Moers Festival Magazin 2008

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Pfingsten 9. – 12. Mai 2008

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mœrs festival Magazin

Mai 2008

Festivalmagazin

festival

Schutzgebühr: EUR 3.-

www.moers-festival.de

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12.03.2009 10:02:14 Uhr


Die Träger

Die Partner

Die Förderer und Medienpartner Kulturpartner

Danke für die Unterstützung: Firma Union Getränke, Autohaus Minrath, Hotel Van der Valk und Paritätischer Wohlfahrtsverband. Danke für die Kooperation: Schlosstheater Moers („Das Glücksfeld/The Fortune Field“), Schumannfest Düsseldorf („Punkt – live remix“), Stavanger Jazzforum (Frode Gjerstads Circulasione Totale Orchestra) und Music Meeting Nijmegen (Caito Marcondes Connecting Orchestra, The Either/Orchestra & Mulatu Astatke, Avishai Cohen Roots Project)

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12.03.2009 10:02:39 Uhr


moers festival 2008

Inhalt 4 5 6

Grußwort Norbert Ballhaus, Bürgermeister der Stadt Moers Vorwort Reiner Michalke Grußwort Prof. Karl Karst, Programmchef WDR 3

programm Freitag, 9. Mai 2008 8 European Jazz Orchestra & Niels Klein 9 musikFabrik & Yannis Kyriakides 10 Ttukunak 11 John Zorn 12 Campbell Brothers Samstag, 10. Mai 2008 14 Gunda Gottschalk Crossroads 15 Free Tallinn Trio 16 Samúel Jón Samúelsson Big Band 17 Battles 18 Punkt – live remix 19 Jason Moran & The Big Bandwagon

magazin 40 41

Montag, 12. Mai 2007 26 Angelika Niescier & Ensemble O:Ton 27 TYFT feat. Peter Evans 28 Avishai Cohen Roots Project 29 Cecil Taylor & Tony Oxley 30 Supersilent feat. Terje Rypdal

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the night & nite lounge concerts in the dark sax solo, the morning, Martin Sasse Trio moers festival-Radio, punkt guerilla team, SKAndalbühne & nimm! Kulturpolitisches Forum WDR 3 & Das Glücksfeld / The Fortune Field

Preface John Zorn – Zorns Horn John Zorn beansprucht für sich einen eigenen Kosmos. Wie soll man jemanden beschreiben, der die Kategorien von komponierter und improvisierter Musik längst hinter sich gelassen hat? Günther Huesmann macht den Versuch.

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Jazz // Politik // Jazz Seit Zappas Satz „Jazz is not dead, but ...“ hält sich das Gerücht, dass improvisierte Musik ihre politische und gesellschaftliche Relevanz verloren hat. Wolf Kampmann und Hayden Chisholm eröffnen den Diskurs.

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Cecil Taylor & Tony Oxley – Embedded Improvisers Vor genau 20 Jahren begann in West-Berlin die Zusammenarbeit zwischen dem Amerikaner Cecil Taylor und dem Briten Tony Oxley. Bert Noglik über eine wunderbare Freundschaft.

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Szene Estland – Flower Power Improvisierte Musik ist für viele Esten Ausdruck einer auch als typisch estnisch zu identifizierenden Musikform. Die Journalistin Madli-Liis Parts gibt einen Blick frei auf die Jazzlandschaft ihrer Heimat.

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Hanns Dieter Hüsch // Angelika Niescier Brettl Jazz // To Be Improvised Angelika Niescier, „Improviser In Residence 08“ in Moers, hat ein Stück zu frühen Texten von Hanns Dieter Hüsch geschrieben. Grund genug, das Thema „Hüsch und der Jazz“ zu beleuchten – und Angelika Niescier ausgiebig zu Wort kommen zu lassen.

60 Sonntag, 11. Mai 2007 20 Caito Marcondes Connecting Orchestra 21 The Peter Evans Quartet 22 Theo Bleckmann 23 Frode Gjerstads Circulasione Orchestra 24 Dälek 25 The Either/Orchestra & special guest Mulatu Astatke

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Exkurs: wdr 3 campus:jazz Die Wirklichkeit im Elfenbeinturm Für die Hochschulinitiative wdr 3 campus:Jazz war 2007 das Probejahr. Eine erste Bilanz.

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Szene Israel – JAZZ IS REAL. JAZZ IS-RAEL? Der israelische Bassist Avishai Cohen kehrte 2004 nach zwölf erfolgreichen Jahren in den USA in seine Heimat zurück. Warum, das erzählt er Karsten Mützelfeldt.

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Punkt Festival – Punkt für Punkt Dass Norwegen Kreativzelle für aktuelle improvisierte Musik ist, ist bekannt. Dass dort auch ungewöhnliche Festivalkonzepte entstehen, ist neu. Ralf Dombrowski über das Punkt Festival und seine Macher.

geschichte 67

moers revisited 7. Internationales New Jazz Festival Moers Unser Rückblick auf das Moers-Festival-Programm vor 30 Jahren – u. a. mit dem Re-Print des Essays „Das Internationale New Jazz Festival als ein Beispiel von ‚Kultur am Ort‘“ von Jörg Kempfer aus 1978.

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Impressum & Service

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Grußwort Norbert Ballhaus, Bürgermeister der Stadt Moers

„Aller guten Dinge sind drei“, heißt eine alte Redensart. Das 3. moers festival unter der künstlerischen Leitung von Reiner Michalke und das 37. überhaupt ist wieder ein „gutes Ding“ geworden. Und das dritte wird natürlich nicht das letzte sein. Das Festival ist ein wichtiges Aushängeschild für Moers. Neben Berlin zählt es zu den größten Jazz-Ereignissen in Deutschland und zu den zehn Jazz-Events der Welt. Damit erlangt Moers eine internationale Bedeutung und einen sehr hohen Bekanntheitsgrad. Ohne zu übertreiben, kann man sagen, dass das Festival ein bedeutender kultureller Anziehungspunkt für die Stadt ist. Das Festival ist ein Indikator für die Offenheit und Lebensqualität in der Grafenstadt. Jedes Jahr empfangen die Moerserinnen und Moerser gerne tausende von Gästen in ihrer Heimat. Der daraus entstehende Imagefaktor ist nicht zu unterschätzen. Die Besucher treffen auf Gastfreundschaft und sehen, dass es sich auch übers Jahr hier gut leben lässt. Mit der Übernahme der künstlerischen Leitung durch Reiner Michalke strahlt das Festival nicht nur im Park, sondern in die gesamte Stadt hinein. Er hat die Vernetzung mit anderen Institutionen weiter vorangetrieben und sorgt damit für zusätzliche interessante Begegnungen. Beispielsweise mündet dies in Sonderkonzerte und Projektreihen wie „the night“, „the morning“, „sax solo“ oder die „SKAndalbühne“ im Jugendkulturzentrum Volksschule.

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Auch das Programm der Zeltbühne im Freizeitpark ist wieder ein besonderes Erlebnis. Reiner Michalke ist erneut der schwierige, aber gekonnte Spagat zwischen etablierten Künstlern und unbekannteren Musikern geglückt. So bekommen die Gäste die Möglichkeit, zu spannenden musikalischen Reisen aufzubrechen. Viele betreten damit für sie musikalisches Neuland. Aber die hohe künstlerische Qualität hat eine Auseinandersetzung verdient. Ich möchte allen danken, die zum Gelingen des Festivals beigetragen haben. Dazu zähle ich natürlich auch unsere Sponsoren, Förderer und Partner, die zum Teil seit Jahren ihre Unterstützung leisten. Allen Jazz- und Musikfreunden wünsche ich ein tolles und erlebnisreiches Pfingstwochenende. Viel Vergnügen!

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Vorwort

Das moers festival bewegt sich. Der Zuspruch von Publikum, Presse und Partnern ist überaus ermutigend. Sogar so ermutigend, dass wir uns in diesem Jahr an die Grenzen des Machbaren herantasten. Die Kulturstiftung des Bundes versetzt uns mit dem Netzwerk Neue Musik in die Lage, in einer bisher nie dagewesenen Form, das Festival ganzjährig in die Stadt hinein zu vermitteln. Und die Kunststiftung NRW ermöglicht uns, die Institution eines „Improviser In Residence“ zu installieren und mit „nite lounge“, „sax solo“, „punkt guerilla team“ und „SKAndalbühne“ zusätzliche Konzertreihen aufzulegen. Auch im organisatorischen Bereich bemühen wir uns mit einem zusätzlichen, bewachten Campground für Festivalgäste und einem Shuttle-Dienst für alle um stetige Qualitätsverbesserungen. Das moers festival-Radio (auf 93,7 MHz) entwickelt sich immer weiter zu einem viertägigen „full service broadcaster“, und es wird in diesem Jahr durch die Zusammenarbeit mit der Kunsthochschule für Medien in Köln tägliche Podcasts – auch für Mobil-Telefone – geben. Der Bereich um das Pressezelt wird wifiZone und zum ersten Mal werden wir eine eigene tägliche Festivalzeitung mit Neuigkeiten und aktuellen Informationen zum Programm herausbringen.

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Im Mittelpunkt steht aber wieder das Programm im Festivalzelt. Nach zahlreichen Konzert- und Festivalbesuchen, ungezählten Stunden Musikhörens und vielen Hinweisen und Gesprächen hatte ich das große Vergnügen, aus einem riesigen Angebot musikalischer Möglichkeiten meine diesjährige Auswahl zu treffen. Das Ergebnis ist wie immer subjektiv und ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Im Vordergrund stand die Idee, ein Programm zusammenzustellen, das zu Entdeckungen einlädt und gleichzeitig an die große Geschichte dieser Musik und dieses Festivals erinnert – und Musikhören wieder zum Abenteuer werden lässt. Ganz besonders hinweisen möchte ich an dieser Stelle auf eine Diskussion, die mich schon seit Jahren beschäftigt und der wir auch in diesem Magazin Raum geben: Welche gesellschaftliche, politische Bedeutung hat Jazz oder Improvisierte Musik? Und wie politisch sind die Musiker? Der Journalist Wolf Kampmann fordert mehr politisches Engagement von Jazzmusiker, und der Musiker Hayden Chisholm erwidert: „Warum sollten wir Musiker von Heute auf der Bühne einen Kampf ausfechten, den unsere Väter längst verloren haben?“ Dieses Thema wird auch Gegenstand des Kulturpolitischen Forums sein, das Radio Jazz Research in Zusammenarbeit mit WDR 3 am Montagmittag zum ersten Mal veranstalten wird.

Foto: Lutz Voigtländer

Reiner Michalke, Künstlerischer Leiter moers festival

Mein Dank gilt allen voran wieder dem moers festival-Team, das mit höchstem Einsatz, strahlender Motivation und professioneller Perfektion dieses Festival mit all seinen immer feiner werdenden Verästelungen auf die Beine gestellt hat, dem Hörfunk des Westdeutschen Rundfunk, der uns technisch nach Kräften unterstützt; der Aktion Mensch, die uns erneut zur Seite steht um das Festival barrierefrei zu gestalten, und allen Partnern, Förderern und Sponsoren, vor allem der Kulturstiftung des Bundes mit ihrem Netzwerk Neue Musik, der Kunststiftung NRW und der Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen, die sich tatkräftig für die Entwicklung des moers festival einsetzen. Mein besonderer Dank gilt aber Rat und Verwaltung der Stadt Moers, die dieses Festival über all die Jahrzehnte ermöglichen, und Ihnen, dem sehr verehrten Publikum, durch die das moers festival erst das ist, was es ist.

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moers festival 2008

Grußwort Prof. Karl Karst, Programmchef WDR 3 / Chairman EBU Culture Group

Keine Region in Europa hat eine solche Lebendigkeit in der Improvisierten Musik zu bieten wie Nordrhein-Westfalen. Nach dem 15. Dortmunder EurophonicsFestival und dem 3. Jazzfest Hamm, die allesamt in den Jazzprogrammen des WDR-Hörfunks begleitet wurden, folgt nun über Pfingsten 2008 das 37. moers festival. Ich freue mich, dass die EBU, die Europäische Rundfunk Union, in diesem Jahr beim WDR zu Gast ist und in NRW ihr internationales Jazzproducer-Treffen abhält. Zu diesem Treffen gehört auch die Präsenz des European Jazz Orchestra, das Niels Klein mit 17 jungen Musikerinnen und Musikern aus ganz Europa in Moers präsentiert. Nicht nur das European Jazz Orchestra belegt die ungebrochene Vitalität der improvisierten Musik. Das gesamte Programm des spürbar erstarkten MoersFestivals dokumentiert die Qualität der internationalen Improvisationsszene, die über Pfingsten in Moers Station macht. WDR 3 wird das moers festival auch in

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diesem Jahr auf seinem Qualitäts-Weg begleiten und als Kulturpartner aktiv unterstützen. Dazu gehört zum zweiten Mal die WDR 3 „Nacht der Jazz-Festivals“, die 2007 ihre Premiere hatte. In der Nacht vom 10. auf den 11. Mai sendet WDR 3 zehn Stunden lang live und in leicht zeitversetzten Mitschnitten die Konzerte der beiden parallel stattfindenden Jazz-Ereignisse des Moers-Festivals und der oberösterreichischen INNtöne. Ausgestrahlt wird die Lange Jazznacht via UKW und Satellit zeitgleich durch WDR 3 und Ö1 sowie im Internet als Live-Stream unter www.wdr3.de. Premiere hat in diesem Jahr das „Kulturpolitische Forum WDR 3“ in Moers, bei dem renommierte Jazz-Journalisten über die Situation der Improvisierten Musik in Deutschland diskutieren werden. Ich wünsche allen Beteiligten des moers festivals den verdienten Erfolg und den Besuchern sowie den Radiohörern ein stimulierendes Musikerlebnis!

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Freitag, 9. Mai 2008

programm

European Jazz Orchestra 17 Uhr / Festivalzelt

Es ist rund drei Jahre und damit gar nicht so lange her, dass Niels Klein selbst Mitglied im European Jazz Orchestra (EJO) war und Deutschland repräsentierte. Jetzt ist der Kölner Musiker und Komponist wieder dabei. Doch 2008 hat der 30-Jährige die Seiten gewechselt und seinen Stuhl im Saxofon-Satz verlassen, um die verantwortungsvolle Position hinter dem Dirigentenpult zu übernehmen. Bei seiner künstlerischen Arbeit schöpft Klein aus unterschiedlichen Quellen, in seinen Kompositionen kommt es zu Begegnungen zwischen Dimitri Schostakowitsch, György Ligeti und Massive Attack oder Radiohead. Dass Jazz dabei nicht zu kurz kommt, versteht sich von selbst. Kleins Stücke gehorchen der Ästhetik des zeitgenössischen Big-BandSounds, seine atmosphärisch dichte Klangsprache erinnert nicht selten an Gil Evans oder Bob Brookmeyer, Überraschungsmomente nicht ausgeschlossen: „Es gibt auch einige Stücke, die von klassischer ScienceFiction-Literatur wie zum Beispiel Stanislaw Lem beeinflusst sind, die ich in dieser Zeit viel gelesen habe und die dadurch innerhalb des

Programms eine gewisse Einheit bilden.“ Obwohl noch jung, hat Klein bereits für eine Vielzahl von Bands mit unterschiedlichen Besetzungen komponiert. Dennoch stellte die künstlerische Leitung des EJO auch für den erfahrenen Tonsetzer und Bandleader eine besondere Herausforderung dar. Schließlich kommen alle Mitglieder des EJO aus unterschiedlichen Ländern mit verschiedenen kulturellen Hintergründen und werden alljährlich von den Jazzredakteuren der European Broadcast Union (EBU) ausgewählt: „Jeder Musiker hat seine speziellen Fähigkeiten und stilistischen Vorlieben. Es gilt also, das möglichst geschickt zu balancieren, da man das beste musikalische Ergebnis dann erzielt, wenn jeder Musiker Spaß hat und sich auch zu einem gewissen Grad repräsentiert fühlt.“ Jörg Heyd

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Niels Klein_ld, comp, arr Christoph Moschberger_tp Eivind Nordseth Lønning_tp Konstantins Jemeljanous_tp Kalevi Louhivuori_tp Tara Davidson_as Petr Kalfus_as Kristian Brink_ts Jure Pukl_ts Kasper Wagner_bs Fidel Fourneyron_tb Andreas Schopp_tb Antonis Andreou_tb Bernhard Neumaier_tb Quentin Liégois_g Alexandru Racovita_p Robert Landfermann_b Matt Jacobson_dr

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programm

Freitag, 9. Mai 2008

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musikFabrik & Yannis Kyriakides The Queen Is The Supreme Power In The Realm 18 Uhr / Festivalzelt

Yannis Kyriakides ist ein Komponist, für den das Senden, Empfangen und Verarbeiten von Nachrichten in der analogen und digitalen Industriekultur ein zentrales Thema darstellt. Er stammt von der Insel Zypern, emigrierte als Junge nach England und lebt heute in den Niederlanden. Auf den europäischen Festivals der Neuen Musik ist er ein häufig engagierter Gast. In seinen Kompositionen experimentiert Kyriakides mit traditionellen Konzertformen und digitalen Medien. Dabei spielt die Improvisation eine wichtige Rolle. Seine Komposition „The Queen Is The Power Of Realm“ feierte Premiere auf der Kölner MusikTriennale 2007, auf der „Improvisation“ Hauptthema war. „The Queen Is The Power Of Realm“ ist ein interaktives Stück, dessen musikalische Bausteine Kyriakides nach den telegraphischen Codes von Robert Slater (1870) entwickelte. Dieser Code ist eine

Kurzschrift, in der einzelne Sätze oder Wörter bestimmten Zahlenkombinationen zugeordnet werden. Mit ihrer Hilfe konnte man kurze und damit preiswerte Telegramme senden. Seine klingenden Codes teilt Kyriakides in sechs Zonen auf, die strukturelle Rollen im Spielprozess übernehmen. Äußerlich sichtbar wird das durch sechs Bühnensegmente, auf die sich die Musiker verteilen. Sie müssen entscheiden, wann sie eine Zone verlassen, um sich in eine andere einzugliedern, deren Spielregeln sie folgen müssen. Dabei entstehen rhythmische Patterns, die an den Klang des Morse-Alphabets erinnern. „The Queen Is The Power Of Realm“ ist ein Werk mit einer

Partitur als Basis, aber einer offenen Form, die den Musikern verschiedenste Gestaltungsmöglichkeiten bietet. Darin berührt es sich partiell mit der improvisierten Musik, die erst in der Aufführung entsteht, auch wenn ihre Codes noch flexibler sind, weil sie in jeder Hinsicht der Entscheidung Einzelner unterliegen. Bei Kyriakides sind die Codes der Zonen verbindlich, sowohl für das individuelle Spiel als auch für die Struktur des Ganzen. Er schrieb, ihn interessierten nicht nur Verschlüsselungen der industriellen Zeit: Sein Stück spielt auch auf Bienenkulturen und ihre komplexen Kolonien an. Ulrich Kurth

Yannis Kyriakides_electr Helen Bledsoe_fl Peter Veale_oboe Carl Rosman_cl Christine Chapman_frh Nathan Plante_tp Melvyn Poore_tu Dirk Rothbrust_dr Ulrich Löffler_p Hannah Weirich_vl Dirk Wietheger_vcl Michael Tiepold_b HC Gilje_live video Thomas Saur_sound Programm08.indd 9

