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JAN SHCHERBAKOVSKI

„Zaubermaus“ wirbelt immer noch

Vor 30 Jahren bestritt Dariusz Wosz seine letzte Heimpartie für den HFC. Er war der erste und bisher teuerste Bundesliga-Transfer in der Geschichte der Rot-Weißen. Noch heute kickt der einstige Nationalspieler in einer Kreisliga-Mannschaft seiner neuen Heimat in Bochum.

Schade, auch in diesem Winter fällt das Hallenturnier um den HalplusCup dem Coronavirus zum Opfer. Damit sind die Hoffnungen der Fans auf ein mögliches Wiedersehen mit Dariusz Wosz zerstoben. Der Ex-Profi bewies zuletzt im Januar 2018 mit dem Allstar-Team des HFC in der Erdgas-Arena, dass er immer noch mit technischen Kabinettstückchen aufwarten und konditionell mithalten kann. Kein Wunder, denn der 1,69 Meter große Dribbelkünstler spielt mit seinen 52 Jahren immer noch Fußball in der Kreisliga. Außerdem leitet er die Fußballschule des derzeitigen Erstligisten VfL Bochum, der zweiten Wahlheimat des früheren HFC-Idols. Jedes Jahr führt er mit seinem Trainerteam bis zu 100 Veranstaltungen in der ganzen Bundesrepublik und in Europa durch. „Eigentlich stehe ich nach wie vor jeden Tag auf dem Fußballplatz“, nennt er einen Grund, warum er immer noch fit ist. Das will Wosz auch am 9. Januar beim NRW-Traditionsmasters in Mülheim beweisen, wo er mit der VfLTraditionsmannschaft für Budenzauber sorgen soll, wenn den Veranstaltern bis dahin nicht noch die Corona-Lage einen Strich durch die Rechnung macht.

Inzwischen ist es 30 Jahre her, da „Derek“, wie er seit seinen Anfängen bei Motor Halle gerufen wurde, vom HFC zum VfL Bochum in die Bundesliga gewechselt ist. Am 8. Dezember 1991 schnürte das damals 22-jährige Ausnahmetalent zum letzten Mal die Töppen für die Rot-Weißen im heimischen Kurt-Wabbel-Stadion. Es ging in der 2. Bundesliga gegen den SV Darmstadt 98. Sportdirektor Bernd Bransch übergab ihm einen Blumenstrauß und rund 2 800 Zuschauer verabschiedeten ihn mit Applaus. Wehmut machte sich breit und eine Ahnung, dass es der HFC ohne seinen Spielmacher schwer haben würde, sich in der zweiten Liga zu behaupten. Befürchtungen, die dann ja mit dem schmerzlichen Abstieg auch eintraten. Bis heute glauben viele HFC-Anhänger, dass dies nicht passiert wäre, wenn die „Zaubermaus“ bis Saisonende geblieben wäre. Doch auch Wosz, der bis zur Winterpause immerhin noch 22 Zweitliga-Partien für die Rot-Weißen bestritt und dabei fünf Tore schoss, hatte damals den Kopf nicht mehr richtig frei. Schuld daran war das Monate lange Tauziehen um ihn zwischen dem HFC und dem VfL Bochum.

Der Sprössling einer Aussiedler-Familie aus Oberschlesien in Polen war in der letzten DDR-Oberliga-Saison von der Fußballfachzeitschrift „fuwo“ zum besten Spieler gekürt worden. Das weckte natürlich Begehrlichkeiten bei Bundesligavereinen. Vor allem Bochums Manager Hilpert hatte das Netz ausgeworfen, in dem sich der im Profigeschäft unerfahrene Wosz auch prompt verhedderte. Er hatte vor Saisonbeginn nicht nur beim HFC, sondern auch beim Erstligisten VfL unterschrieben. Lange rätselten die Fans, ob ihr Liebling bleibt oder gehen muss. Bis der Deutsche Fußballbund (DFB) einen „salomonischen Spruch“ fällte: Dariusz Wosz sollte noch die Zweitliga-Vorrunde beim HFC absolvieren und dann zur Winterpause nach Bochum wechseln. Und die Transfersumme wurde deswegen von 1,5 Millionen D-Mark um 300 000 Mark reduziert. Die HFC-Chefetage hatte diesem Kompromiss zugestimmt in der Hoffnung, dass der technisch beschlagene Mittelfeldspieler noch mithilft, die Klasse zu halten. Leider ging das Kalkül nicht auf.

