordnet werden;

s.o.

s.o.

s.o.

s.o.

s.o.

s.o.

s.o.

Flöte, Trompete) oder allenfalls eine Violine. Die Anlage der Entwürfe erlaubt es aber auch,

13

die obere Zeile auf einem zweiten Manual mit entsprechender Registrierung und die mittlere und untere Zeile auf dem ersten Manual mit Pedal zu spielen. Beide Varianten sind im Hinblick auf die Rekonstruktion einer aufführbaren Fassung problemlos denkbar.

Die letzten zwei Blätter enthalten Skizzen für eine zweistimmige Vokalfassung in BDur: Skizze 7 enthält alle vier Strophen im Particell, Skizze 8 enthält Fragmente der 1., 2. und 3. Strophe. Es geht nicht hervor, ob dieser Alternativsatz für zwei Solisten oder für Frauenchor gedacht ist; ausserdem fehlen Skizzen für eine Orgel- oder sonstige Instrumentalbegleitung. Diese Fassung liegt durch den auf zwei Stimmen reduzierten Vokalsatz noch näher am Original und ist mit einem nach B-Dur transponierten Instrumentalbegleitsatz sowohl mit Solisten als auch mit Frauenchor eine valable Alternative zur vierstimmigen Chorbearbeitung.

Nachfolgend ein tabellarischer Beschrieb der einzelnen Skizzen. Es sei darauf hingewiesen, dass die Abschnitte der 1. und 3. Strophe mit der Buchstabenfolge A-B-C-D-E, jene der 2. und 4. Strophe mit G-H-D-E-F-Y-Z bezeichnet sind. Der Buchstabe O am Anfang eines Abschnitts kennzeichnet die Orgelstimme, D die Duettskizzen.

Skizze Enthaltene Abschnitte (Strophe-Abschnitt-Variante) 1AII, 1B, 1C, 1D // 1EI [durchgestrichen], 1 EII 1 1AI, 1B // 1C, 1D, 1EII 1AII, 1EIII, 3CI 3D I, 3EI 1AI, 1B, 1C // 1D, 1EII 2 1AII, 1B, 1C // 1D, 1EIII, 2G // 2H, 2D, 2E, 2F // 2Y, 2Z, 3CI, 3DI // 3EI, 3BII, 3CII, 3DII // 3 EII, 4G, 4H, 4D // 4F, 4YI, 4ZI // 4F, 4YII // 4ZII 2G, 2H, 2D, 2E // 2F, 2Y, 2Z 3 4G, 4H, 4D // 4E, 4F, 4YI // 4ZI, 4YII, 4ZII 3AI, 3BI, 3DI // 3EI, 3BII, 3CII // 3DII, 3EII 4 2G, 2H, 2D, 2E // 2F, 2Y, 2Z // 4H O:1AI, O:1B, O:1C, O:1D // O:1EII // O:2G, O:2H, O:2D, O:2E 5 // O:2F, O:2Y, O:2Z O:1AI, O:1B, O:1C, O:1D // O:1AII // O:3AI, O:3CI, O:3DI, 6/1 O:3AI, O:3BII, O:3CII, O:3DII // O:2G, O:2H, O:2D, O:2E // O:4G, O:4H O:1EII // O:1EIII // O:3EI // O:3EII // O:2F, O:2Y, O:2Z // O:4F, 6/2 O:4YI, O:4ZI // O:4YII, O:4ZII D:1A, D:1B, D:1C // D:1D, D:1EI, D:1A // D:1B, D:1C, D:1D 7 // D:1EII, D:2G, D:2H // D:2D, D:2E, D:2F // D:2Y, D:2Z, D:3A // D:3B, D:3C, D:3DI // D:3EI, D:3A, D:3B // D:3CII, D:3DII, D:3EII // D:4G, D:4H, D:4D // D:4E, D:4FI, D:4YI, D:4ZI // D:4G, D:4H, D:4D // D:4E, D:4FII, D:4YII, D:4ZII D:1A, D:1B, D:1C // D:1D, D:1E 8 D:1A, D:1B, D:1C, D:1D // D:1EI, D:2G, D:2H, D:2D // D:1EII, D:2E, D:2F, D:2Y // D:2Z, D:3CIII, D:3DI, D:1EII [durchgestrichen] // D:3DII, D:3EII