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Freitag, 9. Mai 2008

programm

Ttukunak 19 Uhr / Festivalzelt Die Basken haben eine ausgeprägte Affinität zum Holz. Wenn zwei Männer in einem Rivalenkampf solange mit der Axt auf einen Baumstamm einschlagen, bis er gespalten ist, nennt man das „Aizkolaris“. Doch der hölzerne Wettstreit kann auch rhythmisch komplexer und handwerklich filigraner sein. Txalaparta heißt das archaische Xylofon, das dann die musikalische Hauptrolle spielt: Es besteht aus einer Reihe von zwei Meter langen Holzplanken (zuweilen auch Fels- oder Metalltafeln) verschiedener Dicke, die auf Ständer oder Körbe aufgelegt und mit Stäben geschlagen werden. Schäfern und

Bergbauern diente dieses Konstrukt schon in der Zeit des Römischen Reiches zur Übertragung von Botschaften über weite Strecken, vergleichbar den afrikanischen Buschtrommeln: Ob ein Todesfall, ein bevorstehendes Fest oder die Nachricht über eine Belagerung – das Kirsch-, Erlen- oder Kastanienholz sprach über viele Kilometer und Grenzlinien hinweg. Heutzutage hat es stilistische Grenzen überwunden. Etliche Virtuosen haben diesen praktischen Gebrauchsgegenstand in die Sphäre hoher Volkskunst erhoben – und das Txalaparta-Spiel ist

längst keine Männerdomäne mehr. Maika und Sara Gómez gelten als aktuelle Koryphäen dieses nicht nur in Europa einmaligen Instruments. Die Zwillingsschwestern schöpfen aus der baskischen Tradition, betten diese aber in einen neuen Rahmen, der mit außergewöhnlicher Improvisationskunst gefüllt wird. Rhythmus und Melodie verbinden sich auf ihren Natur-Xylofonen zu einer eigenen Sprache zwischen Folklore, Jazz und Experimentellem – Archaisches fit gemacht fürs 21. Jahrhundert. Stefan Franzen

Maika Gómez_txalaparta Sara Gómez_txalaparta

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programm

Manch einer behauptet, John Zorn sei milder, besonnener, ruhiger geworden. Zwar immer noch Provokateur, aber längst auch Stratege. Einer, der nun angeblich wissen will, ob er die Menschen erreicht, der sein über Jahrzehnte hinweg kultiviertes Image als brutaler Klanganarchist wenigstens partiell zu hinterfragen beginnt. Womöglich sehnt er sich gar nach Anerkennung. Aber was bringen solche Spekulationen, die vermutlich mit seinem fortschreitenden Alter einher gehen und wohl auch der klammheimlichen Hoffnung, der seit den 1980er-Jahren durch unser Gehirn rasende Horrorfilm der Zornschen „Fuck Off“-Philosophie, diese pausenlose Apokalypse aus Gewalt, Sex und Holocaust, möge endlich der Vergangenheit angehören? Er sei doch ein ganz passabler Musiker, sagen heute ausgerechnet jene, die seine CDs noch vor zehn oder 20 Jahren rüde verunglimpften, die damals polemisierten, er klinge „wie ein Elefant, der an Verstopfung leidet“ oder „eine Horde von Killerameisen auf Entenjagd.“ Vergeben und vergessen. Der Wunsch, ausgerechnet einen wie ihn heimzuholen in den Schoß der Seriosität, der Berechenbarkeit, vielleicht sogar des konservativen Jazz, trägt beinahe absurde Züge. Fast schon so krankhaft, wie Zorns legendäre Gedankenwelt aus Blut, Folter, Angst und Schrecken. Als Zorn zuletzt 1989 mit Naked City und Keep The Dog in Moers war, kursierten bereits jede

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John Zorn 20.15 Uhr / Festivalzelt

Menge Gerüchte um den exzentrischen Mann aus der Bronx, diesen Archetypus einer ganzen Epoche. Wenn er sprach, dann war es nicht das, was andere sagten. Wenn er spielte, klang es genauso unerhört. Eine mäandernde Mischung aus Rock, Bebop, Big Band, WesternSwing, Speed-Metal, Klezmer und zeitgenössischer Moderne. Eine Musik der Kontraste und Konfrontationen, hektisch, abrupt, unvermittelt. Ein Kulturschock. Er surfte mit dem Zeitgeist und galt schon damals als markante Eintragung auf der musikalischen Landkarte. Alles war möglich und nichts ausgeschlossen: Filmmusik, Archivmaterial, japanische Obskuritäten, Experimentelles und radikale jüdische Kunst mit zionistischer Zuspitzung von seiner Band Masada. Allerdings geriet es zunehmend zum Luxus, Zorn zu hören. Trotz der unbändigen Energie eines Getriebenen, die ihn zur Produktivität zwingt, trotz einer Vielzahl von Projekten und Kompositionen reduzierte er seine Bühnenpräsenz immer mehr. Wenn Zorn nun ankündigt, beim moers festival 2008 eines seiner legendären wie ultrararen

Solokonzerte zu geben, dann steht er ganz automatisch im Mittelpunkt. Keine Aufzeichnung oder LiveÜbertragung, lautet seine Kardinalbedingung. Man kann es auch so deuten: Kein Sternstunden-Kult um einen, der immer Anti-Star bleiben will. Lediglich unmittelbare Verwirrung und verblüffende instrumentale Virtuosität. Einer wie John Zorn wird sich nie ändern oder gar anpassen. Warum sollte er auch? Weil die Welt vielleicht besser geworden ist? Reinhard Köchl

John Zorn_as

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Freitag, 9. Mai 2008

programm

Campbell Brothers Fo o: Christoph Giese Fot

21.30 Uhr / Festivalzelt

Cuck Campbell

Dass die menschliche Stimme im Gospel als zentrales Instrument wirkt, wird wohl niemand bestreiten. Aber Gospel ohne Vocals – kann das funktionieren? Doch was hierzulande noch als gut gehütetes Geheimnis gilt, gehört in den USA schon seit 60 Jahren zu den vielen Facetten der spirituellen Musik: „Sacred Steel“ – der Lobpreis des Höchsten mit Stromgitarren. Die führenden Vertreter der heiligen Saitenkunst sind heute ohne Zweifel die drei Campbell-Brüder, die in den 1970ern anfingen, die Pedal und Lap Steel in ihr Gotteshaus, der House Of God Church zu tragen. Chuck Campbell beteuert, Gott persönlich habe ihm die Stimmung der Saiten eingegeben. Seitdem ist dank Pedal-Virtuose Chuck und seinen Brüdern Darick und

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Phillip an Lap Steel und Rhythmusgitarre der „Sacred Steel“ nicht nur in den Kirchen der Afroamerikaner zum einflussreichen Element geworden, sondern begeistert auch eine säkular gestimmte Zuhörerschaft, die das singende Instrument hier befreit von Country-Klischees erleben kann. Was die Familienband aus Nashville, Tennessee, an betörendem und beredtem Zeugnis ablegt, kann mit dem „normalen“ Gospel ohne Mühe mithalten: Wenn die Stählerne in Sam Cookes „A Change Is Gonna Come“ seufzt und stöhnt, vermeint man, einen leibhaftigen SoulCrooner zu hören. „Amazing Grace“ wird durch die singenden Saiten augenzwinkernd beseelt. In den

funkigen Uptempo-Nummern und den langen Blues-Intermezzi ersetzt die Schoßgitarre das Shouting noch wirksamer, zelebriert überbordende Ekstase. Doch es gibt auch „Vox Humana“: Mit Denise Brown haben sich die Campbells eine wandlungsfähige Dame zwischen Gospel und Blues geholt. Phils Sohn Carlton und Malcolm Kirby kümmern sich um die treibende Rhythm Section. Gospel mit Elementen aus Funk, Jazz und R&B befeuert – das ergibt zeitgemäßen und hochenergetischen „Sacred Steel“ in Vollendung. Stefan Franzen

Denise Brown_voc Chuck Campbell_pedal steel Darick Campbell_lap steel Phillip Campbell_g, voc Carlton Campbell_dr Malcolm Kirby_b

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Samstag, 10. Mai 2008

programm

Gunda Gottschalk Crossroads 15 Uhr / Festivalzelt Lebenslinien, die sich kreuzen. Menschen, die sich begegnen. Musiker, die miteinander kommunizieren: die letztjährige „concerts in the dark“-Kuratorin Gunda Gottschalk, Xu Fengxia, Barre Phillips und Günter „Baby“ Sommer. „Alle vier Bandmitglieder sind Individualisten, die ihre eigenen Wege gehen“, beschreibt Gottschalk das Konzept ihres für Moers zusammengerufenen Ensembles Crossroads. „An den Knotenpunkten entstehen Begegnungen, spontan und nicht wiederholbar.“ Obwohl oder gerade weil diese vier Musiker unterschiedlichen Generationen entstammen – Phillips und Sommer sind in den 1930ern und ’40ern geboren, drei bzw. zwei Jahrzehnte später Fengxia und Gottschalk –, bilden sie auf der Bühne eine kompakte Einheit.

Ihre gemeinsame Improvisationsmusik entsteht im Augenblick, sie ist ebenso antizipierend wie hochemotional. Die musikalischen Kategorien verlieren ihre Gültigkeit, wenn man sich mit Crossroads auf das Abenteuer einlässt – und auch keine Wege scheut –, neugierig und risikobereit die weiten und unbekannten Welten der frei improvisierten Musik zu betreten. Jeder der vier legt einen Schwerpunkt darauf, mit ungewöhnlichen Spieltechniken ad hoc auf der Bühne das Klangspektrum seines Instruments zu erweitern und auszudehnen. Das Ergebnis ist eine „Welt“-Musik, die tatsächlich universell ist und

sich strikt jeglicher Banalisierung entzieht – auch und gerade deshalb, weil sie in den Grenzgebieten zwischen den bekannten Gattungen und Genres zu Hause ist. By the way: Crossroads erinnert zudem an eine für die freie Improvisationsmusik überaus wichtige Persönlichkeit, den 2002 verstorbenen Wuppertaler Kontrabassisten Peter Kowald. Denn: „Allen von uns ist Peter Kowald zu verschiedenen Zeiten ein wichtiger Weggefährte gewesen,“ so Gunda Gottschalk. Martin Laurentius

Gunda Gottschalk_v Xu Fengxia_guzheng Barre Phillips_b Günter „Baby“ Sommer_dr, perc

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programm

Free Tallinn Trio 16.15 Uhr / Festivalzelt In der Basso Lounge im Herzen der Altstadt Tallinns sitzen Pärchen und Gruppen – und reden, meist über Jazz. Es ist Nachmittag und in der gemütlichen Bar dringt Musik aus den Lautsprechern. Am Abend wird auf einer kleinen Bühne Jazz gespielt. Gleich nebenan in einem Keller probt eine Jazz-Rock-Gruppe und im Café vis à vis besprechen Musiker die kommende Jam Session, die ums Eck in einem Wirtshaus stattfinden wird. Fast jeder hier scheint Musiker zu sein. Und letztlich stimmt das auch – beinahe. Tallinn zählt an die 500.000 Einwohner. Damit lebt ein Drittel der Esten in der romantisch an der Ostsee gelegenen Hauptstadt, deren Altstadt (Weltkulturerbe!) jedermann bezaubert mit kleinen romantischen Gassen und einer Unzahl historischer Gebäude. Und auch Musik hat in Estland eine lange Tradition.

1991 erlangte dieser baltische Staat seine Unabhängigkeit, seit 2004 ist er Mitglied der EU. Nach 1991 entwickelte sich eine rege Jazzszene. Anders als in anderen Ländern war und ist Jazz die Musik der Jugendlichen. Jazz kommt in verschiedenen Formen daher, oft vermischt mit Rock-Underground ist eines der Lieblingsworte der jungen estnischen Musikszene: Viele Musiker berichten stolz, sie seien „Underground musicians“. Gespielt werden alle Formen des Jazz, manche lassen sich nicht einordnen, was so durchaus gewollt ist. Das Publikum in Tallinn ist, anders als in vielen Metropolen, begierig auf Neues. Free Jazz etwa, anderswo nur schwer zu verkaufen, findet hier ein breites, ein begeistertes Publikum. Der Gitarrist Jaak Sooäär zählt zu den international bekannten estnischen Jazzmusikern. Er leitet

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die Jazzabteilung an der Tallinner Musikhochschule und ist Präsident der „Estonian Jazz Federation“. In Tallinn organisiert er regelmäßige Konzerte und Sessions. Daneben leitet und spielt er in mehreren Bands. Für Aufsehen sorgt er derzeit mit dem Free Tallinn Trio. Neben dem Gitarristen Sooäär wirken noch Anne-Liis Poll und Anto Pett mit. Poll ist ausgebildete Opernsängerin und Theaterschauspielerin, Pett klassischer Pianist. Beide unterrichten ebenso wie Sooäär an der Musikhochschule – aber an der klassischen Abteilung. Wie könne man die Musik des Trios bezeichnen, frage ich Sooäär. Nach einigem Überlegen antwortet er: „Es ist wie eine improvisierte Jazzkammeroper“. Herbert Uhlir

Anne-Liis Poll_voc Anto Pett_p Jaak Sooäär_g, electr

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Samúel Jón Samúelsson Big Band 17.30 Uhr / Festivalzelt

Dass man eine Big Band aus Island hierzulande nur sehr selten zu Gehör bekommt, hat eine einfache Ursache: Der Inselstaat im Nordatlantik zählt nur geringfügig mehr Einwohner als z.B. Bonn, dementsprechend klein ist die Zahl der Musiker im Allgemeinen und die der Jazz- und Funkmusiker im Besonderen. Umso überraschender begegnet einem dort eine Szene, die nicht durch „Vielzahl“, sondern durch Vitalität, Spielwitz und Kreativität glänzt. Kulturelles Zentrum des Landes ist unumstritten die Hauptstadt Reykjavík, dort lebt mit Samúel Jón Samúelsson auch eine der zentralen Figuren der jungen isländischen Musikszene. Der Tausendsassa arbeitet als Musiker, Komponist, Discjockey – und als Bandleader. Im Jahr 2000 hat sich Samúelsson, der als Kind mit der Trompete anfing und als 12-Jähriger zur Posaune wechselte,

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mit der Gründung seiner eigenen und nach ihm benannten Big Band einen langjährigen Traum verwirklicht. Das Orchester ermöglicht es ihm, seine Klangvorstellung jenseits der klassischen Big Bands der Swing-Ära zu realisieren. Denn die Samúel Jón Samúelsson Big Band hat sich mit unbändiger Spielfreude dem Funk verschrieben, einer Musik, die von Energie lebt und vom Beat angetrieben wird. Wenn man sich dieser Big Band aus Island nähern will, dann am besten über die Vorbilder des Leader: Lalo Schifrin etwa, oder Peter Herbolzheimer, Ennio Morricone, Miles Davis, James Brown, Fela Kuti und Led Zeppelin. Sie dienen allerdings nur zur Orientierung, denn auf Fremdkompositionen wird weitestgehend verzichtet. Das Repertoire stammt aus der Feder von Samúelsson, dessen Inspirationsquellen viel-

fältig und auch ungewöhnlich sind: „Inspiration kommt bei mir auf verschiedenen Wegen. Beim Spazierengehen oder wenn ich mit guten Freunden etwas trinken gehe. Oft werde ich aber auch von langweiliger Musik inspiriert. Dann wundere ich mich zwar, aber die Ideen sprudeln.“ Jörg Heyd

Haukur Gröndal_as Ingimar Andersen_as Óskar Guðjónsson_ts Steinar Sigurðarson_ts Ragnar Árni Ágústsson_bs Snorri Sigurðarson_tp Ari Bragi Kárason_tp Birkir Freyr Mattiasson_tp Ívar Guðmundsson_tp Samúel Jón Samúelsson_ld, tb Kári Hólmar Ragnarsson_tb Eyþór Kolbeinsson_tb Leifur Jónsson_tb Kristján_keyb Ómar Guðjónsson_g Ingi Skúlason_b Helgi Helgason_dr Sigtryggur Baldursson_perc

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Ian Williams_g, keyb Dave Konopka_g, b Tyondai Braxton_voc, keyb, g John Stanier_dr

Battles 20 Uhr / Festivalzelt

Can laden Tortoise zum Besuch ins Ballet Mécanique, Stockhausen und Webern raven mit Autechre und Sonic Youth. Oder ist es einfach nur ein in obskure Klänge übersetzter Almanach der Mikrozoologie? So futuristisch die „Ameisenmusik“ des amerikanischen Quartetts Battles auch anmuten mag, seine Quellen sind doch höchst gegenwärtig, um nicht zu sagen traditionell. Die musikalischen Präferenzen und Haltungen der Band liegen ebenso in den künstlerischen wie persönlichen Stammbäumen ihrer Protagonisten begründet. Dass Gitarrist und Keyboarder Tyondai Braxton der Sohn von Anthony Braxton ist, sagt schon genug. Drummer John Stanier rührte darüber hinaus einst die Sticks für die Metal-Pedanten von Helmet. „Wir sind ein gutes Beispiel für eine moderne Band in unserer Zeit“, erklärt Braxton sachlich den unerklärlichen Stilmix auf dem Debütalbum „Mirrored“. „Durch das Internet und den unmittelbaren Zugriff auf alles

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ergeben sich direkte Verbindungen zwischen den obskursten Dingen der Welt. Unsere Musik ist ein Resultat dieses neuen Bewusstseins, das dich deiner Umgebung gegenüber viel aufmerksamer macht.“ Die vier künstlerischen Egos stehen bei Battles stets hinter der Gruppenraison zurück. Hoch komplizierte, mathematisch bis ins Kleinste ausgeklügelte Klangkonstrukte werden so präzise und unterkühlt umgesetzt, dass für individuelle Freiheit kaum Raum bleibt. Ein später Triumph des kybernetischen Zeitalters in der Musik. Braxton hält es mehr mit dem Begriff Neutralität. „Wir beziehen uns nicht auf bestimmte Traditionen, sondern sind multidimensional und darauf bedacht, unsere Referenzpunkte nicht offensichtlich werden zu lassen. Ich mag unsere Sounds, aber wenn ich gefragt werde, wie aus all diesen Elementen unsere Musik entsteht, muss ich passen.“ Battles sind

feinfühlige Extremisten, die, um an ihr Ziel zu gelangen, selbst den Preis der Freiheit zahlen. „Disziplin ist uns wichtiger als Freiheit. Freiheit ist ein Werkzeug auf dem Weg zur Disziplin. Wir haben die Freiheit, unsere Mittel zu wählen. Doch Freiheit um ihrer selbst willen ist total uninteressant.“ Dem Hörer bleibt bei Battles das Vergnügen einer unerhörten Montage aus Dancefloor, Artrock und Kammermusik. Wolf Kampmann

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Samstag, 10. Mai 2008

Sidsel Endresen_voc Jan Bang_electr Erik Honoré_electr

programm

Punkt live remix 21.15 Uhr / Festivalzelt

Erik Honoré

Jan Bang

Punkt ist ein Studioprojekt, ist ein Live-Remix-Konzept, ist ein Festival – und ist eine Idee von Eric Honoré und Jan Bang. Zwei Musiker und Produzenten mit exakt jenen Qualitäten, die den norwegischen Jazz als Marke zu etablieren halfen: enge Tuchfühlung mit verschiedenen Musizierkontexten, Forschungsdrang, Teamgeist, scheuklappenlose Neugier und eine distinkte Klangäs-