Für Dariusz Wosz dagegen begann mit dem Umzug in den Ruhrpott eine Erfolgsstory, wie sie bis heute kein anderer hallescher Fußballer erlebte. Er war nicht nur der erste HFC-Spieler, der nach dem Mauerfall mit einem Profi-Vertrag in der Tasche in die Bundesliga wechselte (1976 waren Norbert Nachtweih und Jürgen Pahl nur durch Flucht in den Westen gelangt). Kein anderer Spieler der Rot-Weißen hat je wieder solch eine hohe Ablösesumme eingebracht wie die „Zaubermaus“. Fast hätte der HFC auch noch finanziell von seinem Wechsel zu Hertha BSC profitiert. Eine Klausel im Vertrag mit dem VfL Bochum besagte nämlich, dass dem halleschen Verein mindestens zehn Prozent vom Transfergewinn zugestanden hätten, wenn Wosz innerhalb einer bestimmten Frist weiterverkauft wird. Es gab sogar Anfragen von spanischen und italienischen Vereinen, so vom FC Valencia. Doch der Wechsel nach Berlin kam erst 1998 - und damit nach dem „Stichtag“ zustande, so dass der HFC leer ausging. „Mit den 1,5 Millionen, die wir da bekommen hätten, wären wir sofort schuldenfrei gewesen“, trauert der damalige HFC-Geschäftsführer Detlef Robitzsch dem entgangenen Batzen Geld noch immer ein wenig hinterher.

Die „Zaubermaus“ schaffte es, in Bochum auf Anhieb Publikumsliebling zu werden - so wie schon zuvor beim HFC und später auch bei Hertha BSC. In der Saison 1996/97 wurde der Ex-Hallenser laut Wertung im Fußball-Magazin „Kicker“ bester Mittelfeldspieler der Bundesliga (Prädikat: Weltklasse). Nach sieben Einsätzen mit der DDR-Nationalelf holte ihn Berti Vogts auch in die DFB-Auswahl. Gleich bei seinem Debüt markierte er gegen Israel als überragender Akteur den 1:0-Siegtreffer. „So ein Einstand war ein Traum“, bekannte „Derek“ später. Insgesamt 17 Mal stand er im DFB-Kader. Bei der EM 2000 ließ ihn Teamchef Erich Ribbeck allerdings bei allen drei Vorrundenspielen auf der Bank schmoren. Wosz blieb zwölf Jahre beim VfL, lediglich unterbrochen durch drei Spielzeiten in Berlin. Mit dem Ruhrpott-Verein schaffte er zweimal den Sprung in den Uefa-Pokal. Der Dribbelkünstler absolvierte in seiner Laufbahn sage und schreibe 602 Spiele für den HFC, Bochum und Hertha, davon 324 in der Bundesliga. In dieser Zeit erzielte er 79 Tore, 20 davon für den halleschen Traditionsverein. „Der HFC wird mir immer am Herzen liegen“, sagte er bei seinem Besuch im August im Leuna-Chemie-Stadion zur Drittliga-Partie des HFC gegen Braunschweig. Und natürlich schaut Wosz am Sonnabend gespannt nach Halle, wo die Rot-Weißen gegen Würzburg alles daran setzen wollen, um einen Heimsieg zu landen. 

Blick ins Archiv

Verpflegungsbeutel als Mutmacher

Vor 65 Jahren feiert der SC Chemie Halle-Leuna den ersten Pokalsieg der Vereinsgeschichte. Der Vorläufer des HFC wiederholt 1962 dieses Kunststück. Halles Fußball-Legende Werner Lehrmann hielt beide Trophäen in der Hand. Am 6. Dezember wäre er 85 Jahre alt geworden.