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Typ Skizze Partitur Skizze Skizze Partitur Particell

Schrift Bleistift Tinte Tinte Bleistift Tinte Tinte

Partitur Partitur Partitur Skizze Partitur

Tinte Tinte Tinte Bleistift Tinte

Skizze

Tinte

Skizze

Tinte

Partitur

Tinte

Skizze Skizze

Bleistift Tinte

Weitere Skizzen Auf vielen Skizzenblättern sind neben den klar zuzuordnenden Fragmenten satztechnische Notizen vorhanden. Sie haben in den meisten Fällen keinen direkten Bezug zu den Skizzen.

Die Fragmente von Vidi aquam und Introitus Ŕ bei beiden ist jeweils nur die Antiphon ohne den zweiten Teil vertont Ŕ weisen allerdings vage Skizzierungen für die fehlenden Teile auf: Während in Vidi aquam zwei kurze Passagen des Psalmverses ansatzweise skizziert sind, ist es beim Introitus ein längerer, in drei nummerierten Abschnitten unterteilter Satz, welcher zum anschliessenden Kyrie gehören müsste; allerdings ist er nur ein- bis zweistimmig in einem einzelnen System notiert ohne weitere Bezeichnung zu Vorzeichen oder Notenschlüssel. Die Zuordnung dieses zweistimmigen Fragments bleibt offen; obwohl inhaltlich das Kyrie zum Introitus passen würde, ist eine Zuordnung zum Kyrie wohl auszuschliessen. Verschiedene Versuche, die Fragmente zur Choralmelodie des Kyrie (unter Berücksichtigung verschiedener Fassungen, Notenschlüssel und Vorzeichen) zu unterlegen, haben kein schlüssiges Resultat erbracht; auch andere Choralmelodien aus der Totenmesse, mit welchen noch ein ferner Bezug zum Introitus hergestellt werden könnte, passen nicht zu den Fragmenten.

Ein weiteres, für sich stehendes Fragment ist auf einer der Orgelskizzen (Skizze 5) der Händel-Bearbeitung aufzufinden. In zwei zweizeiligen Notensystemen ist ein unbezeichneter vierstimmiger chorischer Satz in zwei Teilen notiert: Der erste enthält acht Takte im 3/2-Takt mit Auftakt, das zweite enthält acht Takte im 3/4-Takt mit Auftakt; insgesamt beinhaltet das Fragment lediglich eine knappe Minute Musik. Das Fragment steht in keinem direkten Bezug zur Arie Händels und es ist durchaus möglich, dass es sich hier um ein weiteres Bearbeitungsfragment handelt (evtl. eines weiteren Händel-Stücks) Ŕ eine Frage, die zum jetzigen Zeitpunkt noch offen ist. Obwohl das Fragment in sich geschlossen wirkt und durchaus als eigenständiges Stück Musik zu betrachten ist, ist eine Rekonstruktion zumindest in diesem Fall zu hinterfragen. Es ist nicht geklärt, ob es sich um eine Bearbeitung eines fremden Stücks, um eine eigene „Komposition“ Gunsts oder schlussendlich doch nur eine satztechnische Notiz handelt. Im Sinne eines neuerlichen Rekonstruktionsversuches zu einer aufführbaren Fassung könnte das erhaltene Fragment höchstens als kurzes instrumentales Zwischenspiel zu betrachten sein. Die Anlage des Satzes erlaubte zudem bedenkenlos das Hinzufügen von Vorzeichen, sodass der erste Teil in g-Moll und der zweite in G-Dur zu spielen wären. Aufgrund der offenen Fragen und der sehr knappen Dauer des Fragments hat sich der Herausgeber gegen eine Veröffentlichung entschieden Ŕ ohne aber eine dereinstige Rekonstruktion unter Berücksichtigung neuer Erkenntnisse auszuschliessen.