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thetik. Bangs ästhetischer Horizont lässt sich anhand seiner Kooperationspartner – etwa Arve Henriksen, John Hassel, DJ Strangefruit und Nils Petter Molvær – nachzeichnen, wird aber erst komplett durch seinen Partner Honoré, der als Produzent der norwegischen „Grammy“Sieger Velvet Belly und mit seinem Projekt Elsewhere eher „aus dem Studio“ kommt, im Gegensatz zu

Bang, der ein Live-Spieler ist. Sein Konzept beruht auf der Integration elektronischer Speichermedien, Klangerzeuger und Manipulatoren in dynamische Echtzeit-Improvisationen. Der Begriff des „Instant Reconstruction“ beschreibt die gemeinsame Idee Punkt, bei dem die Programmierarbeit des Remixing auf der Bühne geleistet wird. Nachdem solche Spielkonzepte auf europäischen Festivals eine Art Außenseiterrolle hatten, gingen Bang und Honoré mit einem seit 2005 jährlich stattfindenden Musikfest einen Schritt weiter: Ihre Philosophie ist Grundlage des ganzen Programms und hat sich als erfolgreiche Herausforderung an Publikum und Musiker erwiesen. Musikalische FreiDenker wie Burnt Friedman, David Sylvian, David Toop, Eivind Aarset oder das Kammerflimmer Kollektief warfen bereits ihre Sounds ins Kontinuum. Eine erste CD, „Crime Scenes“, mit Edits der entstandenen Live-Remixe, ist 2006 erschienen. Dem folgt dieser Tage der Nachfolger „Punkt feat. Sidsel Endresen“. Mit der Sängerin im Line-up kommt Punkt – das Studioprojekt, das LiveRemix-Konzept, das Festival – nun auch nach Moers, bevor dann Ende August im norwegischen Kristiansand die vierte Auflage des „Punktfestivalen“ startet. Eric Mandel

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programm

Samstag, 10. Mai 2008

Byron Wallen_tp Denys Baptiste_ts Nathaniel Facey_as Fayazz Virji_tb Andy Grappy_tu Jason Moran_p Tarus Matten_b Nasheet Waits_dr

Jason Moran & The Big Bandwagon In My Mind – Monk At Townhall 1959 22.30 Uhr / Festivalzelt

„Monk is in my mind“ ist ein Statement, das der Pianist und Komponist Jason Moran in vielen Interviews geäußert hat. Als Junge hat er in seinem Elternhaus Thelonious Monks Soloversion von „Round About Midnight“ gehört – und dieses Erlebnis hat sein Leben verändert. Jetzt wusste er, dass er Jazzpianist werden musste. Monks Klavierspiel wurde zu seinem musikalischen und

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visionären Maßstab. Die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Town-Hall-Konzert aus dem Jahr 1959 ist kein epigonales Vergnügen für Moran, kein „Monk reloaded“ also, sondern eine spirituelle Erforschung der eigenen musikalischen Wurzeln. Deshalb ist für ihn nur ein Multimedia-Projekt angemessen, um das große künstlerische Erbe Monks für Musiker und Publikum auch

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sinnlich erfahrbar zu machen. Vom Town-Hall-Konzert existieren Fotos, Ton- und Filmaufnahmen, einschließlich der Probenarbeit. Die Proben sind besonders aufschlussreich, denn sie zeigen den Entwicklungsprozess der Stücke durch Monks Kommentare und Anweisungen an seine Kollegen. Besonders wichtig sind die Erläuterungen an den Arrangeur Hall Overton, die vor allem die Harmonik und die Stimmführung für das 10-köpfige Ensemble betreffen. Für Jason Moran war diese imaginäre Arbeit mit Thelonious Monk ein geradezu therapeutisches Erlebnis, wie er der Zeitung „The Herald Sun“ berichtete. Er gewann eine tiefe Einsicht in Monks Kunst, die sich nicht auf Musik allein beschränkte, sondern auch seine Lebenskunst einbezog. Was bewegt diesen Künstler? Was macht seine Kreativität im Kern aus? „In My mind“ ist ein aufregendes Werk, das keineswegs ein großes Jazzereignis revitalisiert. Die heutige Audio- und Videotechnik ermöglicht eine Analyse, die nicht im Kaleidoskop verharrt, sondern eine Verbindung zu neuen Sounds schafft, von Monks zu Morans Stücken, die sich natürlich auch vom großen Vorbild absetzen. Moran konzipierte das Projekt übrigens zu Monks 90. Geburtstag im Oktober 2007. Ulrich Kurth

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Sonntag, 11. Mai 2008

programm

Caito Marcondes Connecting Orchestra 15 Uhr / Festivalzelt São Paulo ist bekannt für eine stilistisch weit gefächerte Jazzszene mit teils sehr lyrischer Ausprägung. Unter den vielen Komponisten der 20-Millionen-Metropole ist Caito Marcondes der wohl kreativste Visionär, gesegnet mit internationalem Weitblick: Schon auf seinem Debüt, das für den Sharp-Preis nominiert war, hat er mit dem Turtle Island String Quartet musiziert, und auch seine späteren Arbeiten sind gekennzeichnet von spannenden Gratwanderungen zwischen brasilianischen Wurzeln, Jazz und Klassik. Oft war der Schlagwerker als Arrangeur für das Orquestra Jazz Sinfónica tätig, hat für Größen der brasilianischen Popmusik wie

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Chico César oder die Meisterin der indigenen Musik, Marlui Miranda, Klanglandschaften gemalt. Künstlerisch fruchtbare Partnerschaften ergaben sich im Laufe der Jahre auch immer wieder mit São Paulos charismatischer Altstimme Mônica Salmaso und dem Orquestra Popular De Câmara, das viele progressive Köpfe der brasilianischen Jazz-Szene beherbergt. In der US-Szene fiel er durch Teamworks mit John Scofield und Randy Brecker auf. Mit der Violinistin Tracey Silverman aus Nashville realisierte er verschiedene Projekte, um die „beiden“ Amerikas in Duo-, Trio- und Quartett-Besetzung zu verknüpfen. Verbindungen schafft er auch mit seinem neuen Werk,

das eigens für das moers festival und das Nijmegen Music Meeting in Auftrag gegeben wurde. Marcondes ist für dieses Opus namens „You Will Remember This“ zu seiner Vorliebe für vier Streicher zurückgekehrt, freilich in ungewöhnlichem Kontext: Auf der einen Seite steht das italienische Arkè String Quartet, jüngst durch seine Kollaboration mit Trilok Gurtu global erprobt. Gegenübergestellt wird diesem Streichquartett ein Trio, das mit dem Klarinettisten Gabriele Mirabassi einen weiteren Italiener featuret, flankiert vom Holländer Ilja Reijngoud an der Posaune und Marcondes selbst am Schlagwerk. Stefan Franzen

Caito Marcondes_dr, perc Gabriele Mirabassi_cl Ilja Reijngoud_tb Arkè String Quartet Carlo Cantini_v, dilruba, fl, kalimba Valentino Corvino_v Sandro Di Paolo_vl Stefano Dall’Ora_b, ukelele

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Sonntag, 11. Mai 2008

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The Peter Evans Quartet 16.15 Uhr / Festivalzelt Die Trompete teilt im Jazz ein ähnliches Schicksal wie die Klarinette. Lange Zeit war sie die „Königin des Jazz“, einstmals galten ihre Protagonisten als Vorreiter neuester Strömungen. Doch ab den 1960ern sind andere Instrumente maßgeblich geworden. Seit einiger Zeit erleben wir aber eine Renaissance, nicht zuletzt durch eine Vielzahl jüngerer Entwicklungen in Europa. Das Problem der Trompete: Die technische Bewältigung des Instruments stellt hohe Anforderungen, das System der Konservatorien propagiert in erster Linie die Pflege der Tradition bzw. vermittelbare Lerninhalte. Weil dieses Instrument Nachholbedarf im Hinblick auf sein Ausdruckspotenzial hat, eröffnet sich Raum für frischen Wind. Erste Böen sind zu registrieren: Arve Henriksen, Axel Dörner oder Franz Hautzinger. Aber während diese sich vornehmlich damit beschäftigen, das Prinzip Trompete zu transzendieren und mit der Tradition als Signalinstrument zu brechen, beschreitet der Amerikaner Peter Evans einen anderen, aber nicht weniger subversiven Weg. Ihm geht es darum, „wie viel“ Trompete überhaupt möglich ist. Seine Vision aktueller improvisierter Musik arbeitet mit enormen Dichten, um mit einer phänomenalen Instrumentaltechnik einen elektrisierenden Sog zu erzeugen, der ebenso „playful“ wie „sophisticated“ ist: die Sex Pistols, György Ligeti und John

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Coltrane in lebhafter Umarmung und Unterhaltung. Nicht verwundern wird es, dass Evans’ Debüt auf Evan Parkers Psi-Label erschienen ist – dem Saxofonisten also, der in den 1970ern einen vergleichbar radikalen Personalstil auf seinem Instrument entwickelte. Das Quartett des Trompeters spielt in dieser Besetzung seit zwei Jahren zusammen. Evans über sein Quartett: "To provide an

overlapping of experience. A web of music-making which includes intense, physical instrumentalism, a distorted reflection/critique of our relationship to technology (musical and otherwise), a loving and fragmented look at the jazz tradition, and most importantly a general feeling of ’aliveness’. If people can leave one of our concerts feeling more alive than they did when they arrived, I will be happy!" Thomas Heberer

Peter Evans_tp Brandon Seabrook_g Tom Blancarte_b Kevin Shea_dr

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Sonntag, 11. Mai 2008

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Theo Bleckmann 17.30 Uhr / Festivalzelt

In New York hat es Theo Bleckmann längst geschafft. Seit 1989 lebt der gebürtige Dortmunder im Big Apple – und konnte schon rasch nach seiner Ankunft die dortige Künstlercommunity und das Publikum für sich einnehmen. Gleichgültig, ob er mit

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Anthony Braxton, John Hollenbeck oder Steve Coleman, ob er mit Philip Glass, Meredith Monk oder den Bang On A Can All Stars arbeitete, stets überzeugte er mit einer unkonventionellen Gesangstechnik und einem untrüglichen Gespür für ungewöhn-

liche Sounds – obwohl oder gerade weil er die Tradition des Vocal Jazz nicht aus den Augen verliert und die Auseinandersetzung mit der Moderne nicht scheut. Die Möglichkeiten des unbegleiteten Sologesangs nehmen mittlerweile einen breiten Raum bei Bleckmann ein. Fast versteckt im Innenteil des Booklets seiner SoloCD „Anteroom“ ist ein kurzer Satz zu lesen: „No electronics have been used to alter the sound or pitch of the voice“. Was sich auf den ersten Blick wenig spektakulär liest, ist bei tiefergehender Betrachtung die auf den Punkt gebrachte Beschreibung seines Sologesangs. In „real time“ sampelt und loopt er seinen Gesang, schichtet dann die verschiedenen „Stimmen“ übereinander und erzielt ad hoc eine irritierende Vokalmusik, die so klingt, als käme sie nicht von dieser Welt, die religiös ist, ohne sich in einer bestimmten Religion verorten zu lassen. Bewegung? Entwicklung? Fortschritt? Fehlanzeige. Bleckmanns Vokalmusik ist ein gleichmäßiges An- und Abschwellen, sie scheint tatsächlich zu atmen. Ihre verschieden starken Schichten verdichten sich zu immer neuen Gravitationszentren, aus deren Mitte heraus stets weitere Klänge entspringen. Sie ist eine Meditation über Klang und Zeit an sich: ätherisch, archaisch, jenseitig. Der Album-Name „Anteroom“ (auf Deutsch: „Vorzimmer, Wartesaal“) ist jedenfalls treffend gewählt. Theo Bleckmann: „,Anteroom‘ ist eine Meditation über das Warten, ein Platz ohne Bewegung, eine Stätte des Innehaltens, ein Ort vor dem eigentlichen Raum.“ Passend für das Festivalzelt, oder? Martin Laurentius

Theo Bleckmann_voc, electr

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Sonntag, 11. Mai 2008

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Frode Gjerstads Circulasione Orchestra 20 Uhr / Festivalzelt Jazz aus Norwegen gilt als sphärisch, verhangen, melancholisch. Nur ganz wenigen gelingt es, dieser Schablone zu entkommen. Der Saxofonist Frode Gjerstad gehört seit rund 30 Jahren zu den Protagonisten des norwegischen Free Jazz. Bis in die 1990er-Jahre fand er in Skandinavien nur wenig Anerkennung. Mangels Norwegern, die seinen Pfaden folgen wollten, spielte er vor allem mit britischen und amerikanischen Musikern. Eine besonders intensive Zusammen-

arbeit pflegte er über anderthalb Jahrzehnte bis zu dessen Tod mit dem britischen Drummer John Stevens, mit dem er mehrere Gruppen, unter anderem ein Trio mit Johnny Dyani unterhielt. Mittlerweile wird Gjerstad in seiner Heimat als „Peter Brötzmann des Nordens“ gefeiert. Als Aufrechter, der unerschütterlich in sein Horn stößt, mag ihm der Trendwind auch noch so scharf ins Gesicht blasen. Youngster wie Mats Gustafsson, Hakon Kornstad oder Paal Nilssen-Love erwiesen dem

Frode Gjerstad_sax Bobby Bradford_tp Sabir Mateen_sax, cl Børre Molstad_tu Lasse Marhaug_electr Morten J. Olsen_electr Kevin Norton_vib Anders Hana_g Nick Stephens_b Ingebrigt H. Flaten_b Louis Moholo-Moholo_dr Paal Nilssen-Love_dr John Hegre_sound

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alten Berserker endlich den Respekt, der ihm so lange versagt geblieben war. 1999 gründete er sein erstes norwegisches Trio mit Nilssen-Love am Schlagzeug und Øyvind Storesund am Bass. Seine ungestüme Energie, Wendigkeit und spontane Erfindungskraft etablierten das Trio parallel zur Free-Jazz-Renaissance in New York und Chicago als einen Impulsgeber für frei improvisierte Musik in Europa. Seit ein paar Jahren beschäftigt sich Gjerstad auch intensiv mit elektronischer Musik, die er vor allem im Duo mit Lasse Marhaug oder in der Band Ultralyd zelebriert. Auch das Circulasione Totale Orchestra setzt sich hauptsächlich aus norwegischen Musikern zusammen. Wie der Name bereits andeutet, ist die Maxime des Beständigen in diesem Fall der Wechsel – wechselnde Besetzungen, wechselnde Konzepte. Erstmals stellte er 1989 in Molde ein Ensemble unter diesem Namen auf. Jüngst beauftragte ihn seine Heimatstadt Stavanger, die europäische Kulturhauptstadt 2008, mit einer Neuauflage des Projektes. Mit den Norwegern Paal Nilssen-Love, Lasse Marhaug, und Ingebrigt Haker Flaten, den Amerikanern Sabir Mateen, Bobby Bradford und Kevin Norton sowie seinen LangzeitGespielen Louis Moholo und Nick Stephens fließen in dieser Band alle Stränge seines musikalischen Universums zusammen. Wolf Kampmann

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Sonntag, 11. Mai 2008

Dälek 21.15 Uhr / Festivalzelt Rapmusik hat seit ihren Anfängen auf den Mittelwellensendern der Südstaaten unzählige Erscheinungsformen hervorgebracht. Die einflussreichste kennen wir heute als HipHop, und den haben MC Dälek und sein Partner Oktopus in New Jersey, sozusagen in Sichtweite der „Golden Era“, mit der H-Milch aufgesogen. Von allen, die den steinigen Weg vom respektierten Straßeneckenpoeten zum international tourenden Recording Artist gegangen sind, haben sie den vielleicht steinigsten, sicherlich aber eigenwilligsten eingeschlagen. Ihr Debüt „Negro

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Necro Necros“ erschien auf dem lokalen Metal-Label Gern Blandsten – und das war angesichts des realen Schallereignisses nicht sehr weit hergeholt: Der brutale Funk der komprimierten Beats ersoff in einem Klangbad aus Feedback-Samples, genereller Übersteuerung und Scratches – ein „Ocean of Sound“, den Däleks Stimme teilte wie Moses das Rote Meer. Sein HipHop ist, um einen William-Gibson-Neologismus zu benutzen, „bladerunnered“, eine dystopische Legierung aus Beats & Rhymes, Neubauten- und HardcoreManga-Ästhetik – eine Antwort auf den New Yorker Boom Bap und die kalifornischen Low Rider, Gegenden also, wo Flucht in Literatur, Comics und schräge Musik die nahe liegende Richtung aus der kulturellen Einöde Suburbias darstellt. Das Duo ver-

stärkte unablässig seine SchallWälle. Das Album „Absence“ verband die gequälten Schreie einer mit Füßen getretenen E-Gitarre mit Däleks fiebertraumhaften Wortströmen. Konsequenterweise landete man mit der Musik nicht bei den MTV Awards, sondern auf Festivalplätzen wie in Nickelsdorf und Dürmentingen. In ersterem ließen sie ihre Klangwalzen auf ein Publikum los, zu dem beide als Fans von Ianis Xenakis und John Coltrane auch dazugehören könnten. In letzterem produzierten sie mit ihren Idolen von Faust eine apokalyptische Landschaftsmalerei von wagnerianischen Ausmaßen. Dälek bleiben unberechenbar – und sind live ein sinnliches Erlebnis, das im HipHop seinesgleichen sucht. Eric Mandel

Dälek_voc Oktopus_laptop Destructo Swarmbots_g Joshua Both_keyb

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Sonntag, 11. Mai 2008

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Tom Halter_tp Dan Rosenthal_tp Joel Yennior_tb Jeremy Udden_as, fl Russ Gershon_ts, ss Charlie Kohlhase_as, bs Rafael Alcala_p Rick McLaughlin_b Pablo Bencid_dr Vicente Lebron_perc Mulatu Astatke_vib, perc

„Neo-modernism, afro-cuban“ – dem Either/Orchestra fällt es stets leicht, Bezeichnungen für seine stilistisch vielgestaltigen Performances zu finden. Seit mehr als 20 Jahren existiert dieses Orchester – und hat sich seitdem als Talentschmiede auf der Szene etabliert. John Medeski oder Mike Rivard beispielsweise, oder Mark Sandman, Curtis Hasselbring, Oscar Noriega, Andrew D’Angelo, Josh Roseman und Matt Wilson, alle saßen zu Beginn ihrer Karriere in diesem Orchester. Das Either/Orchestra ist zwar fest in der Tradition eines Duke Ellington oder Sun Ra verwurzelt, hat aber darüber hinaus einen eigenen Stil entwickelt. Mal explosiv und mitreißend, mal ruhig und kontemplativ, stets scheut man weder Ausflüge in Pop, Blues, Dance oder Latin noch – und das in den vergangenen Jahren häufig – in die afrikanische Musik. So stand man zum Beispiel in Ähtiopiens Hauptstadt Addis Abeba mit einigen Jazzgrößen aus diesem ostafrikanischen Land auf der Bühne. Einer von ihnen, der Perkussionist, Keyboarder und Vibrafonist Mulatu Astatke, ist nun auch Gast auf der

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The Either/Orchestra & special guest Mulatu Astatke 22.30 Uhr / Festivalzelt

anstehenden Europa-Tournee des Either/Orchestra. Der 1943 geborene Astatke war Afrikas erster Absolvent des renommierten Berklee College Of Music in Boston, damals war er beispielsweise auch Gast im Duke Ellington Orchestra. Er komponierte und spielte zudem die Musik für Jim Jarmuschs berückenden Spielfilm „Broken Flowers“ von 2005 – und war vor allem einer der Impulsgeber für den so genannten Ethio-Jazz, den er als Musiker, Komponist und Arrangeur mit auf den Weg brachte. Die Blütezeit dieser afrikanischen Stilmixtur war Ende der 1960er- und Anfang der ’70er-Jahre, damals fusionierte Astatke zusammen mit weiteren Musikern aus Äthiopien Jazz, Latin und Funk mit der Musik seiner Heimat. Die Militär-Diktatur unter Mengistu Haile Mariam beendete ab 1974 diese Phase künstlerischer Freiheit, auch die funkensprühende Improvisationsmusik eines Mulatu Astatke wurde 17 Jahre lang zum

