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moritz

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Was wird aus unserer Uni?

2005

das greifswalder studentenmagazin



Impressum

moritz - Studentische Medien Greifswald Rubenowstraße 1, 17487 Greifswald Hausadresse: Wollweberstraße 4 Tel: 0 38 34 / 86 17 59 (Reda); -58 (GF) Fax: 0 38 34 / 86 17 56; e-mail: moritz@uni-greifswald.de Chefredaktion: Kai Doering (ring), Uwe Roßner (ur) Geschäftsführung: Tobias Linke, Christian Bäz Herausgeberin: Studierendenschaft der Universität Greifswald (AStA) V.i.S.d.P.: Kai Doering Hochschulpolitik: Kai Doering (ring) Uni-Versum: n.n. Feuilleton: Uwe Roßner (ur) Mitwirkende an dieser Ausgabe: Christian Bäz (chris), Florian Benkenstein (flo), Michael Boortz (michi), Anne Breuer (ne), Arvid Hansmann (aha), Kilian Jäger (kj), Joel Kaczmarek (jmk), Stephan Kosa (kos), Judith Küther (ju), Verena Lilge (lil), Manuel Nüsser (manü), Louise Pachtner (lou), Sophia Penter (so), Sarah Rieser (sari), Katarina Sass (kats), Anne Waldow (wal) Ein besonderer Dank geht an: Kathleen Böhm, Stephanie Dahn, Prof. Mathias Husmann, Judith Mielke (heuler), Thomas Müller, Ekkehard Ochs, Constanze Rogge, Julia Schrod Gestaltung: Kai Doering, Ulrich Kötter Titelbild: heuler Rostock Anzeigen: Geschäftsführung Druck: Druckhaus Panzig, Studentenberg 1a, 17489 Greifswald

moritz erscheint während des Semesters monatlich in einer Auflage von derzeit 3.000 Exemplaren. Anzeigen- und Redaktionsschluss der nächsten Ausgabe ist der 02. Mai. Die nächste Ausgabe erscheint am 17. Mai. Nachdruck und Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion. Die Redaktion behält sich vor, eingereichte Texte und Leserbriefe redaktionell zu bearbeiten. Namentlich gekennzeichnete Artikel und Leserbriefe geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die in Artikeln und Werbeanzeigen geäußerten Meinungen stimmen nicht in jedem Fall mit der Meinung des Herausgebers überein. Alle Angaben sind ohne Gewähr. Life on earth is expensive but it includes an annual trip arround the sun.

Das ist doch...der moritz. Oder doch das Drehbuch für seinen neuen Film? Roland Emmerich mit Lektüre bei der Berlinale. Foto: aha

Hallo Leute!

Ein Gespenst geht um in unserm Land - das Gespenst der Kürzungen. Eigentlich bin ich ja ein Freund von Geistern - schließlich bin ich ja selbst einer - doch bei dem, was in den letzten Wochen passiert ist, kann einem schon Angst und Bange werden. Auch von Euch machen sich sicher viele Gedanken, was aus ihrem Institut wird oder ob sie ihr Studium noch ohne Hast beenden können. Um der ganzen Geschichte mal auf den Grund zu gehen, habe ich mich entschlossen, mit meinem Kollegen in Rostock zusammenzuarbeiten, denn was die Rektoren nicht so recht schaffen, kriegen wir hin. Der „heuler“ hat an dieser Ausgabe einen beträchtlichen Anteil und

uns sehr geholfen, wirklich einmal über den Tellerrand hinaus zu schauen. Wir wollen Euch gemeinsam informieren, was Phase ist und über den bisherigen Verlauf der Debatten aufklären. Denn während Ihr in den Ferein wart, ist viel passiert. Auch Protest hat es bereits eine Menge gegeben. Nun seid besonders Ihr gefragt. Es geht um Eure Uni und um Euer Studium. Zeigt also Flagge - in Greifswald oder auch in Schwerin. Wenn Ihr Euch einig seid, könnt Ihr noch einiges erreichen. Das letzte Wort ist sicher noch nicht gesprochen. Es steht zu Euch


AStA

ku k urr zz n n aa cc h hrr ii cch h tt e en n Kinotag für Schwule und Lesben Greifswald hat nun einen Kinotag für die Schwulen und Lesben dieser Stadt. Jeden dritten Freitag im Monat findet ab sofort in Zusammenarbeit mit dem CineStar die "Gender Trouble Movie Night" (vorläufiger Name) statt. Gezeigt werden vorrangig Filme mit schwulen und/oder lesbischen Inhalten. Der Eintritt beträgt maximal sechs Euro pro Person. Der nächste Film läuft am 20. Mai.

StuPa-Wahlen im Mai Vom 09. bis zum 13. Mai werden die Wahlen zum Studierendenparlament stattfinden. Kandidaten können ihre Bewerbungen ab sofort im AStA-Büro abgeben. Abgabeschluss ist der 02. Mai. Außerdem werden noch Wahlhelfer gesucht. Interessenten melden sich bitte bei der Wahlleiterin Kathrin Berger unter wahlen@asta-greifswald.de.

Allgemeiner Studierendenausschuss

Ihr findet den AStA im Audimax in der Rubenowstraße 1

amnesty international zeigt den Spielfilm Osama Die Greifswalder ai - Gruppe zeigt mit "Osama" den ersten Spielfilm, der nach Beendigung der TalibanHerrschaft in Afghanistan gedreht wurde. Er steht im Kontext der Kampagne "Hinsehen und Handeln - Gewalt gegen Frauen verhindern". Amnesty will damit gleichzeitig über seine Arbeit informieren. Die Veranstaltung findet am Donnerstag, 21. April 2005 ab 19.30 Uhr (Filmbeginn 20.00 Uhr) im Bürgerschaftssaal des Rathauses Greifswald statt. Der Eintritt beträgt 2 Euro.

Pressesprecher entlassen In der Senatssitzung am 16. Februar hat das Rektorat eine „verhaltensbedingte fristlose Kündigung“ gegen den Leiter der Pressestelle, Edmund von Pechmann, ausgesprochen.

557 neue Erstis im Sommer

Telefon: 0 38 34 / 86 17 50 -51 Fax: 0 38 34 / 86 17 52 E-Mail: asta@uni-greifswald.de Vorsitz Thomas Schattschneider Mo und Do 10-12 Uhr

Referentin für Ausländerfragen: Jana-Elena Koser Di 10-12, Mi 12-14, Do 14-16 Uhr Referentin für BAföG und Studienfinanzierung: Christin Püschel Di 08-10 Uhr, Mi 10-12 Uhr

Referentin für Erstsemesterarbeit: Katharina Winkel Mo und Do 12-14 Uhr Referent für Fachschafts- und Gremienarbeit Felix M. Prokoph Di 16-18 Uhr, Do 12-14 Uhr Referent für Finanzen: Eric Kibler Mi 14-16 Uhr, Fr 11-13 Uhr

Referat für Hochschulpolitik: Simon Sieweke Do und Fr 09-11 Uhr Referentin für Soziales: n.n.

Referent für Studium und Lehre: n.n.

ku k u rr zz n n aa cc h h rr ii cc h h tte en n

Referent für Ökologiefragen: n.n.

Präsidenten des Studierendenparlamentes: Philipp Kohlbecher Alexander Gerberding (Stellvertreter) stupa@uni-greifswald.de Gleichstellungsbeauftragte(r): n.n.

Beauftragte(r) für Schwule und Lesben: n.n. 557 neue Erstsemester kann die Ernst-Moritz-Arndt Universität zum Sommersemester 2005 begrüßen. Insgesamt studieren hier nun 10 023 Kommilitonen. Einige der neuen Erstis lernten die studentischen Medien beim gemeinsam von moritzTV und moritz veranstalteten Frühstück in der Erstsemester-Woche kennen (siehe Foto). 4

Beauftragte(r) für Internetpräsenz: Christian Heise

Beauftragte Campus Europae: Katharina Miller

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ii n n hhaa ll tt moritz gelesen? Nachgedacht? Meinung schreiben!

GGEE Sc ZZa ho Ne h n Da i lt nk n. ? e.

moritz@uni-greifswald.de, Betreff: Leserbrief

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Das Verfassungsgericht hat entschieden. Kommen nun die Studiengebühren?

politik

Kurznachrichten Studiengebühren AStA-Seite B.A.-Reform Anglistik-Ärger

4 6 8 9 10

Campus Europae Rubenowplatz GrIStuF Journal International Ersti-Semesterbilanz Auslandssemester in Prag Thailand NMUN in New York

12 13 14 16 18 19 20 21

uni-versum

Gekürzt

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Bildungsminister und Rektoren wollen an den Unis kürzen. Dagegen protestieren ihre Studis.

titel

Rektorenduell: Westermann vs. Wendel 22 Interview: Bildungsminister Metelmann 24 Chronologie der Ereignisse 26 Interview: Greifswalder OB Arthur König 27 Proteste 28 Meinungen 30

Gesehen

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Keanu Reeves und andere Stars auf der Berlinale. Und einen Greifswalder Regisseur getroffen.

feuilleton

Schiller-Jubiläum 31 Andersen-Jubiläum 32 Nordischer Klang 33 Berlinale 34 Politikervorstellung: Arno Esch 36 Besuch im Max-Planck-Institut 37 Michis Koch-Ecke 38 Max und Moritz 39 Hélène Grimaud, Fleisher spielt Hindemith, Theater 40 CDs: Tango aus Greifswald, Klavierkonzerte, Sophie Zelmani 41 Bücher, DVD 42,44 Kino: „Barfuss“, „Kinsey“ 43 kreuzmoritsel 45 Arvids Kolumne 46 A NN ZZ EE II GG EE A

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ii n n hh aa ll tt

Gebühr


Studiengebühren träglich? Geht so.

sozialver-

von Stephan Kosa

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Die Notwendigkeit von Studiengebühren will kaum jemand mehr abstreiten. Zu schlecht die Finanzlage, zu grauenvoll die Studienbedingungen jetzt schon. Wir müssen ja alle den Gürtel etwas enger schnallen undsoweiterundsofort. Studiengebühren sind jedoch leider nicht das ersehnte Allheilmittel. Studiengebühren sind als Lösung eine Fata Morgana, eine Illusion, an die man sich nur zu gern klammert. Denn: Die ökonomisierte Auswahl des Studienplatzes ist längst bemerkbar, die Wissenschaft und ihre Ansprüche verrecken an fortgeschrittener Aufbautis Verwertbarkeitritis. Schon jetzt sind wir zudem laut OECD Schlusslicht, was den Zugang sozial Schwächerer zu Bildung anbelangt. Gerade dies ist jedoch fatal, geht es doch um die hehren Ziele, die wir uns auf unsere ach so demokratische Flagge kritzeln. Die Abschreckungseffekte sind heute schon absehbar. Studierende, die heute bereits nebenher arbeiten müssen (Anteil an der Gesamtheit: 63 Prozent), sehen keine Möglichkeit, wie sie zusätzliche Studiengebühren finanzieren sollten. Aber würden Studiengebühren nicht "sozialverträglich"? Pustekuchen! Die 500 Euro, die propagiert werden, sind heute schon unrealistisch. Das "Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung" schätzt, dass mittelfristig wohl eher 2 500 Euro drin sein müssen. Wer lässt sich von solchen absehbaren Schuldenbergen denn bitteschön nicht abschrecken? Es geht um zehntausende von Euro pro Student, die die Banken uns ja sicherlich schenken werden, wenn wir keine Arbeit bekommen. Schon im März dieses Jahres meldeten einige Tageszeitungen, der "Bundesverband der Deutschen Volksund Raiffeisenbanken" fordere eine Abschaffung des BAFöG-Modells, ein Nebeneinander von zinslosem BAFöG und zu verzinsenden Studentenkrediten sei unsinnig. Diese Idee scheint dieser Tage ja auch schon bei Unionspolitikern salonfähig zu werden. Bildung wird zum Wirtschaftsgut. Ändert das auch wieder jemand, wenn Mittel wieder zur Verfügung stehen?

"Studentensteuern" und "Intelligenzabgaben"

Ende Januar hat das Verfassungsgericht das Verbot von Studiengebühren gekippt Von Stephan Kosa und Kai Doering Am 26. Januar 2005 um kurz nach zehn waren die Würfel gefallen. An diesem grauen Wintermorgen hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe entschieden, dass das Verbot von Studiengebühren, wie es seit dem Jahr 2000 im Hochschulrahmengesetz des Bundes vorgesehen war, verfassungswidrig ist. Der Artikel 1 Nr. 3 und 4 des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes (6. HRGÄndG) sei nichtig, da dem Bundesgesetzgeber das dazu notwendige Gesetzgebungsrecht fehle. Das hieß allerdings nicht, was viele vermuteten, nämlich die Verfassungsmäßigkeit von Studiengebühren im Allgemeinen. Wie der Vorsitzende Richter Winfried Hassemer in einer für das BVerfG recht untypischen Deutlichkeit in der Urteilsverkündung bemerkte: "Wir hatten nicht darüber zu entscheiden, ob Studiengebühren politisch vernünftig sind." Ebenso sei eben nicht geklärt worden, ob Studiengebühren die Grundrechte der Wissenschafts- und Studienfreiheit sowie des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes in verfassungswidriger Weise beeinträchtigten.

um gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen oder die Wirtschaftseinheit zu wahren. Was bleibt, ist die Gewissheit, dass die sicherlich folgenden politischen sowie juristischen Auseinandersetzungen sich von der Bundesebene auf die Länderebene verlagern werden. Einige Auffassungen des BVerfG muten teilweise auch fast realitätsfern an. Da ist zum Beispiel die Begründung, dass in den zu erwartenden 500 Euro Studiengebühr pro Semester kein Ausnahmefall vorliege, der von Artikel 75 Absatz 2 Grundgesetz für eine Bundesgesetzgebungskompetenz verlangt wird, da sie keine so schwere Beeinträchtigung bedeuteten, dass große Wanderungsbewegungen zwischen den Bundesländern zu erwarten seien. Dies war einer der Punkte, die der Bund als Gründe für eine ihm eigene Gesetzgebungskompetenz vorgetragen hatte. Wie die Karlsruher Richter aber den jetzt schon äußerst fragwürdigen Satz von 500 Euro als feste Größe annehmen konnten, wie sie die Wanderungsbewegungen überhaupt als Begründung anführen konnten, würde doch selbst eine massive Wanderbewegung keine Kompetenz des Bundes in dieser Frage begründen können, macht deutlich, dass dieses Urteil sehr wohl hinterfragt werden darf. Weiterhin ist eine der denkbaren Konsequenzen aus diesem Urteil, dass Heftige Debatten lieferten sich Gebührengegner und auch gegen StuBefürworter am 12. Januar in der Mensa Foto: ring diengebühren Klagen vor Bun"Wir hatten nur zu entscheiden, ob des- oder EU-Gerichten durchaus der Bund zu dem Verbot befugt war möglich und wahrscheinlich sind; und die Antwort lautet nein", so die letzten Worte sind hier noch Hassemer weiter. Das Urteil wurde lange nicht gesprochen. damit begründet, dass ein einheitliIn Greifswald hatten im Mensaclub ches, bundesweites Verbot von Stuetwa 20 Studierende der Entscheidiengebühren nicht notwendig sei, dung auf einer Großbildleinwand moritz


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doch sehr problematisierend behandelt. (AZ 1 BvL 25/71) Für die Gebühren-Gegner jedoch sind all diese Modelle gleich - und zwar gleich schlecht. "Studentensteuern oder Intelligenzabgaben das macht keinen Unterschied", ist Jörg Tauss, bildungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion überzeugt. Als Abgeordneter hatte er die Novelle des Hochschulrahmengesetzes mit auf den Weg gebracht, die Studiengebühren verbot. "Ich war nie so stolz, verfassungswidrig zu sein", sagt er heute. Unterdessen basteln die Befürworter bereits fleißig an der Einführun. Bayerns Wissenschaftsminister Thomas Goppel hätte am liebsten bereits zum kommenden Semester Gebühren erhoben, musste jedoch nach massivem Druck zurückrudern. Nun wird es wohl zum Som-

500 Euro pro Semester - bald auch Foto: Archiv in Greifswald? mersemester 2006 soweit sein. Baden-Württemberg peilt als Termin das Wintersemester 2006/ 2007 an. Auch Hamburg, dessen Wissenschaftssenator Jörg Dräger einer der Wortführer der Befürworter ist, wird vor 2006 nichts unternehmen. Es bleibt also noch ein wenig Zeit. Doch was passiert danach? Viele sind davon überzeugt, dass es zu "Studentenwanderungen" aus den Gebühren-Ländern kommen wird. Auf diese Weise wäre auch Mecklenburg-Vorpommern, wo Gebühren (noch) laut Koalitionsvertrag verboten sind, betroffen. Ob es jedoch hier im Land beim Gebührenverbot bleibt, muss erst abgewartet werden. Ministerpräsident Harald Ringstorff hat jedenfalls im Februar bereits angedeutet, er sei bei dem Thema "nicht völlig vernagelt". Schließlich gelte die Koalitionsvereinbarung nur bis 2006.

Studiengebühren haben Folgen - und zwar positive von Kai Doering

Am 26. Januar hat das Bundesverfassungsgericht das generelle Verbot von Studiengebühren, wie es im Hochschulrahmengesetz verankert ist, gekippt. Dies bedeutet, dass nun allein die Länder entscheiden können, ob sie Studiengebühren erheben oder nicht - nicht mehr aber auch nicht weniger. Nüchtern betrachtet, sind Studiengebühren ein sinnvoller Weg, die Lehrsituation an den Universitäten zu verbessern. Geld ist nicht der einzige, aber doch ein wichtiger Grund für die derzeit schlechte Situation an deutschen Hochschulen. Seminare mit mehr als fünfzig Teilnehmern, schlechte Ausstattung der Lehrräume und ein Professor, der nie für seine Studenten erreichbar ist - hätte die Uni mehr Geld zur Verfügung könnte sie hier Abhilfe schaffen. Bald werden die ersten Bundesländer die Hand bei den Studenten aufhalten. Im Süden der Republik soll es bereits zum kommenden Wintersemester soweit sein. Doch ist hier auch Vorsicht geboten. Studiengebühren können nämlich nur dann zu einem Segen werden, wenn sie vernünftig eingeführt werden - und das bedeutet nachgelagert. Wer könnte schon aus dem Stand pro Semester 500 Euro oder mehr aufbringen, wo das Geld doch jetzt schon gerade so reicht? Das Kredit-Modell der KfW ist da sicher ein Schritt in die richtige Richtung, doch muss ein Alumni-Konzept das Ziel sein. Warum soll ein Arzt nicht das Studium desjenigen bezahlen, der sein Nachfolger werden soll? Ein Letztes ist zu beachten: Die Gebühren müssen direkt den Unis zugute kommen. Wer das bezahlte Studium nur als Möglichkeit sieht, Haushaltslöcher zu stopfen, betreibt Raubbau an der Bildung. Übrigens können Studiengebühren auch die Studenten unschlagbar stärken, denn wer bezahlt, dem steht auch eine Gegenleistung zu. Der Kunde Student hat dann ein Anrecht auf einen Seminarplatz oder ein Gespräch mit dem Professor - wenn es sein muss, rund um die Uhr. Also, liebe Landespolitiker, führt Studiengebühren ein, doch bedenkt die Folgen.

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beigewohnt. Kurz nach der Entscheidung ein Demonstrationszug durch die Greifswalder Innenstadt. Nur 300 Menschen waren dem Aufruf des AStA gefolgt - im Vergleich zu den übrigen Hochschulstandorten im Land sogar noch eine riesige Zahl. "Das Studium in Mecklenburg-Vorpommern muss gebührenfrei bleiben", hob der hochschulpolitische Referent des AStA, Simon Sieweke, als Kernforderung des Studierendenausschusses hervor. Gestützt wurde er dabei von einer großen Mehrheit der Greifswalder Studierenden. Achtzig Prozent von ihnen hatten sich während der Vollversammlung am 12. Januar für einen Antrag ausgesprochen, in dem "ein umfassendes Verbot von Gebühren" gefordert wurde. Im Gegenantrag, eingebracht vom "Ring Christlich-Demokratischer Studenten" (RCDS), wurde die Landesregierung hingegen aufgefordert, die Einführung von Studiengebühren vorzubereiten, unter der Voraussetzung, dass die Beiträge erst nach Abschluss des Studiums erhoben werden und den Hochschulen "allein und direkt" zugute kommen. Hierbei handelt es sich um ein Modell, das von vielen Befürwortern als ausgereift betrachtet wird. Formuliert wurde es als erstes von der "Kreditanstalt für Wiederaufbau" (KfW). Alle Studierenden haben hier das Recht auf einen Kredit. Sozial Bedürftige erhalten zusätzlich ein Stipendium. Abgewickelt werden die Kredite über normale Banken, finanziert von der KfW. Die Rückzahlung beginnt spätestens zwei Jahre nach dem Abschluss, sie kann jedoch bei finanziellen Engpässen durch Arbeitslosigkeit oder Familiengründung unterbrochen werden. Nur wenn nach 25 Jahren immer noch Forderungen offen sind, springt der Staat ein. Daneben gibt es Modelle, bei denen Studiengebühren nur von den Studierenden gezahlt werden müssen, die nicht mit erstem Wohnsitz in dem Bundesland gemeldet sind, in dem sie studieren ("Hamburger Modell") oder so genannte Studienkonten, von denen pro Semester ein pauschaler Betrag abgebucht wird. Hier bezahlt der Student erst, wenn sein Konto leer ist. Maßnahmen wie die "Landeskinderregelung" hat das BVerfG im Zusammenhang mit dem numerus clausus schon 1972 zwar nicht grundsätzlich abgelehnt, je-

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as a st ta a-s se e ii t te e

Meld! Dich! An!