Damit hatte kaum einer der Fußball-Experten gerechnet: Am 16. Dezember 1956 bezwang der SC Chemie Halle-Leuna im Finale des FDGB-Pokals die favorisierte Mannschaft vom ASK Vorwärts Berlin mit 2:1-Toren. Es war der erste Titel für den Vorgängerverein des Halleschen FC, der heute in der dritten Profiliga spielt. Dem SC Chemie, der 1954 gegründet wurde, war damals im Sommer unter Trainer Horst Sockoll der Wiederaufstieg in die DDR-Oberliga geglückt. Und das gelang in souveräner Manier. Dennoch galten die Hallenser im Pokal-Finale in Magdeburg gegen den ASK Vorwärts nur als Underdog. Auf der Fahrt in die Elbestadt sind - so wie es damals Usus war - Verpflegungsbeutel mit Wurstbrötchen und Äpfeln an die halleschen Spieler verteilt worden. Auf den Plastiktüten stand als Mutmacher in grüner Schrift: „Wer wird Pokalsieger? Natürlich wir!“

Und in der Tat. Der hallesche Klub, der zu jener Zeit noch in grün-weißen Trikots auflief, lehrte dem Favoriten schnell das Fürchten. Schon in der 18. Minute ging der SC Chemie durch Linksaußen Büchner in Führung. Er hatte eine Flanke von Joachim „Pferdchen“ Lehmann unter großem Beifall in die Maschen der Berliner gesetzt. Nach dem Ausgleich eine Viertelstunde vor Schluss rechneten viele der 25 000 Zuschauer mit einer Verlängerung. Sie hatten jedoch die Rechnung ohne Halles Torjäger Günter Imhof gemacht. „Sechs Minuten vor dem Spielende beförderte er in unnachahmlicher Weise einen hereingegebenen Eckball mit dem Kopf scharf in das Tor“, schilderte die FußballFachzeitschrift „Fuwo“ die entscheidende Szene. Sechs Jahre später wiederholte der SC Chemie das Kunststück. Die Hallenser gewannen 1962 im Finale gegen den SC Dynamo Berlin mit 3:1. Halles Fußball-Idol Werner Lehrmann aus Lettin, der schon 1956 im Endspiel dabei war, besorgte die 1:0-Führung. Schimpf baute den Vorsprung aus, ehe Heinz Walter aus Amsdorf nach dem zwischenzeitlichen Anschlusstreffer den Berlinern fünf Minuten vor Ende mit dem 3:1 den K.o. versetzte. Halles damaliger Coach Heinz Krügel, der 1974 den 1. FC Magdeburg zum Europapokalsieg führte, feierte damit seinen ersten Erfolg als Trainer.

Und Werner Lehrmann war mit Verteidiger Klaus Hoffmann der einzige Spieler des SC Chemie, der die Trophäe zum zweiten Mal in den Himmel recken konnte. Damit krönte der beste Hallesche Torschütze aller Zeiten seine einzigartige Fußballer-Laufbahn. Sie begann in Lettin, wo der schussgewaltige Halbstürmer am 6. Dezember 1936 zur

Welt kam. Am Nikolaustag dieses Jahres wäre Werner Lehrmann 85 geworden. Er starb am 11. Februar 1999 nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit im Alter von nur 62 Jahren. Nichts erinnert heute in seiner Heimatstadt an ihn. Dabei war „Paul“, wie ihn seine Mitspieler riefen, einer der erfolgreichsten Fußballer der Saalestadt. Er gewann nicht nur zweimal den DDR-Pokal. Mit Empor Halle (heute VfL Halle) holte der Lettiner in den 1950er Jahren zweimal den Titel eines DDR-Nachwuchsmeisters. Der torhungrige Stürmer brachte es auch auf fünf Einsätze in der DDR-Nachwuchsauswahl. Von 1955 bis 1968 absolvierte der bullige Angreifer mit den strammen Oberschenkeln insgesamt 306 Pflichtspiele für den SC Chemie und den HFC Chemie und er erzielte dabei 121 Tore in drei Fußball-Ligen. Ein Hallescher Fußball-Rekord für die Ewigkeit! Allein in der Oberliga markierte „Paul“ insgesamt 46 Treffer. Zum Auftakt seiner letzten Oberliga-Saison 1967/68 traf er beim 4:1-Sieg gegen Auge gleich dreimal.