Schweigen gebracht. Doch vor einiger Zeit glückte ihm dann ein begeisterndes und umjubeltes Comeback – mit dem Either/Orchestra, das seitdem mit Astatke eine Brücke zwischen den Kulturen, zwischen den USA und Afrika schlägt. Ein Grenzen-überschreitendes, musikalisches Abenteuer, eine swingende Entdeckungsreise, erfrischend und vitalisierend zugleich. Mischa Andriessen

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Montag, 12. Mai 2008

programm

Angelika Niescier Improviser In Residence 14 Uhr / Festivalzelt Eine doppelte Verneinung, eine rhetorische Floskel, die ein vorab unterstelltes Einverständnis bestätigen soll: „Nicht wahr?!“ Sie ist eine Kurzform der Frage: „Sie sind doch auch der Meinung, dass …“, und sichert alltägliche Beziehungen, klopft beim Gesprächspartner zunächst freundlich an, indem sie eine positive Verbindung herzustellen versucht. Damit kann sie ein Element der Manipulation sein, wenn ein Politiker im Wahlkampf auf Stimmenfang geht. Oder sie wird zum strategischen Element, um eine unmögliche Situation zu beschreiben, die man gemeinsam ablehnen muss. Sie ist auf jeden Fall unverzichtbares Element der Werbung, der persönlichen, der ökonomischen und der politischen. Hanns Dieter Hüsch hat diese Strategien in seiner Sprache und seinen Schriften immer

wieder doppelbödig benutzt – um Verlogenheit und Charaktermasken zu entschleiern oder um menschliche Unzulänglichkeiten (versöhnlich) aufzudecken. Allein die Überschriften der fünf Texte, die Angelika Niescier aus Hüschs Kosmos für ihr MoersProjekt ausgewählt hat, handeln davon: „Leichtes Leben“, „Es wird erwogen, dass“, „Nicht wahr?! Meinungsfuge für drei Stimmen“, „Requiem für einen unbekannten Zivilisten“ und „Ich glaube an das Leben“. Ihre Kompositionen zu diesen Texten entstanden aus der Überzeugung, dass es eine gemeinsame, eine verbindende ästhetische Qualität zwischen beiden gibt: „Ich lasse mich inspirieren von der Sprache, von der Stimmung und benutze natürlich

Zitate als Klangskulpturen, als reine Zitate oder liedhaft. Es sind Texte, in denen ich Musik-Konzepte höre.“ Ihr Moers-Projekt bündelt fünf improvisierende Musiker und den zwölfköpfigen Chor Ensemble O:Ton. „Mir ist der Chor als Klangkörper sehr wichtig, weil ich finde, man kann mit kaum einem anderen Klangkörper so viele verschiedene Sachen machen. Ich kann Klanggebilde entwerfen, abstrakt und konkret. Ich kann aber auch genauso mit Sprache arbeiten, und das kann ich mit keinem Instrument, letztendlich.“ Eine Probe aufs Exempel aus Hüschs „Ouverture“, bei der man die Floskel schon mitzuhören glaubt: „Der kurzen Tage Schmerzen Am Abend Durch herzliche Musik Zu lindern War stets des Spielmanns Beste Gabe“. Nicht wahr?! Ulrich Kurth

Angelika Niescier_as Ingrid Lode_voc Mark Bassey_tb Sebastian Räther_b Christoph Hillmann_dr Ensemble O:Ton Susanne Blumenthal_ld Anette von Eichel_voc Katharina Fastenrath_voc Katharina van Nahmen_voc Barbara Schachtner_voc Sascha Cohn_voc Sonja Mertens_voc Elke Reiff_voc Cordelia Weill_voc David Rynkowski_voc Jan Seelbach_voc Tobias Christl_voc Magnus Piontek_voc

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programm Hilmar Jensson_g Chris Speed_sax, electr Jim Black_dr Peter Evans_tp

TYFT feat. Peter Evans 15.15 Uhr / Festivalzelt TYFT klingt nach einem geheimnisvollen Zauberwort. Tatsächlich hat der isländische Gitarren-Alchimist Hilmar Jensson mit den beiden New Yorkern Jim Black und Andrew D‘Angelo eine Rezeptur gefunden, nach der die Ingredienzen des Jazz ganz neu gemixt werden. Ein solches Klang-Elixier entfaltet seine Wirkung

nicht über Nacht. Der schlichte Aufkleber Jazzrock greift nicht mehr wie gewohnt, denn TYFT gehen von der Erfahrung der Elektronik und des Indie Rock über den Jazzrock zurück zu den Quellen des Free Jazz. Genau genommen klingt das Trio überhaupt nicht wie eine Jazzband. Das für den Jazz so typische Kräftemessen

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zwischen den Musikern empfindet Jensson als Handycap. Stattdessen setzt er mit TYFT auf Lebenserfahrung: „Im Jazz treffen sich oft Musiker, die sich aus gegenseitigem Respekt füreinander interessieren, ohne sich wirklich zu kennen. Bei uns ist es genau umgekehrt. Unser musikalischer Stil ergibt sich aus unserer persönlichen und musikalischen Freundschaft. Das war kein erklärtes Ziel, sondern ergab sich ganz von selbst.“ Wie alle isländischen Künstler hält sich Jensson mehr im Ausland als zu Hause auf. Er gehört zum kreativen Umfeld der New Yorker Park-Slope-Szene, in der sich auch Black und D‘Angelo eingerichtet haben. New York ist Schmutz, Enge, Hektik – Island steht für Weite, Luft und See. Jensson wuchs mit den Klischees des nordischen Jazz auf, die irgendwann auf das harte New Yorker Pflaster prallten. „Vor allem in meiner Jugend stand ich unter dem Einfluss vieler nordischer Musiker, die auf ECM waren. Das ist immer noch irgendwie mein Hintergrund. Ich kann auch nicht die Tatsache leugnen, dass ich in Island aufgewachsen bin und einen Teil des Jahres dort verbringe. Meine Musik ist eine Mixtur von beiden Seiten des Atlantiks.“ TYFT setzen einen bewussten Kontrapunkt zu jener Jazz-Majorität, die sich mit rein ästhetischen Statements begnügt. Das Stochern in der Vergangenheit ist nicht ihre Sache. In ihren oft schroff anmutenden Sounds postulieren sie den Alltag, wie sie ihn empfinden, zwischen Licht und Schatten, Wut und Gelassenheit, Neugier und Übersättigung, Kollaps und Auferstehung. Umso spannender wird das Treffen dieses Dreiers mit dem jungen Bilderstürmer Peter Evans auf der Trompete sein. Wolf Kampmann

Weil Andrew D'Angelo schwer erkrankt ist, kann er das Konzert mit TYFT nicht spielen. Sein Instrumentalkollege Chris Speed wird ihn in Moers vertreten.

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Montag, 12. Mai 2008

programm

Avishai Cohen_b, voc Mark Guiliana_dr Shai Maestro_p Oded Meir_tb Elan Salem_fl Eyal Heler_g Keren Malki_voc Rea Bar-Ness_perc Itamar Doari_perc

Avishai Cohen Roots Project 16.30 Uhr / Festivalzelt Der Reigen ist lang und prominent: Charles Mingus, Dave Holland, Jaco Pastorius, Ray Brown, Charlie Haden, Stanley Clarke, Ron Carter, Jimmy Blanton, Scott LaFaro und natürlich Sting. Auch Avishai Cohen gehört laut „Bass Player Magazine“ zu den 100 einflussreichsten Tieftönern des 20. Jahrhunderts. Aber das kann man auch anders auffassen. 100 – was für eine seltsame Hausnummer! Gab es wirklich so viele Bassisten, die spürbaren Einfluss auf den Jazz und seine grenznahen Bereiche besaßen? Und warum nur das zurückliegende

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Jahrhundert? Offenbar kannten die Bass-Gelehrten bei ihrer Auswahl das Roots Project noch nicht, sonst hätten sie den Bewertungszeitraum zwangsläufig in die Gegenwart transferieren und Avishai in die Spitzengruppe hieven müssen. Denn bei dessen neunköpfigem israelischen Ensemble, das zum ersten Mal überhaupt in Moers und Nijmegen live in Erscheinung tritt, handelt es sich um ein höchst ungewöhnliches Projekt. Mit alten und neuen hebräischen Texten schmiedet der Bassist und Bandleader ein faszinierendes

Amalgam aus Jazz und israelischer Musik. Schlicht aus allem, was ihn je beeinflusst hat. Ein multikulturelles Riesentalent, das zu Beginn der 1990er-Jahre von seinem Geburtsort Tel Aviv in die USA ging, um zu lernen. Als einer der ersten israelischen Jazzmusiker überhaupt versuchte Cohen in New York sein Glück, traf dort Brad Mehldau, tauchte tief in den Latin Jazz ein, spielte unter anderem mit Danilo Perez, bevor ihn 1996 Chick Corea vom Fleck weg für seine damalige Band Origin engagierte. Eine Kreativ-Liaison, die bis 2003 hielt und Avishai zum endgültigen Durchbruch verhalf. In jenen Jahren erlangte er den Ruf eines hoch kompetenten und enorm vielseitigen Bassisten, der bei Bobby McFerrin, Roy Hargrove, Herbie Hancock, Nnenna Freelon, Claudia Acuña, Paquito D’Rivera und Alicia Keys erste Wahl war. Selbst Sting, der sich bestens mit den vier tiefer gestimmten Saiten auskennt, interessierte sich für den charismatischen Israeli. Übrigens nicht die einzige Parallele: Cohens Gesangsstimme besitzt in ihren besten Momenten eine geradezu verblüffende Ähnlichkeit mit der des englischen Popstars. Auch im Roots Project wird der 38Jährige singen, zusammen mit Keren Malki sowie Percussionist Itamar Doari. Das Ensemble zelebriert seine eigene Philosophie von Musik. Eine Reminiszenz an hebräische Wurzeln, aber auch eine Reflexion der Gegenwart und ein Blick in die Zukunft. Eine ausgetüftelte Verschiebung der Nuancen, bei der sich jeder in voller Größe zeigen darf. Ein Spiel mit Farben, Elementen und hinreißenden Resultaten. Avishai Cohen führt unprätentiös Regie dabei. Dies und sein Instinkt für das Machbare sind sein Markenzeichen. Eine einmalige Form von emotionaler Ästhetik. Reinhard Köchl

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Cecil Taylor & Tony Oxley 17.45 Uhr / Festivalzelt Ihre Zusammenarbeit begann am 17. Juli 1988 in der Kongresshalle Berlin, dem späteren Haus der Kulturen der Welt. Das Festival hieß Improvised Music II/88, organisiert von Free Music Production, FMP. Die hat das Konzert auch als LP veröffentlicht. Der Kritiker Bert Noglik verglich damals das dichte Zusammenspiel der beiden mit der Wanderung der Zugvögel. Sie verfolgten gegenseitig ihre Bewegungen und trafen sich „in ihren Schwingungskurven mit biologischem Instinkt.“ Taylor und Oxley inszenieren magische Ereignisse umfassender Kommunikation, zu denen auch tänzerische Bewegungen und gesprochene Texte gehören können. Dabei erzeugen

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sie in ihren musikalischen Welten einen starken Sog, eine Kreativität, die ihre musikalischen Mittel aus einer sehr strengen Konzentration auf genuine Improvisation gewinnt. Auf ihren Instrumenten haben beide energetische und instrumentale Maßstäbe in der freien Improvisation gesetzt: Taylor mit seiner furiosen Klavierspielweise aus virtuosen Figuren und Clustern, Oxley mit seiner Auswahl an Trommeln jeder Größe, Metallobjekten und elektronischen Klangerzeugern. Den horizontalen, gleichmäßigen Zeitfluss des Jazz haben beide in ihrem Spiel aufgegeben. Oxley nennt sein Konzept „vertikal“: musikalische Ereignisse strukturieren sich zeitlich übereinander, nicht

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hintereinander, also in imaginären Klangräumen. Auch für Taylor sind diese räumlichen Klänge der Rahmen seiner Konzerte. Vor vielen Jahren, als der Free Jazz gerade entstand, gab er zu Protokoll, er wolle den Raum zwischen zwei Akkorden (im traditionellen Jazz) erforschen, die kleinen Pausen, in denen die Klänge noch weiter wirken – er will sie nicht durch einen oktroyierten Zeitfluss quetschen. Taylor notiert seine Stücke in komplizierten Noten und Grafiken, um eine notwendige Gestaltungsfreiheit zu bekommen. Die Magie dieses Duos beruht auf der kongenialen Ergänzung in einer Sphäre, die emotionale Freiheit durch Konzentration erfahrbar macht. Ulrich Kurth Cecil Taylor_p Tony Oxley_dr, perc

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Supersilent feat. Terje Rypdal 19 Uhr / Festivalzelt

Das norwegische Quartett Supersilent ist ein absolutes Unikum auf der europäischen Bandlandschaft. Eine frei improvisierende TechnoBand, ein infernalisches Filmorchester, die finale Einlösung aller Versprechen des Free Jazz – der Beschreibungen wären viele. Supersilent gehören zu den ganz wenigen Ensembles, die den Zuhörer am Erlebnis des viel beschworenen „Instant Composing“ aktiv teilhaben lassen. Mit Trompete, E-Gitarre, zwei Schlagzeugen, analogen Keyboards und Computern generieren sie spontan elektroakustische Soundscapes, die die Schöpfung rekapitulieren und die Apokalypse ahnen lassen. Obwohl die vier Musiker in den letzten Jahren kaum gemeinsam musiziert haben, sind sie doch enger zusammen gerückt. „Unsere Sprache haben wir längst

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gefunden“, erläutert Drummer Jarle Vespestad. „Wir brauchen keine Trainingseinheiten mehr. Es geht darum, neue Sounds zu finden und unsere Abläufe neu zu strukturieren.“ Die wuchtigen Klangverschiebungen der Band legen kollektive Trance und Flucht in den Sound nahe, doch die Band überrascht mit einem hohen Maß permanenter Selbstkontrolle. Was auf CD wie unerklärliche Magie wirkt, offenbart sich live durch den konzentrierten Augenkontakt zwischen den Akteuren. Per Blick-Signal wird pure Energie transformiert. „Damit bringen wir Dinge zum Ausdruck, die wir mit Worten niemals festlegen könnten“, so Keyboarder Stale Storløkken. „Wir können Aufforderungen, Erwartungen, Zustimmung, aber auch Ablehnung formulieren, ohne es an eindeutigen Begrifflich-

keiten festzumachen. So halten wir unsere Abläufe zugleich offen und unter Kontrolle.“ Nach der Erweiterung ihres internen Klangarsenals suchen Supersilent zusehends nach externen Kollaborationen. 2007 traten sie in Oslo mit Nils Petter Molvær und der norwegischen Rocklegende Motorpsycho auf. In Moers treffen sie sich mit dem Grand Seigneur der europäischen Jazz-Gitarre, Terje Rypdal. Doch auch an diesem Abend hält Multiinstrumentalist Helge Sten am Grundprinzip der Band fest. „Jede Performance ist eine Erweiterung unseres Repertoires. Die Gefahr, uns auf bestimmte Arbeitsweisen oder Klangklischees festzulegen, ist hoch. Dem entgeht man nur, wenn man bei allem gegenseitigen Grundvertrauen jeden Abend von vorn beginnt und zugleich mit jedem Auftritt sein letztes Konzert gibt.

Foto: Christoph oph Gi G ese see

Arve Henriksen_tp, voc, dr Helge Sten_audio virus Stale Storløkken_keyb, synth Jarle Vespestad_dr Terje Rypdal_g

Wolf Kampmann

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the night Drei Nächte lang mit schweißtreibender, „funkophiler“ Partymusik der besonderen Art im Souterrain vom Hotel Van der Valk – das war „the night“ im vergangenen Jahr. Auch 2008 stehen die drei Pfingstnächte im Zeichen von Deep Funk, Raw Soul und Rare Groove. Freitag, 9. Mai 2008 Einlass 21.30 Uhr Beginn DJ-Set: 22 Uhr Live: 23 Uhr DJ-Set: Ancient Astronauts, Frenchman & Paul Poti The Baker Brothers Das United Kingdom ist eine der Hochburgen für die Renaissance von Funk und Soul. Dort im englischen Bournemouth zu Hause sind The Baker Brothers. Kern dieser Truppe ist das Brüderpaar Richard und Dan Baker, das zusammen mit Chris Pedley ein tight aufeinander eingespieltes Funk-Rhythmusteam bildet. Dazu gesellt sich die Hornsection um Paul Young, Matthew McNaughton und Paul Jordanous – und mit ihren Gastsängern verwandeln die Baker Brothers jeden Konzertsaal in einen schwitzigen Juke Joint. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten: Mehr als 50.000 verkaufte Alben allein in Japan, umjubelte Konzerte etwa mit Sly And The Family Stone sprechen eine deutliche Sprache. Der Funk-Sound der Baker Brothers ist jedenfalls rau und authentisch, klingt analog und selbst live glaubt man, das Knistern alter, viel gespielter Vinyls zu hören – mit pluckerndem Bass, lässigen Backbeats, groovigen Singlenotes und messerscharfen Bläserriffs.

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Samstag, 10. Mai 2008 Einlass: 22.30 Uhr Beginn DJ-Set: 23 Uhr Live: 24 Uhr DJ-Set: Basement Freaks, Kosta Kostov & Frenchman Ty Spätestens mit seinem letzten Album „Closer“ hat es Ben Chijioke alias Ty geschafft – nicht nur in seiner Heimat Großbritannien. Die Musik dieses Sängers, Rappers und Produzenten reicht tief zurück in die Jahre der 1960er bis Mit-70er, sie ist ein Reflektieren der Geschichte des US-amerikanischen Funk und Soul, aber auch des Afrobeat. Doch ist sie keineswegs retrospektiv. Die populären Strömungen von Heute – HipHop etwa, oder R&B und Brit-Soul – lassen die Sound-Entwürfe des gebürtigen Nigerianers gleichermaßen geschichtsbewusst wie modern klingen. Und ein weiterer Aspekt zeichnet Ty aus: Nicht nur im Studio ist er ein selbstbewusster Produzent, sondern er hat sich auch einen herausragenden Ruf als mitreißender Live-Performer erspielt. Von der Bühne herab verwandelt er mit seiner mit bedacht zusammengestellten Band jedes Venue in einen überkochenden Hexenkessel.