Für Greifswald als Hauptwohnsitz gibt es viele Argumente Von Constanze Rogge

Im Jahr 2006 wird die Stadt Greifswald eine Zweitwohnsitzsteuer einführen, sofern sich Ende diesea Jahres nicht mindestens 5000 Studenten in Greifswald mit ihrem Hauptwohnsitz angemeldet haben. Derzeit haben nur etwa 3000 Studenten hier ihren Hauptwohnsitz. Bei 10400 Studenten eine dürftige Zahl. Von der Zahl der Einwohner hängen die so genannten "Schlüsselzuweisungen" ab, Finanzzuschüsse die die Stadt vom Land erhält. Der Stadt entgeht somit eine ganze Menge Geld. Falls die Zahl der Neuanmeldungen nicht erreicht wird, müssen Studenten die in Greifswald nur ihren Nebenwohnsitz haben eine Zweitwohnsitzsteuer in Höhe von bis zu 450 Euro im Jahr zahlen. Derartige Zweitwohnsitzsteuern wurden schon in anderen Universitätsstädten eingeführt. Zwar gab es auch erfolgreiche Klagen gegen die Besteuerung, aber die Entscheidungen können von Einzelfall zu Einzelfall verschieden ergehen, daher ist es wichtig, dass die Zweitwohnsitzsteuer gar nicht erst eingeführt wird. Dies könnt Ihr nämlich verhindern, wenn Ihr Euch hier mit Eurem ersten Wohnsitz anmeldet.

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Es gibt gute ideelle, finanzielle und rechtliche Gründe sich anzumelden!

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Gerade bei jüngeren Semestern gibt es das Phänomen, dass man lieber noch „zu Hause“ gemeldet sein möchte, scheinbar weil die Verbundenheit mit der "Heimat" noch groß ist. Nicht vergessen: Greifswald ist jetzt das neue zu Hause! Hier habt ihr einen neuen Freundeskreis, den Lebensmittelpunkt und nicht zuletzt Eure Uni. Ihr seid mündige Bürger und wollt doch auch in Greifswald wählen um die Kommunal- und Landespolitik mit-

also durchaus seine Hauptwohnung zubestimmen. Wenn das noch nicht in Greifswald. überzeugt: Wir alle nutzen GreifsUnd die Nachteile? Immer wieder walds Straßen und Einrichtungen. werden Bedenken über Nachteile Deshalb sollte es auch in unserem der Erstwohnsitzmeldung, etwa Interesse sein, dass die Stadt die wegen des Versicherungsschutzes finanziellen Zuweisungen beoder des Kinkommt, die ihr dergeldes gezustehen. nannt. Ohne Studenten mit Frage kann es Hauptwohnsitz im Einzelfall Greifswald erbei Versichehalten ab dem rungen NachWintersemester teile geben, 2005 50 Euro dies ist dann zu pro Jahr. Die prüfen. Dann Anträge liegen ist es mehr als schon im AStA, verständlich, im Rathaus und den Hauptim Einwohnerwohnsitz bei meldeamt aus. den Eltern zu Anhand der lassen. Hier eingegangenen handelt es sich Anträge überjedoch um Einprüft die Stadt zelfälle. Der dann auch, ob große Teil, der die Zahl der nicht betroffen studentischen ist, sollte sich Hauptwohndeshalb ansitznehmer die Die Broschüre „Weg von zu Hause - Erstmelden, eben geforderten wohnsitz in Greifswald gibt’s beim AStA um die Zweit5000 beträgt. wohnsitzsteuer Es gibt weitere von Studenten, die sich aus genannVorteile und Vergünstigungen ten Gründen hier nicht mit dem durch die Hauptwohnsitznahme. Hauptwohnsitz anmelden können, Einen Überblick gibt die Broschüre abzuwenden. Das Kindergeld ist z.B. "Weg von zu Hause - Erstwohnsitz vom Alter des Kindes abhängig und in Greifswald!" die Ihr auch beim nicht davon, wo es seinen HauptAStA bekommen könnt. wohnsitz hat Also los! Das Einwohnermeldeamt Meldepflicht findet Ihr in der Spiegelsdorfer Wende 1, beim Südbahnhof. Die Es besteht eine Meldepflicht. Nach Anträge für die Erstattung von 50 den Landesmeldegesetzen (z.B. § 12 Euro liegen im AStA Büro, aber I LMG M-V) ist man, wenn man in auch im Rathaus und Einwohnereine neue Stadt zieht, verpflichtet meldeamt. sich innerhalb einer Woche anzumelden! Hat man mehrere WohÖffnungszeiten des nungen, ist die vorwiegend benutze Einwohnermeldeamtes: Wohnung die Hauptwohnung. Der durchschnittliche Greifswalder StuDienstag bis Freitag 09 - 12 Uhr dent, der in der vorlesungsfreien Dienstag zusätzlich 14 - 18 Uhr Zeit mal zu der Familie fährt, hat Donnerstag zusätzlich 14 - 16 Uhr moritz


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„Studenten müssen flexibel sein!“

Mittwoch, 6. Oktober 2004, 11 Uhr, Hörsaal in der Kiste, Makarenkostraße: Da saßen nun 361 "Bachelor of Arts"-Studenten in ihrer ErstseDer Bachelor in Greifswald soll geändert werden mesterwoche. Sie alle hatten sich für Von Louise Pachtner die neuen, "straff organisierten" Bachelorstudiengänge entschieden. In der "Bologna-Erklärung" vom 19. Juni 1999 hatten 31 Minister aus 29 Studium der zwei Fachmodule als nicht an den Schriftkompetenzeuropäischen Ländern beschlossen, Praktikumzeit angeboten. AbschlieVeranstaltungen teilnehmen und mit der Einführung von gestuften ßend finden dann im fünften und wurden in Vorlesungen der KomBachelor- und Master-Studiengänsechsten Semester finden die munikationswissenschaft geschickt. gen bis 2010 einen einheitlichen General Studies II. statt. Dort kann Kommunikationswissenschaftler Europäischen Hochschulraum zu der Student zwischen Wirtschaft/ dagegen wurden in die "Logische schaffen. Und so hatten sich auch Recht, Erziehungswissenschaften Propädeutik" des Instituts für Phidiese 361 Neu-Studenten für den und Kulturwissenschaften wählen. losophie gesteckt. Dies löste natürinternationalen Studiengang entAuch die Prüfungsarten haben sich lich Unzufriedenheit aus, besonders schieden, der etwas Schwung in die einem Wandel unterzogen. Im Gewenn man in diesen Fächern PrüWirtschaft bringen soll und Stugensatz zum Magister- oder dem Difungen schreiben muss, die Ergebdenten erlaubt ohne große Schwieplomstudiengang, arbeitet der Banisse aber trotzdem unter den vorrigkeiten an allen eugegebenen General ropäischen HochschuStudies laufen. len zu studieren. Nun ist Abhilfe drinSo weit die Theorie, gend vonnöten, denn doch kommt im Leben mit dem Wintersevieles anders als man mester 05/06 werden es sich vorgestellt hat. die Magisterstudien1999 wurde das Progänge an der Philosojekt "Bachelor" an der phischen Fakultät Ernst-Moritz-Arndt endgültig abgeschafft Universität, genauer, und es wird mit etwa an der Philosophi600 neuen Bacheschen Fakultät, gelorstudenten in den 26 startet. Zwei FachmoFächern der PhilFak dule (vergleichbar gerechnet. Ein neues zwei Hauptfächern im General-Studies-MoGut lachen hatten Bachelor-Studenten im letzten Semester eher selten Magisterstudium), dell ist deshalb bunterteilt in einzelne ereits für das WinterEinheiten, "Mikromodule" genannt, chelor-of-Arts-Student mit dem semester geplant und es wird einige werden zeitverschoben gestartet, jeneuen ECTS Punktesystem (EuroUmstellungen mit sich bringen. weils vier Semester lang studiert pean Credit Transfer System). Mit "Die Studenten müssen eben flexiund führen mit semesterbegleitendiesen Leistungspunkten wird der bel sein", meint Prof. Udo Friedrich den Prüfungen am Ende des sechdurchschnittliche Arbeitsaufwand dazu. Das neue System sieht so auch sten Semesters zum "Bachelor of (Workload) gemessen, der für die vor, dass kein Student mehr das Arts". Doch mit diesem Fachwissen erfolgreiche Teilnahme an einem Recht, sondern nur noch eine Opnicht genug, auch sogenannte Modul benötigt wird. tion auf einen Platz in den General "Schlüsselfunktionen" sollen jedem Doch zurück in die MakarenkoStudies hat. Bereits in den General Studenten nahegebracht werden. straße. Nachdem den 361 Erstis das Studies I wird es eine größere Die Geburtsstunde der General Stukomplizierte System von Workload Anzahl von Fächern geben, aus dies. Unterteilt werden diese wiedeund Leistungspunkten mehr als eine denen sich der Student jeweils ein rum in General Studies I und II. Stunde erklärt worden war, ging es Fach auswählen kann. Jedoch darf Die General Studies I umfassen zum Brennpunkt der Sitzung. 200 er sich auch hier nicht auf ein Fach Englisch, Rhetorik und SchriftkomPlätze standen für die General Stuversteifen. Da nicht alle Studenten petenz. Englisch für eine sichere dies I zur Verfügung - für 361 StuRhetorik belegen können, müssen Kommunikationsfähigkeit in einer denten. Man muss kein Mathemasie auch flexibel wechseln können. Fremdsprache. Rhetorik für Komtikstudent sein um die UnmöglichDie General Studies II werden ebenpetenzen und Fähigkeiten in der keit dieser Rechnung zu erkennen. so neu konstruiert. Die drei Felder freien Rede und die SchriftkomSchnell wurde eine Übergangslöbleiben, doch wird besonders der petenz für einen gefestigten Umsung gefunden, die zwar alle Lernkulturwissenschaftliche Teil ausgegang mit Texten verschiedener Arwillige in Kursen unterbrachte, jebaut. Durch die Verminderung der ten. In den ersten zwei Semestern doch nicht unbedingt für Freude zu belegenden Fächer, wird auch soll die Ausbildung in diesen Fäsorgte. Einige Studenten bekamen der Workload der General Studies chern begleitend zum ersten Fachkeine Englischseminare, sondern auf 360 Stunden pro Einheit redumodul erfolgen. Das dritte und vierwurden in Englischvorlesungen der ziert. te Semester wird neben dem Anglistik geschickt. Andere durften

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Not amused

Gleich zweimal Ärger am Institut für Anglistik Von Kai Doering Normalerweise hört man aus dem Institut für Anglistik/Amerikanistik im Uni-Alltag nicht sehr viel. Auch das baufällige Gebäude in der Steinbecker Straße macht alles andere als einen spektakulären Eindruck. Im Januar jedoch sorgten gleich zwei Ereignisse dafür, dass die Anglistik urplötzlich in aller Munde war.

Für Studentenplakate zu dumm? schafter Daniel R. Coats

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Alles begann mit einer im Grunde schönen Geste, nämlich mit dem Besuch des amerikanischen Botschafters Daniel R. Coats. Auf einer Tour durch Mecklenburg-Vorpommern hatte er sich entschieden, auch bei den Greifswalder Anglisten vorbeizuschauen. So bogen am Vormittag des 21. Januar schwarze Limousinen nebst Polizeieskorte in die Steinbecker Straße ein. Einige Stunden vorher hatten Mitglieder des Fachschaftsrates (FSR) ein Transparent an einen nahen Bauzaun gehängt um gegen die geplanten Stellenkürzungen an ihrem Institut zu protestieren. "Die ganze Aktion war mit der Institutsleitung abgesprochen", sagt André Kaminski, Mitglied des FSR. Zunächst hätte das Transparent, auf dem eine durchgestrichene amerikanische und eine britische Fahne zu sehen waren, was den möglichen Wegfall beider Zweige zeigen sollte, niemanden gestört. "Urplötzlich wurde es jedoch von zwei Polizisten abgerissen und beschlagnahmt." Außerdem wurden Andrés Personalien aufgenommen, der Fall zu Protokoll gege-

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nerstedt, Zeugin der Vorgänge. "Manche hatten sich Klappstühle mitgebracht und blockierten den Flur." Schoben sich höhere Semester vorbei, seien sie angepöbelt und am Weitergehen gehindert worden. "An sich herrscht bei uns eine gute Atmosphäre, aber an diesem Abend hat sich jeder mit jedem angelegt", sagt Tina. Und auch die Dozenten schienen machtlos. "Da herrschte Ignoranz auf beiden Seiten." "Die Nerven lagen bei vielen blank", gibt auch Margitta Kuty zu. "Mit solch einem Ansturm hatten wir nicht gerechnet." Ein Standpunkt, der bei den meisten Studierenden auf Verwunderung stößt. "Wie ich gehört habe, soll es im Semester zuvor ähnlich ausgesehen haben", meint Henry Schweigel, der ebenfalls im Strom der Studenten stand. Er wollte sich die Behandlung nicht gefallen lassen und setzte spontan eine Petition auf, mit der gegen die Einschreibebedingungen am Institut protestiert werde sollte. Innerhalb weniger Minuten kamen 30 Unterschriften aufs Papier. "Es ging nicht um blinden Protest, sondern um konstruktive Ideen", erklärt er sein Vorgehen. Einige Tage später besuchte er Margitta Kuty in ihrer Sprechstunde um über die Situation zu reden. Für beide ein guter Dialog, der offenbar gefruchtet hat. "Die Einschreibung wird bei uns ab dem Sommersemester elektronisch er-

ben. "Begründet wurde alles damit, dass es verboten sei, Transparente an Bauzäune zu hängen", erzählt André. "Die Studenten haben gegen das Versammlungsgesetzt verstoßen", sagt hingegen der Leiter der Polizeidirektion, Polizeioberrat Rainer Dittschlag, auf moritz-Nachfrage. Alles hätte 48 Stunden vor dem Besuch angemeldet werden müssen. "Das Plakat wurde im Rahmen der Gefahr sichergestellt, weil es dumm war", antwortet er, zum Transparent gefragt. "Die ausländische Delegation konnte schließlich nicht so gut deutsch und hätte es auch falsch verstehen können." André hat das Plakat inzwischen zurückbekommen, versteht die ganze Geschichte jedoch bis heute nicht. Wenige Tage später kam es erneut zu unschönen Szenen in der Steinbecker Straße. Es US-Botging um die Kurs-EinschreiFoto: so bungen für das Sommersemester. Um 18 Uhr sollten sie am 27. Januar beginnen, die ersten standen bereits um 14 Uhr in eisiger Kälte vor der Tür. "Die Einschreibung erfolgt bei uns nach Semestern gestaffelt", erzählt Anglistik-Dozentin Margitta Kuty. So seien hohe Semester zuerst zum Zuge gekommen, jüngere hingegen hätten warten müssen. "Sie wussten das auch und waren erst für später bestellt." Soweit die Planung. Dass Studenten jedoch eine Eigendynamik entwickeln könnten, damit hatte anscheinend niemand gerechnet, denn als die Ein- Please queue up! Anglisten Schlange am 27. schreibung begann, standen Januar Foto: ring sie alle vorm Institut – Erstis wie alte Hasen. Erstere wollten folgen", verkündet Kuty. Dafür nun jedoch nicht akzeptieren, dass werde man mit Informatik-Studenletztere ein Vorrecht besitzen und so ten ein System entwickeln. Zum kam es zu Anfeindungen, Pöbeleien Ansturm wird es künftig also nur und Drohungen. Im Gebäude noch online kommen. Sind also alle drängten sich bis zu 100 Kommizufrieden? "Vorerst ja", meint Henlitonen auf der Treppe, die sonst ry Schweigel, "doch wenn sich so schon unter den Tritten weniger etwas wie im Januar wiederholen ächzt und knarrt. "Der Strom der sollte, sind wir wieder da." Studenten floss rein, aber nicht wieder raus", erinnert sich Tina Schö-

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Vor der Lomonossow-Universität in Moskau.

Foto: Katharina Miller

Europa wächst zusammen Campus Europae und der lange Weg nach Westen Von Kati Sass

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Katharina Miller hat einen Traum. Sie träumt davon, dass in Zukunft fast jeder zweite Student ohne Schwierigkeiten ein Jahr im Ausland verbringen kann. Derzeit nehmen nur zwei Prozent ein Austauschjahr wahr. Damit sich das ändert, wurde vor vier Jahren das Projekt „Campus Europae“ gegründet. Ausgangspunkt ist dabei die Bologna-Konferenz von 1999, wo das 7-PunkteProgramm für die international geltenden Studienabschlüsse Bachelor und Master für alle EU-Länder festgelegt wurde. Zu der Zeit einigten sich die EU-Staaten auf die Einrichtung eines Austauschprogrammes für die Studenten, die diesen neuen Studiengang wählen würden. „Campus Europae“ sollte anders als andere Austauschorganisationen für eine optimale Versorgung des Studenten im Ausland sorgen und hinterher die Anerkennung des Austauschjahres an der Heimatuniversität regeln, so dass ein reibungsloser Studienverlauf ohne zeitlichen Verlust gewährleistet ist. Katharina Miller ist die Präsidentin des „Campus Europae Student

Councils“, das heißt, sie vertritt die Studierendenschaft aller teilnehmenden Universitäten, und was sie vorhat ist ein Mammutprojekt. Bereits 2003 organisierte sie eine „Tour d’europe“ quer durch 10 Länder zu 11 Universitäten. Zusammen mit 23 ausländischen Studenten präsentierte sie an jeder Universität das Projekt „Campus Europae“. In diesem Jahr soll eine weitere „Tour d’europe“ stattfinden, um weitere Unis für dieses Projekt zu begeistern und zu engagieren. Vor einigen Wochen besuchte Katharina die Universität in Moskau, die ebenfalls am Projekt teilnehmen möchte. Mittlerweile sind es 17 Unis, die an dem europäischen Austauschprogramm teilnehmen – in Deutschland ist es neben der Universität Greifswald noch die Universität Hamburg. Doch hier wie auch dort gibt es Schwierigkeiten, die das ganze Projekt immer wieder behindern. „Gerade in westeuropäischen Ländern ist das Engagement an diesem Projekt noch längst nicht so groß, wie an osteuropäischen Unis“, stellt die ehemalige Fachschaftsrätin für Jura fest. Lettland beispielsweise

habe eine eindrucksvolle CD-ROM zusammengestellt, mit der das Land für seine Kultur wirbt. Etwas Vergleichbares gebe es hier nicht. „Vor allem die Unis in Osteuropa sind der treibende Motor“, erzählt sie weiter und bemängelt damit gleichzeitig die schwache Bereitschaft der Greifswalder Universität. Dass die Universität zurzeit Opfer der eigenen Hochschulpolitik geworden ist, trage dazu bei, dass das Projekt momentan in den Hintergrund gerückt ist. Obwohl der ehemalige Rektor HansRobert Metelmann wie auch Rektor Rainer Westermann ihre Zustimmung gegeben haben, finden sich immer noch nicht genügend Professoren aus den sprach- und geisteswissenschaftlichen Fachbereichen, die „Campus Europae“ unterstützen. Nur wer Jura mit dem Abschluss „Bachelor of Laws“ studiert, hat Glück. Zurzeit sind drei Studenten im Rahmen ihres Jurastudiums für ein Jahr nach Limerick in Irland gegangen; nach ihrem Aufenthalt ist die Anerkennung ihres Austauschjahres gesichert. Doch wenn beispielsweise Germanistikstudenten ins Ausland möchten, müssen sie sich über eine andere Organisation bewerben, denn es hat sich bisher noch kein Professor gefunden, der Germanistikstudenten betreuen würde. Das klassische Argument lautet, dass man Germanistik nicht im Ausland studieren könne. Dabei bietet „Campus Europae“ Vorteile, die man anderswo nicht findet. Es setzt sich beispielsweise dafür ein, dass ein Austauschstudent im Ausland mehr als acht Stunden die Woche arbeiten darf, um seinen Unterhalt zu finanzieren. Und es versucht auch zu garantieren, dass aufgrund der unterschiedlichen Standards der Universitäten keine Nachteile entstehen. „Eigentlich ist es schade, dass die osteuropäischen Unis nicht mit zu den Entscheidungsträgern gehören“, bedauert Katharina. Denn ohne ihr Engagement würde das Projekt heute noch in den Startlöchern stehen. Dabei spricht die große Anzahl an Interessenten für eine positive Resonanz bei der Studentenschaft. Und mit dem Engagement von Katharina und ihren europäischen Kollegen wird ihr Traum eines Tages vielleicht doch noch wahr. moritz


Ein Platz an der Sonne

Für das Uni-Jubiläum im kommenden Jahr wird der Rubenowplatz umgestaltet Von Kai Doering Heinrich Rubenow ist der Gründer der Ernst-Moritz-Arndt Universität zu Greifswald. Dies ist sicher kaum jemandem neu und wer schon mal zum AStA oder zum Prüfungsamt wollte, hat bestimmt zielsicher die Rubenowstraße angesteuert. Wenn man von dort einmal kurz um die Ecke geht, gelangt man auf einen Platz, den – wer hätte es gedacht – Rubenowplatz, in dessen Mitte sich das dazugehörige Denkmal befindet. Dieses Monument, am 17. Oktober 1856 feierlich in Anwesenheit des damaligen preußischen König Friedrich Wilhelm IV. enthüllt, ist der Inhalt der neuen Internetseite, die das Fundraisingund Alumni-Büro Anfang April online gestellt hat. "Wir wollen damit auf die wechselvolle Geschichte des Denkmals hinweisen und nicht zuletzt natürlich auch Spender finden, die finanziell an der Restauration mitwirken", sagt Sabine Große, Leiterin des Büros. So werden auf der Website neben der Historie auch die diversen Schäden, die das Monument im Laufe der Zeit durch Wind und Wetter erlitten hat, dargestellt. All diejenigen, die helfen wollen, sollen dies natürlich nicht ohne Gegenleistung tun. "Alle Spender und Spenderinnen erhalten zunächst einen namentlichen Eintrag auf der Webseite selbst sowie eine persönliche Einladung zur feierlichen Enthüllung des Denkmals, die für den 3. April 2006 geplant ist." Ein Blick auf die Website verrät, dass die Unterstützung der Sanierung des Denkmals in vielfacher Form Würdigung findet - je nach der Höhe der gespendeten Beträge. Neben dem Denkmal erhält auch der gesamte Platz ein neues Gesicht. Den entsprechenden Auftrag erhielten die Magdeburger Landschaftsarchitekten Lohrer und Hochrein. Ihr Entwurf hatte sich im vergangenen Herbst bei einem

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Jurywettbewerb der Stadt Greifswald durchgesetzt. "Wir wollen die vorhandene Struktur weiterentwickeln", sagt Landschaftsarchitekt und Stadtplaner Axel Hochrein. So habe man sich von den Ideen Peter Joseph Lennés, eines der bedeutendsten deutschen Gartenkünstler und Landschaftsgestalter des 19. Jahrhunderts und Schöpfer der derzeitigen Anlage, orientiert. "Wir haben uns gefragt, was Lenné machen würde, wenn er heute lebte", so Hochrein. Es wird Liegewiesen geben, die Beleuchtung wird erneuert und neue Sitzmöglichkeiten aufgestellt. So wird eine lange Bank aufgestellt und der bereits erwähnte Brunnen errichtet, der den Platz vom Hauptgebäude trennen soll. Dazu wird der gesamte Innenraum umgestaltet. "In Zukunft wird jeder diagonal über den Platz laufen können." Auch werde es Buchbaumkugeln geben, die als Zitat an Lenné zu verstehen seien. Und wann geht es los? Der Baubeginn ist für September geplant. Bis Ende des Jahres soll alles fertig sein. "Und zum Semesteranfang 2006 findet dann die feierliche Einweihung statt", sagt Sabine Große nicht ohne Stolz. Ein Termin, den sich jeder also schon mal dick im Terminkalender anstreichen sollte. Die Internetseite zum Rubenowdenkmal ist zu erreichen unter www.rubenow-denkmal.de Weitere Informationen bietet das Fundraising & Alumni-Büro, Sabine Große, Tel: 03834-86 11 44 Spendenadresse Empfänger: Ernst-Moritz-ArndtUniversität Greifswald Stichwort: Rubenow Konto Nr. 55 255 BLZ: 150 505 00 Bank: Sparkasse Vorpommern


„Hautfarbe, Kultur und Religion spielen kaum eine Rolle“ Hildegard Hamm-Brücher ist Schirmherrin des Students Festival Von Julia Schrod Diese Worte passen wie die Faust aufs Auge, wenn man an das in Kürze stattfindende internationale Studentenfestival in unserer Stadt denkt. Sie stammen von der Schirmherrin des Festivals selbst, die sich leidenschaftlich und kompetent zugleich für ihre Überzeugungen einsetzt. Sie steht symbolisch für den Dialog zwischen unterschiedlichen Kulturen, Nationen und Religionen. Ihr Name ist Hildegard Hamm-Brücher. Seit dem letzten Sommer hatte das Organisationsteam des Students Festival nach einem geeigneten Schirmherrn gesucht. Zu politisch und zu unbekannt sollte er nicht sein und wichtig war vor allen Dingen die Identifikation mit den Werten des Festivals, vorrangig die

der Toleranz und Fairness gegenüber anderen Kulturen. Die Aufgabe des Schirmherren ist es, mit seinem Namen für eine Veranstaltung, ein Projekt zu stehen und diese/s zu unterstützen. Im Januar 2005 erhielt das Team vom GrIStuF e.V. die Zusage von Hildegard Hamm-Brücher zur Schirmherrschaft. Die 84-jährige ist auch besser bekannt als "Grande Dame" der FDP. Sie erfüllt die Kriterien zweifelsohne – ihre aktive politische Laufbahn beendete sie bereits 1991 und zog sich damals aus allen politischen Ämtern zurück. Im September des Jahres 2002 trat sie nach 54-jähriger Mitgliedschaft wegen antisemitischer Äußerungen durch Jürgen W. Möllemann aus der Partei aus.