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Zusammenfassung Die Chorwerke nehmen in Gunsts Œuvre einen sehr bescheidenen Teil ein. Nur die ersten zwei Vokalquartette erfüllten offenbar seine Ansprüche, um in seinem Werkverzeichnis aufgelistet zu werden (und auch dort nur als sonstige unnummerierte Stücke), vermutlich auch, weil es sich nur bei diesen um ganz eigene Kompositionen handelt. In ihnen scheint sich auch die zuvor schon erwähnte Sehnsucht eines im Exil lebenden Menschen nach Heimat und Vergangenheit zu widerspiegeln, was den Stücken einen sehr persönlichen Charakter verleiht, obwohl sie sich tonsprachlich von seinen Hauptwerken (Klavier- und Kammermusikwerke) deutlich unterscheiden. Auch das dritte Vokalquartett und Alma Redemptoris Mater wirken in sich geschlossen und dem persönlichen Anspruch Gunsts würdig, da sie in Reinschrift des Komponisten vorliegen. Bei der Erstellung der Rekonstruktionsversuche Ŕ und es sei an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen, dass es sich um Versuche handelt Ŕ tauchte denn auch immer wieder die Frage auf, wie die erhaltenen Choralfragmente einzuordnen und zu bewerten sind. Was veranlasste Gunst als Sohn eines evangelisch-lutherischen Baltendeutschen und einer russisch-orthodoxen Mutter sowie als Komponist nicht-geistlicher Werke dazu, liturgische Gesänge der römisch-katholischen Kirche zu vertonen? Sind die Fragmente überhaupt als „Kompositionen“ zu betrachten, oder sind es am Ende gar nur Harmonielehre-Übungen, welche Gunst als Konservatoriumslehrer für schulische Zwecke notierte? Wahrscheinlich gibt es eine einfache Erklärung dafür: Evgenij Gunst geriet im Zuge der Weltwirtschaftskrise Ende der 1920er-Jahre in finanzielle Nöte; er verlor seine Privatschüler und musste sein eigens aufgebautes Konservatorium schliessen. Infolgedessen war er gezwungen, sich seinen Lebensunterhalt anderweitig zu sichern, und so machte sich Gunst bald einen Namen als Korrektor und Kopist, als welcher er für namhafte Berufskollegen wie Alexander Gretschaninow und Francis Poulenc tätig war und mit welchen eine enge Freundschaft entstand. Daneben erbot er sein kompositorisches Handwerk auch für Arrangements, Bearbeitungen und Transkriptionen an, woraus solche Gelegenheitswerke wie die meisten seiner Chorwerke entstanden sind (obwohl Gunst bekanntermassen kein „Chor-Komponist“ war). Obwohl uns endgültige Belege dafür fehlen, liegt die Annahme doch nahe, dass Alma Redemptoris Mater wie auch die vier fragmentarisch erhaltenen Choralskizzen im Auftrag einer geistlichen Instanz der römisch-katholischen Kirche in Paris (z.B. eines befreundeten Priesters) entstanden sein könnten Ŕ ebenso wie die Händel-Bearbeitung der nicht vollendete Auftrag eines Musikverlags gewesen sein könnte (zumal eine seiner beiden Fauré-Bearbeitungen beim Pariser Verlag Éditions Alphonse Leduc erschienen ist). Ob es nun im Sinne des Komponisten ist, die erhaltenen Skizzen in aufführbare Fassungen zu rekonstruieren, sei dahingestellt; Gunst hat seine Skizzen mit ihrer

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Aufnahme in seinen Nachlass der Nachwelt überlassen und somit für eine wissenschaftliche Aufarbeitung, welche sich seine Witwe mit der Übergabe ans Basler Institut erhoffte, freigegeben. Ungeachtet der unbestreitbaren Rohheit der Skizzen ist es eine zulässige Möglichkeit, die Skizzen durch kohärente Rekonstruktionsversuche in aufführbare Musik zu überführen und dadurch einen weiteren praktischen Zugang zum Lebenswerk von Gunst zu schaffen. So kann eine andere Seite des Komponisten und vor allem des Menschen Evgenij Gunst aufgezeigt werden Ŕ komponieren nicht nur um der Kunst willen, sondern auch um des (Über-)Lebens willen.