Ben Chijioke aka Ty_lead voc Vula Malinga_voc Ladonna_voc Simon Colam_keyb Robin Mullarkey_b Richard Spaven_perc

Richard Baker_dr, voc Dan Baker_g, keyb, voc Chris Pedley_b, voc Paul Young_ts Matthew McNaugthon_as, bs Paul Jordanous_tp

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Samstag, 10. Mai 2008 Sonntag, 11. Mai 2008 24 Uhr Hotel Van der Valk

Einlass: 22.30 Uhr Beginn DJ-Set: 23 Uhr Live: 24 Uhr DJ-Set: Basement Freaks Kosta Kostov & Frenchman Pee Wee Ellis Assembly Das Original: Zusammen mit Maceo Parker und Fred Wesley bildete Alfred „Pee Wee“ Ellis die JB Horns. Damals, in den 1960ern, nannte sich James Brown „Godfather“ – und mit „seinen“ JB Horns inszenierte er ekstatische Bühnenshows und brachte die Funk-Revolution auf den Weg. Aber es war Pee Wee, der mit seiner Arrangierkunst eine Nummer wie etwa „Cold Sweat“ erst zum Hit werden ließ. Denn Ellis war stets mehr als nur Saxofonist in einer Hornsection. Seine Jazz-Roots (in den 1950ern nahm er beispielsweise Unterricht bei Sonny Rollins) hat er nie verleugnet. Seine Kunst besteht auch und gerade darin, das Raffinement des Jazz mit der Exaltiertheit des Soul und Funk homogen zusammenzuführen. Sein funkifizierter Soul-Jazz überzeugt durch eine Lässigkeit, die sexy und rauschhaft klingt, dennoch Authentizität und Originalität besitzt. „Stereoplay“: „Groovt geschmeidig ins Ohr. Ein Hörfest.“ Pee Wee Ellis_ts Lizzie Deane_voc Christian Ellsässer_keyb Martin Scales_g Patrick Scales_b Guido May_dr Ort: Hotel Van der Valk, Krefelder Straße 169 Kurator Live-Programm: Hamed Shahi DJ-Set: Global Player, der Funkaus Europa Club

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nite lounge Wem’s im Keller vom Hotel Van der Valk zu laut ist, der muss hoch zur neuen Reihe „nite lounge“ kommen. Drei Mal Kontrastprogramm zum tobenden Funk von „the night“, drei Mal ruhige Momente mit aktueller Musik zwischen Jazz und Singer/Songwriter.

Freitag, 9. Mai 2008 23 Uhr Hotel Van der Valk Flexkögel „Flex“ und „Kögel“ sind die Sängerin Britta-Ann Flechsenhar und der Gitarrist Christian Kögel, der Kern von Flexkögel aus Berlin. Stets mit weiteren Musikern zu einer flexibel auftrumpfenden Band vergrößert, schlägt man gekonnt eine Brücke zwischen verträumtem Pop, trashigem Rock’n’Roll, ehrlichem Singer/ Songwriter und energetischem Jazz – trocken, humorvoll, hintergründig. Britta-Ann Flechsenhar_voc, keyb Christian Kögel_g, voc, electr Rainer Winch_dr

Tuomi Leise und melancholisch, bittersüß und lyrisch: Tuomi aus Berlin setzen einen Kontrapunkt zum allgegenwärtigen Vocal-Jazz-Boom. Dieser Dreier um die Finnin Kristiina Tuomi schafft den Spagat zwischen europäischer Kunstlied-Tradition, zeitgenössischem Songwriting und dem traditionsreichen Great American Songbook. Selbst die deutschsprachigen Texte haben nichts mit Schlagermuff zu tun, poetisch-leise kommt Tuomis (Jazz-) Kammermusik daher. Kristiina Tuomi_voc Carsten Daerr_p Carlos Bica_b

Sonntag, 11. Mai 2008 24 Uhr Hotel Van der Valk Kobert Eine Orgel, ein Schlagzeug, eine Stimme – was braucht es mehr, um gute Musik zu machen. Die Musik von Kobert aus Norwegen bleibt jedenfalls leise, sie klingt ätherisch, fast kindlich-naiv, ohne Hintergründiges und Reflektierendes außer Acht zu lassen. Die sparsame Instrumentierung schafft Räume, in denen Platz ist für Fantastisches und Traumhaftes. Für Gänsehaut sorgt das gutturale Timbre von Sängerin Ingrid Lode – archaisch und mystisch zugleich. Ingrid Lode_voc Daniel Buner Formo_org Erik Nylander_dr

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Jazz-Festival und PARITÄTISCHER Wohlfahrtsverband – wie passt das zusammen? Kultur und Soziales haben durchaus gemeinsame Schnittmengen. Wir haben uns erstmals hier 1997 mit der AKTION GRUNDGESETZ der damaligen Aktion Sorgenkind engagiert: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“ war damals die Forderung. Es ging um Teilhabe von Behinderten am „normalen“ Leben. Wir haben deshalb im gleichen Jahr in enger Zusammenarbeit mit der Festivalleitung begonnen, das Moers-Festival barrierefrei zu gestalten. Damit war das Moers-Festival die erste musikalische Großveranstaltung, die barrierefrei war und ist. Was heißt denn barrierefreies Moers-Festival? Alle Veranstaltungen sind ohne Stufen zu erreichen, es gibt Behindertentoiletten, es gibt das Festivalprogramm in Blindenschrift und auf CD und wir haben 25 Mitarbeiter als Behindertenassistenz im Einsatz. Es gibt im Festivalzelt einen Bereich für Rollstuhlfahrer mit einem guten Blick auf die Bühnen. Ein Rollstuhlfahrer kontrolliert während des Festivals ständig den Zustand der Barrierefreiheit. Ganz wichtig ist uns das Konzert im Dunkeln, hier wollen wir zeigen, wie Blinde hören, wie sich die Sinne sensibilisieren, wenn ein Sinn wegfällt oder wie hier im Dunkeln ausgeschaltet wird.

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Wie ist die Resonanz auf das Angebot? Wir stellen fest, dass jedes Jahr mehr behinderte Besucher zum Festival kommen. Im letzten Jahr habe ich eine ganze Reisegruppe von Rollstuhlfahrern auf dem Festival getroffen. Ich finde es ganz toll, wenn – wie im letzten Jahr – ein Rollstuhlfahrer nach Moers kommt ein Zelt mitbringt in dem Wissen, dass hier Menschen sind, die ihn beim Zeltaufbau unterstützen. Das zeigt, dass es funktioniert mit der Barrierefreiheit. Und ganz stolz sind wir immer noch, dass das MoersFestival im Jahr 2004 vom ADAC das Prädikat „Best-Practice-Beispiel für eine kulturelle Großveranstaltung verliehen bekommen hat. In vielen Fachveröffentlichungen über Barrierefreiheit von Veranstaltungen finden Sie Photos vom MoersFestival. Das alles zeigt, dass wir hier in Moers auf dem richtigen Weg sind.

Interview mit Hartmut Hohmann, Regionalgeschäftsführer des PARITÄTISCHEN Wohlfahrtsverbandes Kreis Wesel

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concerts in the dark 10. - 12. Mai 2008 Nachdem 2006 der Saxofonist und Klarinettist Eckard Koltermann und 2007 Violinistin Gunda Gottschalk die „concerts in the dark“ verantwortet hatten, ist in diesem Jahr der aus Moers stammende Kontrabassist Tim Isfort Kurator für die dreitägige Konzertreihe im Dunkelzelt. Das Dunkelzelt 2008 wird durch Isfort zu einem Ort des unmittelbaren, räumlich nicht fassbaren Erlebens von Musik. Sein Konzept umfasst das Spiel mit den Gegebenheiten und die Suche nach Verbindungen von akustischen und elektronischen Klängen, das Arbeiten mit Stimmen und mit analogen wie digitalen Instrumenten – und: Improvisation und Komposition. Drei Aspekte spielen eine zentrale Rolle. Zuerst – Musiker und Künstler, die auf den ersten Blick aus verschiedenen Richtungen kommen: die Schauspielerin Eva Verena Müller beispielsweise, die im vergangenen Jahr als Billie Holiday am Schlosstheater brillierte, oder Philipp Micol, Klarinettist und Saxofonist aus dem Bereich experi-

menteller Musik, und – an allen drei Tagen – das baskische PerkussionsDuo Ttukunak, das am Freitag auch auf der Bühne im Festivalzelt mit seiner archaischen Musik zu hören ist. Dann – die intensive Einbindung von Sprache und Stimme in den musikalischen Kontext. So ist Christian Brückner (vielen als die deutsche Stimme von Robert de Niro bekannt) mit Sprachimprovisationen und Stimmmodulationen im Dunkelzelt zu erleben. Zuletzt – der soundtechnische Aspekt. An allen drei Nachmittagen bearbeitet Dorothée Hahne als Live-Elektronikerin ad hoc die Musik, die sie im 5.1 Surroundverfahren dann noch zusätzlich verstärkt. Durch die spezielle Anordnung

von Musikern und Lautsprechern zueinander entwickelt sich im fast vollständig verdunkelten Zelt am Moerser Schloss eine Rundumbeschallung aus verschiedenen Klangquellen – mit dem Publikum im Mittelpunkt, das erst dann die natürlichen und die verfremdeten Klänge intensiv wahrnehmen kann.

Christian Brückner Dorothée Hahne

Samstag, 10. Mai 2008

Sonntag, 11. Mai 2008

Montag, 12. Mai 2008

16.30 Uhr, 19 Uhr & 20.30 Uhr Eva Verena Müller_voc Peter Bolte_as, fl Thorsten Töpp_g, electr Hans-Peter Faßbender_p, synth Norbert Krause_electr Dorothée Hahne_live-elektr Sara & Maika Gómez_txalapartas

16.30 Uhr, 19 Uhr & 20.30 Uhr Christian Brückner_stimme Kai Brückner_g Christofer Varner_tb, electr Achim Krämer_dr Till-o-mat Steinebach_turntables Dorothée Hahne_live-elektr Sara & Maika Gómez_txalapartas

16.30 Uhr & 19 Uhr Philippe Micol_ts, ss, bcl Thomas Lehn_analog-synth Martin Theurer_p, inside-piano Christoph Hillmann_dr, electr Dorothée Hahne_live-elektr Sara & Maika Gómez_txalapartas

Kurator: Tim Isfort In Zusammenarbeit mit dem Paritätischen Wohlfahrtsverband

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sax solo Eine Neuerung beim moers festival: drei Nachmittage mit „sax solo“. Diese drei Solo-Konzerte schlagen eine Brücke vom Norden über die Mitte in den Süden Europas. Den Anfang macht der 1977 geborene Hakon Kornstad. Dieser Tenorsaxofonist, in Bugge Wesseltofts JazzlandCommunity zu Hause, ist einer von Norwegens jungen Wilden. Er schert sich nicht um Grenzen, sondern erschafft aus dem vielem, was die aktuelle Musik heutzutage zu bieten hat, einen ungewöhnlichen Klangkosmos. „Leipziger Volkszeitung“: „Der feine skandinavische Jazz hat einen zweiten Ausnahme-Saxofonisten neben Jan Garbarek: Hakon Kornstad.“ Mehr als 20 Jahre älter als der Norweger

ist Michel Doneda. 1954 in Frankreich geboren, gehört der Sopransaxofonist und Sopranino-Virtuose zu den herausragenden Instrumentalisten der Improv-Szene seiner Heimat. Doch Doneda bleibt ganz Franzose: Neben all seinem technischen Können und seiner Vorliebe für zeitgenössische Avantgarde besitzt seine Improvisationsmusik stets einen melodischen Gestus. Vom Alter her zwischen beiden ist der 1963 geborene Frank Gratkowski. Sein Soloprogramm heißt „Artikulationen“. Und dieser Name ist ein Hinweis: Aus dem Stegreif reagiert der Altsaxofonist mit seinem Solospiel intuitiv auf das, was ihn währenddessen umgibt: Räume, Zuhörer, Geräusche, Klänge – um mit seiner stupenden Instrumentaltechnik den entstehenden Klangbildern Struktur und Sinn zu geben.

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Samstag, 10. Mai 2008 14 Uhr, Ev. Stadtkirche Hakon Kornstad Sonntag, 11. Mai 2008 14 Uhr, Ev. Stadtkirche Michel Doneda Montag, 12. Mai 2008 13 Uhr, Ev. Stadtkirche Frank Gratkowski

the morning Hakon Kornstad

10. - 12. Mai 2008, 11 - 13 Uhr, Tribera* Auch in diesem Jahr ist „the morning“ Ländergrenzen-überspringend und Kontinente-übergreifend. Musiker und Medienkünstler aus der estnischen Hauptstadt Tallinn kommen ebenso ins „Tribera“* wie deren Kollegen aus Wien, Zürich, Berlin und Sydney. Diese vormittäglichen Performances verantworten Sven Hahne und Matthias Muche, Initiatoren des Kölner Medienfestivals FRISCHZELLE. Weitere, spontan auftretende Gäste werden erwartet und sind erwünscht. Tallinn Connection Anne-Liis Poll_voc Anto Pett_p, prepared piano Jaak Sooäär_g, electr Priit Lehto_voc Tanel Ruben_dr, perc

Sydney Connection Clayton Thomas_b Clare Cooper_harp Steve Heather_dr, perc Anthea Caddy_vc Anthony Pateras_prepared piano Robin Fox_laptop

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Berlin/Wien/Zürich Connection Christian Weber_b Magda Mayas_p Michael Tieke_cl Joris Rühl_cl Nils Ostendorf_tp Leo Riegler_laptop, electr Kuratoren: Sven Hahne & Matthias Muche

*Triangle Below Rathaus: Schlosstheater, Rathaus-Kantine, Dunkelzelt

9. – 11. Mai 2008, 24 Uhr, Die Röhre Martin Sasse Trio & Guests Auf die Hoch-Zeiten des Bebop, Hardbop und Soul Jazz beruft sich der in Köln lebende Pianist Martin Sasse mit seinem Trio. Das Repertoire umspannt neben Sasses Bearbeitungen von Jazzstandards immer auch Originals des Leaders – ungemein swingend und hart auf den Beat gespielt. An allen drei Abenden erwartet man in der Röhre weitere musikalische Gäste – zur Jam-Session. Martin Sasse_p Henning Gailing_b Hendrik Smock_dr

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moers festival-Radio & punkt guerilla team 9. - 12. Mai 2008 Festivalgelände Auf UKW-Frequenz 93.7 MHz wird das Festivalprogramm live im gesamten Moerser Stadtgebiet übertragen – stationär am Radiogerät zu Hause oder in der Kneipe, und mobil mit einem tragbaren UKW-Radio. Eine Festival-Radioredaktion bringt zudem Interviews mit Musikern und liefert News und Features rund um das moers festival – dank der Technik des Westdeutschen Rundfunks in bester Klangqualität. Weil das norwegische Punkt Festival eine Abordnung ins Festivalzelt nach Moers schickt – u. a. Jan Bang, Erik Honoré, Eivind Aarset, DJ Strangefruit –, haben sich die Norweger zu einer einmaligen Truppe zusammengeschlossen: Als „punkt guerilla team“

nimm! Mit dem „Netzwerk Improvisierte Musik Moers“ („nimm!“) gehört Moers zu den 15 deutschen Städten, die sich in den kommenden vier Jahren um die Vermittlung von Neuer Musik und „experimentellen Formen des Jazz“ bemühen werden. Partner ist das „Netzwerk Neue Musik“, das auf eine Initiative der Kulturstiftung des Bundes zurückgeht, der Kunststiftung NRW und der Staatskanzlei in NRW. „nimm!“ hat sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, Moers zu einer Musterstadt der improvisierten Musik zu machen. Schließlich ist der aktuellste Jazz in keiner anderen Stadt der Republik so zu Hause wie hier. Mit umfangreichen Schülerprojekten, Gesprächskonzerten für Erwachsene und den Aktivitäten

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werden sie exklusive „live remix“Radiokonzerte geben – zu hören nur im moers festival-Radio. Das genaue Radio-Programm u. a. mit den Sendezeiten dieser „live remixes“ gibt es in unserer täglichen Festivalzeitung, die überall auf dem Gelände erhältlich sein wird.

Die SKAndalbühne Drei durchgetanzte, durchgeschwitzte und durchgefeierte Nächte verspricht die VOLKSSCHULE zum moers festival. Für Freunde von Ska, Punk Rock, Oi! und artverwandten v Sounds gehört die Szene-Zentrale am Südring (jetzt Hanns-AlbeckPlatz, noch immer fünf Fuß-Minuten vom Festival-Gelände entfernt) seit mehr als sechs Jahren fest ins Pfingstprogramm. In diesem Jahr gibt es ein Aufgebot an Szenegrößen, das nicht nur in der Region seinesgleichen sucht: Move your feet!

Freitag, 9. Mai 2008 / 21 Uhr Dynamite Kiss, Pectoral Redz, Feuerwasser, Paperjack

des „Improviser In Residence“ sollen verschiedene Zugänge eröffnet und neue Brücken zu den Inhalten des Festivals geschaffen werden. Erste „Improviser In Residence“ ist Angelika Niescier, die seit März in Moers lebt und arbeitet. Die Saxofonistin und Komponistin bringt sich auf vielfältige Weise in das Moerser Stadtleben ein. Sie gibt in ihrem Domizil Haus- und an wechselnden Orten Gesprächskonzerte, beteiligt sich an Workshops, Sessions und verschiedenen kulturellen Aktionen. Ebenfalls sehr ambitioniert sind die so genannten „Schleusen“, die alle Moerser Schülerinnen und Schüler in

den kommenden vier Jahren altersgerecht mit aktueller improvisierter Musik in Berührung bringen werden. Abschluss bildet eine schulübergreifenden Projektwoche, deren Ergebnisse (u. a. das „Konzert für 1000 Kinder“) einen Tag vor dem offiziellen Festivalbeginn im großen Festivalzelt aufgeführt werden.

Samstag, 10. Mai 2008 / 21 Uhr, Alpha Boy School, Los Placebos, Lili, Crash Casino Sonntag, 11. Mai 2008 / 21 Uhr Emscherkurve 77, Bad Nenndorf Boys, Die Blumento-Pferde, Loaded, Porters Kurator: Boris Graue Ort: Volkshochschule Hanns-Albeck-Platz 2

Projektpartner sind alle Moerser Schulen, die Musikschule, das Schlosstheater und viele freie und private Kulturinstitutionen. Weitere Informationen: www.n1mm.de „nimm!“ wird gefördert durch das Netzwerk Neue Musik, einem Förderprojekt der Kulturstiftung des Bundes, und durch die Kulturstiftung NRW.

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Kulturpolitisches Forum WDR 3 Jazz in Germany Montag, 12. Mai 2008 12 Uhr, Pressezelt Hierzulande ist es um die Positionierung von Jazz und improvisierter Musik nicht schlecht bestellt. Musikhochschulen bilden qualifizierten Jazznachwuchs aus. Die (Radio-) Festivals in Frankfurt, Köln oder Berlin bilden mit ihren Programmen die Vielfalt der Jazzszene ab. Fachmagazine begleiten journalistisch die Projekte vieler Musiker. Die Spielstätten haben sich professionalisiert: der Stadtgarten Köln, das Domicil Dortmund, der Bunker Ulmenwall

8. Mai bis 12. Mai 2008 11 - 16 Uhr Kulturinsel Nepix Kull Bei Vermessungsarbeiten auf der Insel „Nepix Kull“ im Moerser Schlosspark wurde kürzlich ein Glücksfeld entdeckt. Umfang und Intensität dieses Naturphänomens sind so außergewöhnlich, dass ihm internationale Bedeutung zukommt. Das Schlosstheater Moers erhielt den Auftrag, zusammen mit dem moers festival das Glücksfeld zu erschließen. Am 8. Mai kann das Gelände erstmals betreten werden.