Ganz deutlich formulierte sie in einem Schreiben an den Parteivorsitzenden Guido Westerwelle, dass Rassen- und Fremdenhass in einer Demokratie wie Deutschland nie wieder aufkommen dürfe und dass sie sich aus diesen Gründen von der Partei distanziere. Für Hildegard Hamm-Brücher war dieser Einschnitt ein Verlust der politischen Heimat, aber sie zeigte mit dieser Entscheidung Rückgrad und einmal mehr, dass ihr Prinzipientreue besonders wichtig ist - allerdings nicht nur wichtig in politischen Belangen, sondern auch im zwischenmenschlichen Zusammenleben. Werfen wir doch einen Blick zurück auf das bewegte Leben von Hildegard Hamm-Brücher: In den 40er

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Jahren, als der Krieg noch andauerte, stieß sie in der Münchener Universität zu einem Kreis von Studenten, die über Gott und die Welt diskutierten. Die Mitgliedschaft in der "Weißen Rose" prägten ihr politisches Handeln und Denken seither. Als diese kurz vor Kriegsende aufflog, war für Hildegard Hamm-Brücher klar: "Du kannst dich nicht mehr ducken!". Zum Glück machte sie Bekanntschaft mit einem jungen Theologen, der sie davon überzeugte, dass sich nicht alle opfern dürften, sondern dass einige den Krieg überleben müssten, um die Arbeit der Widerstandskämpfer weiterzuführen. Dies nahm sie sich zu Herzen. Nach dem Krieg war sie als Jour-

nalistin tätig und publizierte Artikel in den Genres Kultur, Erziehung und Bildung. 1948 trat sie in die FDP ein. Ihr damaliger Mentor Theodor Heuss, ehemaliger Bundespräsident, soll zu ihr damals

Die nächsten Countdown-Parties zum Students Festival 23. April 14. Mai 21. Mai jeweils ab 22 Uhr im Trieb&Verzicht in der Bahnhofstraße neben Dresdner Bank

gesagt haben: "Mädle, Sie müsset in die Politik!" Diesen Aufruf befolgte sie dann auch und galt von dieser Zeit an als "aufrechte" und "unver-

bogene" Politikerin. 1994 gerat sie noch einmal bundespolitisch in den Blickpunkt und kandidierte für die Bundespräsidentenwahl, wo sie jedoch unterlag. Hildegard Hamm-Brücher ist also nicht zu Unrecht die Schirmherrin des vom 4. bis zum 12. Juni stattfindenden Students Festivals in Greifswald. Wenn sie gesundheitlich dazu in der Lage sein sollte, versprach sie dem Team des GrIStuF e.V., werde sie die Reise von München nach Greifswald auf sich nehmen und quer durchs Land fahren, um zur Eröffnungsveranstaltung anwesend sein. Alle aktuellen Infos zum Students Festival gibts auf www.students-festival.de

Nur noch sechs Wochen und dann startet direkt hier in Greifswald das weltweit größte Studentenfestival - vom 4. bis zum 12. Juni. 450 Teilnehmer aus 118 Ländern werden erwartet. Du willst aktiv beim Festival dabei sein und Verantwortung übernehmen? Dann bist du bei uns genau richtig! Bewirb dich als Groupleader für eine internationale Workshopgruppe! Deine Aufgabe: Du bereitest und gestaltest die thematische Arbeit gemeinsam im Team für 20 Teilnehmer aus aller Welt vor. Die Themen des Festivals sind: Grüne Globalisierung, Entwicklungszusammenarbeit, Migration, Interkulturelles Lernen und Bildungssysteme, Bioethik im 21. Jahrhundert, Konflikte in der Welt. Interessiert? Dann melde dich unter www.students-festival.de oder via Email bei jakob@gristuf.org bis zum 20. April 2005 (12 Uhr mittags) an. Zwischen dem 22. bis zum 24. April 2005 findet ein Groupleaderworkshop "Gruppenleitung und Interkulturelle Kompetenz" statt, bei dem du alle anderen Groupleader und das Orgteam kennen lernen kannst. Sei dabei und nutze diese einmalige Chance!

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Groupleader wanted!

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Journal international Greifswalder auf Zeit berichten

Übersetzung: Matthieu Gillabert/ Thomas Müller

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Sechs Überlebende einer Erasmuserfahrung in Greifswald hatten nach der Rückkehr an ihre Heimatuniversitäten die Idee, noch etwas weiter zu machen und ein kleines "Journal international" herauszugeben. Konkret ist daraus nun das Projekt geworden, jeden Monat (oder auch alle zwei) einen Artikel zu schreiben, der die verschiedenen nationalen oder persönlichen Perspektiven auf ein bestimmtes, gemeinsames Thema wiederspiegelt. Das Ergebnis soll dann mehr oder weniger gleichzeitig in Fribourg, Riga, Lublin und Greifswald erscheinen. Schaut doch mal in die jeweiligen Uni-Magazine, wenn ihr vorbeifahrt! Wer wir sind? Ewa und Aga, Jurastudentinnen

Thomas:

Was kann der Eingeborene dazu schreiben? Ich denke, mit Recht behaupten zu können, für Greifswald sind sie zweifellos eine ganz besondere Bereicherung - die Studenten, die aus verschiedenen "Ecken" Europas und der Welt hierher in

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aus Lublin (Polen), Andis und Inga aus Lettland, Studenten der Baltistik in Riga, Matthieu aus Fribourg (Schweiz), der Zeitgeschichte studiert und Thomas, "der Eingeborene", Student der Politikwissenschaft. Übrigens: Geschrieben wird auf Deutsch und dann jeweils übersetzt – braucht es da noch eines Beweises, dass Sprache verbindet? PS: Dieser Artikel über das Sommersemester 2004 ist bereits auf Französisch in der Dezember ’04-Ausgabe des zweisprachigen Studentenmagazins „Spectrum“ der Uni Fribourg/Freiburg (Schweiz) erschienen: http://student.unifr.ch/spectrum/fr/

den Nordosten der Bundesrepublik kommen. Allein der weite Weg und ihr Interesse an der Fremde ehren uns Einheimische. Durch ihre Beteiligung in den Kursen, aber auch Veranstaltungen im IKUWO, der Mensa und anderswo schaffen sie Gelegenheit zum gegenseitigen Kennenlernen und interkulturellen

Erfahrungsaustausch. Sich zu verstehen ist die Basis für Verständigung. Wer sich von den Greifswalder Studenten auf dieses "Abenteuer" einlässt, kann seinen Horizont erweitern - und, mit eine bisschen Glück, sogar neue Freunde finden... moritz


Inga/Andis:

Immer mehr Studenten von den Hochschulen und Universitäten Lettlands fahren ins Ausland, um ihre Fremdsprachen zu verbessern, etwas Neues in ihrer Studienrichtung zu lernen oder um neue Bekannte und Freunde zu finden. Wir - zwei Studenten der Philologischen Fakultät der Universität Lettland (Latvijas Universitate) - sind mit dem SOCRATES/ERASMUSAustauschprogramm nach Greifswald gekommen. Warum Greifswald? Der Grund ist ziemlich einfach: In Lettland studieren wir baltische Philologie, das bedeutet lettische und litauische Sprache und Literatur - die Sprachen der einzigen "überlebenden" baltischen Völker. Natürlich ist diese Fachrichtung sehr spezifisch und die Möglichkeiten, sie außerhalb von Lettland oder Litauen zu studieren, sind sehr klein. In Deutschland kann man dies in Mainz und Greifswald machen, aber nur in Greifswald gibt es ein Institut für Baltistik. Dies ist zwar sehr klein aber für uns war es sehr interessant, die Deutschen kennen zu lernen, die sich "ausgesucht" haben, unsere ziemlich komplizierte Sprache, die noch dazu so wenige Leute sprechen, zu lernen. Einige tun das, weil sie lettische Freunde haben, andere weil sie es sehr exotisch finden. Wir waren vier Letten im Sommersemester 2004 in Greifswald. Genug, um sich nicht einsam zu fühlen und zu wenig, um sich nur miteinander zu unterhalten. Deswegen hat es uns viel Spaß gemacht, die anderen Austauschstudenten kennen zu lernen - von Sibirien bis Florida, von Schweden bis Spanien. Natürlich war es auch sehr interessant, für einige Monate Teil des deutschen Bildungssystem zu sein, das ganz anders ist als das in Lettland. Das Unvergessliche an dieser Zeit bleibt jedoch nicht die akademische Arbeit, sondern die Leute und die engen Beziehungen, die in so kurzer Zeit zwischen den Menschen so verschiedener Kulturen und Mentalitäten entstanden sind.

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Schon seit langer Zeit hatte ich nach einer Möglichkeit gesucht, nach Deutschland zu fahren. Ich denke, eigentlich wollte ich irgendwo hin, etwas Neues erleben, neue Leute kennen lernen. Zufällig habe ich einmal mit jemandem gesprochen, der schon ein Auslandsstudium im Rahmen des SOCRATES/ERASMUS-Programms hinter sich hatte und "total" begeistert davon war. Ich dachte :Das will ich auch, davon habe ich geträumt! Sofort habe ich mich an meiner Uni dafür beworben. Ich will unterstreichen, dass ERASMUS in Polen nicht besonders populär und verbreitet ist. So funktioniert die ganze Infrastruktur auf der UniSeite sehr schlecht. Alle erforderlichen Dokumente sind "vom Studenten-Kopf" zu erledigen. Die Zeit vor der Abfahrt war "ein Kampf gegen die Bürokratie". Es lohnt sich aber, diesen "Preis" für spätere, großartige Erfahrungen und Abenteuer zu bezahlen! Anfangs wollte ich für ein Jahr nach Hannover - das klappte aber nicht und ich habe den Platz in Greifswald bekommen. Ich muss zugeben, dass ich sehr enttäuscht war. Greifswald - was ist denn das? Eine kleine Stadt irgendwo in Norddeutschland, von der niemand gehört hat, und noch dazu in der ehemaligen DDR! Aber besser Das als nichts, dachte ich. Heute weiß ich jedoch, dass "jemand" alles gut geplant und die

richtige Entscheidung getroffen hat. Ich habe eine Art von Paradies gefunden: nämlich Greifswald. Dort habe ich zwar nur ein Sommersemester studiert, aber während dieser Zeit habe ich mehr gelernt als an meiner Heimatuni in vier Jahren. Es handelt sich nicht um „wissenschaftliche, akademische Forschung“ im engeren Sinne, sondern um "Lebensforschung": zwischenmenschliche Kontakte und Freundschaften, die Horizont erweitern. Früher hatte ich keine Ahnung von der Schweiz, Lettland, Spanien, Estland - jetzt bedeutet jedes Land für mich etwas anderes und hinter allen Ländern stehen für mich wichtige Personen. Außerdem ist es ein wunderbares Gefühl, wenn man in jeder Ecke der Welt jemanden hat. Aus dieser multikulturellen Mischung kann jeder etwas Wichtiges und Neues für sich selbst gewinnen. Unbekanntes wird plötzlich bekannt und das finde ich besonders schön und wertvoll. Das Leben in Greifswald ist leider schon vorbei, das bedeutet aber nicht, dass sich damit alles beendet hat. Zum Glück geht "unser" Erasmusleben weiter und entwickelt sich, was auch viele neue Ideen für die Zukunft bringt. Meiner Meinung nach verstehen sich alle Leute, die an solchen Veranstaltungen (wie SOCRATES/ERASMUS) teilgenommen haben, ohne Worte und es ist egal, wo sie ein Austauschstudium gemacht haben. Ich bemerke, dass eine Art von "Erasmusbevölkerung" existiert. Anzeige

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Ewa:

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Hochs und Tiefs im Erstsemester Ein Semester in Greifswald Von Anne Waldow Wer kennt sie nicht, die typischen Eigenschaften eines jeden Erstsemester-Studenten: hochmotiviert, übereifrig, ahnungslos und im besten Fall auch wissbegierig. Wahrscheinlich werden sie auch deshalb von ihren Kommilitonen liebevoll „Erstis“ genannt. Ab Oktober 2004 sollte auch ich einer von ihnen werden. So begann ich mein erstes Studium an der EMAU. Im Gepäck: all die bekannten Erkennungsmerkmale. Mein erster Enthusiasmus verflog allerdings schon in der „Ersti-Woche“. Denn da hieß es anstehen und

vorteilhaft heraus: Man fühlte sich alles andere als allein gelassen und konnte ganz einfach die ersten Kontakte knüpfen. Danach ging es noch zu Fuß durch die Greifswalder Innenstadt. Da kam ich mir weniger als Erststudent sondern eher als Erstklässler vor. Mit Namenschild und Geschenkbeutel (Man könnte auch sagen: getarnte Zuckertüte) watschelte ich immer meinen Tutoren hinterher. Ich fand das sehr amüsant und tat das, was alle Erstis taten: Ja nicht den Anschluss verlieren! Jetzt begann also, fern der Heimat,

u nn ii -- vv ee rr ss uu m u m Nach der feierlichen Immatrikulation im Dom gab es kein Zurück mehr. Geduld haben! Besonders am Tag der Begrüßung in beziehungsweise vor der Mensa. Als ich all die Neuankömmlinge dort das erste Mal auf einem Haufen sah, war mein erster Gedanke: Massenabfertigung! Wie am Fließband wurden wir unseren entsprechenden Studiengängen und Tutoren aufgeteilt. Doch dann stellte sich gerade dieses Gedränge als

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Foto: Archiv

der „Ernst des Lebens“. Der entwikkelte sich jedoch in den ersten Monaten entgegen meiner Vorstellungen. Mit welchen großen und kleinen Probleme man im Alltag und an der Uni aber auch konfrontiert wird: leerer Kühlschrank, bügeln, kaputter Fahrradschlauch, Konto im Minus, GEZ-Prüfer an der Haustür, vergessene Familienge-

burtstage, radfahrer-unfreundliche Bordsteinkanten, Platzjagd im Hörsaal (zumindest am Anfang des Semesters), und touristenähnliche Orientierungslosigkeit an der Uni. Und das sind nur die Highlights! Umso stolzer war ich dann aber, wenn ich eines dieser Probleme erfolgreich beheben konnte. Allgemeine Ahnungslosigkeit herrschte natürlich auch in meinem ersten Semester Studieren. Was bedeuten nur all die Abkürzungen wie „AStA“ oder „c.t.“? Wie funktioniert eine Kopierkarte? Was ist der „OPAC“? Und: Wieso gibt es in der Mensa immer eine lange und eine kurze Warteschlange an der Kasse? Solche Fragen lassen einen vorkommen, als hätte man das Wort „Ersti“ direkt auf die Stirn tätowiert bekommen. Als es mir dann zu viele Fragen wurden, habe ich sie ganz einfach laut gestellt. Negative Erfahrungen habe ich damit nie gemacht. Ich bekam immer freundliche und hilfreiche Antworten von Mitarbeitern oder Kommilitonen. Und dann kam der Tag, an dem dieses Tattoo verblasste. An einem der Hochschulinformationstage kam im Audimax ein junges Mädchen auf mich zu und fragte mich, wo das Theologische Institut sei. Jetzt sollte ich also antworten! Außer mir vor Begeisterung wurde mir erst im Nachhinein bewusst, was ich ihr eigentlich geantwortet hatte: „Nein, keine Ahnung, ich studier’ hier auch erst ein paar Monate.“ Ich weiß, nicht sehr hilfreich, aber ich sah für sie so aus, als hätte ich das wissen können! Allein das zählte für mich in diesem Moment. Jetzt ist mein erstes Semester schon wieder vorbei. Die ersten Prüfungen sind geschrieben, die ersten Freundschaften entstanden und das anfängliche Heimweh (nahezu) verflogen. Und, das Wichtigste: Meine „Ersti“-Eigenschaften habe ich abgelegt und werde mein zweites Semester mit weniger Übereifer, dafür mit mehr Ahnung angehen!

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Prager Schüler: Viel Spaß und fleißig bei der Arbeit.

Foto: Stephanie Dahn

Ein Erlebnisbericht von Stephanie Dahn

„Es ist Prag!“ Ich kann mich ganz genau daran erinnern, wie ich durch meine WG gehüpft bin und immer wieder diesen Satz gerufen habe. Das ist jetzt erst ein dreiviertel Jahr her, und trotzdem ist alles schon wieder vorbei. Vor zwei Wochen musste ich meine Traumstadt vorerst hinter mir lassen, um zurück an die Greifswalder Uni zu gehen – kein guter Tausch. Ich studiere hier Deutsch, Philosophie und Deutsch als Fremdsprache auf Lehramt. Unsere Studienordnung sieht einen „studienrelevanten Auslandsaufenthalt“ vor, den ich im letzten Wintersemester angetreten habe. Natürlich gibt es eine Vielzahl von Angeboten, die alle sehr interessant und in der Regel sehr kostspielig sind. Daher war ich begeistert, als ich von dem Programm „Völkerverständigung macht Schule“ der Robert-BoschStiftung hörte. Ich habe mich also für Mittel- und Osteuropa beworben, auf die Tschechische Republik gehofft und von Prag geträumt. Für mich war es daher ein riesiges Geschenk, als ich die Nachricht mit meinem ‘Einsatzort’ erhalten habe. Ein halbes Jahr als Fremdsprachenassistentin in Prag – ich konnte den Praktikumsbeginn kaum abwarten. Etwas nervös war ich zugegebenermaßen auch. Ich konnte april 2005

kein Wort Tschechisch, hatte bis zu meiner Abfahrt keine Wohnung – aber das Versprechen, dass es bisher immer irgendwie funktioniert habe – und wußte, dass ich an einer Grundschule am Stadtrand unterrichten würde. Allerdings hat mich Prag mit mehr als offenen Armen empfangen. Ich habe für die ersten Wochen eine kleine Wohnung mitten im Zentrum Prags bekommen und lebte somit in direkter Nachbarschaft zum „Reduta Jazz Club“, dem Nationaltheater und dem Büro von Ex-Präsident Vaclav Havel. Meine Praktikumsschule lag in der Nähe von Wäldern, Wiesen und vielen kleinen Seen. Die Lehrer waren alle furchtbar freundlich zu mir und haben, wenn es gerade nicht die Deutschlehrer waren, ihre letzten Deutschkenntnisse ausgegraben, um mir zum Beispiel „Viel Spaß!“oder „Einen schönen Tag!“ zu wünschen. Richtig toll waren aber meine Schüler. Ich war hauptsächlich in achten und neunten Klassen und habe nur gute Erfahrungen gemacht. In Tschechien werden die Klassen im Sprachunterricht geteilt. So sind es nie mehr als fünfzehn Schüler im Deutsch-/Englischunterricht, was natürlich hervorragende Vorraussetzungen zum Sprachlernen und –lehren sind. Mit zwei achten Klassen habe ich

ein Projekt durchgeführt. Dabei handelte es sich um ein Planspiel, dass den Schülern nicht nur interessante Redeanlässe geben, sondern sie gleichzeitig in die Grundlagen der Entwicklung von Staatengemeinschaften einführen sollte. Die Schüler hatten sehr viel Spaß und waren dementsprechend fleißig bei der Arbeit. Um in Prag „überleben“ zu können, muss man nicht unbedingt Tschechisch sprechen. Trotzdem habe ich ein Semester lang einen Kurs an einer Sprachschule in Prag besucht. Es hat großen Spaß gemacht, ich habe interessante Leute kennen gelernt und vor allem sehr viel Verständnis für meine „armen Schüler“ entwickelt. Außerdem begegnen einem die Prager noch herzlicher, wenn man zumindest versucht, sich in der Landessprache verständlich zu machen. Und wenn ich dann doch einmal den falschen der sieben Fälle erwischt habe, gab es oft sehr nette Nachhilfe. So habe ich an einem Kiosk, an dem ich eigentlich nur eine Telefonkarte kaufen wollte, die Zahlen bis dreihundert gelernt. Freizeit hatte ich natürlich auch, aber jetzt sämtliche Möglichkeiten aufzuzählen, die mir die Stadt geboten hat, wäre doch sehr aufwendig. Und ich habe sie mit Sicherheit nicht zum letzten Mal genutzt.