Für die halleschen Fans verkörperte Werner Lehrmann, das was Uwe Seeler vom Hamburger SV zu einer deutschen Fußball-Ikone gemacht hat: Er war volksnah, bescheiden und heimatverbunden. Auf den Bolzplätze der Saalestadt wollten damals alle Jungs ein Lehrmann sein. Seinem Verein hielt der gelernte Betriebsschlosser bis zuletzt die Treue. Selbst als der HFC in den 1990er Jahren eine Talsohle durchschritt, saß „Paul“ im leeren Stadion und verbreitete Optimismus. Er glaubte fest daran, dass für den HFC wieder bessere Zeiten kommen würden. Leider hat er sie nicht mehr erlebt. Seine Mitspieler von einst schwärmen bis heute von ihm als einem außergewöhnlichen Menschen. „Er war ein wunderbarer Fußballer, der links wie rechts über einen starken Schuss verfügte“, so Günter „Hopser“ Hoffmann. „Werner war die Seele der Mannschaft. Er griff bei der kleinsten Auseinandersetzung ein, um auf seine sanfte Art zu schlichten“, erinnert sich Klaus „Banne“ Urbanczyk. Und der 72-fache Nationalspieler Bernd Bransch bescheinigte dem halleschen Fußball-Urgestein mit dem großen Herzen zum 50. Gründungstag des HFC, dass er „ein feines Gespür für junge Talente hatte“. Ganz abgesehen davon, dass der Lettiner als Stimmungskanone galt und unzählige FußballLieder parat hatte.

Am 10. Mai 1968 gab Werner Lehrmann beim 4:2-Heimerfolg gegen den 1. FC Lok Leipzig seinen Ausstand in der DDR-Oberliga. Mit 32 Jahren verhalf er danach noch der Reservemannschaft der Rot-Weißen zum Aufstieg in die DDR-Liga. Seine sportliche Karriere ließ er bei Turbine Halle ausklingen, ehe er als Koch in die Gastwirtschaft seiner Frau Claudia in der Torstraße nicht weit vom Stadion einstieg. Später führten die beiden eine urige Kneipe in der Puschkinstraße, die heute Kardinal-Albrecht-Straße heißt. Sie war ein beliebter Treffpunkt von Künstlern der Burg Giebichenstein. Holger „Otto“ Krostitz, einer seiner Nachfolger als HFC-Torjäger, hatte in Lehrmanns Lokal in der Südstadt im Juni 1979 seinen Polterabend gefeiert. „Paul war ein richtiger Kumpel-Typ. Ich bin froh, dass ich ihn kennengelernt habe“, so der heute 66-jährige frühere Stürmer, der inzwischen selbst zu einer Legende des Halleschen Traditionsvereins geworden ist. 

Eine Fußballfibel vom Fan fÜr Fans

„Als HFC-Fan musst du Optimist sein, als Realist hättest du im Leben keine Chance.“

Mit diesem Zitat von Urgestein und FanradioStratege Uwe Striesenow steigt Autor Michael Bendix in seine Fußbalfibel über den Halleschen FC ein. In der Reihe „Fans schreiben für Fans“ ist ein 165-seitiges Werk entstanden, das eine subjektive, emotionale, und thematisch breit gefächerte Sicht auf die vergangenen 40 Jahre in Rot-Weiß bietet. Exakt so lange hat der HobbySchriftsteller schon sein Herz an den Club verloren, seitdem er als Zehnjähriger erstmals im Kurt-Wabbel-Stadion auftauchte und sofort infiziert wurde.

