Forum Museum 2010-1

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Forum Museum | museumsdorf niedersulz

Innovation mit Tradition In den meisten österreichischen Freilichtmuseen werden komplette Bauernhöfe abgebaut, übertragen und originalgetreu wiedererrichtet. Hiebei handelte es sich aber meist um Holzbauten. Doch der Baustoff der Weinviertler Häuser ist Lehm. Grundvoraussetzung für diese Arbeit war die Beschäftigung mit dem Baustoff Lehm, einem im heutigen Bauwesen so unüblichen Material, dass sowohl Schüler als auch Lehrer vorher intensiv recherchieren mussten. Unterstützung erhielt die Arbeitsgruppe dabei vom Lehmbauexperten Wilhelm Schmid. Gemeinsam mit den Lehrern wurde eine neue Baumöglichkeit für das Museumsdorf entwickelt, ganze Mauerteile eines Lehmhauses zu 1

transportieren. Grundlage für die Wiedererrichtung ist die „Gebäudeseele“, ein Stützgerüst aus Stahlbeton, das sämtliche aufkommenden Lasten sowohl aufnehmen als auch ableiten kann. In diese „Gebäude-

1 Die Projektgruppe der Camillo-Sitte-HTL Wien: Mato Dominkovic, Daniel Kalten­ berger, Florian Schwendemann, Nikolas Ettel, Christian Halbauer, Christopher Strobl, Robert Plachy, Patrik Meinhart, Daniela Riechl mit ihrem Klassenvorstand Professor Architekt DI Walter Moor.

seele“ können als Gesamtes übertragene Mauerteile eingebaut beziehungsweise Wände unter Verwendung der Lehmbautechnik rekons­ truiert werden. Auch der Dachstuhl wird möglichst mit dem kompletten Gesperre transportiert. Neben dieser Entwicklung einer neuartigen Übertragungstechnik erstellten die Projektanten auch einen sehr detaillierten Bauzeit- und Kostenplan. Bei der Präsentation ihrer Arbeit vor dem Matura-

Im museumsdorf niedersulz wurde das aufgehende Mauerwerk

ausschuss waren die anwesenden Bautechniker begeistert von der

aus Ziegeln errichtet, nur die mobilen Gebäudeteile, wie Fußboden,

hohen fachlichen Qualität wie auch dem technischen Know-how der

Dachstuhl, Holzdecke, Fenster und Türen, vom Originalgebäude

Schülerinnen und Schüler.

übernommen. Die Übertragung von Originalmauerwerk galt als tech-

Ingrid Fröschl-Wendt

nisch nicht durchführbar. Im Vorjahr traten die Professoren Architekt DI Walter Moor und DI Manfred Postrihac der Camillo-Sitte-HTL Wien mit einer Projektidee für eine Maturaklasse an das museumsdorf niedersulz heran. Die Camillo-Sitte-Lehranstalt ist die größte Bautechnik-HTL Österreichs und die einzige in Wien. Sie wurde nach dem Architekten

Camillo-Sitte-Lehranstalt

Camillo Sitte benannt (1843–1903), der als Wiener Stadtplaner als

Höhere Technische Bundeslehr- und Versuchsanstalt Wien

Wegbereiter der neuzeitlichen Städtebaukunst gilt. Die Maturanten

1030 Wien, Leberstraße 4c

gingen in ihrem Projekt von der Annahme aus, ein Gebäude in seiner

Tel. (+43-1) 799 26 31-103

Gesamtheit ins Museumsdorf zu übertragen. Studienobjekt war ein

www.camillo-sitte-lehranstalt.at

mehr als 100 Jahre altes Haus in Oberfellabrunn im Bezirk Hollabrunn.


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