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92 Teenies + die schönste Stadt der Welt = ein fantastischer Auslandsaufenthalt

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Thailand

Eine Frau. Ein Land. Ein Monat. Von Kathleen Böhm

Straßenszene in Bangkok. 16.02. Mit dem Rucksack nach Bangkok. +++ 17.02. Nachmittags angekommen. 38 Grad. Erschlagen. Mit dem Taxi in die Khaosan Road und Unterkunft suchen. +++ 18.02. Flucht vor der smoggigen Großstadt. Mit Nachtbus und Boot. Tausend Backpacker. Tausend Namen. Deutsche, Schweden, Israelis und Australier. +++ 19.02. Kho Pha Ngan. Insel. 168 Quadratkilometer. Schuhe ausziehen. Vor jedem Haus. Keine Toilettenspülung. Kein

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Toilettenpapier. +++ 21.02. Bei Thais kochen gelernt. Schön scharf. Hauptsache gesund. +++ 24.02. Full Moon Party. 6.000 Verrückte. Und ich darunter. Mushroomcocktails, Bang Lassis und andere Drogen. Leute und Geld verloren. Egal. Geniale Party. +++ 25.02. Zurück in der Bambushütte. Endlich duschen. Duschen? Wasserausfall! Trockenzeit. +++ 26.02. Mit dem Moped in den Hauptort. Ohne Helm. Gibt es hier nicht. Gewürze

Sonne, Strand und Meer ...

Die Autorin.

blaue Tabletten. In kleinen Tütchen. 2 Tage im Bett. +++ 07.03. Unwetter. Erster Regen seit 6 Monaten. 25 Grad. Kalt. +++ 10.03. Geburtstag unter Palmen. 38 Grad. Strand. Sonne. Meer. +++ 12.03. Schnorcheln mit Haien. Babyhaie. „Nur“ 1,50 m lang. +++ 14.03. Mit dem Boot auf‘s Festland. Mit dem Nachtzug nach Bangkok. An Schlaf nicht zu denken. +++ 15.03. Bangkok. 5 Uhr.

Fotos: Kathleen Böhm

und Obst auf dem Markt gekauft. Schön billig. Abends frischen Fisch mit Thais gegessen. Abschied. +++ 27.02. Kho Tao. Neue Insel. 21 Quadratkilometer. Schildkröteninsel. 2 Stunden Boot fahren. Neues Resort. Neue Leute. +++ 01.03. Tauchkurs angefangen. Bunte Fische. Korallen. Haie. +++ 02.03. Flughafen Bangkok angerufen. Flug umgebucht. 10 Tage länger. +++ 05.03. Ins Krankenhaus. Mittelohrentzündung. Grüne, rosa und

Laut. Wieder Smog. Märkte und Einkaufszentren. Shoppen. Essen von den Garküchen an der Strasse. +++ 16.03. Kultur. Grand Palace besichtigt. Königspalast, Thronhallen und Tempel des Smaragdbuddhas. +++ 17.03. Flughafen Bangkok. 7 Uhr. Rückflug. Ankunft Hamburg 19.30 Uhr. 10 Grad. Regen und Wind. Wo sind Sonne, Strand und Meer?

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NMUN 2005 – Das kleine Einmaleins der UN

Greifswalder Studenten spielen libanesische UNO-Delegation Von Florian Benkenstein

Vom 22. bis 26. März 2005 fand die „National Model United Nations Conference“ (NMUN), eine Simulation der Vereinten Nationen für Studenten aus aller Welt, in New York statt. Unter den rund 3.200 hauptsächlich US-amerikanischen Teilnehmern befand sich auch eine vierzehnköpfige Delegation der Ernst-Moritz-Arndt Universität. Dabei vertraten die Studierenden unterschiedlichster Fachrichtungen von Politik über Jura bis zu Psychologie die Republik Libanon. Eine nicht ganz einfache Aufgabe, wenn man die aktuelle politische Lage im Zedernstaat kennt: Wie man den Nachrichten entnehmen konnte, ereignete sich vor einigen Wochen ein Mordanschlag auf den syrienkritischen Ex-Premier Hariri. Daraufhin folgten sowohl pro- als auch antisyrische Demonstrationen im ganzen Libanon und schließlich kam es zu mehreren tödlichen Anschlägen auf Christen in den letzten Tagen. All dies rückte den nördlichen Nachbarn von Israel in den Fokus der Weltöffentlichkeit. Unter diesen Umständen war es für jeden einzelnen Delegierten aus Greifswald eine große Herausforderung april 2005

fünf Tage lang den Libanon in verschiedenen UN-Komitees als Diplomat zu vertreten. Damit die Simulation so realistisch wie möglich stattfinden konnte, wurden fast alle Prozeduren den realen der Vereinten Nationen angepasst. Auf diese und auf die Verhandlungssprache Englisch hatte sich unsere Delegation seit Ende Oktober letzten Jahres in Greifswald vorbereitet. Am 22. März gegen 21 Uhr Ortzeit ging es dann in den Konferenzräumen des New Yorker Hilton Hotels endlich los. Nach einer kurzen Sondierung der Lage wurde recht schnell die Reihenfolge der Tagesordnungspunke in den einzelnen Komitees der Generalversammlung oder der Weltgesundheitsorganisation (WHO) festgelegt. Dort versuchten dann alle Delegierten nach bestem Wissen ihren Staat zu vertreten und sich Gehör zu verschaffen. Dies geschah zum Einen durch Redebeiträge, die leider manchmal recht langatmig und inhaltsleer waren. Zum Anderen wurden aber auch zahlreiche informelle und teils hochbrisante Gespräche zwischen

Foto: flo

einzelnen sehr unterschiedlichen Staaten und Organisationen geführt. Die Delegationsmitglieder nahmen an späteren Resolutionen Einfluss, indem sie an der Ausformulierung mithalfen. Nicht nur dabei musste man mit besonderem Verhandlungsgeschick, überzeugenden Argumenten und präzisen englischen Formulierungen seinen Standpunkt deutlich machen und verteidigen. Eben das kleine Einmaleins der UN. Zusätzlich waren Eigenschaften wie Ausdauer und Zähigkeit bei den Marathonsitzungen bis tief in die Nacht gefragt. Außerdem trafen sich einige Delegierte noch extra zwischen den offiziellen Sitzungen, um Pläne und Koalitionen zu schmieden, Resolutionen zu überarbeiten oder eine Mehrheit für ihre Resolution zu beschaffen. Da sage noch einer, Politiker arbeiten zu wenig für ihr Geld! Als Belohnung für unsere fünftägige, unermüdliche Arbeit hielten wir am Ende unsere Resolutionen in den Händen. Am letzten Tag, während der Abschiedszeremonie im UN-Hauptquartier, wurden dann die Preise verliehen. Leider hat unsere Delegation davon keinen gewonnen, dafür aber einen riesigen Schatz an persönlichen Erfahrungen und Eindrücken von New York und den Vereinten Nationen. Übrigens, NMUN 2006 wird vom 11. bis 16. April stattfinden – hoffentlich wieder mit einer Delegation aus Greifswald.

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5-Tage-Delegierte vor dem UNO-Gebäude: Eigenschaften wie Ausdauer und Zähigkeit gefragt.

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heuler: Wie ist das Positionspapier der beiden Rektoren entstanden? Hans Jürgen Wendel: Als das Kabinett zu Beginn des Jahres beschlossen hat, 600 Stellen bis 2017 zu streichen, haben die Gespräche mit Greifswalds Rektor Westermann begonnen. Die Wahl der Fachbereiche Jura, BWL und Politikwissenschaften war kein willkürliches Herausreißen. Die Diskussion um Doppelungen an den Hochschulen in Mecklenburg-Vorpommern laufen seit 1996. Das Rektorenkonzept stellt lediglich Vorschläge, keine Entscheidungen dar! Natürlich sind wir gegen die Kürzungspläne und haben gehofft, dass wir mit dem Konzept eine Diskussion auslösen. Trotz der Kürzungen sollen alle Hochschul-Standorte in Mecklenburg-Vorpommern erhalten bleiben. Ist das überhaupt möglich? Rechnerisch ist das möglich. Die Standorterhaltung ist viel mehr eine Frage der Qualität. Schließlich reicht eine Person aus, um einen Standort zu erhalten. Welche Rolle spielt die Berichterstattung der Medien in der gegenwärtigen Situation? Die Medien spielen eine entscheidende Rolle. Sie zeigen der Öffentlichkeit, wie wichtig die Universität ist. Ohne die Medien hätte die momentane Lage der Universität eine viel geringere politische Bedeutung.

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Wie wichtig war der Bildungsminister bei den bisherigen Plänen ? Der Bildungsminister hat nur eine indirekte Rolle gespielt. Er hat klar gemacht, dass die Konzepte für die Einsparungen ohne eigene Vorschläge der Hochschulen über deren Köpfe hinweg verordnet werden würden. Wieso haben Sie sich kurz nach Vorlage des Papiers wieder davon distanziert? Das Papier sollte eine Diskussion in der Öffentlichkeit anregen und zeigen, welche Bedeutung die Hochschulen haben. Dabei wollten wir keine anonymen Zahlen auftischen,

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sondern ein durchschaubares Konzept vorlegen. Die Hoffnung war es, die Politiker dazu zu bewegen, die Einsparungsvorgaben nicht einfach in Kauf zu nehmen. Was wäre passiert, wenn die heftigen Reaktionen und Diskussionen in der Öffentlichkeit ausgeblieben wären? Die Kürzungen wären durchgestellt worden. Wie bewerten Sie die Proteste der Studenten? Die Proteste zeigen, wie sehr sich Studierende und Mitarbeiter einsetzen und für den Erhalt der Leistungsfähigkeit kämpfen. Das ist ein sehr positiv aufzunehmendes Engagement. Es war sehr eindrucksvoll, wie die Studierenden gerade in Schwerin trotz des Regens demonstriert haben. Wie können sich Studenten konstruktiv an den Planungen beteiligen? Inwieweit würden Sie auf die Studenten eingehen? Alle Vorschläge werden ernsthaft diskutiert, das war auch beim Hochschulentwicklungsplan der Fall. Die Meinung der Studierenden ist sehr wichtig. Schließlich findet für sie ein Großteil unserer Aktivitäten statt. Aber in meiner Position als Rektor kann ich nicht nur Wünsche erfüllen. Ich muss dabei auch die Realisierbarkeit beachten, das ist natürlich eine große Beschränkung. Welche Rolle spielen die Universitäten in Mecklenburg-Vorpommern noch? Die Universitäten spielen nur noch eine nachgeordnete Rolle. In den Worten der Politiker werden sie allerdings immer noch hervorgehoben. Bei der feierlichen Immatrikulation vor einem Jahr in Greifswald hat die Finanzministerin gesagt, die Universität sei eine der modernsten Bildungsstätten in MecklenburgVorpommern. Ich hätte erwartet, dass das auch eingehalten wird. Was halten Sie von den Rücktrittsforderungen gegen Herrn Westermann?

Das Rekto

Die Rektoren der Unis in Greifsw scheidende Rolle im Kürzungskrim fen ihre Ansichten aufeinander. Der heuler hat in Rostock mit Rek chen, der moritz war bei Rektor R zu Gast.

Diese Forderung ist undurchdacht. Herr Westermann will ja nicht sparen, er versucht lediglich das Beste aus der Situation zu machen und den Schaden zu minimieren. Herr Westermann wird für etwas verantwortlich gemacht, was andere angezettelt haben. Ein Nachfolger könnte auch nichts besseres machen.

Was schätzen Sie an der Universität in Rostock? Wir haben sehr engagierte Hochschullehrer und Mitarbeiter, die versuchen, mit eingeschränkten Ressourcen ein Maximum an Lehre und Forschung zu realisieren. Sie Lassen sich trotz schlechter Rahmenbedingungen nicht entmutigen. Sie haben bei Ihrem Amtsantritt davon gesprochen, dass Sie den Studierenden in Rostock ein Topangebot an Studienfächern bieten wollen. Ich will schon, aber ob ich es kann, ist die Frage. Ich halte es für sinnvoller, einige Studiengänge aufzugeben, als alle auf ein schlechtes Niveau zu bringen. Wenn Sie sich in die Lage der Studierenden versetzen, wie viel Vertrauen würden Sie Ihrem Rektor entgegenbringen? Man darf nicht nur auf einen Punkt schauen, sondern muss auf einen größeren Zusammenhang achten. Ich zeige permanenten Einsatz für die Universität. Wenn ich nur hier wäre, um Applaus zu ernten, würde ich aufstehen und mit lauter Stimme gegen alles sein. Dabei sind es andere, die über die Universität entscheiden. Es wird Zeit, dass die Politiker sich zur Universität bekennen. Sie sollten die Universität als Chance sehen und nicht als etwas lästiges, das bezahlt werden muss. moritz


wald und Rostock spielen die entmi der letzten Wochen. Hier tref-

ktor Hans Jürgen Wendel gesproRainer Westermann in Greifswald moritz: Wie beurteilen Sie die Diskussion um die Kürzungen an den Hochschulen des Landes Mecklenburg-Vorpommern? Rainer Westermann: Es ist eine sehr komplexe Diskussion, in der viel Richtiges, aber auch viel Falsches gesagt wird. Die momentane Lage ist etwas verworren. Letzten Endes hoffe ich aber, dass wir uns irgendwann in den nächsten Monaten in den Standpunkten annähern und dass wir auch gemeinsam zu einem sinnvollen Vorschlag kommen. Bedurfte es des Drucks aus Schwerin? Aus Schwerin bekommen wir zu wenig Geld. Wir haben, unabhängig von den Kürzungen, zu wenig Geld, um alle vorgeschriebenen Lehrveranstaltungen anbieten zu können und um alle notwendigen Bücher, Zeitschriften, Geräte und Materialien kaufen zu können. Wie beurteilen Sie die Äußerung des Bildungsministers, die Universitäten des Landes spielten nicht mehr in der ersten Liga? Wir gehören nicht unbedingt zu den Spitzenuniversitäten Deutschlands. In der Lehre schon, da haben wir viele gute Bewertungen bekommen. In der Forschung haben wir aber noch sehr viel aufzuholen. Wir müssten mehr Drittmittel einwerben, wir müssten mehr Graduiertenkollegs und Sonderforschungsbereiche haben, wir müssten besser in den Gutachterkommissionen der Deutschen Forschungsgemeinschaft vertreten sein. Wie war die Ausgangssituation vor der Erarbeitung des Diskussionspapiers? april 2005

Wie bewerten Sie Distanzierung Herrn Wendels nach der Vorlage des gemeinsamen Diskussionspapiers? Herr Wendel hat sich davon explizit distanziert oder hat es zurückgezogen. Das bedeutet, er hält das Papier nicht mehr für richtig. Ich distanziere mich nicht davon, denn das würde heißen, ich hätte etwas Falsches vorgeschlagen. Warum fällt Ihr öffentlicher Protest anders als bei Herrn Wendel aus? Herr Wendel ist jemand, der eine sehr scharfe Position in Interviews und öffentlichen Reden gegenüber der Landesregierung vertritt. Ich war in der Sache immer sehr hart, überhaupt nicht auf Schmusekurs, aber ich lehne es ab, auch im Ton beleidigend zu werden. Wie beurteilen Sie die bisherigen Proteste der Studierenden?

Seit gut einem Jahr haben insbesondere Herr Classen (1. Prorektor der Greifswalder Universität [d.Red.]) und ich intensiv Überlegungen zur künftigen Struktur der Universität angestellt. Wir haben auch regelmäßig mit Dekanen und ASTA diskutiert, mehrfach auch im Senat. Die Behauptung, keiner sei eingebunden gewesen, stimmt einfach nicht.

Ich halte es für gut, wenn Studierende sich über ihre Universität Gedanken machen und sich für ihre Universität engagieren. Ich finde es auch gut, wenn die Studenten ihre Proteste mit einer gewissen Kreativität und einem gewissen Witz machen. Die Beteiligung war trotz der vorlesungsfreien Zeit hoch. Das war schon erstaunlich. Ich hätte es jedoch besser gefunden, wenn sie sich vorher genauer informiert hätten. Vieles, was dort geäußert worden ist, war falsch, falsch verstanden oder hat sich gegen die falschen Personen gerichtet.

Welches Bild von Wissenschaft vertritt der Vorschlag?

An meiner Universität schätze ich besonders …

Erstens habe ich eine Vorstellung von Wissenschaft, die umfassend ist. Ich bin dezidiert der Meinung, dass auch kleine Universitäten Geistes-, Sozial- und Naturwissenschaften umfassen müssen. Zweitens ist universitäre Wissenschaft im Wesentlichen Grundlagenwissenschaft. Es gibt Anwendungswissenschaften, der Transfer von Wissen in den Alltag ist sehr wichtig, aber der Kern ist die Grundlagenforschung. Wir betreiben Wissenschaft, weil wir etwas Neues wissen wollen, unabhängig von wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Interessen.

… die Kombination aus einer langen Geschichte, aus einer aktiven Gegenwart und aus einer nicht zu erschütternden Zukunftshoffnung.

Wie sah dieser Prozess innerhalb der Uni aus?

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orenduell

An dem Papier selbst haben wir nach dem Kabinettsbeschluss Ende Januar gearbeitet. Wir haben schon sehr viel länger Überlegungen und Diskussionen gehabt. Von Seiten des Landtags und der Landesregierung stehen wir seit langem unter einem enormen Druck, unsere Strukturen zu vereinheitlichen, insbesondere die so genannten Doppelungen zu reduzieren. Außerdem wird uns vorgeworfen, dass die beiden Universitäten zu wenige Absolventen haben und von daher wenig effizient arbeiten. Auf der anderen Seite konkurrieren wir in allen Fächern mit anderen Universitäten, die wesentlich mehr Personal und wesentlich mehr Sachmittel haben. Der unmittelbare Anlass für den Strukturvorschlag war der Beschluss des Kabinetts Ende Januar, 600 Stellen im Hochschulbereich zu streichen. Parallel dazu kam die Drohung des Bildungsministers: Wenn ihr euch nicht auf eine gemeinsame Struktur der Hochschulen innerhalb des Landes einigt, dann machen wir das. Und das hat uns ziemlich geschreckt.

Das Interview mit Rektor Wendel führte Judith Mielke (heuler), das Interview mit Professor Westermann Uwe Roßner (moritz).