Liedtexte und Übersetzungen Übersetzungen: Ilja Karenovics (Russisch), David Rossel (Lateinisch, Französisch)

Gruppe 1: Die Vokalquartette Далекой старины здесь отзвуки слышны / Dalekoj stariny zdes’ otzvuki slyšny Gedicht von Evgenij Gunst

Далекой старины здесь отзвуки слышны; они мысль вновь влекут в тот близкий нам уют.

Ferner Zeiten Widerhall vernehm ich hier; er lockt erneut das Denken fort in der Behaglichkeit so trauten Hort.

Красота духовная жизни радостью была, пляска развеселая думы мрачныя гнала.

Geistes Schönheit war des Lebens Freude, ausgelassener Tanz hat finstre Gedanken vertrieben.

Той, чуди чудок, чудите тусли, той вы той, чудите! той, чуди, чуди, чудите той, чуди, чуди, чудите!

Feiere, tolle toll, tollet herum, ihr Bunten, feiert wunderlich, tollet!

Hej, tolle, tolle, tollet, Hej, tolle, tolle, tollet herum!

Но той уж старины, нет, не видать, увы! как ни горит душа все тот уют ища ...

Doch jene fernen Zeiten, sie sind, ach, zu finden nicht mehr!

Wie sehr die Seele auch brennen mag, die jenen trauten Hort stets sucht ...

Увы!

O weh!

Люблю я твой взор / Ljublju ja tvoj vzor Gedicht von Evgenij Gunst

О, да! Люблю я твой взор, люблю Ŕ твой бархатный голос люблю Ŕ твой нежный весь облик я твой, я твой навсегда! Ŕ

O, ja! Ich liebe deinen Blick, ich liebe Ŕ deine samtene Stimme, ich liebe Ŕ deine ganze sanfte Gestalt ich bin dein, ich bin dein für immer! Ŕ

Порою, кажется, что не веришь ты мне, зачем же терзаешь мне сердце и мозг?!

Bisweilen scheint es, du glaubtest mir nicht, Weshalb marterst du mir Herz und Hirn?!

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напрасны все твои сомнения! сама страдаешь ты оттого! верь, верь, верь ты мне!

Grundlos sind all deine Zweifel!

Du leidest selbst darunter!

Glaube, glaube, glaube du mir!

Уж ты поле мое, поле чистое / Už ty pole moe, pole čistoe Russisches Volkslied, aus Arzamas (Nižnij Novgorod)

Уж ты поле мое, поле чистое, ты раздолье мое, ты широкое. Чем же полюшко приукрашено? Приукрашено все уветочками, василечками. Уж ты поле мое, поле чистое, ты раздолье мое, ты широкое.

Du bist ja doch mein Feld, freies Feld, du bist meine Freiheit, du weites.

Womit denn ist das Feldlein geschmückt?

Geschmückt ists mit lauter Korn- und Gänseblümelein Du bist ja doch mein Feld, freies Feld, du bist meine Freiheit, du weites.

Gruppe 2: Die gregorianischen Choräle Introitus Aus der katholischen Totenmesse

Requiem æternam dona eis, Domine: et lux perpetua luceat eis.

Te decet hymnus, Deus, in Sion, et tibi reddetur votum in Ierusalem: exaudi orationem meam, ad te omnis caro veniet.

Ewige Ruhe schenke ihnen, Herr: und das ewige Licht leuchte ihnen.

Dir gebührt Lob, Gott, auf dem Zion, und Dir wird das Gelübde erfüllt in Jerusalem: Erhöre mein Gebet, zu Dir wird alles Fleisch kommen.

Præfatio Defunctorum Aus der katholischen Totenmesse

Per omnia sæcula sæculorum. Amen.

Dominus vobiscum. Et cum spiritu tuo.

Sursum corda. Habemus ad Dominum.

Gratias agamus Domino Deo nostro.