Mit nunmehr 50 Jahren hat Michael Bendix einen reflektierten Blick auf die Entwicklung, auf die Gegebenheiten und vor allem auf das Fandasein beim HFC mit stetigem Wechselbad der großen Gefühle. Es sind vor allem die eigenen Erlebnisse, die der inzwischen im Großraum München beheimatete HFC-Fan mit der Leserschaft teilt und damit einen sehr persönlichen Einblick in die Seele von Fußballfans an der Saale gibt. Von der Fahrradtour zum Auswärtsspiel in Aue bis zur Entstehung der Fanfreundschaft mit Lok Leipzig bietet die Fibel zahlreiche Anekdoten, in denen sich vermutlich in erster Linie langgediente Anhänger des Vereins wiederfinden. Interessant ist das Buch mit seinem Herzblut von der ersten bis zur letzten Seite aber auch für alle anderen Generationen an Sympathisanten. ist. Urlaube verbindet er gern mit einem Abstecher in diverse Trainingslager von Spanien bis in die Türkei. Exakt dort, in Belek, verletzte sich der Buch-Autor beim Gaudispiel der mitgereisten Fans gegen das Trainerteam schwer, riss sich den Meniskus im Knie und musste operiert werden. Ob während der daraus resultierenden Zwangspause die Idee zur Fußballfibel entstanden ist? Vielleicht. Mit Verleger Frank Willmann, der bereits zahlreiche Bücher erscheinen ließ und aus dem Umfeld des 1. FC Union Berlin stammt, fand Michael Bendix auf jeden Fall einen „Mentor“, der weiß was Fans interessiert. Für 12.99 Euro gibt es die Fußballfibel über den Halleschen FC zum Beispiel bei Amazon und bei Culturcon. Weihnachtslektüre in Rot-Weiß, die sich einfach wegliest … 

Mein Herz schlÄgt Rot-Weiss

HFC-Museum auf dem Heuboden

Ulf Schmiljun sammelt seit 25 Jahren alles zur Geschichte des halleschen Fußballs. Inzwischen hat er sich auf seinem Gehöft in Plötz am Petersberg ein Traditionskabinett geschaffen. In der neuen HFC-Fibel von Autor Michael Bendix ist dem Hallenser sogar ein Kapitel gewidmet.

Wer das Reich von Ulf Schmiljun betritt, der kommt aus dem Staunen nicht heraus: Sein Reich, das ist ein 36 Quadratmeter großer Heuboden, den der umtriebige Handwerker zu einem privatem HFC-Museum ausgebaut hat. Wohin das Auge schwenkt, überall erblickt man Erinnerungsstücke und Raritäten aus der wechselvollen Geschichte des Traditionsvereins. An den Dachschrägen hängen Dutzende Plakate, Trikots und Poster. Alle sind ordentlich eingerahmt. Die Drempel und Wände des Refugiums zieren Fotos von Spielern und Mannschaften, die einst das Trikot des SC Chemie oder des HFC trugen. Dazwischen stehen Vitrinen mit Dutzenden Gläsern, Pokalen und Bierkrügen. In den Schränken und Regalen stapeln sich Ordner mit Programmheften, Fußball-Büchern und Zeitungsausschnitten. Und überall an den Balken und Wänden sind Wimpel zu sehen. Dazu kommen Anstecknadeln, Eintrittskarten und viele weitere Utensilien, die das Herz eines HFC-Fans höher schlagen lassen. Sogar VIP-Bändchen liegen in den Schubladen. Mitten in diesem sportgeschichtlichen Kleinod steht ein weißer Couchtisch natürlich mit roten Hockern - was sonst. Das gesamte Interieur zeugt von der Liebe zum Detail. „Ich sammle alles, was irgendeine Beziehung zum HFC und zu seinen Vorgängervereinen hat, das ist meine große Leidenschaft“, so Ulf Schmiljun, während er mit einem Arm eine raumgreifende Bewegung macht.

Dabei zeigt der eingefleischte Anhänger des Drittligisten immer wieder auf ganz besonders seltene Stücke. Dazu zählt auch ein Plakat, das auf ein Freundschaftsspiel zwischen dem Karlsruher SC und dem HFC am 26. Juli 1988 verweist. Es hing damals an einer Litfasssäule und kündet vom ersten und einzigen innerdeutschen Vergleich der Rot-Weißen mit einer Mannschaft aus der Bundesrepublik. „Es ist ein Unikat“, sagt der passionierte Sammler mit stolzer Stimme. Durch glückliche Umstände ist er auch in den Besitz einer Bronzemedaille gekommen, die der HFC als Dritter der DDR-Oberliga-Saison von 1970/71 erhalten hat. Sie stammt aus dem Nachlass der halleschen TrainerLegende Walter Schmidt, der im vorigen November im Alter von 92 Jahren gestorben ist. Auch in dessen Tagebuch, in dem er alle Trainingseinheiten und Spielbeobachtungen notiert hat, kann man auf dem Heuboden blättern. Zu jedem Stück kann Ulf Schmiljun eine spannende Geschichte erzählen. Für ein Autogramm von Norbert Nachtweih ist er mal 400 Kilometer bis nach Frankfurt/Main gefahren. Das HFC-Talent war 1976 in den Westen geflüchtet und hat dort als Bundesliga-Profi unter anderem mit Bayern München sieben Titel geholt. „Seine Unterschrift wollte ich unbedingt haben, die hat mir noch gefehlt“, so der Sammler.

