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»E consoli della detta Arte [...] diliberorono che tutto quello che si doveva spendere in detta cappella con sepolcro [...] si spenda nello ornamento della porta e faccia della chiesa di Santa Maria Novella di Firenze, come se di principio fussi stato detto in dette compere di detta porte e faccia e non di detta cappella con sepolcro«, ASF, Arte del Cambio 105, fol. 17v (19. April 1458). Siehe Dokumentenanhang I.1.c. Die Kapelle wird erstmals 1334 im Zusammenhang mit Albizzo di Nardo di Giunta Rucellai erwähnt, der ihre Nutzung als private Grabkapelle und Memorialraum plante. Ausführliche Angaben zur seiner Dotierung der Kapelle sind überliefert: neben der testamentarischen Stiftung von Gebeten, Messen und Kerzen für sein Seelenheil bestimmt Albizzo die Errichtung seines Grabmonuments außerhalb der Kapelle, damit es zur Gemeinde hin besser sichtbar sei, vgl. Giurescu 1997, S. 176–179. Die Cappella Pura im Süden der Cappella Rucellai wurde erst zwischen 1472 und 1497 von der Familie Ricasoli errichtet, vgl. Paatz 1940–1954, Bd. 3, S. 689, 704. Zu den Rucellai-Kapellen in S. Maria Novella siehe Giurescu 1997, S. 103–112 und S. 176– 179. Zu Trecento-Familienkapellen in Florentiner Kirchen vgl. allgemeiner Höger 1976. Über Albertis Rolle beim Konzil ist wenig bekannt, vgl. Farris 1970. »Limosina dei Scrittori del Papa che adunavano nella Cappella di S. Caterina V. e M. per riparare i tetti della Cappella«, so der Chronist von S. Maria Novella, Vincenzo Borghigiani, zit. in Orlandi 1955, Bd. II, S. 577. Vgl. auch Kent 1981, S. 43. Als möglicher Grund für den Patronatsverlust kommt ein Rechtsstreit in Betracht, der aus der Anwesenheit von Gräbern anderer Familien in der Krypta unterhalb der Kapelle resultierte, oder aber die Vernachlässigung der Patronatspflichten durch die Rucellai. Vgl. hierzu Kent 1977, S. 268; Giurescu 1997, S. 109f. Fra Andrea, Dominikanermönch und in den Jahren 1431–1437 sowie von 1439–1442 Schatzmeister des Konvents, war ein entfernter Verwandter Giovannis aus der Linie des Bernardo di Alamanno Rucellai. Vgl. Orlandi 1955, Bd. II, S. 256; Passerini 1861, S. 6. Obwohl ein Dokument des Dominikanerkonvents Fra Andrea als Stifter der Kanzel erwähnt – vgl. Orlandi 1955, Bd. I, S. 168 – nahm der Dominikanerbruder wohl nur eine Vermittlertätigkeit im Patronagestreit der drei Auftraggeber der Kanzel (Filippo di Vanni, Niccolò di Brancazio und Bernardo di Piero Rucellai) mit den Minerbetti ein, vgl. Kent 1977, S. 282. Bereits 1448 fertiggestellt, wurde die Kanzel erst 1458, nach Beilegung der Streitigkeiten am zweiten Pfeiler des westlichen Seitenschiffs angebracht, vgl. Orlandi 1955, Bd. II, S. 259, 578, 582. Das Kanzelprojekt der Rucellai wurde verschiedentlich mit dem Aufenthalt des Papstes in Santa Maria Novella in Zusammenhang gebracht, vgl. z. B. Seymour 1966, S. 119. Dieser typische consorteria-Auftrag könnte Giovanni zu eigener Patronage inspiriert haben, so Kent 1981, S. 43. – Im Jahr 1464 erlangte Fra Andrea das Patronat der Katharinenkapelle für die Rucellai zurück und ließ die Kapelle restaurieren, Giurescu 1997, S. 110. Er erneuerte die Glasfenster der Kapelle sowie das große Rundfenster in der Querschiffwand, vgl. Orlandi 1955, Bd. I, S. 168; ebd., Bd. II, S. 262; Giurescu 1997, S. 145. Im gleichen Jahr stiftete er auch das Weihwasserbecken am Eingang der Allerheiligenkapelle, welches er mit dem Rucellai-Familienwappen und der Inschrift »Hoc opus fieri fecit Fr. Andreas Oricellarius« versah, vgl. Orlandi 1955, Bd. II, S. 262f.