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Bielefeld, das A-Trane Berlin oder die Unterfahrt München. Diese Vielfalt findet selten ihren Widerhall in der Öffentlichkeit, im Feuilleton der Tageszeitungen ist Jazz nur noch eine Randnotiz wert. Was sind die Gründe für das offensichtliche Desinteresse? Besitzt die „Pop“-Kritik eine relevantere Diskursfähigkeit? Wie werden die Jazz-Aktivitäten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks rezipiert? Diese und weitere Fragen diskutiert beim „Kulturpolitischen Forum WDR 3“ in Moers ein mit Fachjournalisten besetztes Podium:

Ralf Dombrowski (Spiegel Online), Wolfram Goertz (Rheinische Post), Stefan Hentz (Die Welt, Die Zeit), Wolf Kampmann (Jazz thing, Jazzthetik), Wolfgang Rauscher (Jazzzeit). Moderation: Bert Noglik. Sendetermin: WDR 3, 18. Mai 2008, 19.05 - 20 Uhr & live im moers festival-Radio ab 12 Uhr auf 93.7 MHz

Eine Veranstaltung von Radio Jazz Research in Zusammenarbeit mit dem Kulturradio WDR 3.

Das Glücksfeld / The Fortune Field Um die heilenden Kräfte intensiver und direkter zu erfahren, wird empfohlen, beim Betreten der Insel die Schuhe auszuziehen. Verhalten Sie sich leise und dem Ort angemessen: keine Mobiltelefone, keine Rauchwaren, keine Drogen, keine Getränke und Speisen!

Projektleitung: Ulrich Greb Akustische Erschließung: Tim Isfort

In Kooperation mit dem Schlosstheater Moers und mit Unterstützung von NRW Ticket GmbH und dem Planungsdezernat der Stadt Moers.

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Preface Improvisierte Musik hat es noch nie leicht gehabt, einen festen Platz im Feuilleton der Tageszeitungen zu bekommen. Sicherlich, man schreibt über ein Großereignis wie etwa über das moers festival, auch Berichte über einzelne Konzerte – zumeist mit Jazz-Stars – findet man dort. Doch der „Jazz-Alltag“ wird komplett vernachlässigt. Ein Diskurs zum Beispiel über die Entwicklung der improvisierten Musik und deren gesellschaftspolitischer Relevanz wird nicht geführt. Mit diesem einmal im Jahr erscheinenden Programmmagazin können wir diese Lücke nicht schließen. Aber wir können versuchen, einen Anstoß zu geben. Einen Anstoß dafür, dass zum Beispiel die „Debatte“ zwischen dem Journalisten Wolf Kampmann und dem Musiker Hayden Chisholm über die gesellschaftspolitische Relevanz von Jazz fortgesetzt wird - an anderer Stelle? Wieder im Magazin: unser Rückblick auf die Festivalgeschichte, diesmal auf das Jahr 1978 und dem 7. Internationalen New Jazz Festival Moers. Besonders lesenswert ist das Essay „Das Internationale New Jazz Festival als ein Beispiel von ‚Kultur am Ort‘“ aus dem damaligen Programmheft, in dem Jörg Kempfer die Bedeutung der Avantgarde für den einzelnen Menschen und für die Kultur in der Region reflektiert. Vor 30 Jahren fand übrigens das Internationale New Jazz Festival Moers ähnlich früh im Jahr statt – u. a. auch mit Cecil Taylor im Programm.

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Foto: Peter Horn

Arto Lindsay und John Zorn beim Moers Festival 1984

John Zorn ZORNS HORN

Bei John Zorn kann man nie voraussagen, was kommt. Der gebürtige New Yorker (am 2. September feiert er seinen 55. Geburtstag) ist ein Tausendsassa, der in komponierter Neuer Musik ebenso zu Hause ist wie in der Improv-Szene. Wie bei kaum einem anderen Komponisten und Musiker stehen er und sein Werk stellvertretend für die verschiedenen Ausprägungen der zeitgenössischen Avantgarde. Nur höchst selten ist er als unbegleitet spielenden Altsaxofonist auf der Bühne zu erleben. Dass John Zorn auch in dieser Disziplin viel zu sagen hat, davon weiß Günther Huesmann zu berichten.

Es war interessanterweise eine Solo-Saxofon-Platte, die einst in John Zorn plötzlich den Entschluss reifen ließ, Saxofon spielen zu wollen. Davor hatte er sich exklusiv als Komponist gefühlt. Das Erlebnis von Anthony Braxtons Album „For Alto“ aber begeisterte den Strawinsky-, Webern-, Ives- und Varese-Fan

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Zorn so sehr, dass er nun selbst zum Altsaxofon griff und wie ein Besessener übte. Da war er zirka 20 Jahre alt. Zorn erinnert sich noch genau daran, wie er während seines Kompositionsstudiums Anfang der 1970er-Jahre am Webster College in St. Louis mit den Sounds der „Association For

The Advancement Of Creative Musicians“ (AACM) und der Black Artist Group in Berührung kam. Er besuchte einen Plattenladen und fragte: „Was gibt’s Neues? Was geht gerade am meisten ab?“ Der Plattenverkäufer soll ihm geantwortet haben: „Na, diese Typen aus Chicago machen diese sonderbaren Sachen, die solltest du Dir anhören.“ Also kaufte Zorn die Braxton-Platte „For Alto“. „Ich erinnere mich, dass ich davon

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regelrecht umgeblasen wurde. Das Saxofon mit ins Badezimmer nahm, hatte genau die Art Energie, nach um keine Zeit zu vergeuden. Ich der ich suchte. Ich war des überinzählte sogar die Atemzüge, die ich tellektuellen, trockenen Ansatzes nahm, und rechnete sie von der Übeüberdrüssig, zu dem viele zeitgenösZeit ab. Ich dachte: ,Nun, ich habe sische klassische Musiken neigten. sechs Stunden geübt, aber mit den Ich wollte es wie einen richtigen Tritt Atemzügen waren es wirklich nur in den Arsch.“ dreieinhalb.‘“ Auch wenn Zorn dem neueren KomZur Obsession des Übens kamen ponieren zugestand, dass es mehr der Geist der Rebellion, der Drang und mehr emotionale Aspekte zuließ, nach Freiheit und das Außenseiempfand er es insgesamt als zu tertum. Zorns Hang zur offensiven steril. „Ich wollte jemanden, der dort Aufsässigkeit zeigte sich in der oben steht und sich die Seele aus dem Leib bläst. „Ich wollte jemanden, der dor t oben steht Aber ich wollte zugleich und sich die Seele aus dem Leib blä st. die strukturelle KompleAber ich wollte zugleich die struktu relle xität, die die zeitgenösKomplexität, die die zeitgenössische sische klassische Musik klassische Musik erreicht hat te.“ erreicht hatte.“ Seine Umgebung reagierte Wahl der instrumentalen Mittel. leicht irritiert auf die erstaunlich Er begann, „Duck calls“ zu spielen, spät einsetzende Liebe zum Saxofon. vom größeren Publikum belächelte Zorns Kompositionslehrer hielt die Jagdlockrufe der unterschiedlichsten Idee gar für absurd. „Du wirst es nie Provenienz, zirka 60 an der Zahl. Urzu einem großen Saxofonisten brinsprünglich probierte er diese „Duck gen“, konstatierte er. „Du fängst zu calls“ in New Yorker Jagdgeschäften spät an.“ Trotz dieser Warnung nahm aus. „Heute lassen mich die Leute Zorn Saxofonstunden bei einem klasnicht mehr in den Laden. Ich kaufe sischen Musiker, der Bassklarinette jetzt nur noch per Mail-Order“, sagte im Sinfonieorchester spielte. Seine er in den 1980er-Jahren. Geduld mit dem Klassiklehrer war Von drei Quellen der Inspiration aus allerdings von kurzer Dauer. „Schauentwickelte Zorn seinen unvergleichen Sie, ich kann nicht viele Stunden lichen Solo-Reed-Ansatz. Über seine bezahlen. Ich komme viermal und Liebe für Braxtons „For Alto“-Platte das war’s. Zeigen Sie mir alles, was hat er immer wieder gesprochen. Sie können.“ Es sei immerhin so viel Ähnliche Bewunderung hegt er für gewesen, gestand Zorn später, dass das unorthodoxe Solosaxofonspiel es Material für ein ganzes Leben von Evan Parker. Womöglich am lieferte. Vier Saxofonstunden. Das stärksten aber ließ er sich durch war’s. exotische Vogelrufe inspirieren Zorn ist auf dem Saxofon grund– durch eine Folkways-Platte mit sätzlich Autodidakt. „Ich übte zehn Feldaufnahmen des in Australien und Stunden am Tag Saxofon. Jahrelang. Tasmanien lebenden LeierschwanzIch war so besessen, dass ich das vogels („Songs Of The Lyrebird“). Dieser Vogel, dessen Männchen im erregten Zustand sein Gefieder in Form einer Leier aufstellt, zeigt ein bemerkenswertes Sing-Verhalten. Es kreiert während der Balz seine eige-

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nen, höchst variablen Sounds, in die es Geräusche aus seiner DschungelUmwelt einbaut, aber auch andere Klänge, die es gehört hat, inklusive Kettensägen-, Auto- und Kamerageräusche usw. Angeregt durch diese Sounds und befeuert durch seine Liebe für die Trickfilmmusiken von Carl Stalling wandte sich Zorn dem Spiel von „Duck calls“ zu. Das schockierte Jazzklientel distanzierte sich von diesem Fantasten. Mit Zorns Solo-ReedSounds konfrontiert, fühlten sich einige Kritiker stark gefordert. Einige meinten sich an das Wimmern eines „eingepferchten Elefanten“ zu erinnern, „der sich im Stacheldraht verheddert hat“. Andere wiederum wagten die immerhin etwas fantasievollere Interpretation, eine „Horde Wanderameisen“ zu hören, „die auf Entenjagd geht“. Natürlich liebte Zorn es, zu provozieren. „Ich griff zu den ,Duck calls‘, weil ich einen lärmenden, hässlichen Sound haben wollte“. Aber als ihn Edward Strickland darauf ansprach, dass sich diese Sounds gar nicht so hässlich anhörten und in ihrem Kontext ästhetisch sinnvoll funktionierten, stimmte der New Yorker unumwunden zu. „Ich glaube nicht, dass sie hässlich sind. Ich finde sie schön. Es ist wie in Thelonious Monks Titel ,Ugly Beauty‘. Die Leute dachten, sein Spiel sei hässlich. Jetzt wird es als ein Klassiker anerkannt.“ Früh meldete sich beim frei improvisierenden Reed-Spieler Zorn der kompositorische Impuls. Angeregt durch Hieroglyphen der ägyptischen Schrift, entwickelte er ein Rastersystem, sein „Grid system“, in dem er Symbole für über 180 seiner „Extended techniques“ erfand. Es ist eine Enzyklopädie der Texturen und Sounds, „die meine Sprache auf

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dem Instrument bildeten. Es konnte niemals ein komplettes Dokument aller möglichen Klänge sein, die auf Instrumenten möglich sind, aber es war eine recht umfassende Liste von sehr sonderbaren Quietschern und Heulern und dumpfen Schlägen in der Nacht.“ Anfang der 1980er-Jahre beschloss Zorn, ein fünfteiliges Solo-PlattenProjekt, „The Classic Guide To Strategy“, in Angriff zu nehmen. Der Zyklus sollte formal den fünf Kapiteln des „Buchs der fünf Ringe“ folgen, einer Anleitung zum BushidoSchwertkampf, die Musashi Miyamoto 1645 verfasst hatte. Zorns Ziel: Er wollte und will eine „New language“ für Solosaxofon und Reedinstrumente entwickeln. Bisher sind drei Alben dieses SoloZyklusses erschienen. „The Classic Guide To Strategy, Volume One“ (1983) und „Volume Two“ (1986) sowie „The Classic Guide To Strategy, Volume Three – The Fire Book“ (2003) zählen zu den kraftvollsten Platten seiner Karriere – intensiv, fragmentarisch, herausfordernd. Sie alle bieten eine irrwitzige Palette alternierender Reed-Sounds, einen explodierenden Gedankenstrom aus Sound-Fragementen, gestaltet zu einem erregenden Seelendrama. Umfassender, intensiver und vielfältiger lässt sich das Texturspiel im Rohrblattbereich kaum entwickeln. Seit Mitte der 1990er-Jahre ist Zorn mehr und mehr vom Spiel der „Duck calls“ abgerückt, konzentriert sich dafür umso stärker auf das Altsaxofon. Die extrem kleinteiligen Improvisationen seines frühen Solo-Saxofon-Werkes sind ausgedehnten Klangstudien von großer Dichte gewichen, in denen Zorn einzelne Soundthemen konsequent und ausdauernd nach Ungehörtem ausforscht.

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Wie unter einem Brennglas lassen sich in Zorns Solo-Saxofon-Spiel, Aspekt für Aspekt, sämtliche ästhetische Essenzen erkennen, die für den Komponisten und Improvisatoren John Zorn formbildend sind. Die Jump-Cut-Schwenks, die Vorliebe fürs Extreme, Schrille, das mitreißend effektive Strukturieren in „Blocks Of Sound“, der „Will To Power“, vor allem aber eine hoch erhitzte improvisatorische Fantasie, die von der Fähigkeit geleitet wird, Einfälle kompositorisch zu ordnen und in eine berauschend vielgestaltige Struktur einzubetten.

Vor einer Solo-Perfomance von Zorn weiß niemand so recht, was tatsächlich kommt. Vielleicht packt er diesmal seine „Duck calls“ wieder aus? Vielleicht konzentriert er sich ganz aufs Altsaxofonspiel? Vielleicht schlägt er ein neues, das nun vierte Kapitel in seinem „Classic Guide To Strategy“-Zyklus auf? Was immer er auch als Solosaxofonist bietet, die Freude am Prozess der Entdeckung ist grundlegend für John Zorns Musik. Günther Huesmann

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Jazz // Politik // Jazz Gerne wird behauptet, dass die improvisierte Musik ihre politische und gesellschaftliche Relevanz verloren hätte. Stimmt das? Wolf Kampmann fragt sich jedenfalls, warum Jazzmusiker nur noch selten ihre Stimme zum Beispiel gegen die schleichende „Verbushung“ der europäischen Gesellschaften erheben und auch am Widerstand gegen den letztjährigen G8-Gipfel in Heiligendamm nicht teilgenommen haben. Hayden Chisholm, in Köln lebender Saxofonist aus Neuseeland, kontert: „Our Fathers Missed The Train“, so hat er seine Erwiderung überschrieben. Der Diskurs ist eröffnet.

Der 9/11-Faktor Die deutschen Sportler müssen 2008 eine überraschende Entdeckung machen. Sie tragen Verantwortung. Das taten sie zwar vielleicht schon immer, aber niemand hatte es ihnen gesagt. Jetzt stehen die olympischen Spiele in China vor der Tür, und die gesamte Republik erwartet von ihren Sportlern Haltung. Und Leistungen. Im Jazz verhält es sich ähnlich, wenn auch unter umgekehrten Vorzeichen. Sicher bringt Jazz keine Quote. Eine öffentliche Debatte um die gesellschaftlichen Funktionen des Jazzmusikers wird daher kaum entbrennen. Sponsoren sind kaum zu verprellen. Der Bundestag hat weder einen JazzBeauftragten noch wird es diplomatische Verwicklungen geben, wenn ein Jazzmusiker auf irgendeiner Bühne der Welt seinen Protest formuliert. Doch dem Jazz laufen die Hörer davon. Und mehr als irgendjemand sonst sollte sich der Jazzmusiker fragen, warum. Denn es sind seine Hörer, die desertieren. Weniger Musik wird deshalb kaum gehört werden. Spricht man einen Jazzmusiker auf das Problem seines Anerkennungsschwundes an, hat er in der Regel schnell Antworten parat. Das war ja schon immer so, wir haben nie den Massengeschmack bedient, der Hörer ist einfach nicht mehr bereit, richtig zuzuhören, die Veranstalter gehen kein Risiko mehr ein und die Medien sind sowieso an allem schuld.

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Sicher haben all diese Einwände irgendwo ihre Berechtigung. Und doch ist es nicht so einfach. Das Durchschnittsalter des gemeinen Jazzhörers steigt drastisch, und selbst der greise Sonny Rollins bekennt heute, wäre er noch einmal jung, würde er keinen Jazz mehr hören. Nicht, weil ihm die Musik nicht gefiele, sondern wegen der Art, wie sie sich präsentiert. Es ist jedoch auch nicht von der Hand zu weisen, dass das berühmte ZappaZitat vom stinkenden, aber immer noch irgendwie lebenden Jazz bereits ein paar Jahrzehnte auf dem Buckel hat und gewisse Schwundprobleme nicht ganz neu sind. Wo liegt also das Problem. Der Jazz – Ausnahmen bestätigen die Regel – hat den Kontakt zum Boden verloren. Es ist noch gar nicht so lange her, da galt er noch als klingender Entwurf einer Gegenkultur. Improvisation war weniger eine musikalische Komponente als das Äquivalent zu einer Lebenshaltung, die sich vorgegebenen Bahnen verweigert. Jazz war ein Ausdruck einer anderen Denkart, einer Abkehr von der Mitte. Nicht umsonst wurde er gerade von Studenten bevorzugt. Mit der Entscheidung für den musikalischen Rand und die kommerzielle Nische wurde die extreme Reaktion auf das Alltägliche bewusst gesucht. Ausbruch und Rückzug gleichermaßen. Bei genauer Betrachtung drängt sich der Verdacht auf, dass die permanente

Krise eine herausragende Eigenschaft des Jazz ist, um der Verlockung durch den Mainstream zu widerstehen. Ja, mehr noch: Die Enge auf dem Rand war die Voraussetzung zur konstanten Selbstüberwindung und Formulierung neuer Idiome. So weit, so gut. Doch wo sind sie, diese neuen Idiome. Wo und wann hätte der Jazz in den vergangenen acht Jahren noch die Kraft zur Erneuerung hervorgebracht? Im Gegenteil, selbst die Protagonisten der Avantgarde lassen sich immer mehr in den Retro-Jazz zurückfallen. Hat die große Katastrophe vom 11. September 2001 und die daraus resultierende Orientierungslosigkeit wirklich für immer den Richtungssinn des Jazz umgekehrt? Jazz war niemals eine vordergründige Protestmusik. Aber spätestens seit Pop und Jazz getrennte Wege gehen, bezieht der Jazz seine Kraft und Dringlichkeit immer aus der aktiven Teilhabe am gesellschaftlichen Diskurs, sei er politischer, sozialer, kultureller oder alltäglich persönlicher Natur. Es ging nicht darum, musikalische Transparente gegen Krieg und Rassismus in den Wind zu halten. Dennoch erzählten John Coltrane und das Art Ensemble Of Chicago, Miles Davis und Duke Ellington, Peter Brötzmann und das Globe Unity Orchestra, John Zorn und Marc Ribot, selbst Chet Baker und Bill Evans Geschichten von Verweigerung und Protest, Unbotmäßigkeit und

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eindeutige Position zwischen „Gut und Böse“ zu beziehen ist nur noch Naiven oder Ignoranten möglich. Und die Alten sind sowieso oft viel cooler und unbefangener als die Jungen. Und doch finden wir in Rock und Pop, in Literatur und bildender Kunst, in Theater und Film eine wesentlich kritischere Auseinandersetzung mit unserer politischen und sozialen Umwelt, als das in den letzten Jahrzehnten der Fall war. Die Globalisierung stellt völlig neue Herausforderungen und aktiviert in allen Teilen der Welt Millionen Menschen. Wir müssen gar nicht so weit gehen, nach Amerika oder Afrika zum Beispiel. Letztes Jahr – kurz nach dem moers festival – schmückte sich die deutsche Politik mit der Ausrich-