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moritz: Sehr geehrter Herr Bildungsminister, wie ist der Stand der Debatte um die Hochschulen im Land? Hans-Robert Metelmann: Ergebnisse im Augenblick zu erwarten, ist sicherlich noch zu früh. Wir sind in einer Phase, wo man sehr viel einsammeln muss, damit das Nacharbeiten nicht unerträglich lang wird. Welche Bedeutung haben die Universitäten aus Sicht der Landesregierung? Unstrittig ist: Die Hochschulen stellen insgesamt nicht nur einen Wert an sich dar, sondern sie haben etwas Wesentliches mit der Entwicklung des ganzen Landes zu tun. Die Universitäten im Lande würden nicht mehr in der ersten Liga spielen - Was heißt das eigentlich oder was verbirgt sich dahinter? Wenn sie mir zusagen, dass sie nicht alles das glauben, was von mir in der Zeitung steht, dann versichere ich ihnen, dass ich auch nicht alles

rer Kapazität sind sie gelegentlich nahezu erschöpft und dann sollen sie auch noch Forschung betreiben. Aber wenn wir keine Forschung betreiben, dann fehlt eine unserer wichtigsten Unterscheidungspositionen - die Differentia Specifica. Sie wird doch nicht in erster Linie an der Lehre - die ist in deutschen Universitäten mehr oder weniger vergleichbar und standardisiert - sondern gerade an den Forschungsschwerpunkten festgemacht. Wir müssen gucken, dass wir in der Forschung so stark sind, dass wir auch im DFG-Ranking und im CHERanking höher rutschen. Welche Bedeutung haben die Tagungen in Hasenwinkel? Wir stehen, grundsätzlich gesprochen, im Moment vor zwei Aufgaben. Die eine Aufgabe ist: Wir müssen mit dem Geld, was wir im Haushalt haben, auskommen. So die Haushaltsaufgabe. Eine ganz andere Aufgabe ist die Frage "Qualität der Hochschulen". Wie sind wir für den Wettbewerb im europäischen Hochschulraum gerüstet? Das hört sich ein bisschen

tt ii tt e e ll tt hh ee m m aa Hoher Besuch in der moritz-Redaktion: Bildungsminister Hans-Robert Metelmann Fotos: ring

glaube, was von den Universitäten in der Zeitung wieder rüber kommt. Wir haben zu kleine Institute: Genau das ist unser Problem. Wir haben zu viele zu kleine Einrichtungen, die die Lehre vollständig abdecken müssen. Von ihrer zeitlichen Beanspruchungen und ih-

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nach Quadratur des Kreises an: Die Finanzaufgaben und die Hochschulentwicklungsaufgaben in Übereinstimmung zu bringen. Um das hinzubekommen, brauchen wir ein geordnetes Verfahren. An diesem Verfahren gibt es jetzt heftige Kritik in der Öffentlichkeit. Im Februar

Für Ergebn

Bildungsminister Prof. D Metelmann über Studente winkel dieses Jahres war "Hasenwinkel 1" das erste Treffen. Damals haben die Hochschulen ihre eigenen Vorstellungen vorgelegt. Die wurden zunächst durch ihre Rektoren vertreten, was ganz legitim ist. "Hasenwinkel 2" war dann im März. Da haben die Fachhochschulen ihre ersten Entwürfe - wesentlich weniger konturiert als das, was die Universitäten vorgelegt haben – auf den Tisch gelegt. Jetzt schauen wir auf "Hasenwinkel 3" Ende März/ Anfang April. Da geht es darum, dass das Land seine eigenen Vorstellungen auf den Tisch legt. Denn das Land hat einige Bedürfnisse, die wir ansprechen müssen. Wie beurteilen Sie das Diskussionspapier der beiden Rektoren? Völlig richtig. Es ist immer ausgesprochen schwierig, so einen Prozess weiter voran zutreiben. Und das, was die Rektoren auf den Tisch gebracht haben, ist nicht völlig aus der Luft gegriffen. Schließlich haben sie die selbst gegossene Grundlage vom Winter 2003 vor Augen gehabt. Ich glaube, es ist die Pflicht eines Rektors in so einem Prozess ein Papier auf den Tisch zu legen, dem man dann als Senat und als Konzil entweder hundertprozentig zustimmt oder das man hundertprozentig in der Luft zerreißt. Aber dazwischen wird man rauskommen. Wenn die Rektoren ein Papier auf den Tisch gelegt haben, in eigener Verantwortung - zunächst einmal als Diskussionspapier - dann halte ich es nach wie vor als einen recht entschlossenen Schritt. Respekt beiden, dass sie erst einmal einen Stein ins Wasser geworfen haben. Was sagen Sie zu dem bisherigen Studentenprotesten? Völlig legitime Aktionen. Auffällig ist, dass der Informationsstand allerdings aus verschiedensten Gründen - das ist auch Selbstkritik moritz


nisse zu früh

Dr. Dr. med. Hans-Robert en, Rektoren und Hasengelegentlich gering war. Zweite Auffälligkeit: Der Verfahrensweg ist sicherlich vielen nicht bewusst gewesen. Es ist ein Prozess, der sich sicherlich noch eine ganze Weile erstrecken muss und wird. Wir wollen bis 2020 zum Ende kommen. Es ist aber auch schon eine ganze Menge Zeit verstrichen. Ich sage nur September 2003. Vielen Studierenden ist offensichtlich nicht bewusst, dass wir bereits ein Kernaussagenpapier haben, und dass das ganz öffentlich (Landtagsdrucksache 4/784 [d. Redaktion]) ist. Da hätte gelegentlich ein Blick in dieses Kernaussagenpapier gereicht, um zu sagen, die Beschlusslage ist im Moment eine andere.

frontation festfriert und sagt, das machen wir nie, sondern der sagt: "Hier ist ein Problem." Mit diesen drei Eigenschaften schien er mir persönlich ideal geeignet zu sein für diese Aufgabe. Deshalb nehme ich es gerne auf meine Kappe und werde es auch dem Greifswalder Senat in seiner Sitzung am 13. April auch noch einmal sagen. Es ist in der Tat so, dass wir juristische Beratung brauchen. Wie kam es zu Ihrer Entscheidung, das damalige Rektorenamt niederzulegen und nach Schwerin ins Bildungsministerium zu wechseln? Ich kann nur das sagen, was mir in den Tagen, nachdem mich der Ministerpräsident gefragt hat, durch den Kopf gegangen ist. Der Ministerpräsident hat einen durchaus mutigen Schritt an dieser Stelle

getan. Er hat an allen Parteikarrieren vorbei einfach einen Parteilosen angesprochen. Wohl wissend, dass er sich in der eigenen Partei mit Sicherheit nicht sehr viele Freunde macht und der Öffentlichkeit deutlich macht, die Hochschulentwicklung in die Hand von Leuten zu geben, die sich damit auch auskennen. Das ständige Auskämmen an den Hochschulen des Landes hat uns all die kleinen Institute beschert, über die wir heute die Stirn runzeln und uns fragen, warum sie nicht stärker in der Forschung etc. sind. Meine Intention war, auch in 10 bis 15 Jahren im Lande Hochschulen haben zu wollen, die auf ihren Gebieten exzellent sind. Das Interview führte Uwe Roßner

Stichwort Landesuniversität. Eine Landesuniversität birgt immer die Gefahr einer Erbsensuppe. Alle kommen in einen Topf und es wird eine unkenntliche Einheitsmasse daraus. Das brauchen wir ganz sicher nicht. Was wir brauchen, ist eine bessere Abstimmung der Hochschulen untereinander. Das Problem der Rektoren und überhaupt der Gremien ist, dass sie eigentlich nicht in der Lage sind, über die Grenzen des eigenen Campus hinweg zu agieren.

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Wie entstand die Zusammenarbeit von Prorektor Classen von der Greifswalder Universität mit der Landesregierung? Da muss ich den Prorektor ausdrükklich in Schutz nehmen. Ich habe ihn selbst gebeten, die Landesregierung an dieser Stelle zu beraten. Er ist erstens auf diesem Gebiet als Fachmann versiert, zweitens kennt er die Situation der Hochschulen als Prorektor bestens. Drittens er ist einfach ein Mann, der mir immer wieder auffällt als jemand, der versucht Lösungen zu finden, der nicht in der Konapril 2005

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Chronik 2005 - Was bisher geschah 14. Januar Tagung der SPD-Landtagsfraktion zur Hochschulentwicklung bis zum Jahr 2020 in Rostock-Warnemünde. Bildungsminister Metelmann fordert die Hochschulleitungen auf, ein gemeinsames Konzept zu entwerfen. 28. Januar Die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern beschließt ihr Personalkonzept. Es sieht vor, bis zum Jahr 2020 insgesamt 10 500 Stellen im Öffentlichen Dienst abzubauen. Davon entfallen 600 Stellen auf die Hochschulen. 22. Februar Die Rektoren Westermann und Wendel legen ohne den Rückhalt ihrer Senate ihr gemeinsames Diskussionspapier vor. Das heißt, sie bekunden nur als Amtspersonen ihre Meinung, ohne dass sie stellvertretend für ihre Alma Mater sprechen. 23. März Erste Konferenz in Hasenwinkel bei Wismar. Die Rektoren Wendel und Westermann stellen dem Land ihren gemeinsamen Vorschlag vor. Zielsetzung ist die Stärkung der Universität, die Konzentration von Fächern und der Abbau von Doppelungen. 11. März Die Rektoren der Fachhochschulen legen trotz nachhaltiger Aufforderungen des Bildungsministeriums kein eigenes Konzept zur Umsetzung der Kürzungen vor. 22. Februar - 16. März Beispiellose Proteste von Studenten, Mitarbeitern und Wirtschaft gegen das vorgestellte Konzept der Rektoren. Nach Rücktrittsforderungen an den Greifswalder Rektor wird schließlich seine Abwahl vorbereitet. Der Rostocker Rektor Wendel wird wiederholt und scharf durch Vertreter des Akademischen Senats gerügt. Sein Vorgehen wird als zutiefst undemokratisch charakterisiert. Die zahllosen Protestaktionen führen schließlich zum Rückzug des Konzepts durch Rektor Wendel am 16. März 2005. 21. März Auf der zweiten Klausurtagung in Hasenwinkel beschäftigen sich die Rektoren, Kanzler und Vertreter des Bildungsministers in Gesprächen mit der Verbesserung der Qualität an den Hochschulen. Protestierende studentische Vertreter werden eingeladen unter Ausschluss von den Hauptverhandlungen ihre Position zu artikulieren. Sie bemängeln die fehlende Transparenz und Ausklammerung der Studenten bei den Verhandlungen. 14. April Vollversammlung der Greifswalder Studierendenschaft zur Debatte um die Kürzungspläne an den Hochschulen des Landes. Motto: Zeit für Taten! Anzeige

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Mit einer Stimme

Ein Interview mit Oberbürgermeister Dr. Arthur König über Uni, Stadt und Landespolitik

Arthur König: Die Universität ist das Herzstück, ist der zentrale Entwicklungsmotor für die Hansestadt und für die Region Vorpommern. Das war nicht nur in der Vergangenheit so, dies trifft auch für die Gegenwart zu und erst Recht für die Zukunft. Stadt und Universität bilden eine fruchtbare Symbiose. Sie gehören zusammen. Die Universität bildet gemeinsam mit den anderen wissenschaftlichen Einrichtungen in der Hansestadt wie beispielsweise dem Max-Planck-Institut, dem Friedrich-Löffler-Institut, INP die zentrale Entwicklungsachse für die Hansestadt. Und das muss auch in Zukunft so bleiben! Die enge kulturelle Verzahnung von Stadt und Universität, die sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten entwickelt hat (etwa bei der Bachwoche, dem Nordischen Klang, beim Koeppenhaus, bei Benefizkonzerten und Universität im Rathaus) ist beispielhaft. Welche Rolle spielen Studenten? Studenten beleben die Hansestadt, geben ihr ein besonderes jugendliches Flair und ich gehe davon aus, dass viele Studenten nach abgeschlossenem Studium mit guten, mit positiven Eindrücken die Hansestadt verlassen und für ihren Studienort werben. Bessere Botschafter für die Hansestadt Greifswald kann ich mir kaum vorstellen. Kurz und gut: Die Universität spielt die zentrale Rolle für die Entwicklung von Stadt und Region, und das in jeder Hinsicht. Insofern trifft wohl auch der Satz zu: Geht es der Universität gut, so geht es auch der Stadt und der Region gut. Allerdings auch die Umkehrung. Wie ist Ihre Sicht auf das vom Landtag beschlossene Personalkonzept in Bezug auf die Universitäten? april 2005

Strukturveränderungen gab es immer und wird es auch in Zukunft an Universitäten geben. Die Universität hat sich in den vergangenen Jahrzehnten ständig verändert. Strukturveränderungen sollen auch der Wettbewerbsfähigkeit und Anpassung an die zukünftigen Erfordernisse dienen. Ohne Veränderungen bleibt man stehen und kann wohl kaum die Zukunft gestalten. Insofern muss dieser Diskussionsprozess an der Universität geführt werden. Aufgrund der besonderen Bedeutung der Universität für Stadt und Region halte ich es aber für sinnvoll und unabdingbar, wenn in diesem Prozess (Land, Universität) auch die Stadt intensiv einbezogen wird. Stadt und Universitäten gehören zusammen! Wie ist Ihre Position zum Diskussionspapier der beiden Rektoren Wendel und Westermann?

Welche Position sollten Stadt und Uni innerhalb der jetzigen Diskussion um die Veränderung der Hochschullandschaft in Mecklenburg-Vorpommern einnehmen? Universität und Stadt müssen gemeinsam für "ihre" Belange eintreten, denn es wird kein anderer für uns tun. Dies mit aller Deutlichkeit und mit allem Nachdruck mit der Zielrichtung der Landesregierung in Schwerin! Stadt, Universität und Region müssen mit einer Stimme ihre Vorstellungen artikulieren und diese in Schwerin einfordern. Das dies uns gelingt, davon gehe ich aus! Die Stadt ist dazu bereit! Das Interview führte Uwe Roßner

Das Rektorenpapier fasse ich als Diskussionspapier sowohl für den Diskussionsprozess innerhalb der Universität als auch in Hinblick auf Vorstellungen der Landesregierung auf. Was meinen Sie mit "in Hinblick auf Vorstellungen der Landesregierung"? Die Landesregierung ist hier besonders gefordert. Denn Sparen ist das Eine aber wie sehen die Vorstellungen des Bildungsministers bezüglich der zukünftigen Hochschullandschaft aus? Wo

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moritz: Welche Bedeutung hat die Universität für die Hansestadt Greifswald?

setzt er Schwerpunkte? Wie soll die Attraktivität der Hochschulen erhöht werden? Wie soll sich die zukünftige Hochschulfinanzierung gestalten? Diese Fragen müssen erst geklärt werden. Und ich sage auch hier ganz deutlich: Aus Sicht der Hansestadt wäre eine Entwicklung hin zu einer Landesuniversität an mehreren Standorten pures Gift. Dahin darf es nicht kommen!

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Es hat schon was Komisches, wenn drei Männer denken, sie wären in der Lage, zu entscheiden, was für die Hochschulen in Greifswald und Rostock und damit auch für das gesamte Bundesland MecklenburgVorpommern am besten ist. Doch irgendwie hat bislang noch niemand darüber gelacht. Denn die drei Protagonisten, Bildungsminister Prof. Metelmann und die Rektoren Prof. Wendel (Rostock) und Prof. Westermann (Greifswald) meinen es tot ernst. Auf einer Fachtagung der SPD Landtagsfraktion in Warnemünde Anfang dieses Jahres stellte sich der Bildungsminister denn auch öffentlich hinter Sigrid Keler, ihres Zeichen Finanzministerin in MV. "Die 600 Stellen müssen im Hochschulbereich bis spätestens 2017 gestrichen sein, 300 davon bis 2009," so Metelmann. Das bedeutet für die Ernst-Moritz-Arndt Universität das Wegfallen von 178 Stellen. Senatoren, sowohl studentische wie auch Professoren zeigten sich empört. Doch was tut unser Rektor? Er setzt sich mit seinem Kollegen aus Rostock zusammen und beide erarbeiten ein Konzept, wie mit den Streichungen umzugehen ist. Klingt zunächst ganz vernünftig, doch was dabei herausgekommen ist, könnte sich als Todesurteil für die EMAU erweisen. Anstatt der geforderten 178 wollte Westermann gleich 210 Stellen streichen. Er, wie auch Wendel sprechen von einem ersten

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Schritt - einem ersten Schritt für beide Unis eine eigenständige Profildebatte zuführen. Die Hochschulen Mecklenburg-Vorpommerns müssen sich im Lehrangebot unterscheiden, wenn sie auch weiterhin bestehen wollen. Das zumindest ist die Ansicht der beiden Rektoren. Doch was würde das nun für unsere Universität bedeuten? Das Konzept sieht die Streichung von Theologie und Kirchenmusik vor. Beides soll nur noch in Rostock angeboten werden. Ebenfalls nach Rostock werden der Diplomstudiengang Mathematik, weite Teile der PhilFak wie die Anglistik/Amerikanistik, die Altertumswissenschaften, die Alte Geschichte, die Ur- und Frühgeschichte, die gesamte Romanistik und die Erziehungswissenschaft gegeben. Das bedeutet, dass es in Greifswald künftig keine Lehrausbildung mehr geben wird, zumindest nicht mehr in der heutigen Form. Dafür soll Greifswald die BWL, Jura und die Politik exklusiv in MecklenburgVorpommern erhalten. Der Senat der Uni Rostock lehnte das Konzept ab und auch der Greifswalder Senat stellte sich gegen seinen Rektor. Doch nicht nur Senat und Studierendenschaft gehen gegen Westermann vor, auch die Stadt, ihre Bürger und die Bürgerschaft sind endlich aufgewacht. Seit das Konzept auf dem Tisch ist, macht die Protestgruppe. Und das mit durchaus beachtlichem Erfolg: In der ganzen Stadt liegen

Unterschriftenlisten aus, auf denen die Greifswalder ihren Unmut über die Pläne zum Ausdruck bringen können. Doch damit nicht genug. So verschickten Studierende mehr als zwanzig Pakete mit Ziegelsteinen an die Landesregierung in Schwerin. Frei nach dem Motto: "Auch wir wollen unseren Beitrag zum Bau einer Landesuniversität leisten." Dass die Protestgruppe derzeit aus lediglich sechs Aktiven besteht, grenzt die Handlungsfreiheit natürlich ein, deshalb bitte ich alle Studierenden, sich an den Aktionen zu beteiligen. Ein Protest kann nur dann Wirkung zeigen, wenn möglichst viele Leute auf der Straße sind. Bedanken möchte ich mir hier bei den Theologen, die in den letzten Wochen wirklich malocht haben. Aktionen wie die Transparente auf der Domspitze waren einfallsreich und von guter Wirkung auf die Greifswalder Bürger. Am 20.04.2005 findet ein Fackellauf von Neubrandenburg nach Schwerin über Greifswald, Stralsund, Rostock und Wismar statt. Im Anschluss soll am 21.April eine Demonstration vor dem Schweriner Landtag stattfinden. Dort werden wir dann auch die Unterschriftenlisten an die Landtagspräsidentin überreichen. Also kommt alle mit, damit wir in Schwerin ordentlich Krach machen können. Christian Bäz, Leiter der Protestgruppe, die sich jeden Dienstag um 17 Uhr im Audimax trifft.

moritz


Wer k채mpft, kann verlieren. Wer nicht k채mpft, hat schon verloren.

Bert Brecht

april 2005

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M E I N U N G E N

Leserbrief von Universitätmusikdirektor i. R. Ekkehard Ochs Mit großer Bestürzung habe ich die Pläne, das Institut für Kirchenmusik und Musikwissenschaft in Greifswald zu schließen, zu Kenntnis genommen. In nahezu vierzig Jahren musikalischer und musikwissenschaftlicher Arbeit an dieser Universität habe auch ich versucht, diesbezüglich lange und gute Traditionen fortzuführen und mich an der Schaffung einer guten Basis für weitere erfolgreiche Entwicklungen nach Kräften zu beteiligen. Der Wegfall des Instituts deren Abbruch und irreparable Defizite. Nicht nur für die Universität. Bachwoche, Greifswalder November, internationale Orgelakademien, zahlreiche weitere musikalische Angebote, die nach Qualität und Vielfalt Greifswald vor weitaus größeren Städten auszeichnen, regelmäßige internationale musikwissenschaftliche Konferenzen zum universitären Forschungsschwerpunkt Ostseeraum ("Musica Baltica"), die neben anderen Veröffentlichungen bestehende bisher dreizehnbändige Publikationsreihe Greifswalder Beiträge zur Musikwissenschaft, ein dichtes Netzwerk musikalischer wie musikwissenschaftlicher Verbindungen zu Polen, dem Balticum, Rußland und allen skandinavischen Ländern - all dies geriete in Wegfall oder wäre auf ein unangemessen bescheidenes Maß zurück geschrumpft. Sparen und besser organisieren – warum nicht! Aber Sparen um jeden Preis? Er wäre für Greifswald und Vorpommern entschieden zu hoch. Es geht auch nicht um bloßes Bewahren von Liebgewordenem, sondern dem Erhalt von unverzichtbarem kulturellem Standard. Auch ein Begräbnis 1. Klasse (Universitätsjubiläum 2006) bliebe ein Begräbnis!

Für eine klingende Universität

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Die Rektoren der Universitäten Greifswald und Rostock haben - aufgefordert durch die Landesregierung in Schwerin - Vorschläge gemacht, wie - durch Verlegung bzw. Zusammenlegung von Fächern bzw. Fakultätsteilen - Einspareffekte erzielt werden können. Als GMD am Theater Vorpommern und Universitätsrat der Ernst-Moritz-Arndt-Universität möchte ich zur vorgeschlagenen Schließung der musikalischen Sparte an der Universität Greifswald bzw. ihrer Verlegung an die Musikhochschule Rostock Stellung nehmen. Ob die pommersche Kirchenmusik in Greifswald oder in Rostock "behaust" ist, macht keinen Unterschied für den Landeshaushalt. Aber: in Greifswald und Stralsund entsteht z. Zt. durch die Restaurierung bedeutender historischer Orgeln ein pommersches Orgelzentrum. Dieser zukunftsträchtigen Entwicklung wird vorab der Sinn entzogen. Außerdem: Die internationale Greifswalder Bachwoche ist nicht nur Zeichen für die musische Kreativität der Universität, sie ist auch lebendiger Ausdruck der Musikliebe und -pflege der Greifswalder Bürger. Der "Nordische Klang" mit seinen vielfältigen Facetten von Literatur, Theater, Malerei, Tanz und Musik ist einzigartig im Ostseeraum. Das Theater Vorpommern arbeitet gern partnerschaftlich mit der Universität zusammen. Es ist unwahrscheinlich, dass durch die Verlegung der musikalischen Sparte der Universität Greifswald an die Musikhochschule Rostock nennenswerte Einspareffekte erzielt werden können, denn in Rostock müssten erst einmal neue Räumlichkeiten geschaffen werden. Sicher ist aber, dass das reiche überregional und international ausstrahlende kulturelle Leben der Stadt Greifswald einen empfindlichen Schlag erleiden würde. Es liegt mir fern, verschiedene geistige Disziplinen gegeneinander auszuspielen, aber Musik ist eine kommunikative Kraft: Bachwoche, Nordischer Klang, und die vielen Universitätskonzerte verbinden die Universität mit den Greifswalder Bürgern auf besondere Weise. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Greifswalder darauf verzichten wollen. Ich bitte daher den Rektor der Ernst-Moritz-Arndt-Universität, sich beim zuständigen Minister, der ja auch Greifswalder ist, für den Erhalt und die Entwicklung der Musik an der Universität Greifswald einzusetzen.