Dignum et iustum est.

Von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Der Herr sei mit euch. Und mit deinem Geiste.

Erhebet die Herzen. Wir haben sie beim Herrn.

Lasset uns danken dem Herrn, unserm Gott.

Es ist würdig und recht.

Vere dignum et iustum est, æquum et salutare, nos tibi semper et ubique gratias agere: Domine, sancte Pater, omnipotens æterne Deus: per Christum Dominum nostrum.

In quo nobis spes beatæ resurrectionis effulsit, ut quos contristat certa moriendi condicio, eosdem consoletur futuræ immortalitatis promissio.

Tuis enim fidelibus, Domine, vita mutatur, non tollitur, et dissoluta terrestris huius incolatus domo, æterna in cælis habitatio comparatur.

Et ideo cum Angelis et Archangelis, cum Thronis et Dominationibus, cumque omni militia cælestis exercitus, hymnum gloriæ tuæ canimus, sine fine dicentes:

Es ist wahrlich würdig und recht, geziemend und heilsam, dir immer und überall dankzusagen: Herr, heiliger Vater, allmächtiger ewiger Gott: durch Christus, unseren Herrn.

In welchem uns die Hoffnung der gesegneten Auferstehung hervorgeleuchtet hat, sodass jene durch den sicheren Tod Betrübte getröstet werden mögen durch das Versprechen der künftigen Unsterblichkeit.

Denn deinen Getreuen, Herr, wird das Leben gewandelt, nicht genommen, und wenn das irdische Heim aufgelöst ist, wird ein ewiger Hort in den Himmeln bereitstehen.

Und deshalb mit den Engeln und Erzengeln, mit Thronen und Herrschaften, wie auch mit allen Scharen des himmlischen Heeres singen wir das Lob deines Ruhmes, das ohne Ende saget:

Sanctus, Sanctus, Sanctus Dominus Deus Sabaoth.

Heilig, heilig, heilig, Herr Gott der Heerscharen.

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Pleni sunt cæli et terra gloria tua.

Hosanna in excelsis.

Benedictus qui venit in nomine Domini.

Hosanna in excelsis.

Die Himmel und Erde sind Deiner Ehren voll.

Hosanna in der Höhe.

Gesegnet sei, der im Namen des Herrn kommet.

Hosanna in der Höhe.

Libera me, Domine Aus der katholischen Totenmesse

Libera me, Domine, de morte æterna, in die illa tremenda: Quando cæli movendi sunt et terra.

Dum veneris iudicare sæculum per ignem.

Tremens factus sum ego, et timeo, dum discussio venerit, atque ventura ira.

Quando cæli movendi sunt et terra.

Dies illa, dies iræ, calamitatis et miseriæ, dies magna et amara valde.

Dum veneris iudicare sæculum per ignem.

Requiem æternam dona eis, Domine: et lux perpetua luceat eis.

Befreie mich, Herr, vom ewigen Tod an jenem Tag des Schreckens: Wenn Himmel und Erde sind erschüttert.

Dann kommst du die Zeiten durch Feuer zu richten.

Erzittert bin ich also und fürchte mich, wenn die Rechenschaft naht und der drohende Zorn.

Wenn Himmel und Erde sind erschüttert.

Jener Tag, Tag voll Zorn, Unheil und Elend, grosser Tag so dermassen bitter.

Dann kommst du die Zeiten durch Feuer zu richten.

Ewige Ruhe schenke ihnen, Herr: und das ewige Licht leuchte ihnen.

Vidi aquam Aus der katholischen Ostermesse

Vidi aquam egredientem de templo, a latere dextro, alleluia: et omnes ad quos pervenit aqua ista, salvi facti sunt et dicent: alleluia, alleluia.

Ich sah Wasser fliessen aus dem Tempel, von der rechten Seite, Halleluja: und alle, zu denen dieses Wasser kam, wurden heil und werden sagen: Halleluja, Halleluja.