Flucht, Aufbegehren und Utopie, Überwindung und Angst. Ergeben Martin Luther Kings Rede „I Have A Dream“ und John Coltranes „A Love Supreme“ aus der historischen Perspektive nicht ein überwältigendes Jazz-Duett? Und war der legendäre Cry vergangener Jazz-Generationen letztlich etwas anderes als laut formulierter Unmut? Es mag nicht einmal vordergründig darum gegangen sein, die Welt zu verändern. Aber es ging darum, in der Musik Gleichgesinnte zu finden, die zwischen den Tönen hören konnten und zu übersetzen vermochten, was nicht verbalisiert werden konnte. Nur hoffnungslose Utopisten hätten annehmen können, dass sie mit Jazz Der Jazz hat den Kontakt zum Boden tatsächlich eine verloren. Es ist noch gar nicht so lan neue Welt hätten ge her , da galt er noch als klingender Ent wu bauen können. Doch rf zwischen Utopie und einer Gegenkultur. Ideal besteht ein großer Unterschied. tung des G8-Gipfels. Nicht nur Natürlich hatte auch der Jazz seine die Politiker der acht vermeintlich Weltverbesserer. Man denke nur an größten Industrieländer strömten nach Charles Mingus oder Archie Shepp. Heiligendamm, sondern Zehntausende Selbst ihnen ging es in erster Linie Junge und Alte, die auf ihre Weise um einen kulturellen Kontrapunkt, ihrem Unmut über die schleichende und wenn dieser vom Mainstream „Bushisierung“ der europäischen aufgesogen worden war, dann eben Gesellschaften und dem damit um den Kontrapunkt zum Kontrapunkt. verbundenen Abbau von Demokratie, Ohne die Legionen unverbesserlicher Bevormundung und Bespitzelung, der Idealisten hätte ein kulturelles Phänoimmer krasseren Schere zwischen men wie der Jazz kaum hundert Jahre Nord und Süd, Arm und Reich, Jung überleben können. und Alt, Kinderarbeit und Hunger Natürlich fanden die Jazzmusiker und nicht zuletzt Globalisierung und von den 1960er- bis ’80-Jahren eine Klima-Katastrophe Luft machen wesentlich einfachere Lage vor. Der wollten. Musiker aller stilistischen Vietnamkrieg polarisierte wie keine Ausrichtungen gaben dem Event ihren andere Erscheinung seit 1945, zwei Soundtrack. Einzig der Jazz hielt sich Machtblöcke standen sich ebenso unvornehm raus. versöhnlich gegenüber wie die jüngere Generation gegenüber ihren Vätern. Die Frontlinien haben heute einen wesentlich komplexeren Verlauf, eine

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„Wir wollen doch einfach nur Musik machen. Es kann nicht unsere Aufgabe sein, uns in die Politik einzumischen“, hörte ich danach oft verlautbaren. Dagegen wäre zunächst gar nichts zu sagen, denn zweifellos soll und muss es im Jazz auch Liebeslieder und ganz neutrale Statements geben. Jazz ist eine Musik, die sämtliche Lebensbereiche anspricht und vieles darüber hinaus. Doch Hand aufs Herz, warum hören Menschen Musik? Oft genug als Klangtapete. Doch dafür ist Jazz, abgesehen von seinen Smooth-Varianten, sowieso nicht geeignet. Was bleibt also, wenn es nicht mehr gelingt, die Plätze zu besetzen, die den Menschen bewegen? Haben Sportler und Künstler die Pflicht, auf die Realität zu reagieren? Jazzmusiker nehmen für sich nicht selten in Anspruch, spontaner als alle anderen Musiker auf Stimmungen und energetische Schwankungen zu reagieren. Zu kommunizieren. Angesichts dessen, was in den letzten Jahren zu hören ist, eine grandiose Selbsttäuschung. Roy Hargrove behauptet, die revolutionärste Haltung des jüngeren Jazz bestehe darin, Charlie Parker und Dizzy Gillespie wieder zu entdecken. Wahrscheinlich hat er recht. Doch attestiert er dem Jazz mit dieser Aussage nicht mehr Vitalität als einst Frank Zappa. Es gilt festzuhalten, dass der Jazz die Fähigkeit zur politischen Einmischung und zu jeglichem Diskurs unüberhörbar verloren hat. Zumindest für den Augenblick. Wenn die Jazzmusiker nicht schnell wieder zu einer Anspielhaltung zurück finden, mit der sie wenigstens Zeichen für ihr Publikum, den Jazz und vor allem für sich selbst setzen, erstarrt ihre Musik nach einem Jahrhundert vitaler Aufmüpfigkeit zu einem musealen Relikt. Wolf Kampmann

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Our Fathers Missed The Train Die noch immer junge Geschichte von Jazz und improvisierter Musik traf im Laufe des vergangenen Jahrhunderts stets auch auf den Kollaps und das Versagen unzähliger politischer Systeme und Strömungen. Keine dieser politischen Systeme und Strukturen aber, sei es Kommunismus oder Faschismus oder Rassentrennung, konnten unmittelbar durch „Blue Notes“ oder Scat-Gesang zerschlagen werden. „Unsere“ Musik ist eher als sozialer Kommentar zu betrachten, in dem sich Protest nur zeitweise manifestiert – hin und wieder aber so deutlich, dass eine Gegenbewegung in Gang gesetzt wird. Wer würde zum Beispiel Billie Holidays „Strange Fruit“ 1939 eine Wirkung auf die zu diesem Zeitpunkt gespaltene Nation USA absprechen können? Die Entwicklung von Jazz und Blues ist eng mit dem Kampf um Bürgerrechte und Befreiung von sozialer Ungerechtigkeit verknüpft. Damals lohnte es sich, zu protestieren, sich zu befreien – mit Musik als Fluchtmöglichkeit. Noch bis in die 1960er-Jahre gab es ein eindeutiges Feindbild, obwohl es sich schon damals mehr und mehr aufzulösen begann und zunehmend undefinierbarer wurde. Heute aber, im Jahr 2008, ist der „Feind“ nur noch schwer auszumachen. Anders gesagt: Der Feind kommt nicht mehr von außen, sondern ist in uns selbst – mit Ignoranz und Konditionierung, mit menschlichen Neurosen.

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und Weiß. Sie ist komplexer, mit unendlich vielen Grautönen dazwischen. Ein Grund mehr, warum Erst vor kurzem sind wir dem blues unmöglich ist, ein eindeutiges tigsten Jahrhundert der Geschichte Feindbild auszumachen, gegen das entkommen. Und das gerade erst wir Musiker protestieren könnten. begonnene Jahrhundert wird nicht Doch gehen wir ein paar Jahrzehnte rosiger für uns. Man behauptet heutzurück, zurück in ein Zeitalter der zutage, Terrorismus und Extremismus „Unschuld“. Wann genau „verseien die Feindbilder unserer Zeit, passten unsere Väter den Zug“? und Sicherheit eines unserer wichWas geschah nach den sozialen tigsten Anliegen. Man glaubt überall Unruhen der 1960er, nach den auf der Welt diesen Behauptungen. Hippies und Psychonauten der 68erWir leben ja in einer Zeit, in der PoBewegung mit ihren Mao-Bibeln, der litiker auch mit Aussagen wie: „Man wütenden Reaktion auf Faschismus ist entweder für oder gegen uns“ in und Imperialismus, den brachialen der Bevölkerung durchkommen. Viele Klängen auf den Bühnen der eurohalten diese verbalen Entgleisungen päischen Festivals? Schon in den 1980ern (ich wuchs ja „down under“ in Neuseeland auf) passierte: gar nichts. Überall auf der Welt Uns Musikern wird ständig hatte man in einen bequemen vorgeworfen, wir müssten viel Modus Operandi geschaltet, mehr protestieren, müssten der Kapitalismus konnte mit eindeutig Stellung beziehen, unsere links den Sieg davontragen Saxofone müssten wie Schlachtrufe – der Zug ist also längst abklingen, in die der gesamte Zorn der gefahren. Das „große SpektaWelt zum Ausdruck kommt. kel“ triumphiert, wohin man schaut – auch heute noch: Die Illusion ist heilig und die Wahrheit profan. Für uns ist es noch für wahr, bis sie sogar Teil unseres schwieriger geworden, irgendwo ein Gedankenguts sind. Sprachlich sind klar definiertes Feindbild zu erkenwir heute konditionierter als jemals nen. Und warum sollten gerade wir zuvor – George Orwell hätte eine Musiker von Heute auf der Bühne wahre Freude. Mit fragwürdigen einen Kampf ausfechten, den unsere Mitteln wird eine politische Kultur Väter längst verloren haben. Es gibt durchgesetzt und uns eingepflanzt. doch viel mehr Gründe dafür, dass Der Protest auf der Straße wird wir uns den Kopf über den Erhalt daran ebenso wenig ändern wie eine unserer bedrohten Musikkultur Improvisation gegen den Irak-Krieg zerbrechen. auf der Bühne eines Jazz-Festivals. Dies führt mich nun zur Musik. Uns Die Welt ist nicht nur Gut und Böse, Musikern wird ständig vorgeworfen, nur Falke und Taube, nur Schwarz wir müssten viel mehr protestieren, müssten eindeutig Stellung beziehen,

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unsere Saxofone müssten wie Schlachtrufe klingen, in die der gesamte Zorn der Welt zum Ausdruck kommt. Nur so ließe sich das Publikum wachrütteln. Es tut mir leid: Dafür ist es zu spät. Von der Bühne herab ist alles bereits herausposaunt worden. Aggressives Spiel hat nichts mehr mit Opposition zu tun – ganz im Gegenteil: Es klingt nach ungerechtfertigter Prahlerei. Die Hardcore-Improv-Szene der vergangenen Jahrzehnte klingt doch heute nur noch farblos und verwässert, sie besitzt sogar den Beigeschmack von Niedlichem. Als der Free Jazz gegen tradierte Formen in der Musik anspielte, war das auch eine Reaktion auf die Erstarrung in der Musik. Inzwischen gibt es keine festen Formen mehr, auf die man reagieren oder von denen man sich lossagen könnte. Das ist der Grund, warum es heute in der improvisierten Musik nichts Revolutionäres mehr gibt. Derzeit findet Innovation hauptsächlich in der Singer/SongwriterSzene statt, weil hier klare Formen und prägnante Aussagen dominieren. Wahrhaft revolutionäre Musik, wie die von Charlie Parker oder John Coltrane, war immer auch Form, die bis zum kritischen Punkt gedehnt und gedreht wurde. Wir aber haben keine Formen mehr, aus denen wir ausbrechen können. Uns bleibt nur noch, vorsichtig einige der Scherben wieder zu kitten und eine eigene Sprache in unserer schwierigen Zeit zu entwickeln. Wenn wir uns aber ausschließlich darauf konzentrieren, lautstark Freiheit und Gerechtigkeit einzufordern (Weshalb nicht Demokratie?), dann kann es passieren, dass wir unser eigentliches Ziel aus

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den Augen verlieren und wieder ganz von vorne beginnen müssen. Wenn es aber das ist, was der Zuhörer von uns verlangt (was ich bezweifele), dann sollte man nach Protest und Revolte woanders suchen. Vielleicht in sich selbst? Wir Improvisationsmusiker sind ständig auf der Suche nach Neuem, obwohl Form in der zeitgenössischen Musik gar nicht mehr existiert (von uns selbst niedergerissen, was auf lange Sicht wahrscheinlich nicht schlecht ist) und man unsere Zuhörer ständig hinters Licht führt, konditioniert von bekannten Mächten, gegen die wir uns ebenso auflehnen sollen wie gegen die unbekannten (die wir jedoch ignorieren sollten). Ich werde den Eindruck nicht los, als schreiben wir am Soundtrack für die sinkende Titanic. Damit kann ich leben: Wenn wir untergehen, dann gehen wir musizierend unter. Der Wert der improvisierten Musik liegt in der fortwährenden Suche nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten – auch und gerade in einem mit Fahrzeugen überfüllten, neo-nuklearen Zeitalter wie diesem. Deshalb fordern wir Musiker unser Publikum auf, sich unserem Kampf anzuschließen, der nichts anderes ist als eine Revolution von innen heraus – weil alle Versuche, von außen die Welt zu verändern, fehlgeschlagen und wir uns orientierungslos selbst überlassen sind. Hayden Chisholm

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Cecil Taylor & Tony Oxley EMBEDDED IMPROVISERS

Fotos: Christoph Giese

Es war einer dieser seltenen Glücksfälle: Vor 20 Jahren reiste der Amerikaner Cecil Taylor auf Einladung von Jost Gebers nach Berlin und spielte mit wichtigen Vertretern der freien Improvisationsmusik aus Europa einige Duos. Das langlebigste und aus musikalischer Sicht wichtigste Duo von 1988 war seine Zusammenarbeit mit dem englischen Percussionisten Tony Oxley. Wie dieser Glücksfall überhaupt zustande kam, was diese beiden Ausnahmemusiker noch verbindet, auch darüber schreibt Bert Noglik.

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Plötzlichkeit. Der Einbruch des Unerwarteten. Die Intensität des Hier und Jetzt. Alles, was Jazz ausmacht, beschwört dieses Duo, das seine Musik mit elementarer Gewalt und zugleich mit feinen Sensoren für die Nuancen des Klingenden entwickelt: Cecil Taylor und Tony Oxley. Der eine, imprägniert mit afrikanischamerikanischen und indianischen Traditionen, der andere, europäisch fundiert und von früh an fasziniert von den Klangwelten der neuen Musik. Beiden gelang es, mit enormer Langzeitenergie und gestaltbildender Kraft eine eigene musikalische Sprache auszuprägen. Auf die afroamerikanische Jazz-Avantgarde der vergangenen 50 Jahre zurückblickend, erscheint Taylor als eine Zentralgestalt, als eine Leitfigur und zugleich als ein Solitär. Der Name Tony Oxley steht für den Aufbruch des europäischen Jazz in die von amerikanischen Vorbildern befreiten Gebiete der musikalischen Improvisation. Wie die beiden zusammenkamen und einander fortwährend musikalisch herausfordern, gehört zu den spannenden Geschichten des Jazz in den letzten 20 Jahren. Beide vermochten sich durchzusetzen – gegen den Strom der Beliebigkeit und gegen die selbsternannten Linienrichter des Jazz. Cecil Taylor hat einen für ihn kritischen Punkt im Jahre 1961 beschrieben, der für ihn zu einer Entscheidungssituation wurde: „Hatte ich eben noch die Perspektive gehabt, eine Figur von ähnlicher Etabliertheit wie Oscar Peterson zu werden, so fand ich mich plötzlich als Tellerwäscher wieder. Es ist eine Ironie des Schicksals, dass gerade zu dieser Zeit im ‚Down Beat’ ein Artikel über unsere Musik veröffentlicht wurde, und kurz nachdem er erschienen war, fing ich an, Geschirr zu spülen. Aber inzwischen ist mir schon klar, warum ich als Tellerwäscher arbeitete.“ Mit der Entscheidung, sich der Anpassung an das Gewohnte und Gewünschte zu widersetzen, und sich mit ungeheurer Ausdauer der Ausformung der eigenen Musik zu widmen, ging Taylor einen Weg, der ihn zu sich selbst führte. Bereits damals orientierte er sich am musikalisch-moralischen Impetus eines Thelonious Monk: „Ich sage, spiele auf deine Weise. Spiel nicht, was die Leute wollen, sondern das, was du willst, und lass dann die Leute entdecken, was du machst – auch, wenn es 15, 20 Jahre dauern sollte.“ Tony Oxley arbeitete bis Mitte der 1960er in Sheffield gemeinsam mit dem Gitarristen Derek Bailey und dem Bassisten Gavin Bryars. Das Trio nannte sich Joseph Holbrooke und zählte zu den ersten frei spielenden Improvisationsensembles Europas. Die Musik entwickelte sich gewissermaßen in einer Laborsituation. Auch in der unmittelbar folgenden Zeit – Oxley spielte damals als Hausschlagzeuger in Ronnie Scott’s Jazzclub in London – blieb der mit Gleichgesinnten wie Paul Rutherford und Evan Parker forcierten musikalischen Innovation die Anerkennung durch das Jazzestablishment versagt. Oxley hat die damals gewonnene Erfahrung als „Befreiung vom Dogma des Beats“ beschrieben. Die Improvisation konnte sich gewissermaßen aus der Stille heraus entfalten, bedurfte weder eines swingenden Kontinuums noch irgendwelcher Akkordschemata. Klangbilder, gewonnen beim Hören von Werken Schönbergs, Weberns, Varéses und Stockhausens, wurden in den Fluss des spontanen Improvisierens versetzt. Und in unermüdlicher improvisatorischer Praxis entstand schließlich eine neue „Neue Musik“.

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Cecil Taylor kam auf anderen Wegen zu ähnlichen Resultaten. Sein Verständnis von freier Tonalität entspringt den Ur- und Vorformen des Jazz und folgt einer Linie, die von Art Tatum über Horace Silver in die Gegenwart führt. Unterschiedliche Einflüsse assimilierend, hat er eine eigene Ästhetik entfaltet. Amerikanisches – und das heißt in seinem Fall die Kultur seiner afroamerikanischen und indianischen Vorfahren – und Europäisches fließen zusammen. Taylor ist früh mit klassischer europäischer Musik in Berührung gekommen. Doch vor allem haben ihn die Meister des Jazz geprägt. Während seines Musikstudiums befasste er sich intensiv mit den Klangdimensionen von Komponisten wie Béla Bartók und Igor Strawinsky. „Von Bartók“, sagte er, „habe ich gelernt, was man mit folkloristischem Material anfangen kann.“ Von Ellington schließlich, wie man Klangwelten miteinander verknüpfen, wie man sie individualisieren und auf diese Weise neue Energien schöpfen kann. Taylor sucht und findet seine Botschaften nicht in den Akkordverbindungen, sondern im Labyrinth der Leidenschaften. Europäischer Free Jazz und afroamerikanische Avantgarde haben wiederholt gedanklich miteinander korrespondiert, sind sich jedoch in den 1960er- und ’70er-Jahren nur selten begegnet. Auch im Folgenden blieben Gruppen wie das Trio Chicago – Wuppertal – Dresden mit Leo Smith, Peter Kowald und Günter Sommer eher eine Ausnahme. Es gab Vorurteile und Unkenntnis auf beiden Seiten: Es gab schwarzen Stolz auf der einen und Improvisatoren auf der anderen, die wünschten, möglichst nichts mit „den Amerikanern“ zu tun haben zu wollen – „Improvised Music Made In Europe“ und „Jazz, nein danke“.