K o m m e n t a r Im Ernst

Einer fehlt. Die Rektoren der Universitäten Greifswald und Rostock legten am 22. Februar ihr Diskussionspapier vor. Die Fachhochschulen enthielten sich ganz diplomatisch. Die Studenten vertraten deutlich und bravourös mit ihren Protesten während der vorlesungsfreien Zeit ihre hochschulpolitischen Standpunkte. Interessenverbände gaben medial ihren Senf dazu. Hasenwinkel brachte trotz aufgeschlossener Atmosphäre bisher keine endgültigen Ergebnisse. Dennoch einer fehlt. Es ist das Land, ein Land, das sich jetzt und langfristig ernsthafte Gedanken über die Zukunft seiner Hochschulen machen muss. Uwe Roßner moritz - studentische Medien

Prof. Mathias Husmann, 28. Februar 2005

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Weitere Informationen: www.schillerjahr2005.de Empfohlen: Sigrid Damm: Das Leben des Friedrich Schiller. Eine Wanderung Als gemütlicher Einstieg sei "Das Leben des Friedrich Schiller. Eine Wanderung." von Sigrid Damm empfohlen. Der Mensch Schiller, seine Familie, Schulden, Krankheiten, Beziehungen, natürlich die Freundschaft zu Goethe sind Mittelpunkt der Biographie. Keine Interpretation der Werke, sondern die Umstände ihrer Entstehung. Dabei setzt sich die Hälfte des Buches aus Zitaten zusammen, Briefen in origiapril 2005

Schiller-Overkill 2005 Gedanken zu einem Jubiläum

Von Judith Küther und Manuel Nüsser naler Orthographie, die, gebunden durch den originellen Stil der Autorin, eine nahezu lückenlose, persönliche und authentische Perspektive gewähren. Eine Entdeckungsreise. Der Weg über gängige Vorbehalte gegen und Kritik an Schiller hinweg, über langsame Annäherung, bis zur Verehrung. Damm lädt ein, führt, vermittelt, entstaubt. Das gelingt, man begleitet gerne. Von Seite zu Seite wächst manü die Neugier auf mehr. Rüdiger Safranski: Schiller und die Erfindung des Deustschen Idealismus Das Theater, das neben Staat und Religion zur dritten Gewalt im gesellschaftlichen Leben erklärt wird, bestimmt Schillers Handeln. Safranski beschreibt dies in seinem Buch „Schiller und die Erfindung des Deustschen Idealismus“ bildhaft. Während sich diese Biografie zu Beginn noch schleppend liest, wird es von Seite zu Seite spannender, ausführlicher, tiefgründiger. Der Autor legt großen Wert auf die Interpretation und Analyse der schillerschen Dramen und Tragödien. Diese Tiefgründigkeit setzt sich auch in Schillers philosophischen Ansichten fort, die nicht nur angerissen sondern sehr ausführlich, wenn nicht sogar etwas in langatmig. Exkurse in Schillers und Gedankenwelt liefern Hintergründe für seine Persönlichkeit und seine Dramenfiguren. Der Leser spürt, was in Schiller vorgegangen sein müsste, als diese entstanden. Dazu gibt es dann natürlich noch die äußeren politischen, sozialen und familiären Umstände. Ausführliche Personenanalysen gibt es beispielsweise zu „Die Räuber“ und „Fiesco“. In Don Carlos aus dem gleichnamigen Theaterstück verkörpert sich die idealistische Haltung Schillers, die langsam von „Sturm und Drang“ ablässt. Der Roman liest sich wie das Who´s Who der literarischen „Szene“; zu Schillers „Clique“ lässt Safranski bedeutende Figuren wie

Johann Gottfried Herder, Christian Gottfried Körner, Novalis, Friedrich Hölderlin, Wilhelm von Humboldt und Immanuel Kant (wenn auch nur im Geiste, so doch sehr präsent) hinzutreten. Es dauert ein paar Seiten bis man sich in die Zeit und Lage Schillers hinein findet, denn am Anfang fehlen politische Zusammenhänge ebenso wie zeitliche Umstände. Die gedankliche Grundlage besonders für die reiferen Werke Schillers bildete die Kantsche Philosophie (der Mensch soll nicht von der Sinnlichkeit, sondern von Sittengesetz regiert sein). So sind seine hauptagierenden Personen meist mit einem Hang zur Gerechtigkeit ausgestattet (Karl Moor in „Die Räuber“, Maria in „Maria Stuart“, Wilhelm Tell im gleichnamigen Stück) Das letzte Drittel des Buches ist dann der Freundschaft zwischen Schiller und Goethe gewidmet. Beide feuern sich gegenseitig an, Schiller ist begeistert von „Wilhelm Meister“ und Goethe gibt Impulse für „Wallenstein“. Goethe berät, gibt Ratschläge, kritisiert, ermuntert, fordert auf und steht dem Freund bei. Das alles ist zumeist durch Briefstellen belegt. Viel erfährt man über die Männerfreundschaft der beiden, doch wenig über das private Familienglück oder aus dem Leben mit den Kindern und seiner Frau Charlotte von Lengefeld. Aufgrund der ausführlichen Darstellung von Schillers Werken und deren Entstehungsgeschichte eignet sich diese Biografie auch als Nachschlagewerk, hierbei helfen die Überschriften mit ihrer knappen Inhaltszuordnung sowie eine Zeittafel und ein Register seiner Werke im Anhang. Schiller gilt als führender Dramatiker des Sturm und Drang („Die Räuber“), bedeutender Geschichtsschreiber („Der Dreißigjährige Krieg“) und maßgeblicher Kunstphilosoph (Aufsatz „Über Anmut und Würde) in Deutschland. Fazit: Während und nach dem Lesen möchte man sich regelrecht selbst ein Stück von ju Schiller ansehen.

ff e eu u ii ll ll e e tt o on n

Schon vor der offiziellen Eröffnung zum 200. Todestag am 9. Mai, gelang Anfang März mit einer 24stündigen Schiller-Lesung in Berlin ein beeindruckender Auftakt. Deutschlandweit sind unzählige Projekte geplant. Zwei große Ausstellungen entstehen in Weimar ("Die Wahrheit hält Gericht - Schillers Helden heute", 9.5.-10.10.) und Marbach ("Götterpläne und Mäusegeschäfte: Schiller 1759 - 1805", ab 23.4. im Schiller-Nationalmuseum). Auch Bühnen wagen sich wieder an Schillers Werke. Das Stuttgarter Staatstheater plant eine mobile Inszenierung an Orten von Schillers Jugend. Am Mannheimer Nationaltheater inszeniert Thomas Langhoff den Wilhelm Tell. Die Räuber laufen in Köln, Münster, Dessau, Neustrelitz und Heilbronn. Kabale und Liebe in Heidelberg und Weimar. Don Karlos in Leipzig, Meiningen, Hamburg und Aachen. Die Jungfrau von Orleans in Landshut, Bauerbach und Bonn. Highlight: Das Wiener Burgtheater hat für 2006 den als unaufführbar geltenden Wallenstein im Programm. Eine Tagung in Weimar widmet sich dem "unterschätzten Theoretiker Schiller" (23.6.-26.6.). Das Kongressthema in Jena: "Der ganze Schiller" (21.9.-29.9.). Dem Philosophen Schiller nähert sich die Vortragsreihe "Philosophische Spaziergänge: Schiller und seine Folgen für den Diskurs der Moderne" in Marbach (September). ZDF, 3sat und Arte begleiten mit Programmschwerpunkten. Hinzu kommen etwa 100 Neuerscheinungen auf dem Büchermarkt.

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ter Dichter nie. Er war gegen „Standesdünkel“ und rächte sich in seinen scheinbar nur liebenswerten Märchen auf subtile Art und Weise. Zum Geburtstag: Sind 200 Jahre mehr als eine Zahl? Es ist ein rundes Jubiläum, das halt gefeiert wird. Besonders in Dänemark. Es wurden „Andersen-Botschafter“ ernannt. In Deutschland Nina Hagen zum Beispiel. Allerdings war Andersen stets lebendig, man braucht ihn nicht wieder zu entdecken.

Illustration zu dem Andersen-Märchen „Die Prinzessin und der Schweinehirt“, 19. Jahrhundert. Zeichnung: Internet

„Er sollte was anständiges werden, nicht Dichter!“

Ein Interview mit Professor Walter Baumgartner vom Nordischen Institut über Hans Christian Andersen moritz: Welche Bedeutung hat Andersen für die Literatur? Baumgartner: Er ist einer der ersten modernen Autoren und Berufsschriftsteller in Skandinavien gewesen. Er war immer Gesprächsstoff für die damaligen Medien. Er reiste viel in der Welt herum, war dort immer Stadtgespräch und hat selber Gesprächsstoff mit nach Hause genommen.

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Wofür benötigte er den? Für seine Reiseberichte und als Denkanstöße. Was machte ihn besonders? Seine Bedeutung für Dänemark lag darin, dass er die steife und kunstvolle Sprache verworfen hat und schrieb, was aus seinem Schnabel kam. Diese „Mündlichkeit“ war allerdings streng am Schreibtisch kalkuliert. Hört man das in seinen Märchen? Ja, sie liegen perfekt auf der Zunge. Andersens Texte sind so, wie die Leute sprechen – wenn sie schlagfertig, ironisch und hintersinnig reden.

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Er schrieb Antimärchen, was ist das? Volksmärchen laufen nach einem festen Schema mit Happy End. Andersen streicht das Happy End! Ein Beispiel vielleicht... Ein klassisches Heiratsmärchen. Ein armer Junge zieht von zu Hause aus. Er trifft eine Prinzessin, sie ist verflucht, er erlöst sie, sie heiraten und er bekommt das ganze Königreich. Bei Andersen geht es so: Das Mädchen ziert sich, ist zu fein für einen armen Jungen. Sie werden verjagt, sie muss auf dem Töpfermarkt arbeiten, er kommt vorbei und zertrümmert ihre Sachen. Dann will sie ihn heiraten und er ruft sinngemäß: „Hau ab, du blöde Zicke!“ Das nenne ich Antimärchen. Verfolgte Andersen politische Ziele? Er war wenig politisch interessiert. Gesellschaftskritisch war er jedoch. Er kam aus dem Proletariat und drängte sich anfangs auf und trug in feinen Salons Schiller und Goethe in kurzen Hosen vor. Ganz akzeptiert fühlte er sich auch als weltberühm-

Welche Angebote gibt es für Studenten am Nordischen Institut? Es läuft ein Seminar am Nordischen Institut. Über seine Märchen? Nicht nur, auch über seine Romane und Reiseberichte. Hätte Andersen nur die Romane veröffentlicht, so hätte er sicherlich einen festen Platz in der dänischen und skandinavischen Literatur. Günter Grass hat Andersens Märchen illustriert. Weshalb? Grass ist ein Schriftsteller, der Umgangssprache und Dialekte einsetzt. Er schreibt salopp und frech. Ich glaube, er sieht das auch bei Andersen. Andererseits war er zuerst Bildhauer und damit Künstler wie Andersen, der Scherenschnitte fertigte. Das Interview führten Uwe Roßner und Kilian Jäger.

Andersen 2005 – eine Auswahl Sehenswert: „Le Rossignol“ – Christian Chaudets bunter Animationsfilm von Igor Strawinskys Oper „Die Nachtigall“ und dem Andersenschen Märchen. Packend: Der dänische Autor und Kulturredakteur Jens Andersen legt über seinen weltweit bekannten Landsmann und Namensvetter eine fabelhafte Biographie vor. Amüsant: Joop liest, Scholl singt. Was für ein Gespann! Beide hauchen Andersens Nachtigall neues Leben ein und verpassen dem Kaiser neue Kleider. moritz


Nordisch kühl, heiß begehrt

Die Xylophon-Band „Zimba Marimba“ sorgte beim Nordischen Klang 2003 auf dem Markt für gute Laune. Foto: Archiv

Der Nordische Klang zum 14. Mal in Greifswald Von Kilian Jäger

april 2005

kühl, heiß begehrt“ und möchte damit zeigen, dass es nicht nur musikalisch heiß her geht. Schwedisches Glasdesign und frech bemalte Teller runden den Nordischen Klang mitunter zu einer Kunstschau ab. Bei der Musik geht es von einer isländischen Pianistin über Jazz, Dance und Soul bis hin zu schwedischen Barockkonzerten des 17. Jahrhunderts. Es ist also für je-

den und besonders für jede Altersgruppe etwas dabei. Ein Mitgestalter der ersten Stunde, Professor Baumgartner vom Nordischen Institut, freut sich besonders auf den Bandoneonspieler PerArne Glorvigen. Dieser sei ein Jazzmusiker von höchstem Niveau, der schon für viele Weltmusiker eingespielt habe, meint Baumgartner.

Vorläufiges Programm des Nordischen Klangs 2005

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Es wird Mai. Die Straßen füllen sich. In den Kneipen und Cafés tummeln sich die Leute und überall ist was los. Die Stadt blüht, denn der Nordische Klang zieht in die Stadt. Vom 05.-14. Mai 2005 werden zum 14. Mal Künstler aus Skandinavien nach Greifswald geladen. Der gleichnamige Verein veranstaltet das Festival für Musik, Theater, Film, Literatur und Kunst, welches zu den kulturellen Höhepunkten der Hansestadt zählt. Es wird mit Henrik Ibsens Theaterstück „Die Frau am Meer“ beginnen und einem Live-Hörspiel im Koeppenhaus zu Hans Christian Andersen enden. Dazwischen werden etliche Künstler die Besucher in einen Bann dänischer, estnischer, finnischer, isländischer, norwegischer, polnischer und schwedischer Kultur ziehen. Es ist das größte Festival nordischer Kulturen außerhalb Skandinaviens und bietet mehr als 50 Programmpunkte. Die Vielfalt der skandinavischen Kultur zeigt in diesen Tagen einmal mehr die Bedeutung Greifswalds als interkulturelle Empfangsmetropole zu den nördlichen Ländern. Der Nordische Klang steht dieses Jahr unter dem Motto „Nordisch

Stand: 6.4.05 – weitere Informationen unter www.nordischerklang.de

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Der Insider

Berlinale-Stars Joseph Fiennes, Franka Potente, Don Cheadle.

Ein Greifswalder Filmemacher, Roland Emmerich und die Berlinale 2005 Von Arvid Hansmann

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Das blutunterlaufene Auge starrt mich aus der Tiefe des Abgrundes an. Das dunkle Gemäuer ist gefüllt mit unzähligen Schätzen und Relikten vergangener Kulturen – hier wohnt der alte Meister, der weiß, wie es jenseits der glänzenden Märchenwelt aussah... Zugegeben, so alt ist dieser Meister noch gar nicht und das Gemäuer ist auch kaum mehr als 100 Jahre alt. Der Name dieses Meisters ist Thomas Frick. Er ist einer derjenigen, die in unserer bunten Medienwelt hinter der Fassade, besser hinter der Kamera stehen – er ist Regisseur. Als ich ihn Anfang Februar in Babelsberg besuchte, tat ich dies im Kontext der glamourösen Berlinale. Wer sich seine bewegte Vita ansieht, merkt, dass Greifswald darin einen zentralen Platz einnimmt: Hier drehte er seine ersten Filme, darunter das kafkaeske Werk „Das Massaker“, das man sich auf seiner Homepage www.frickfilm.de herunterladen kann. Es gibt einen grotesken Einblick in die vergangene Hinterhofwelt der 80er, mit dem er seinerzeit Probleme mit der Stasi bekam. Später führte es ihn bis nach Hollywood. Dort arbeitete er zeitweise mit dem Herrn zusammen,

der dieses Jahr zum „obersten Richter“ über den Berlinale-Wettbewerb ernannt wurde und der mir wenig später auch noch begegnet ist, wie ihr ja beim „Editional“ gesehen habt: Roland Emmerich. Anders als dieser konzentrierte sich Thomas Frick nicht auf Alieninvasionen oder gigantische Naturkatastrophen, sondern widmete sich mehr der Darstellung verschrobener Charaktere und makaberer Situationen. Mit seinen Kurzfilmen war er in den letzten Jahren mehrfach auf der Berlinale vertreten. „Das Genre des Kurzfilms wird in Zukunft mehr an Bedeutung gewinnen“, berichtete er mir bei einer großen Tasse Earl Grey in seiner Küche. „Dabei wird das Kino vielleicht weniger das entsprechende Medium sein. Vielmehr sind DVD-Zusammenstellungen und das Internet die Basis für Filme, die in unserer schnelllebigen Zeit eine interessante Geschichte kompakt vermitteln.“ Aber Thomas Frick drehte auch Langfilme. Mit „Detective Lovelorn und die Rache des Pharao“ schuf er 2001 ein Sciencefiction-Fantasy Abenteuer, das als Low-BudgetProduktion bewusst die Stilmittel des Genres wie Special-Effects parodiert, aber mit Schauspielern wie

Fotos: Arvid Hansmann

Horst Buchholz und Eva Hassmann (Ehefrau von Otto Waalkes) von Professionalität ebenso wie von lebendigem Humor zeugt. Mit diesem Film beteiligte er sich 2002 auch bei der Berlinale. „Wenn man an diesem riesigen Festival teilnimmt, kann der letztendliche Erfolg sehr unterschiedlich aussehen. Vieles geht einfach unter. Aber es muss nicht immer bedeuten, dass nur derjenige ‚groß raus kommt’, der die entsprechenden Produktionsfirmen hinter sich hat. Für etliche Filmemacher und Schauspieler ist die Berlinale das gepriesene Karrieresprungbrett“. Er verwies auf seinen Bekannten Andreas Dresen und dessen Film „Halbe Treppe“, während er sich auf einem klobigen Holzstuhl mit grauem Kunstlederüberzug zurücklehnte. Dieses ergonomische Meisterwerk ist ein Geschenk der Evange-

Regisseur Thomas Frick: Verschrobene Charaktere und makabere Situationen. moritz


april 2005

Ein bunter Reigen

Das breite Spektrum der Berlinale „Asylum“ (Regie: David MacKenzie) In die ästhetisch befremdliche Welt der 1950er Jahre fügt sich eine tragische Geschichte um eine düstere Irrenanstalt. Die Frau des neuen Direktors (Natasha Richardson – sie erschien etwas zu „offenherzig“ auf dem roten Teppich) versucht der patriarchalen Gesellschaft durch ein Verhältnis mit einem Patienten zu entfliehen. Dieser steht unter der Obhut des Leiters der

Vertreter unserer urbanen Kultur in ihrer intimen Lebenswelt vor. Einen verschrobenen Althippie, einen arbeitslosen Mittdreißiger und eine orientierungslose Schülerin verbindet, dass sie ihre Sorgen im exzessiven Tanz vergessen machen – jeder in seiner Musik natürlich. Fazit: Die grotesken Einblicke in alltägliche „Parallelgesellschaften“ sollte man sich nicht entgehen lassen – der Film soll demnächst im ZDF ausgestrahlt werden.

„On the Objection Front“ Regie: Shiri Tsur In diesen israelischen Dokumentarfilm werden einzelne Eliteoffiziere vorgestellt, die sich weigerten an militärischen Interventionen und Vergeltungsmaßnahmen in den palästinensischen Gebieten teilzunehmen. Sie schlossen sich zu einer Vereinigung zusammen und waren durchaus bereit für ihr Verhalten Degradierungen und Gefängnisstrafen in Kauf zu nehmen. Dieser schweren Thematik stand in gewisser Weise der Wettbewerbsbeitrag „Paradise Now“ (Regie: Hany AbuAssad) gegenüber, dass sich palästinensischen Selbstmordattentätern widmet. Fazit: Wenn sich die Möglichkeit ergibt, einen derartigen Einblick zu erhalten, hilft es vielleicht, eine schablonenPotsdamer-Platz-Arkaden: Filmtickets für’s Volk. haft dualistische BeFoto: Arvid Hansmann trachtung der Problematik zu überwinden. geschlossenen Abteilung (Ian McKellen – der Bart ist ab), der „Panzerkreuzer Potemkin“ ebenfalls ein Auge auf die Dame Regie: Sergej Eisenstein geworfen hat. Die Sache hätte eine Dieser Meilenstein der Filmgegute „Hannibal-Lecter-Geschichte“ schichte wurde in der „Volksbühne“ werden können, verstrickt sich in der rekonstruierten Fassung von dann aber in einer schwermütigen 1926 mit dem Babelsberger FilmTragik. orchester aufgeführt. Die intensive Fazit: In der entsprechenden StimBildfolge sowie die äußerst eingängmung kann man sich dieses Werk liche und die perfekt abgestimmte antun – ein Fall zum Beispiel für Musik von Edmund Meisel lassen „CineExtra“. zeitweilig selbst George Lucas und John Williams alt aussehen. „Dancing with myself“ Fazit: Das Verhältnis von Musik Regie: Judith Keil und und Film muss auch in unseren Antje Kruska Tagen stärker diskutiert werden. Dieses dokumentarische Porträt stellt drei äußerst unterschiedliche

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lischen Studentengemeinde (ESG), das sie ihm bei ihrem Auszug aus dem geschichtsträchtigen Turm der Jakobi-Kirche im Herbst 2003 übergab. Als Frick damals einige seiner Filme vorstellte, entsann er sich ein wenig melancholisch seiner „Greifswalder Zeit“, in der er unter anderem auch Vertrauensstudent in der ESG war. Auf die Frage, ob er sich in Zukunft auch vorstellen könnte, an einem großen „Blockbuster“ mitzuwirken entgegnete er: „Wenn sich solche Möglichkeiten ergeben, kann wohl kaum jemand „nein“ sagen. Aber es ist halt nicht gerade einfach, an derartige heranzukommen. Im März fangen hier auf dem Babelsberger Studiogelände die WachowskiBrüder an, für den Film „V for Vendetta“ zu drehen. Die Natalie Portman kommt ja auch hierher ...“ – „Ja ich weiß!“ konterte ich fasziniert und hoffte nun, jemanden mit dem entsprechenden „Vitamin B“ vor mir zu haben, der mir vielleicht einen Set-Besuch oder gar eine Statistenrolle organisieren könnte. „Also da kann ich dir leider auch nicht sehr viel weiterhelfen. Wenn die großen amerikanischen Produktionsfirmen hierher kommen, bringen sie meist ihre ganze Crew mit. Für Außenstehende ist es äußerst schwer dort heranzukommen.“ Nachdem Thomas Frick geduldig den sturzbachartigen Ausführungen zu meiner Sicht auf die Medienwelt gelauscht hatte – ich ließ ihn in diesem „Interview“ eigentlich kaum zu Wort kommen, wie ich mir hinterher eingestehen musste – kam nach knapp zwei Stunden seine Freundin dazu, die ich gleich ins Gespräch mit einband. Da wir alle an diesem Tag noch etwas anderes vorhatten, verabschiedete ich mich von den beiden, die sich nun – mit einer Taschenlampe bestückt – über den Dachboden in das Nachbarhaus begaben, während ich das Mietshaus regulär über das knarrende Treppenhaus verließ. Ich musste wieder zurück zum Potsdamer Platz und mich routiniert zum Fotografieren der „Stars“ auf den Klapphocker stellen, denn eine offizielle Presseakkreditierung war dem moritz erneut nicht zuerkannt worden. Das „blutunterlaufene Auge“ vom Anfang war übrigens nur so ein Schaumzuckerteil, das sich in der Küche befand.