auszugeben seien. 7 Von diesem Zeitpunkt an schweigen die Dokumente der Arte del Cambio über das Schicksal des Heiliggrabprojektes. An seine Stelle tritt die berühmte von Leon Battista Alberti entworfene Marmorfassade der Dominikanerkirche, für deren Errichtung das der Zunft überlassene Geld umgewidmet wird. Die Projektänderung von 1458 ist zugleich als indirekte Entscheidung für die Aufstellung des Tempietto im dem bis heute erhaltenen privaten Kontext von San Pancrazio zu interpretieren. Rekonstruktion einer Aufstellung des Heiligen Grabes in der Katharinenkapelle von S. Maria Novella Aus den zitierten Dokumenten wird ersichtlich, dass die Kirche S. Maria Novella als alternativer Aufstellungsort für die Heiliggrabkopie neben der Pfarrkirche des Lion Rosso eine nicht zu vernachlässigende Rolle gespielt haben muss. Ebenso wie San Pancrazio diente auch die Dominikanerkirche seit dem frühen 14. Jahrhundert als traditionelle Begräbnisstätte und damit Ort der Stifterbemühungen der Rucellai. Die beiden älteren Familienkapellen der consorteria lagen an räumlich hervorgehobenen Orten des Kirchenraumes (Abb. 322). Die Allerheiligenkapelle – auch Cappella del Campanile genannt –, eine kleine, tonnengewölbte Kammer mit annähernd quadratischem Grundriss, befand sich im Fuße des Glockenturms am Ende des westlichen Querschiffs. 8 Dieser enge, gegenüber der Kirche vollkommen abgeschlossene Raum konnte jedoch für das Vorhaben, eine Heiliggrabkopie zu errichten, nicht ernstlich in Frage gekommen sein. Der Campanile-Kapelle gegenüber, am Ende des östlichen Querschiffs, lag die größere Cappella di S. Caterina Vergine, welche um die Mitte des Quattrocento noch dreiseitig freistand und somit unmittelbar an den von avelli gesäumten camposanto im Osten der Kirche angrenzte. 9 Die der Hl. Katharina von Alexandrien geweihte Kapelle gehörte zur Gruppe derjenigen Kapellen, die im 14. Jahrhundert zusätzlich zu den Chorkapellen an die Querschiffe der Florentiner Kirchen angebaut worden waren, um mehr Raum für die Stiftertätigkeit privater Florentiner Bürger zur Verfügung zu stellen. Besonders die vor Kopf angeordneten sogenannten ›Querschiffkapellen‹ waren aufgrund ihrer prominenten Lage und meist beträchtlichen Größe bei bürgerlichen Stiftern beliebt, boten sie doch den Kapellenpatronen die einzigartige Möglichkeit, die gesamte Querschiffwand für sich zu beanspruchen und diese zu einer repräsentativen, die Kapelle rahmenden Fassade auszugestalten (Abb. 320). 10 Die Katharinenkapelle ist auch der Anlass des vermutlich ersten Zusammentreffens der Familie Rucellai mit dem Humanisten und späteren Architekten Leon Battista Alberti. Dieser befand sich unter den päpstlichen Abbreviatoren, welche sich anlässlich des Florentiner Unionskonzils im Gefolge Papst Eugens IV. in der Stadt aufhielten und denen die Rucellaikapelle als Versammlungsort diente. 11 Die Tatsache, dass die Abbreviatoren im Jahr 1440 mit einer Geldspende die Reparatur des Kapellendaches anregten, bestätigt, dass sich die Kapelle zu diesem Zeitpunkt nicht mehr unter der Obhut ihrer ursprünglichen Rucellai-Patrone befand, denen die Rechte über die Familienkapelle Ende des 14. Jahrhunderts aus bisher ungeklärten Gründen entzogen worden waren. 12 Die Spende der päpstlichen Schreiber wurde vom Schatzmeister des Klosters entgegengenommen, dessen Amt in den Konzilsjahren mit Fra Andrea di Donato Rucellai ein entfernter Verwandter Giovannis bekleidete. Ihm konnte bei dieser Gelegenheit der schlechte Zustand der Kapelle nicht verborgen bleiben, auf der noch immer das Wappen seiner consorteria prangte. 13 Der Umtriebigkeit des Schatzmeisters ist zu verdanken, dass nur wenig später, im Jahr 1443, mit dem Auftrag einer neuen Kanzel an Brunelleschi die traditionelle Stiftertätigkeit der Rucellai in S. Maria Novella wiederbelebt wurde. 14 Nicht auszuschließen ist daher, dass sich der Dominikanerbruder auch als Vermittler eines Kontaktes zwischen der Familie Rucellai und Leon Battista Alberti betätigte, indem er seinen prominentesten und wohlhabendsten Verwandten um finanzielle Unterstützung bei der Renovierung der alten Familienkapelle ersuchte. Giovanni Rucellai hatte sich bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht sonderlich durch Stiftertätigkeit hervorgetan; es ist aber möglich, dass sein Interesse an künstlerischer Patronage bei dieser Gelegenheit angeregt wurde und dass in Zusammenarbeit mit Alberti und Fra Andrea Rucellai der Gedanke eines umfassenderen Stifterprojektes für die Dominikanerkirche entstand. So manifestiert sich das erwachte Stifterinteresse Giovannis spätestens im Jahr 1445, als er – zum Zeichen einer angestrebten Wiederinbesitznahme der Katharinenkapelle durch die alte Stifterfamilie – das veraltete Familienwappen mit dem ›Fischgrätenmuster‹ im Scheitel der großen Bogenöffnung der Kapelle durch das aktuelle Rucellaiwappen mit dem Motiv des leone rampante, des sich aufbäumenden Löwen, ersetzen lässt (Abb. 321). Den Anspruch auf die alte Familiengrablege in S. Maria Novella bekräftigt er in einem langen Passus der Zibal-

198 VI. Das Heilige Grab als Memorialarchitektur


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