Aufgewachsen im halleschen Süden zog es den heute 44-jährigen HFC-Fan schon als Kind ins nahe gelegene Kurt-Wabbel-Stadion. Damals erlebte er den Beginn der erfolgreichsten Ära der Rot-Weißen, die 1991 bis in die zweite Bundesliga und in den Europapokal führte. Vom ersten Lehrlingsgeld ließ er sich eine Fahne des Fanclubs „Südstaaten“, dem er bis heute angehört, anfertigen. Ein Tatoo auf dem rechten Unterarm zeugt von seiner „ewigen Treue“ zum HFC. Der Hallenser blieb selbstredend bei der Stange, als der HFC in die Niederungen des Amateur-Fußballs abstürzte und am Rande des Bankrotts stand. „Wir sind mit den Jungs in der Verbandsliga über die Dörfer gefahren, das hat uns alle zusammengeschweißt“, erinnert sich Ulf Schmiljun an verwegene Fan-Zeiten. Damals wurde bei ihm die Sammlerleidenschaft entfacht. „Angefangen hat alles mit Biertulpen und Gläsern des HFC“, so der Hallenser. Inzwischen hat er Hunderte solcher typischen Souvenirs von seinem Lieblingsverein zusammengetragen. Lange wusste er nicht wohin mit seinen unzähligen FanArtikeln. Bis er vor etwa sechs Jahren ein kleines Gehöft am Rande von Plötz am Petersberg erwarb, wo er seither mit Freundin und Tochter lebt.

Beim Anblick des freilich ziemlich verwahrlosten Heubodens wusste er beim Einzug sofort, was daraus werden sollte: eine Art HFC-Traditionskabinett. Zusammen mit einem Kumpel setzte der gelernte Maler den Raum von Grund auf wieder instand. Sie erneuerten den Fußboden, zogen Trockenplatten ein und brachten durch zwei Dachfenster endlich Licht ins Dunkel. Zum Schluss wurden die Wände weiß angestrichen. „Endlich hatte ich einen Platz für meine Sammlerstücke“, so Ulf Schmiljun. Und wenn ihm danach ist, setzt er sich auf eine Couch, die natürlich mit rot-weißen Decken, Kissen und Tüchern aus dem HFC-Fanshop drapiert ist, um seine historischen Schätze in aller Ruhe zu genießen. Fernseher, Laptop oder ein Radio braucht er jedenfalls auf seinem Heuboden nicht. Mittlerweile ist der leidenschaftliche Sammler schon 25 Jahre auf der Suche nach wertvollen Exemplaren aus der halleschen Fußball-Geschichte. Überall, wo er Wohnungen renoviert, fragt er nach Fußball-Andenken. Ständig durchforstet er die einschlägigen Verkaufsportale im Internet und immer wieder durchstreift er die Trödelmärkte. Regelmäßig besucht er auch Tauschbörsen. „Man muss ständig Augen und Ohren offen halten“, verrät der HFC-Fan, den viele Freunde und Bekannte bei seinem zeitaufwendigen Hobby unterstützen.

Auf einer Fan-Party zum 50. Gründungstag des HFC im Sommer 2016 hatte er erstmals mit einer Ausstellung im Volkspark für Aufmerksamkeit gesorgt. Der Hallenser Michael Bendix, selbst seit 40 Jahren ein Anhänger des Traditionsvereines, hat ihm und seiner einzigartigen Sammlung nun sogar ein Kapitel in seiner HFC-Fibel gewidmet, die gerade im Culturcon Medien-Verlag Berlin erschienen ist. „Das hat mich natürlich gefreut“, sagt Ulf Schmiljun. Sein größter Wunsch wäre es, wenn aus seinem Traditionskabinett eines Tages ein richtiges HFC-Museum entstehen würde. 

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