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vo v or rb biilld de er r h ho oc ch hs sc ch hu ullp po oll iit tiis sc ch he er r a ak kt te eu ur re e

(LDP). Er wird Landesjugendreferent der LDP – einer zu dieser Zeit unter dem sowjetkommunistischen Besatzungsrecht absolut legitimierten Bewegung, aus der die spätere FDP hervorgehen wird. Daraufhin ist Esch Mitglied des geschäftsführenden Parteivorstands in Berlin, der einzige aus Mecklenburg-Vorpommern. Von Robert Gabel Was war nun aber der Vorwurf an ihn und seine Gruppe? Die Anklage Stellt Euch vor: Einer von euren werden und: Er organisiert und auf „Subversion gegen den SowjetKommilitonen, mit dem Ihr täglich baut auf. staat“ sollte ausreichen, um die jungesprochen, gefetet und gestritten Er will den „Liberalismus“ erläugen Wissenschaftler abzuurteilen. habt, ist plötzlich verschwunden – tern, erklären und methodisch entViele seiner Bekannten und Parheute ist das eher unspektakulär, wickeln – ein Begriff, der seit 14 teifreunde hatten die Sowjetzone denn unsere Welt ist groß und frei. Jahren deutschen Wahns gerade schon vorher verlassen, teils aus In den 50er Jahren des Sozialismus jungen Leuten fremd ist. Denn das wirtschaftlichen Gründen, teils aus der DDR war das anders und geschlossene Weltbild des Marxispolitischen. Arno Esch ist geblieben, Liberalität gefährlich. mus-Leninismus zielt darauf ab, bewusst – wenn auch idealistisch – Arno Esch, ein 23-jähriger RosMenschen zu verbiegen und gleichund voll Vertrauen in die Kraft tocker Jurastudent wurde 1951 in zuschalten – wie zuvor. Da muss demokratischer Werte wie einem Moskauer Gefängnis Aufklärung, Freiheit und erschossen. Mit Arno Esch Fortschritt. wurden fünf andere LiberalDie Wahlergebnisse der ersdemokraten in die Sowjetten – und auf über 40 Jahre union verschleppt und umgeletzten – freien Wahlen sprabracht. Acht weitere „Mitverchen auch eine deutliche schwörer“ erhielten lange Sprache. Überall holten die Haftstrafen in den Gulags der Liberalen zweistellige ErUdSSR. gebnisse und stellten in Was aber war damals los, und Sachsen-Anhalt den Ministerwer war Arno Esch? Ein junger präsidenten. Mann, im Jahr 1928 im damals Hans-Dietrich Genscher hat litauisch verwalteten Memelals eine seiner stillen, ersten land geboren, flüchtete er 1944 Aktionen der Wendezeit die vor dem Krieg, der ihn dann vollständige Rehabilitierung 16-jährig als Marinehelfer Arno Eschs vor einem sowjetizwangsweise einholte und seischen Appellationsgericht nen Pazifismus prägen sollte. bewirkt. Recht und Gerechtigkeit waren Was der Gruppe der „Weißen in der Nachkriegszeit der Rose“ vergönnt war – WertSowjetzone ein geheucheltes schätzungen, Ehrungen, ÖfThema. Esch wollte mit einem fentlichkeit – haben Arno Jurastudium an der UniversiEsch und seine Freunde bistät Rostock nicht nur Gewissher nicht erhalten. Was bleibt, heiten und Handhabungsforist neben der Trauer die men, sondern HandlungsgeAufmerksamkeit für Recht wissheit. und Gerechtigkeit – und für Weltbürger Esch: „Ein liberaler Chinese steht mir näNeben seinem Staatsexamen Freiheit und deren Ursachen her als ein deutscher Kommunist.“ und seiner entstehenden Hain Geschichte und Gegenwart. bilitation findet politische Arbeit man praktisch argumentieren und Freiheit ist ein sehr verletzliches statt. Die ist geprägt durch seine handfeste Alternativen bieten – Gut, dessen Wert meist erst umgeErfahrung des Krieges und die Arno Esch arbeitet nicht provokant, kehrt proportional zu seiner Analyse der Zeit davor und jetzt. eher vorsichtig, sachlich und intelAbwesenheit begriffen wird. WahrEsch weiß, dass nach dem Lärm der lektuell. Aber genau das macht den scheinlich müssen wir immer wieBomben, ein Wiederaufbau mehr Sowjets Angst. der üben, der Kraft der Freiheit zu sein muss als Stein auf Stein - er Esch und seine Freunde haben vertrauen und deshalb allen Andenkt diesen Wiederaufbau grundHoffnungen, sie glauben an den balfängen wehren, die diese gefährden, legend politisch und zu offenherzig. digen Rückzug der sowjetischen dann macht auch Arno Eschs Opfer Auf keiner Veranstaltung und Besatzer und an eine künftige für uns einen Sinn. Kundgebung fehlt er. Er weiß, Demokratie. So entsteht mit ihm die Robert Gabel ist Kreisvorsitzender Strukturen müssen gebildet, gefestRostocker Hochschulgruppe der der Jungen Liberalen in Greifswald. igt und liberale Werte mitgeteilt Liberal-Demokratischen Partei 36 moritz

„Mein Vaterland ist die Freiheit“ – Arno Esch

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Auf Einsteins Spuren

Das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Greifswald

Von Sarah Rieser

april 2005

Keine neumodische Architektur sondern moderne Physik. Beispiel auf der Sonne herrscht, hier nicht herstellbar ist, braucht man eine sehr viel höhere Temperatur von rund 100 Millionen Grad Celsius, um eine Kernfusion möglich zu machen. Als Grundlage für die Fusion dient ein Plasma. Als Plasma bezeichnet der Physiker ein ionisiertes Gas, das zu einem Anteil aus freien Ladungsträgern – zum Beispiel Elektronen – besteht. Es kommt auf der Sonne und den anderen Sternen natürlich vor, auf der Erde muss es künstlich erzeugt werden. Um es aufrecht zu erhalten, muss ihm ständig Energie zugeführt werden. Geschieht dies nicht, verlischt es wieder. Ein effektiver Kernfusionsreaktor müsste also in der Lage sein, mehr Energie zu produzieren, als zur Aufrechterhaltung des Fusionsplasmas notwendig ist. Besonders viel Energie wird frei, wenn man schweren und überschweren Wasserstoff (Deuterium und Tritium, das aus Lithium gewonnen wird) miteinander verschmilzt. Die Reaktionsprodukte Helium und ein Neutron haben weniger Masse als die Ausgangspro-

Foto: IPP

dukte. Die „fehlende“ Masse wird als kinetische Energie auf die Reaktionsprodukte übertragen. An dieser Verschmelzung wird in Greifswald gearbeitet. Zurzeit wird mit Mitteln der EU, der Bundesrepublik und des Landes ein Großexperiment der Fusionsforschung, der Wendelstein 7-X gebaut. 2010 soll er fertig sein. Überwindet man die technischen Schwierigkeiten, so hat die Kernfusion als Energiequelle verschiedene Vorteile, wie Institutsleiter Wagner erklärt. Sie würde eine dauerhafte Form der Energieversorgung darstellen, ohne durch CO2Emissionen die Umwelt zu belasten. Die beiden Grundstoffe Deuterium und Lithium sind in der Natur, im Gegensatz zu fossilen Brennstoffen wie Kohle, in praktisch unbegrenzter Menge vorhanden. Im Vergleich zur Kernspaltung entstehen weniger radioaktive Nebenprodukte, und die entstehenden haben eine geringe Halbwertszeit von rund 100 Jahren. Bis zum ersten kommerziellen Fusionsreaktor wird es wohl noch etwas dauern, aber die ersten Schritte sind getan.

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2005 ist Einsteinjahr. Vor 100 Jahren veröffentlichte Albert Einstein, der unbekannte Patentbeamte aus Bern, die Aufsätze, die ihn auf einen Schlag berühmt machten und die Physik revolutionierten. Auch heute noch sind Einstein und seine Relativitätstheorie in aller Munde, und das Einsteinjahr mit seinen Feierlichkeiten und Ausstellungen zu Ehren des Physikers wird, so hofft Professor Friedrich Wagner, der Institutsleiter des Max-PlanckInstitutes, auch dazu beitragen, das Interesse an der Physik in der Bevölkerung aufrechtzuerhalten. Denn die Physik ist überall um uns herum, ihre Entdeckungen und Erfindungen revolutionieren unser Leben. Ohne die Halbleitertechnologie gäbe es keine CD-Player, ohne die Physiker des CERN kein Internet. Und auch Einstein und seine Ideen beeinflussen uns noch heute: Navigationssysteme müssen die Gesetze der Relativitätstheorie beachten. Und vielleicht helfen seine Forschungen eines Tages dabei, die Energieprobleme unserer Zeit zu lösen. Denn daran arbeiten die Physiker des Max-Planck-Institutes. Es geht um die Kernfusion. Unter hohem Druck und enormen Temperaturen verschmelzen in den Sternen Atomkerne und setzen dabei ungeheure Mengen an Energie frei. Diesen Prozess auf der Erde zu reproduzieren, so dass ein Fusionsreaktor mehr Energie hervorbringt als zur Aufrechterhaltung des Fusionsplasmas notwendig ist, ist eine enorme technische Herausforderung, an der in Greifswald gearbeitet wird. Da der Druck, der zum

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Nudeln mit PutenSahne-Sauce Zubereitung

Zutaten

(für 4 Personen)

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250 gr Pilze trockener Weißwein 1 große Zwiebel 1 Knoblauchzehe 500 Gramm Putenbrustfilet Olivenöl 1 Becher Schmand (oder fettärmer: 1 Becher Creme Fraiche) 1 Becher Sahne 1 Packung Kräuterfrischkäse Instant-Gemüsebrühe Basilikum Lorbeerblätter

Ganz zu Anfang Pilze abtropfen und in Weißwein einlegen. Zwiebeln, Knoblauch und Fleisch möglichst klein schneiden. Die Zwiebeln zusammen mit der kleingehackten Knoblauchzehe in einem großen Topf in Olivenöl anbraten bis sie glasig sind. Das Fleisch mit Salz und Pfeffer würzen, in den Topf dazugeben und solange garen, bis es fest wird. Pilze und einen Schuß Weißwein in den Topf schütten. Kurz aufkochen und Herdplatte anschließend auf kleine Hitze stellen. Schmand, Sahne und Frischkäse hinzufügen. 1 EL Zucker beimengen und abschmecken. 1 TL Gemüsebrühe in ein wenig Wasser auflösen und in die Sauce einrühren. Zum Abschluss mit Basilikum garnieren.

wenig Wasser verdünnen und der Sauce langsam und vorsichtig beimengen. Nudeln in reichlich gesalzenem Wasser mit einem TL Olivenöl und einem Lorbeerblatt kochen, bis sie al dente sind. Im nächsten moritz dann die Auflösung, wer Michi ist und warum er so gute Soßen kocht! moritz und Redaktion wünschen Guten Appetit!

Als Tipp: Falls die Sauce zu dünn ist, 1 EL Mehl in einer Tasse mit ein

dazu 500 Gramm Penne oder Spaghettini

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moritz


Zwei Flegel feiern Geburtstag Vor 140 Jahren veröffentlichte Wilhelm Busch seine erste Bildergeschichte Von Anne Waldow „Leicht kommt man an das Bildermalen, doch schwer an Leute, die's bezahlen. Statt ihrer ist, als ein Ersatz, der Kritikus sofort am Platz.“ Umso bedeutender waren und sind seine zahlreichen gemalten Bildergeschichten, die als Vorläufer der uns heute bekannten Comics gelten. Kurze, zugespitzte Texte und Bilder und eine an schwarzen Humor grenzende Komik zeichnen dabei alle Werke von Wilhelm Busch aus. Jedoch auch stets darauf bedacht, versteckte Kritik an dem status quo zu äußern.

Und wie immer in klassischen Geschichten siegt am Ende stets das Gute über das Böse, so dass Max und Moritz letztendlich auch das Zeitliche segnen. Dennoch sind die beiden Frechdachse bis heute nicht in Vergessenheit geraten und wer-

Max-und-Moritz-Opfer Onkel Fritz, Lehrer Lämpel, Schneider Böck. april 2004

Autor Busch: Er hat uns vieles gelassen, was lebendig bleiben wird.

Zeichnungen: Internet

den auch in Zukunft noch vielen Kindern und Erwachsenen ein Lächeln auf das Gesicht zaubern. So auch die vielen anderen Geschichten, die zwar weniger bekannt, aber nicht weniger amüsant sind. Wie zum Beispiel „Fipps, der Affe“ oder „Die fromme Helene“. 1908, kurz nach dem Tod von Busch, veröffentlichte der Schriftsteller Ludwig Thoma einen Nachruf in der Zeitschrift „Simplizissimus“, in dem es heißt: „Er hat uns vieles gelassen, was lebendig bleiben wird.“ Dass die dreisten Streiche der beiden Schelme im Besonderen dazu zählen, ist unumstritten. In diesem Sinne: Herzlichen Glückwunsch, Max und Moritz!

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Witwe Bolte verlor ihre Hühner. Danach verschwand auch ihr Hühnerbraten. Schneider Böck fiel in einen Bach und wurde dann von seiner Frau trocken gebügelt. Lehrer Lämpel verlor seine Haare beim Pfeiferauchen. Onkel Fritz musste sich mitten in der Nacht mit Maikäfern rumschlagen. Und Bauer Mecke hatte plötzlich kein Korn mehr in seinem Getreidesack. Und das alles nur wegen zwei frechen Lausbuben, die in diesem Monat ihren 140-jährigen Geburtstag feiern. Na, von wem ist wohl die Rede? Natürlich, von Max und Moritz! 1865 erschienen die bekannten „sieben Streiche“ in einer Bildergeschichte in der Zeitschrift „Fliegende Blätter“ in München. Es war die erste und auch populärste Bildfolge von Wilhelm Busch, der sich damals damit seinen Lebensunterhalt sicherte. Derweil träumte Busch zeitlebens davon, als ernsthafter und passionierter Maler anerkannt zu werden. Immerhin absolvierte er 18511854 eine professionelle Ausbildung zum Kunstmaler. Doch dieser Traum sollte sich nicht verwirklichen: Als Satiriker war er in seiner Epoche konkurrenzlos, aber als Kunstmaler blieb er zeitlebens ein Unbekannter. Unzufrieden über diese Situation schrieb er einst:

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Zurückgekehrt Über Hélène Grimaud, ihr Buch und ihre neue CD

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Wolf oder Sonate? Für Hélène Grimaud wäre das keine Frage. Denn sie verbindet beides seit Jahren mit Leidenschaft: den Flügel für ihre Musik und die wilden Schmusetiere als Seelenverwandte während ihres Rückzugs in die Natur. Kein Wolfstick. Sondern eine aufrichtige Zuneigung, die zuletzt in ihrem Buch „Wolfssonate“ gipfelte. Die Originalausgabe der bezaubernden Autobiographie „Variations sauvages“, wilde Variationen, erschien allerdings in Frankreich bereits vor zwei Jahren. Dennoch. Neben dem Buch kehrte die 1970 in Aix-en-Provence geborene Pianistin im Februar mit ihrem ersten Solorecital für die Deutsche Grammophon in die hiesigen Landen zurück. Das Konzept „Tod und Transzendenz“ steht hinter den Klaviersonaten der Romantiker Frédéric Chopin (1810–1849) und Sergei Rachmaninov (1873–1943). Bei beiden jeweils die zweite. Chopins Berceuse in Des-Dur und Barcarolle in Fis-Dur runden das Ganze ab. Was die Einspielung an Fragen offen ließ, beantwortete das ausverkaufte Konzert am 24. Februar im Großen Saal der Berliner Philharmonie. Der reißende Fluss von Noten war nicht gedankenlose Hast, sondern ein befreites Ausleben der komponierten Seelengemälde auf schwarzen und weißen ur Tasten.

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Alles Bestens!

Aus dem Theater Vorpommern Von Uwe Roßner Der Jubel des Publikums am Ende fünften Philharmonischen Konzerts wollte nicht abbrechen. Romely Pfund und das Orchester Vorpommern hatten sich ihn nach dem

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Leon Fleisher.

Musik, bitte!

Gespielt: Hindemiths Klavierkonzert für linke Hand Endlich! Die „Klaviermusik mit Orchester“ ist gefunden, uraufgeführt und als Partitur herausgebracht worden. Am 9. Dezember des vergangenen Jahres verzückte Sir Simon Rattle mit seinen Berliner Philharmonikern das Publikum. Für den Pianisten Leon Fleisher ging an diesem Abend im Großen Saal des Hans-Scharon-Baus ein Lebenstraum in Erfüllung. Nach der Einspielung aller bisher bekannten und für Paul Wittgenstein komponierten Klavierkonzerte für linke Hand (beispielsweise Ravel, Prokofjew) fehlte ihm nur noch das lange für verschollen gehaltene Werk von Paul Hindemith. Erst im Jahre 2002 fand die Hindemith-Stiftung im Nachlass des Pianisten Paul Wittgenstein eine zwar sauber angefertigte, aber mit Fehlern behaftete Abschrift unbekannter Herkunft. Besagter Bruder des bekannten Philosophen vergab zwar den Auftrag an den Komponisten und bezahlte das fer-

Beschließen des in dieser Spielzeit zu Ende gehenden Beethovenzyklus unter dem Motto „Natur und Tanz“ wahrlich verdient. Der straffe Taktschlag der Dirigentin ließ in der sechsten und siebten Symphonie Beethovens keinerlei schwülstigen Pathos zu, sondern präsentierte die Partitur mit einer wohldosierten Portion Biss und Kantigkeit. Zuletzt glänzte ja das Orchester im Greifswalder Hause mit der LoriotFassung von Richard Wagners „Ring der Nibelungen“. Den Sängern leuchteten vor Musizierlust die

tige Werk, behielt sich jedoch zeitlebens das alleinige Aufführungsrecht vor. Aber trotz Widmung, die auch heute noch in der Partitur steht, blieb das 1923 fertiggestellte Opus 29 der Öffentlichkeit vorenthalten. In einem Brief vom 4. Mai des Vollendungsjahres heißt es: „Es würde mir leid tun, wenn Ihnen das Stück keine Freude machen würde – vielleicht ist es Ihnen anfänglich ein wenig ungewohnt zu hören – ich habe es mit großer Liebe geschrieben und es sehr gerne.“ Eine Reaktion Wittgensteins ist nicht überliefert. Ihm gefiel es wahrscheinlich nicht, zu weit lagen die musik-ästhetischen Berührungspunkte von Komponist und Interpret auseinander. Während Wittgenstein spielend in der Romantik verharrte, brach Hindemith mit Papier und Feder wagemutig in das 20. Jahrhundert auf. So blieb der Öffentlichkeit lange Zeit eines der letzten Meisterwerke der Moderne vorenthalten. Es ist eine Komposition musikantischen Zugriffs. Es ist Spielmusik von einer erfrischenden horizontalen Geradlinigkeit in der Partitur und im Konzert. Es ist ein Werk, das das Zeug hat zu den großen seiner Zeit zugerechnet werden zu können. Leider fehlen noch bisher die dafür helfenden Einspielungen. Das Konzertpublikum der Uraufführungsstunde war sich einig: Hindemiths Klaviermusik mit Orchester ist eine Sensation. Keine Frage. Eine Sensation, bei der das Klavier nur eine Stimme ur innerhalb des Orchesters ist.

Augen und Rüdiger Bloch gab in der Rolle des Loriot die passenden Spitzen des trefflich zusammengestrichenen Gesamtkunstwerks. Nach so viel Wettstreit zwischen Loriot und Wagner sei allen Besuchern des hiesigen Mußentempels Bernsteins „Candide“ empfohlen. Hier heißt es ‘Voltaire vs. Leibnitz’. Eine Produktion reich an Kostümen, ansprechendem Bühnenbild, knackiger Musik und genügend Philosophie. Denn was steckt eigentlich hinter der bestmöglichen aller Welten? Viel Theater. Ganz gewiss.

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Warner Classics

Sterne über dem Meer Duo Beltango kein Label

Ein erster Hinweis ist wichtig: Diese CD wurde im Juni 2004 in den Medienwerkstatt der Universität Greifswald aufgenommen. Vielleicht noch ein zweiter Hinweis. Dafür sollten wir einmal kurz dem alten Louis lauschen. Genau – Louis Armstrong: „It takes two to Tango.“ Beidem, der Musik des Tangos und dem spielerischem Miteinander, hat sich das Duo Beltango verschrieben. Hinter dem Ensemblenamen stecken die Klarinettistin Annette Fischer und Akkordeonistin Karen Salewski. Beide Musikerinnen arbeiten und leben in Greifswald. Auf ihrer CD mit dem malerischen Namen „Sterne über dem Meer“ widmen sie sich leidenschaftlich dem finnischen Tango. Jenem, der klar im Rhythmus und verführerisch einem leicht melancholischen Tone daherkommt. Doch was im Allgemeinen für die Tänzer stimmt, trifft auch auf die Musiker zu: Sie müssen passen, zusammenpassen, im feurigen Spiel zugleich den kühlen Kopf bewahren. Beim Greifswalder Duo mag man nach dem Durchlauf der CD bedenkenlos den Repeatknopf drücken. Das Tangofieber lässt einen nicht los: weder im Kopf, noch in den Beinen. Ach ja – aller guten Dinge sind drei. Hier nun der letzte Hinweis: Die „Sterne über dem Meer“ erhält man über folgenden ur Kontakt: 03834 / 50 31 74. april 2005

Der Brauch ist ein russischer. Es ist einer, der sich in der jüngeren Musikgeschichte des Landes langsam festsetzte. Komponisten entschieden mittels eines Werkes einem verstorbenen Freund oder Kollegen ein musikalisches Denkmal zu setzen. Als Form wurde das Klaviertrio bevorzugt. Mit diesem Anliegen verfassten Sergei Rachmaninov und Dmitri Schostakovitsch ihre Opera 9 und 67. Das unerwartete Verscheiden des von ihm verehrten Pjotr I. Tschaikowski erschütterte Rachmaninov, der am Todestage beginnend seine Referenz nach zwei Monaten vorlegte. In einem Brief an einen Freund heißt es: „Dieses Werk ist eine Komposition auf den Tod eines großen Künstlers. Es ist nun abgeschlossen, deshalb kann ich zu Dir sprechen. Während ich daran arbeitete, gehörten all meine Gedanken, Gefühle und Kräfte ihm, diesem Gesang … Ich habe um jede Phrase gezittert, manchmal alles ausgestrichen und von vorne begonnen.“ Ähnlich erging es Dmitri Schostakowitsch nach dem Tod Ivan Sollertinskijs. Der Gedanke an ein Klaviertrio bewegte ihn seit langem, erste Skizzen gab es bereits es dafür. Zehn Tage nach dem Tod seines engen Freundes griff er diese Idee wieder auf und führte sie mit ganz neuem musikalischem Material zu Ende. Beiden Werken widmet sich das Kniazev-Trio in seiner neuesten Einspielung. Der Violinist Dmitri Makhtin, der Cellist Alexander Kniazev und der Pianist Boris Berezovsky nehmen sich mit Inbrunst den Tonschöpfungen ihrer Landsmänner an. Der Zugriff ist musikantisch und spannungsreich. Entsprechend der kompositorischen Anlage lassen die drei Instrumentalisten bei Rachmaninov das Klavier und bei Schostakovitsch ein abgestimmtes Miteinander den musikalischen Fluss beherrschen. Manchmal stellt sich allerdings ganz vorsichtig die Frage, wie viel spielerische Lebensgier dem Andenken angemessen ist. ur

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Sing and Dance Sophie Zelmani Sony Music

Die akkustische Gitarre dümpelt etwas im Trüben vor sich hin, das Klavier hellt mit Akkorden vorsichtig die Stimmung auf, ein Ansatz einer Melodie, und dann gesellt sich Sophie Zelmanis zarte Stimme dazu: „Don´t you ever go out/ When was the last time when you were out“. Zwar hebt der Titel „Oh Dear“ recht unbestimmt an, gewinnt jedoch zunehmend an Lebensfreude und Intimität und klingt in schwelgenden Soli von Gitarre und Klavier aus. Das Schlagzeug fällt fast gar nicht auf.