Alma Redemptoris Mater Katholisches Gebet

Alma Redemptoris Mater, quæ pervia cæli porta manes, et stella maris, succurre cadenti, surgere qui curat, populo: tu quæ genuisti, natura mirante, tuum sanctum Genitorem, Virgo prius ac posterius, Gabrielis ab ore, sumens illud Ave, peccatorum miserere.

Erhabene Mutter des Erlösers, du allzeit offene Pforte des Himmels und Stern des Meeres, komm, hilf deinem Volke, das sich müht, vom Falle aufzustehen: Du hast geboren, der Natur zum Staunen deinen heiligen Schöpfer, die du, Jungfrau davor und danach, aus Gabriels Mund vernahmst den seligen Gruss, erbarme dich der Sünder.

Gruppe 3: Die Händel-Bearbeitung Berger fidèle et tendre Unbekannter Autor

Berger fidèle et tendre, il garde ses brebis; afin de les défendre,

Treuer und sanfter Hirte, er behütet seine Schafe; um sie zu beschützen,

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il veille jour et nuit.

wachet er Tag und Nacht.

Il porte avec tendresse l’agneau qu’il voit faiblir, sa main toujours caresse, son bras ne sait punir.

Er trägt mit Zärtlichkeit das Lamm, das er entkräftet sieht.

Seine Hand ist immer liebkosend sein Arm ist nie bestrafend.

Ô vous dont l’âme est pleine de larmes, de douleurs, sa douce voix sereine consolera vos cœurs.

O ihr, deren Seelen erfüllt sind von Tränen und Schmerzen, seine weiche ruhige Stimme wird eure Herzen trösten.

Allez à lui sans crainte, il est le bon pasteur; sa loi d’amour est sainte, et mène au vrai bonheur.

Gehet hin zu ihm ohne Furcht, er ist der gute Hirte; sein Gesetz der Liebe ist heilig und geleitet zur wahren Seligkeit.

Quellenverzeichnis Primärquellen aus dem Nachlass Evgenij Gunst Gunst, Evgenij: Alma Redemptoris Mater. Harmonisation et arrangement pour choeur à capella, Partiturreinschrift (4 Seiten) und Skizzen (2 Seiten), in: Nachlass Evgenij Gunst, Musikwiss. Institut der Universität Basel.

Gunst, Evgenij: [Berger fidèle et tendre], Skizzen (9 Seiten), in: Nachlass Evgenij Gunst, Musikwiss. Institut der Universität Basel.

Gunst, Evgenij: Curriculum Vitae, [1939?], in: Nachlass Evgenij Gunst, Musikwiss.

Institut der Universität Basel.

Gunst, Evgenij: [Introitus], Skizze (1 Seite), in: Nachlass Evgenij Gunst, Musikwiss.

Institut der Universität Basel.

Gunst, Evgenij: Lebenslauf in französischer Sprache, 13. Januar 1949, in: Nachlass Evgenij Gunst, Musikwiss. Institut der Universität Basel.

Gunst, Evgenij: Missa pro Defunctis. Libera me Domine!, Skizze (1 Seite), in: Nachlass Evgenij Gunst, Musikwiss. Institut der Universität Basel.

Gunst, Evgenij: [Præfatio Defunctorum], Skizze (1 Seite), in: Nachlass Evgenij Gunst, Musikwiss. Institut der Universität Basel.

Gunst, Evgenij: Tabellarischer Lebenslauf in französischer Sprache, [1936?], in: Nachlass Evgenij Gunst, Musikwiss. Institut der Universität Basel.

Gunst, Evgenij: [Vidi aquam], Skizze (1 Seite), in: Nachlass Evgenij Gunst, Musikwiss. Institut der Universität Basel.

Gunst, Evgenij: Далекой старины здесь отзвуки слышны [Dalekoj stariny zdes’ otzvuki slyšny], Partiturreinschrift (4 Seiten) und Skizzen (3 Seiten), in: Nachlass Evgenij Gunst, Musikwiss. Institut der Universität Basel.

Gunst, Evgenij: Люблю я твой взор [Ljublju ja tvoj vzor]. Petite Valse, 2 Partiturreinschriften (3 und 2 Seiten) und Skizzen (3 Seiten), in: Nachlass Evgenij Gunst, Musikwiss. Institut der Universität Basel.

