Stadtteilserie Magazin Zachow

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Der Hausbesuch

Der Siedlungsaufbau am Dautzsch zu Beginn der 30er Jahre. (Foto: privat)

Ansicht der Siedlung gewährleisten, Materialeinsparung und Werterhaltung der Bausubstanz erzählt“, sagt Ex-Volkspolizist Grasse, der sich damals in voller Uniformmontur – und so die sozialistische Legende unterstreichend – in die „Höhle des Löwen“, sprich Rat der Stadt, begab. „Es ist schon erstaunlich, dass die damals gegründete Interessengemeinschaft Dautzscher Antenne bis heute funktioniert“, sagt Heinz Schiedewitz, seit Jahren vor allem im Sportverein vor Ort aktiv. „Auch wenn es längst nicht mehr so einfach ist, die Leute zu bewegen, etwas zu tun: Die Dautzscher nehmen Anteil am Wohl und Wehe ihrer Siedlung.” Neben einem eigenen Fernsehkanal dient vor allem die von der Wohngemeinschaft monatlich herausgegebene Dautzsch-Zeitung dem Informationsaustausch. „Die Blättchen sind stets im Nu vergriffen”, erzählt Frank Mennicke. Der 57-Jährige betreibt bereits in dritter Generation einen Tante-Emma-Laden in der Äußeren Diemitzer Straße, der – aufgewertet durch Hermes-Paketservice, Presse- und Lotto-Shop, Getränke-Heimdienst und nicht zuletzt das jeden Morgen frisch vom Bäcker aus Kanena bezogene

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Die bis heute bestehende Gemeinschafts-Antennenanlage auf dem Dautzschberg. (Fotos: Andreas Löffler)

Backwarenangebot – als Drehscheibe und Marktplatz für den Dautzsch fungiert. Neuankömmlinge und Rückkehrer Heute ist die Siedlung neben Seeben einer der nur zwei halleschen Stadtteile, in denen die Bevölkerungszahl seit der Wende stetig (und auf dem Dautzsch konkret um mehr als 50 Prozent im Vergleich zu 1989) gestiegen ist. Vor allem an Hanf-, Hafer- und Traubenweg wuchsen neue Häuser empor. „Das brachte natürlich auch unserem Sportverein mächtig Zulauf”, sagt Heinz Schiedewitz und verweist stolz darauf, dass die Fußball-Abteilung mit einer Ausnahme auch in sämtlichen Nachwuchsklassen vertreten ist. „Das zwingt uns aber auch zum Improvisieren. Weil wir nur ein Spielfeld zur Verfügung haben, gibt es Überlegungen, die Fläche im einstigen DautzschSteinbruch für sportliche Trainings-Zwecke wiederherzurichten.“ Die Tischtennis-Spieler, Gymnastik- und Aerobic-Jünger des Vereins tummeln sich mangels Turnhalle im Veranstaltungssaal der Sportlergaststätte. Übrigens würden auch viele ältere Dautzscher in ihre frühere Heimat zurückkehren. „Einmal Dautzscher, immer Dautzscher”, sagt Schiedewitz. Er selbst ist 1961 mit seinen Eltern nach Halle-Süd fortgezogen und 1977 mit ihnen auf den Dautzsch ins Haus seiner Großeltern zurückgekehrt. In den 80er Jahren erwarb der heute 59-Jährige nur 300 Meter entfernt – “von einem Skatfreund meines Opas” – selbst eine der typischen DoppelhausHälften. Und zog damit das große Los. Ganz ohne Lotterie. Äußere 1 Diemitze r Straße

Wenn es so etwas wie einen Kiez-Bürgermeister auf dem Dautzsch gäbe – er würde Volker Grasse heißen. Der 67-Jährige ist nicht nur Vorsitzender des ortsansässigen Sportvereins, er ist auch Chef der ­Dautzscher Wohngemeinschaft. Zudem war Grasse lange Zeit einer der Hauptakteure der Interessengemeinschaft Dautzscher Antenne. Wir haben ihn in seiner DoppelhausHälfte im Maisweg besucht. Was ist so besonders am Dautzsch? Es ist eine vergleichsweise verkehrsarme und beschaulich-schöne Wohngegend, zudem auch ohne größere Gewerbeansiedlungen. Man hat Luft zum Atmen, zum Spazierengehen, zum Laufen. Wenn ich die Tür aufmache, stehe ich in der Natur und muss nicht erst kilometerweit fahren, um in meinen Schrebergarten zu kommen. Wieso dieses Haus? Meine Großeltern gehörten in den 30er Jahren zu den Erstsiedlern auf dem Dautzsch, und meine Mutter hat die damals erworbene Doppelhaushälfte mir und meiner Familie weitervermacht. Kennen Sie eigentlich ihre Nachbarn? Keine Frage. Wir haben ein prima Verhältnis, nehmen Pakete für die anderen an, helfen uns gegenseitig bei Instandhaltungs- und Pflegearbeiten, klönen und fachsimpeln – etwa über Gartenthemen. Selbst bei Familienfesten der anderen feiern wir hin und wieder mit. Was hören Sie, wenn Ihre Fenster offen sind? Vogelgezwitscher. Praktisch keinen Straßenlärm. Aber auch: Flugzeuge, wenn sie auf ihrer Route nach und von Schkeuditz mal wieder abkürzen. Und Fahrgeräusche von der Bahntrasse, wenn der Wind ungünstig weht. Was sehen Sie, wenn Sie aufwachen? Wolken, Bäume, Blumen – wohl das, was man sich unter einer heilen Welt vorstellt. Ich blicke in meinen Garten und versuche, meine Schildkröte Sophie zu erspähen. 1

ANDREAS LÖ FFLER

ANDREAS LÖ FFLER

In unserer nächsten Ausgabe lesen Sie Teil 5 unserer Stadtteilserie: Landrain Haben Sie Hinweise oder alte Bilder von Ihrem Viertel? Schreiben Sie uns an: 9 redaktion@zachow-magazin.de oder per Post: Barfüßerstr. 11, 06108 Halle

Volker Grasse liebt seinen Garten hinterm Haus.

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