Sophie Zelmani.

„Sing and Dance“, das 2001 erschiene, vorletzte Album der Schwedin Sophie Zelmani, versprüht eine für sich einnehmende Vertrautheit. Es ist ein Album, das auf leisen Sohlen daherkommt, sich den Ohren anschmiegt und in seiner Lieblichkeit hängen bleibt. Ein möglicher Begleiter für stille Stunden. Jemand, dem man zuhört, weil er sich nicht aufdrängt. Die Texte zeugen nicht von verklärter Weltfremdheit, sondern vom einem wachen Blick und schmunzelnden Lippen. Musikalisch umsponnen von Klavier, Gitarren und Schlagzeug geht die Reise, an deren Ende Mann oder Frau weiß „How It Feels“. Eine Platte passend zum Frühling, zu Schmetterlingen im Bauch und eine wunderbare Liebeserklärung an die ur Stille in der Musik.

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Rachmaninov – Schostakowitsch: Piano Trios Kniazev-Trio

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Péter Zilahy Die letzte Fenstergiraffe Eichborn

„Milosevic’ Vater wurde vom Mittelschulreligionslehrer zum Russischlehrer, bevor er sich von den Felsen von Cattaro ins Meer stürzte. Seine Mutter erhängte sich, sein Onkel, der General, schoss sich mit zwei Revolvern stereo in den Kopf. Ein Transparent der Studentendemos ruft zur Bewahrung familiärer Traditionen auf.“ Péter Zilahy schreibt in seinem neuesten Buch voller Witz, Provokation

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Kapitalismus auf Zelluloid Glengarry Glen Ross Columbia TriStar

Ob man in der Mensa sein Gegenüber von der Notwendigkeit des Nummerntausches überzeugen will, oder ob man an der Uni um gute Noten buhlt – sich zu verkaufen gehört zum täglichen Geschäft. Ricky, Shelley, George und Dave haben ihr Können zum Beruf gemacht. Sie sind Versicherungsvertreter. Man könnte auch sagen, sie prostituieren sich. Ricky, gespielt von Al Pacino, ist der erfolgreichste von ihnen, die Spitze

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und sowjetischer Nostalgie. Es geht um Revolution, um den Alltag des Lebens und Anekdoten, die einen schmunzeln lassen. Zilahy schreibt über ein fernes Land, eine scheinbar andere Welt und doch sind die Orte des Geschehens nicht weiter weg als Paris oder Wien. Ein „Revolutions-Alphabet“ heißt es, da der Autor das Buch wie ein Lexikon aufbaut. Es beginnt mit dem ersten Buchstaben des ungarischen, kroatischen, serbischen oder auch bosnischen Alphabets „a“ und endet mit dem letzten: „zs“. Der Titel des Werkes heißt deshalb „Fenstergiraffe“. Es bedeutet nichts anderes als „Ablak-Zsiráf“, womit die meisten Kinderlexika dieser Länder anfangen und enden. Zu jedem dieser Buchstaben sucht Péter Zilahy ein paar passende Wörter und fängt an zu erzählen. Über das Leben, die Diktatur, die Armee, die Revolution... Er lässt wenig aus und weiß immer mit einer Pointe abzuschließen. „Die letzte Fenstergiraffe“: Eine Sammlung von Kurzgeschichten, die uns Teil der Revolution lassen KJ werden.

Guillermo Martinez Die Pythagoras-Morde Eichborn

Was kommt dabei heraus, wenn ein promovierter Mathematiker mit dem Spezialgebiet Logik einen Kriminalroman schreibt? Gut 200 spannungsgeladene Seiten und ein

der firmeninternen Verkaufscharts, und wird von seinen Kollegen (Jack Lemmon, Alan Arkin und Ed Harris) dafür gehasst. Tempo kommt in die Sache, als das Firmenmanagement den Druck erhöht und einen Verkaufswettbewerb ausruft. Um den überlebenswichtigen Bonus zu erhalten, wird auch vor Raub und Betrug nicht zurückgeschrekkt. Wer nicht verkauft, fliegt. Friss oder werde gefressen. Darwin lässt grüßen. Regisseur James Foley machte sich mit „Die Kammer“ schon international einen Namen. Das Drehbuch ist

furioses Ende – zumindest wenn man es wie Guillermo Martinez versteht, die Gratwanderung zwischen Kriminalistik und faszinierenden Exkursen ins Reich der Logik zu meistern. Bei den „Pythagoras-Morden“ erwartet den Leser nicht das klassische Mörder-und-Gendarm-Spiel à la Sherlock Holmes, denn die Rolle des Jägers übernimmt ein junger argentinischer Mathematik-Student, der zum Studium nach Oxford kommt und bald nach seiner Ankunft zum Zeugen eines Mordes wird. Da es bei einem Mord jedoch nicht bleibt und jedes Mal, kurz bevor der Täter wieder zuschlägt, eine Notiz mit mathematischen Zeichen auftaucht, ist der ganze Scharfsinn des „Schülers des Pythagoras“ gefragt. Manchmal ist des Rätsels Lösung eben doch näher, als man glaubt. Die etwas andere Art des Krimis wie Martinez ihn schreibt, ist erfrischend und fesselnd. Daneben gelingt es dem Autor jedoch auch, den realen Hintergrund nicht aus dem Blick zu verlieren. So werden ganz nebenbei die Grundideen von Wittgenstein, Gödel und Pythagoras erklärt, ohne dass einem dabei langweilig wird. Doch "Die Pythagoras-Morde" ist kein Lehrbuch. Es ist ein spannender Krimi, der immer dann mit einem neuen Indiz aufwartet, wenn man gerade glaubt, den Mörder zu kennen. Alles lässt sich eben doch nicht mit logischer Mathematik erklären. ring

eine Adaption von David Mamets gleichnamigem Bühnenstück. Der Theatercharakter ist deutlich spürbar: Der Film spielt nur an rund fünf verschiedenen Schauplätzen und ist dialoglastig. Brüskiert und mitunter entsetzt findet sich der Zuschauer in einem spannend gezeichneten Existenzkampf wieder. Verfügbar ist der Film in Deutsch und Englisch. Soll sich allerdings auch die DVD gut verkaufen, muss an den Extras (3 Trailer) allerdings noch gefeilt werden. Ein Insider für alle, denen Blockbuster zu viel geworden sind. jmk

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Einfühlsam

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Liam Neeson und Laura Linney in „Kinsey“ Amerika in den 40-er Jahren. Ein Land dessen Gesellschaft zutiefst konservativ ist, dessen Jugendliche mit ihren Ängsten und Fragen zum Thema Sexualität allein gelassen werden und aus der Schuldgefühle nicht wegzudenken sind. Auch Alfred Kinsey leidet unter diesen prüden Verhältnissen. Sein Vater würde ihn gern als makellosen Teil dieser Gesellschaft sehen, als Priester. Doch Kinsey bricht aus, wird gegen den Willen seines Vaters Biologe. Er nimmt wahr, wie verunsichert und ängstlich seine Studen-

Auf dem Weg zu sich selbst: Nick (Til Schweiger) und Leila (Johanna Wokalek).

Realität und Märchen

Zwei Meinungen zu Til Schweigers neuem Film „Barfuss“

ten sind und hält Kurse über die Sexualität des Menschen. Er vertieft sich in die Forschung, stellt ein Team zusammen, befragt tausende von Menschen und veröffentlicht ein revolutionäres Buch über die Sexualität des Mannes. Amerika ist schockiert, doch für viele wirkt dieses Buch wie ein Befreiungsschlag. Die freie Liebe, für die Kinsey Plädoyers hält, sorgt gleichzeitig für ein emotionales Chaos und Beziehungskrisen bei ihm, seiner Frau und seinen Mitarbeitern. Ein sehr einfühlsames, emotionales Werk, das mit leisen, dramatischen und auch humorvollen Tönen das Leben eines Wissenschaftlers beschreibt, der versucht, in dem repressiven Klima des verklemmten Amerika für mehr Offenheit und Natürlichkeit zu sorgen. Doch auf dem Weg wird auch deutlich, dass Emotion und Verstand fast unvereinbar scheinen. Regisseur Bill Condon wirft die Frage auf, ob sich die Gesellschaft bis heute tatsächlich so verändert hat, wie man vielne leicht denken mag. april 2005

Eigentlich hat Nick schon genug Probleme: Keinen festen Job, keine Freundin, und noch dazu machen ihm sein Stiefvater und sein Bruder das Leben zur Hölle. Nachdem er auch den letzten Job als Putzhilfe in einer psychiatrischen Klinik verliert, kann er gerade noch verhindern, dass sich die junge Leila vor seinen Augen erhängt. Niedergeschlagen geht er nach Hause und findet Leila kurz darauf vor seiner Tür vor. Sie lässt sich nicht abwimmeln und hat beschlossen, bei ihm zu bleiben… Eine rührende und lustige Erzählung, in der es leider hin und wieder an Realismus fehlt. Zudem wird nicht ganz klar, ob Til Schweiger (Regisseur und Autor zusammen mit Jann Preuss) ein Märchen, eine Romanze oder einen nachdenklichen Film schaffen wollte. Und wenn dann auch noch Axel Stein und Markus Maria Profitlich ihren Comedy-Kurzauftritt absolvieren, ist die Verwirrung komplett. Die Kameraführung ist gut gelungen. Allerdings hätte man sich mehr Gedanken machen können, ob die sehr stereotype Darstellung einer psychiatrischen Klinik komisch oder ernsthaft wirken soll. Denn die Grenzen zwischen einer gewissen oberflächlichen „Klapsen-Romantik“ und dem ernsthaften Versuch, gesellschaftskritische Elemente unterzubringen, verschwimmen ne stark.

Til Schweiger zeigt überraschend, dass er das Zeug zum Märchen und zur einfühlsamen Tragikomödie hat. Newcomerin und WienerBurgtheater-Star Johanna Wokalek glänzt in der Rolle der Leila. Zart und sanft, mit der Neugierde eines Kindes, tastet sie sich ohne Schuhe und Strümpfe mit großen Augen durch den Alltag, den sie bisher nie kennen gelernt hat. Er hat mit ihr plötzlich eine Frau an den Hacken und den Geburtstag seines arroganten High-Society-Bruders vor sich. Der Film dümpelt am Anfang ein wenig in der Gleichgültigkeit zwischen Arbeitsamt und Psychatrie-Alltag vor sich hin, wird aber mit dem Zusammentreffen von Nick und Leila sehr warmherzig. Spätestens der Soundtrack – „Shrek“ läßt grüßen – macht klar: Dieser Film will und darf ein UK Märchen sein.

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Kinsey-Darsteller Neeson.

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Die Märchen von den Grimmbrüdern oder von Hans Christian Andersen kennt man seit der Kindheit. Afrikanische Märchen jedoch, sind in Europa weites gehend unbekannt. Dabei har Afrika viele Geschichte zu erzählen, die es lohnt zu lesen oder vorzulesen. Nelson Mandela, der ehemalige Präsident Südafrikas, hat seine Lieblingsmärchen aus seiner Heimat in einem Buch zusammengestellt, das im C.H. Beck Verlag erschienen ist.

Nelson Mandela: Meine afrikanischen Lieblingsmärchen

Früher wurden die Geschichten an den Lagerfeuern von Geschichtenerzählern der Stämme erzählt. Viele Jahrhunderte wurden sie von einer Generation auf die folgende weiter gegeben, sind von einem Volk auf ein anderen übergegangen und wurden immer wieder ausgeschmückt und erweitert. Die Hauptrollen übernehmen die Tiere des afrikanischen Kontinents, Tiere der weitläufigen Steppen und

des Dschungels. Sowohl in dieser der König der Tiere – der Löwe – Hinsicht, als auch in sprachlicher den anderen Tieren zu ihrem heutiHinsicht ähneln die Erzählungen gen Aussehen verhilft. Er verteilt eher unseren Fabeln. Die Sprache Geweihe, Hörner, Felle oder formt ist einfach ohne große Ausschmücder Giraffe einen langen Hals und kungen. Dennoch vermitteln die den Elefanten eine lange Nase. dem Leser einen Ähnlich wie in den Einblick in verganeuropäischen Fabeln gene afrikanische nehmen die Tiere Zeiten sowie in die Afrikas menschliche Kultur des GeschichEigenschaften an. Da tenerzählens. Denn gibt es Phiri, die Hyäne die Geschichten wuund Mmutla, den rden und werden Hasen, die wieder einschließlich von jemal versuchen, sich dem Erzähler ein gegenseitig auszustewenig anders erzählt hen: Wer macht die und jeder kann sie beste Medizin gegen mit seinen VorstelFeuer oder wer hat die lungen und Möglichbesseren Karten bei keiten ausschmüdem verletzten Löwe. Nelson Mandela stellt seine cken und untermaMit den Märchen lernt Lieblingsmärchen vor. len. Die Märchen man eine ganz neue sind von VolksSeite Afrikas kennen, kundlern aus allen Teilen Afrikas man erfährt mehr über die alte zusammengetragen worden und mit Lebensweise und Kultur dieses zahlreichen Bildern illustriert, an Kontinentes, die einerseits immer die man sich als Betrachter gewöhwieder überraschen und anderernen muss. seits wunderbar zum selber lesen Thematisiert wird häufig die Entsteoder zum Vorlesen sind. Denn so hungen der Tier- und Pflanzenwelt. reichhaltig und vielfältig Afrika ist, So erzählt Pieter W. Grobbelaar von sind auch die Lieblingsmärchen von lil einem Fest in der Savanne, bei dem Nelson Mandela.

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Hirnakrobatik Von Vera Doering

Hellas! Willkommen zum neuesten kreuzmoritsel. In die richtige Reihenfolge gebracht, ergeben die hinterlegten Buchstaben diesmal den letzten Buchstaben des griechichischen Alphabets. Viel Erfolg beim Knobeln! Waagerecht: 1. südamerikanisches Gebirge 5. französischer weiblicher Artikel 7. Staat in den Pyrenäen 10. englische Anrede „Herr“ 11. Möbelstück 13. Abkürzung für „außer Dienst“ 14. Schwung 16. Gefrorenes 18. Land in Osteuropa 20. KFZ-Kennzeichen von Rastatt 21. „zur Information“ (Abk.) 22. amerikanischer Schauspieler 26. Gewässer

27. KFZ-Kennzeichen München 28. Paarzeher der afrikanischen Fluss- und Seengebiete 32. chemisches Zeichen für Wasserstoff 33. „Landesversicherungsanstalt“ (Abk.) 34. Hauptstadt von Italien (italie nische Bezeichnung)

Senkrecht: 2. Frühlingsblumen (Mehrzahl) 3. geographischer Schnittpunkt der Erdachse

4. Musikinstrument 6. chem. Zeichen für Silber 8. Skatbegriff 9. schlangenähnliche Fische 10. die See 12. Wurfwaffe 15. KFZ-Kennzeichen Nürnberg 17. KFZ-Kennzeichen Stuttgart 19. Brennstoff 23. Stück eines Ganzen 24. Fluss 25. römischer Kaiser 29. „per anno“ (Abkürzung) 30. KFZ-Kennzeichen Frankfurt 31. veraltete Währungseinheit (Abk.)

Gewinner!

Passend zum Titelthema der letzten Ausgabe lautete das Lösungswort

FALLADA

KAREN

DWORATZSCH ZORAN VASIC

MARCUS

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Viele wussten die Lösung und drei Glückliche wurden ausgelost. Es sind

VOLLMER Lösungen bitte bis zum 30. April an moritz@uni-greifswald.de Stichwort: kreuzmoritsel. april 2005

Herzlichen Glückwunsch! Eure Tasse könnt Ihr in der moritz-Redaktion oder im AStA-Büro abholen.

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terlichen) Kreuzzüge widmet. Wenn der Diskurs über religiöse Fragen nicht mehr möglich ist und Glauben zur Privatsache degradiert wird, ist eine Fundamentalisierung vorprogrammiert. In solchen Fällen ist der dilettantische Umgang mit christlich-abendländischen Werten kein gutes Omen dafür, wer in dem heraufbeschworenen „Kampf der Kulturen“ die Oberhand gewinnen wird. Aus dem englischen Titel des Films wird der Bezug zum anbrechenden Reich Gottes ersichtlich, für das hier das schon oft angeklungene „Bild des Himmlischen Jerusalem“ die Vision lieferte, die die „Wahrlich, es würde euch bange tisch ist – würde vieles dieser IdenMenschen damals dazu bewegt hat, werden, wenn die ganze Welt, wie titätsursprünge bald wieder zu einer es im ‘irdischen Jerusalem’ zu ihr es fordert, einmal im Ernst „nebulösen Vergangenheit“ mutiesuchen, so wie es Liam Neeson als durchaus verständlich würde.“ ren, aus der erneut Gedankengut alternder Kreuzritter bereits im (Friedrich Schlegel) entspringen kann, das diese „NatioTrailer verkündet. nalität“ politisch-wirtschaftlich verDiesem Werk nun im Deutschen Neulich fragte mich ein Kommisteht. Und dann wird auch der den Titel „Königreich der Himmel“ litone, wozu man denn das Studium „westliche Ökonom“ wach, für den zu geben, zeugt von dem Unverder Ur- und Frühgesichte im Zusich im besten Fall nur die Absatzständnis derer, die dort zugange sammenhang mit unserem Unimärkte verschließen. waren. Es mag zwar den ‘Siebenten Schwerpunkt „Ostseeraum“ brauMit der Einschränkung der WissenHimmel’ geben, aber in diesem Zuche. „Und auch ein Mittelalterzenschaft ist aber nicht nur deren sammenhang im Plural zu sprechen, trum – dass ist doch alles schon so Weiterentwicklung sondern auch negiert den inhaltlichen Bezug volllange her. Politik und Wirtkommen – aber es klingt halt schaft wären doch Dinge, auf „irgendwie mystisch“ und die man viel mehr konzendas muss ausreichen, um die trieren sollte ...“ – Politik Konsumenten ins Kino zu und Wirtschaft! Nichts prägt bewegen. die Debatte um das Schicksal Doch was ist, wenn aus Konder Alma Mater Gryphiswalsumenten Gläubige werden densis in unseren Tagen und die neuen Medien sich mehr als diese Faktoren. aus den Ketten der ÖkonoDie Ökonomie ist es, unter mie weiter befreien und zu deren Dogmen sich alles zu Instrumentarien von Volksfügen hat – selbst die Wisfrömmigkeit oder gar Fanasenschaft. Dass damit das tismus entwickeln? Grundverständnis einer UniWas ist, wenn die führenden versität angegriffen wird, ist Gestalten dieser Welt sich in den Reaktionen auf die nicht nur selbst im VerKürzungspläne schon mehrständnis eines Gottesgnadenfach und hoffentlich auch tums sehen, sondern auch so laut genug angeklungen. gesehen werden – zum In unserem „neuen Europa“ Beispiel weil es „cool“ ist, ist die wirtschaftliche Versich mit schwarzer Atemnetzung nur ein Faktor, der maske und wallendem Umdie Bereitschaft zur ZusamDas irdische Jerusalem zur himmlischen Vision verklärt. hang zur „dunklen Seite“ zu menarbeit ermöglicht. Die bekennen? Ebsdorfer Weltkarte, 13. Jh. (Reproduktion) wesentliche Basis ist jedoch Wer soll diesen Entwicklundie Definition der eigenen gen die Richtung weisen, wenn Identität. Seit dem 19 Jahrhundert die Aufrechterhaltung ihrer bisherinicht eine Universität? Wir befinden hat man diese Identität „national“ gen Erkenntnisse gefährdet. Was uns in einer Zeit des Suchens – und begriffen und deren historische sich anbahnt, wenn man beispielswer meint, allein durch die kurzBasis in einer Zeit verankert, die weise ernsthaft auf die Idee kommt, sichtige ratio Antworten zu finden, sich in unserer Region großteils nur sich vom Studium der Theologie zu der gleicht dem der „systematisch“ durch archäologisch-frühgeschichtverabschieden, zeigt sich im KonBäume fällt um den Wald besser liche Forschungen ergründen lässt. text von Ridley Scotts neuem Blocksehen zu können ... Ohne eine kritische Untersuchung – buster „Kingdom of Heaven“ der * „Oh Zeiten, Oh Sitten!“ Cicero, Reden gegen Catilina I 1,2. die auch sich selbst gegenüber krisich der Problematik der (mittelal-

„O tempora, o mores!“ * Anmerkungen zum Zeitgeist Von Arvid Hansmann

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