Gunst, Evgenij: Уж ты поле мое, поле чистое [Už ty pole moe, pole čistoe], Skizze (2 Seiten), in: Nachlass Evgenij Gunst, Musikwiss. Institut der Universität Basel.

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Sekundärquellen Balakirev, Milij A.: Протяжная [Protjažnaja]. Нижегородской губернии, Арсамасскаго уезда, in: Сборник русских народных песен [Sbornik russkich narodnych pesen], Sankt Petersburg 1866 [1891?], S. 52f.

Händel, Georg Friedrich: Larghetto e piano [He shall feed his flock], in: Burrows, Donald (Hg.): Messiah HWV 56. Autograph The British Library London, FaksimileAusgabe, Kassel 2008, fol. 46rŔ49v (=Documenta musicologica. HandschriftenFaksimiles, Bd. 40).

Unbekannter Autor: Chants en l’honneur de la T. Ste Vierge. Les quatre Antiennes à la Sainte Vierge. Ton solennel. Alma Redemptoris Mater, in: Revue du chant grégorien.

Petites feuilles grégoriennes, Nr. 78, Grenoble 1919.

Unbekannter Autor: Ordinarium Missæ. In Dominicis ad Aspersionem Aquæ benedictæ. Antiphona: Vidi aquam, in: Graduale Sacrosanctæ Romanæ Ecclesiæ De Tempore Et De Sanctis, Rom 1961.

Unbekannter Autor: Ordinarium Missæ. Missa pro Defunctis. Introitus: Requiem æternam, in: Graduale Sacrosanctæ Romanæ Ecclesiæ De Tempore Et De Sanctis, Rom 1961.

Unbekannter Autor: Ordinarium Missæ. Missa pro Defunctis. Responsorium: Libera me Domine, in: Graduale Sacrosanctæ Romanæ Ecclesiæ De Tempore Et De Sanctis, Rom 1961.

Unbekannter Autor: Præfatio Defunctorum, in: Missale Romanum, Rom 1961, S. 282f.

Bildnachweis Titelbild: Fotoporträt „Е. О. Гунсть“ (Nachlass Evgenij Gunst, Musikwiss. Institut der Universität Basel) S. 10: Ausschnitt aus der Skizze zu „Libera me Domine“ (Nachlass Evgenij Gunst, Musikwiss. Institut der Universität Basel) S. 12: Ausschnitt aus der Partiturreinschrift zu „Alma Redemptoris Mater“ (Nachlass Evgenij Gunst, Musikwiss. Institut der Universität Basel)

Literaturverzeichnis Hongler, Camille / Moosmüller, Silvan: Vom Keller an die Öffentlichkeit, in: Schweizer Musikzeitung, 14/10 (2011), S. 57.

Montagu-Nathan, Mont: Contemporary Russian Composers, London 1917, S. 311f.

Musikwiss. Institut der Universität Basel (Hg.): Fundstücke eines Lebens. Der Komponist Evgenij Gunst, Leipzig 2011.

Schibli, Sigfried: Eine musikalische Leiche im Institutskeller, in: Basler Zeitung, 169/126 (1.6.2011), S. 43.

Schibli, Sigfried: 14 Arten, ein Leben zu zeigen, in: Basler Zeitung, 169/138 (15.6.2011), S. 36.

Unbekannter Autor: „Eugène Gunst“, in: Joubert, Joseph (Hg.): Les maîtres contemporains de l’orgue. Pièces inédites pour l’orgue ou harmonium, Bd. 5, Paris 1914, S. 4.

Unbekannter Autor: „Ewgenij Ottowitsch Gunst“, in: Fiseisky, Alexander (Hg.): Orgelmusik in Russland, Bd. 1, Kassel 1997, S. IX. Unbekannter Autor: „Гунст Е. О.“, in: Keldyš, Jurij V. (Hg.): Музыкальная Энциклопедия [Muzykal’naja Enciklopedija], Moskau 1973Ŕ1982.

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