Vor 20 Jahren gelang Jost Gebers, Mastermind der Free Music Production, ein Geniestreich: Er lud Taylor im Juni und Juli 1988 für eine Reihe von Konzerten und eine Arbeitsphase nach Berlin ein. Zentraler Bestandteil der Veranstaltungsfolge: Duo-Begegnungen mit den Schlagzeugern und Perkussionisten Günter Sommer, Paul Lovens, Louis Moholo, Han Bennink, Tony Oxley sowie mit dem Gitarristen Derek Bailey. Der Austausch geriet furios, fulminant und erwies sich als folgenreich. „Cecil Taylor In Berlin ’88“ war einer der intensivsten Brennpunkte, die ein Zusammenschmelzen von afroamerikanischen und europäischen Erfahrungen im Medium des von konventionellen Fesseln befreiten Improvisierens ermöglichten. Faszinierend, dass dies mit Schlagzeugern gelang, also mit europäischen Musikern, die sich eine vermeintliche Domäne der afroamerikanischen Musik im Prozess differenzierter Klangforschung zu eigen gemacht hatten. Taylor war seither immer wieder einmal mit europäischen Improvisatoren zu hören. Die Zusammenarbeit mit Tony Oxley erwies sich in diesem Zusammenhang als die stärkste Inspirationsquelle, entfaltete sich kontinuierlich und reicht bis in die Gegenwart. Das Piano, instrumentale Verkörperung europäischer Musikentwicklung und europäischer Klangdefinition, gerät unter den Händen Taylors zu einem Allklanginstrument im Schnittbereich von Archaik und Avantgarde: 88 gestimmte Trommeln, hingehauchte Impromptus und wilde Klangeskapaden. Das Schlagzeug erfährt in der gänzlich individuellen Zusammenstellung des Sets und vor allem durch die Spielweise von Oxley eine Umdeutung in ein neues, so zuvor noch nicht gehörtes Instrument. Taylor und Oxley im Duo korrespondieren auf eine Weise, die Nähe bis zur gefühlten Kongruenz und Reibung bis zum Funkenflug der Klänge ermöglicht. Ein Spiel, das ausbricht wie ein Naturereignis, das sich wellengleich in klangrhythmischen Verdichtungen und Entflechtungen von höchster Intensität entfaltet: Kult und Konstruktion, Intellekt und Ekstase. Bert Noglik

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Szene Estland FLOWER POWER

Seit dem 20. August 1991 hat Estland seine Unabhängigkeit wieder erlangt, seit 2004 ist dieses Land Mitglied der EU. Eines zeichnet Estlands Kultur aus: dass Jazz in der Bevölkerung beinahe den Status von Popmusik hat. Improvisierte Musik wird von vielen Esten als kultureller Wert per se wahrgenommen, ist Ausdruck einer auch als estnisch zu identifizierenden Musikform. Die Journalistin Madli-Liis Parts gibt einen Blick frei auf die Jazzlandschaft ihrer Heimat.

In Estland finden viele Stilistiken ihr Publikum, gleichgültig, ob Mainstream oder Avantgarde, ob experimentelle elektronische Musik oder andere Mischformen der improvisierten Musik. Mit zunehmendem Erfolg: Im April 2008 freute man sich über sieben exzellente Jazzalben von und mit estnischen Musikern. Zudem feierte man die runden Geburtstage einiger bedeutender Bands – wie etwa der Estonian Dream Big Band, dem Weekend Guitar Trio oder den Dynamite Vikings. Und in der Hauptstadt Tallinn fällt es an den Wochenenden oft schwer zu entscheiden, welches Konzert man in welchem Club besuchen will.

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Tuule Kann & Jaak Sooäär

Der estnische Jazz steht noch immer am Anfang. Dennoch konnte ein Fundament für weitere und zukünftige Entwicklungen gelegt werden. 2004 war ein wichtiges Jahr: Der Gitarrist Jaak Sooäär rief nach der Rückkehr in sein Heimatland die „Estonian Jazz Union“ ins Leben – mit dem Ziel, die lokale Szene zu

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aktivieren und junge Musiker zu motivieren. Inzwischen organisiert „seine“ Musikervereinigung jährlich mehr als 150 Konzerte in fünf verschiedenen Städten im Land. Und man hat einen eigenen, sozusagen einen Heim-Club: in einem gemütlichen Theater im Zentrum von Tallinn, in dem es jeden Freitag und Samstag Live-Jazz gibt. Obwohl mit dem no99 und dem Clazz Club nur zwei reguläre Jazz-Clubs in der Hauptstadt existieren, so haben sich dennoch weitere Spielstätten mit Jazz-Konzerten etabliert: die Von Krahl Bar, der Kanuti Gildi Saal, das JazzHouse und das Teatri Puhvet. Aber auch in anderen Städten Estlands trifft man auf eine rege Clubszene, wie zum Beispiel in Tartu, Viljandi, Rakvere und Pärnu. Vor einigen Jahren gründeten sich die ersten Jazzabteilungen an den Hochschulen. Für lange Zeit war zwar die G. Ots Music School das einzige Institut mit Jazz-Schwerpunkt. Andere folgten jedoch: die Estonian Academy O Music And Theatre etwa, oder die Viljandi Culture Academy und die Heino Eller Music School. Überhaupt ist Sooäär eine Schlüsselfigur für den estnischen Jazz. Dieser Musiker, Komponist und Dozent repräsentiert mit seinen Projekten stets das, was die Jazzszene in Estland auszeichnet:

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Abenteuerlust, Neugierde und Experimentierfreude. Mit seinen verschiedenen Bands arbeitet er an einer Fusion aus estnischer Folklore, Pop, Avantgarde und Modern Jazz. Auch ist der Saxofonist Villu Veski im Land bekannt – für seine „Nordic Sounds“-Konzertreihe, mit der er die Musik der nordischen Regionen vorstellt. Der Pianist Taavi Kerikmäe hat sich mit seiner freien Improvisationsmusik international einen Namen machen können. Priit „Julm“ Juurmann wiederum fühlt sich im NuJazz zu Hause – mit seinem Broken Time Orchestra etwa mixt er modernen Jazz mit Broken Beats und Dancefloor. Eine der ältesten Jazzbands ist das Weekend Guitar Trio, das Einflüsse aus Jazz, elektronischer und Weltmusik verarbeitet und im April 2008 seinen 15. Geburtstag feierte. Und auch in Deutschland kennt man die Sängerin Hedvig Hanson und den Pianisten Kristjan Randalu, der seit fünf Jahren sowohl in Karlsruhe als auch New York lebt und 2007 den „Jazzpreis Baden-Württemberg“ bekommen hat.

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Jeder in Estland kennt die Jazzkaar (auf Deutsch: „Jazz-Arche“). Für die estnische Kulturszene ist dieses internationale Jazzfestival im April eines der bedeutendsten Ereignisse und darüber hinaus das größte JazzEvent im baltischen Raum. Seit 1991 in Tallinn und weiteren Städten im Land ausgetragen, waren in den vergangenen 17 Jahren mehr als 3000 Musiker aus über 40 Ländern auf diesem Festival zu hören. Programmleiterin ist Anne Erm, die vielen als Botschafterin des estnischen Jazz gilt. Sie organisiert aber nicht nur die Jazzkaar, sondern auch Konzerte und kleinere Festivals in der estnischen Provinz, um improvisierte Musik dorthin zu bringen, wo man kulturell nicht so aktiv ist wie in der Hauptstadt. Das jährlich seit 1995 im Dezember stattfindende „Christmas Jazz“ ist ein Paradebeispiel. Im Mittelpunkt dieses kleinen Festivals steht Vocal Jazz in seiner gesamten musikalischen Breite. So war etwa 2007 die Zusammenarbeit von Ladysmith Black Mambazo mit dem tunesischen Oudspielers Dhafer Youssef und dem estnischen

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Foto: Jaak Nilson

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viele Esten auf diese Insel, um gute Musik zu hören, sich mit alten Freunden zu treffen, schwimmen zu gehen – also um sich zu entspannen. Abends gibt es dann Konzerte und Jam-Sessions zum Beispiel in alten Bauernhöfen und Kirchen zu erleben. Mit seiner entspannten Atmosphäre ist „Ju Jääb“ zu einem der meistgeschätzten Jazzfestivals in Estland geworden. Nach Vorbild des amerikanischen „Jazz Appreciation Month“ gibt es in Estland seit 2007 einen Jazzmonat (auf Estnisch: „Jazzikuu“). Mit verschiedenen Aktivitäten wird vor allem eine jüngere Generation angesprochen: mit einem Jazz-Plakat-Wettbewerb zum Beispiel, oder Schulkonzerten mit estnischen Musikern, Ausstellungen, Workshops für Studenten und Treffen mit internationalen Jazz-Größen. Estlands Telekommunikationsunternehmen

Elion und der öffentlich-rechtliche Rundfunk verleihen jährlich einen eigenen Jazzpreis. Ziel dieses Preises ist es, die Vielfalt der estnischen Szene darzustellen und zu fördern. Der „Elion Jazz Award“ wird an Musiker aus Estland verliehen, die national wie international für Aufsehen gesorgt haben. Der „Young Talent Jazz Award“ wiederum geht an talentierte Nachwuchsmusiker. Neben dem Preisgeld und der öffentlichen Aufmerksamkeit (Preisverleihung und Preisträgerkonzerte werden mitgeschnitten und im Radio sowie Fernsehen ausgestrahlt) erhalten die Gewinner die Möglichkeit, im Studio mit Estlands besten Toningenieuren zusammenzuarbeiten und ihre Musik aufzunehmen. Obwohl die estnische Jazzszene so klein ist wie das Land selbst, so zeichnet sie sich dennoch durch Vielfalt und Lebendigkeit aus – sie blüht so farbenprächtig wie eine bunte Blumenwiese im Frühsommer. Das wissen auch internationale Musiker zu schätzen, die gerne nach Estland kommen – weil sie warmherzig vom Publikum empfangen werden und dort Ruhe und Zeit haben, um neue Projekte auszuarbeiten und Ideen entwickeln zu können. Madli-Liis Parts

Foto: Inga Jaanson

Chor Vox Clamantis der Höhepunkt von „Christmas Jazz“, mit einem ungewöhnlichen Crossover aus afrikanischer Chor- und Alter Musik, arabischen Melismen und Jazz. Das Jazz-Highlight im Sommer ist das International Future Music Festival, auch „Ju Jääb“ genannt. Leiter dieses Festivals ist der Saxofonist Villu Veski. Auf der idyllischen Insel Muhu ist bis heute die Architektur aus vergangenen Jahrhunderten zu bestaunen. An jedem ersten Juli-Wochenende strömen

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Estonian Jazz Union: www.estjazz.ee Ju-Jääb-Festival: www.nordicsounds.ee Jazz-Web-Magazin & Jazzkaar-Festival-Site: www.jazzkaar.ee

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Hanns Dieter Hüsch BRETTL-JAZZ Seine Philicorda-Orgel war ebenso berühmt wie berüchtigt. An dieser „Schweine-Orgel“ sitzend führte Hanns Dieter Hüsch (1925-2005) viele seiner Kabarett-Programme auf. Doch der gebürtige Moerser war zeitlebens mehr als nur Jazz-affin: Seine Sprachimprovisationen konterte er oft mit swingender Eleganz auf dem Klavier oder eben seiner Orgel. Grund genug, das Thema „Hanns Dieter Hüsch und der Jazz“ einmal näher zu betrachten.

Hanns Dieter Hüschs Leben hat mit Musik begonnen – und endete mit Musik. Als er das Licht der Welt erblickte, da zogen sein Onkel Hein und zwei seiner Freunde auf die Geburtsstation und sangen dem neugeborenen Knaben zu Ehren Schubert-Lieder. Und jazzig angehaucht war nicht nur die Orgelmusik am Tag von Hüschs Beisetzung. Ein evangelischer und ein katholischer Pfarrer gestalteten die Trauerfeier und die Musikgruppe Ruhama sang Kirchenlieder, von Hüsch selbst geschrieben. Der Volksphilosoph vom Niederrhein war zeitlebens nicht nur ein Mann des Wortes, als Dichter zwar besonders den viel beschworenenen „kleinen“ Leuten, immer jedoch auch der Musik verbunden. Und was er selbst, zuerst am Klavier und 20 Jahre später dann auf seiner legendären Philicorda-Orgel, spielte, war immer mehr den Jazz-Spielarten zuzuordnen als anderen Musikrichtungen. Das lag wohl daran, dass seine Lieblings-

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Akkorde Dm7, G7, C-Major7 und A7 „mit einer kleinen None“ (wie Hüsch stets sein Publikum aufklärte) alterierte Jazz-Akkorde seien. Doch angefangen hat alles so: Als Kind genoss Hanns Dieter bereits – so ist es überliefert – die Opernbesuche mit seinem Onkel. Als Jugendlicher hörte er natürlich Radio, immer mit einem Ohr am Lautsprecher, egal was gerade lief. Jeden Tag ab 16 Uhr das Große Musikkonzert. „Ich lernte, dass Musik in der Lage ist, noch mehr als die Sprache, alle Träume und Sehnsüchte auszudrücken“, verriet Hüsch einst Bernd Schroeder für dessen Buch „Hanns Dieter Hüsch hat jetzt zugegeben“. Die Klassiker der Moderne waren es, die ihn damals aufwühlten: Orff, Tschaikowski, Rimski-Korsakow, Borodin, Hindemith, Schönberg, aber auch Jazz-Opern wie etwa Kreneks „Johnny spielt auf“ oder Aufnahmen mit Stil-prägenden Pianisten wie Peter Igelhoff und Peter Kreuder. Der 15-Jährige improvisierte, zumeist samstags, wenn der Rest der Familie auf den Friedhof ging, auf dem Reißnagelklavier Akkorde, versuchte diese doch so merkwürdigen Klänge hinzubekommen, die er zum Beispiel in der „Donkey Serenade“ von Rudolf Friml gehört hatte. Sein Freund Gerd Lisken erinnerte sich später an Hüsch im Moers des Jahres 1940: „Er spielt ohne Noten, eine rhythmische, harte, ostinate Musik mit metallischem Klang, der vor allem durch die linke Hand angeheizt wird. Strawinski und Jazz klingen an – aber es ist seine eigene Musik.“ Als jungen Erwachsenen zog es Hüsch über Gießen nach Mainz, wo er vor 60 Jahren zum ersten Mal als „B(r)ettl-Student“ im Kabarett auftrat. Schnell baute man ihn in Programme ein, auch weil er ganz passabel Klavier spielen konnte. „Chansons, Gedichte und Geschichten“ nannte er sein erstes eigenes Programm, und schon bald kamen auch Gastspiele hinzu, die ihn ins Umfeld von Mainz und bis nach Frankfurt am Main führten. Nach den Vorstellungen traf sich Hüsch oft in Musikkneipen und Jazz-Lokalen mit anderen Kabarettisten und Schauspielern wie Günter Pfitzmann oder Mario Adorf. Und auf diesem Wege verbreitete sich nach und nach Hüschs Ruf als „Künstler mit dem literarischen Klavier“. 1952 dann bestellte ihn Guy Walter zum Vorspielen nach Baden-Baden. In der Folge kam es zu Hüschs ersten Tonaufnahmen für den Rundfunk, die, angefangen bei Stücken mit Rolf-Hans Müller und der SWF Rhythmusband bis hin zum Hörstück „Carmina Urana“, nunmehr ausgeprägte Jazzelemente enthielten. Die Aufnahmen der Jahre 1956 bis 1958 beim WDR in Köln mit Heinz Weiss, Ernst Lindemann, Ferdi Klein und Werner Brock waren dann nur logische Weiterentwicklungen seines Musikkonzeptes. Für seine dritte Langspielplatte „Typisch Hüsch“ holte sich der Kabarettist 1969 Jazzgrößen wie Gerd Dudek, Volker Kriegel oder Eberhard Weber ins Studio und arbeitete dann 1973 gemeinsam mit Bill Ramsey. Zwar überraschte der von Kai Rautenberg arrangierte Big-Band-Sound auf seinem Album „Abendlieder“ 1976 viele Hüsch-Fans. Doch entsprach auch dieses Album natürlich Hüschs persönlichem Musikgeschmack.

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Geschmerzt haben mag es Hanns Dieter Hüsch deshalb, wenn er in seinen letzten Bühnenjahren aus gesundheitlichen Gründen bei Kräfte zehrenden Lesungen öfter auf musikalische (Selbst-)Begleitung verzichten musste, wie zum Beispiel im Sommer der Sonnenfinsternis 1999 bei seinem Ferienauftritt in der Inselkirche vom Kloster auf Hiddensee. Ein bisschen Blues, Gospel und Soul zu den Geschichten vom Diesseits und Jenseits hätte dem Gotteshaus ganz gut gestanden. Allerdings: Mit seinen klug komponierten Texten vermochte Hüsch auch immer zu jazzen. Ohne Frage: Hanns Dieter Hüsch war ein Jazzer. Keiner auf den ersten Blick. Dafür einer mit Weitblick, einer der Kabarett und Jazz vereinte, indem er beide nach seiner Manier jeweils zu ihrem Recht kommen ließ – eben Hüschs Jazz. Dr. Lutz Mühlfriedel & Rainer W. Sauer Mehr zum Thema Hanns Dieter Hüsch: www.hüsch.org

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Als Hanns Dieter Hüsch 1977 zum Ehrenbürger der Mainzer Universität ernannt wurde, übertrug das ZDF ihm zu Ehren live eine Matinee-Sendung. Auch hier jazzte Hüsch kräftig und wurde dabei von der Fritz Maldener Combo aus Saarbrücken unterstützt. Im gleichen Jahr brachte ihn seine Schauspielkollegin Ingeburg Kanstein erstmals mit der Minimal Music des US-amerikanischen Komponisten Steve Reich in Verbindung, die Hüsch sofort faszinierte. Reichs „Music For Six Pianos“ wurde unverzüglich von ihm zur Hintergrundmusik beim Schreiben der ersten Hagenbuch-Geschichten erkoren – und war mit ein Grund, warum er 1978 dem damals als Komponisten noch kaum bekannten Konstantin Wecker den Auftrag gab, eine eigene Musik für die erste Hagenbuch-LP zu entwickeln. Natürlich ganz im Stile des Vorbilds Steve Reich. Als Hüsch zwischen 1979 und 1983 mit der Band von Bernd Reichow und den Hagenbuch-Geschichten im Gepäck auf große Tournee ging, hatte er endgültig seinen Ruf als der „Jazzer unter den Kabarettisten“ weg. „Bei Kabarettisten vermengen sich humanistische Mission, Spieltrieb, demokratisches Denken, Ehrlichkeit, Exhibitionismus, Poesie und eben die Fantasie“, gab er Bernd Schroeder zu Protokoll. Dies war sicherlich auch der Grund dafür, dass die Reichow-Tour in den Jahren 1983 bis 1985 mit neuen Texten von Hüsch verlängert wurde und ihn Reichows Orchester nun als so genannte „Bless-Hohenstein-Kapelle“ begleitete – eine Bezeichnung, die auf eine von Hüsch erfundene „Klinik für Kopfgeschichten“ zurückgeht. Die gängige Meinung, Hüsch sei Solo-Kabarettist gewesen – mit der doppelten Betonung auf „Solo“ und „Kabarettist“ – stimmt in ihrer Absolutheit nicht. Und selbst noch als einsamer Mann an der Philicorda-Orgel blieb Hüsch dem Musikgenre treu, variierte es sogar teilweise bis zum leicht Blaustichigen, dem bluesigen Jazz. 1990 trifft Gerd Lisken seinen Moerser Jugendfreund noch einmal, diesmal in Düsseldorf auf der Bühne des Kom(m)ödchens. „Insoweit Hüsch Kabarettist ist“, schreibt Lisken über Hüschs Auftritt, „mag es nicht überraschen, dass er auch mit der Musik operiert, ohne die Kabarett ja nicht denkbar ist. Er ist sein eigener Texter, Komponist, Sänger und Pianist. Aber was noch interessanter ist: Er geht über die bekannten Formen hinaus, erweitert sie, sprengt sie bis in die Bereiche des Experiments mit Klängen der Moderne und Techniken der Collage.“

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Angelika Niescier TO BE IMPROVISED

...Lyrik und Jazz Ein ewiges Klischee. Meist stellen sich die Leute eine Lesung vor, die auf irgendeine Art und Weise von Musik umrahmt wird. So was lag noch nie in meinem Sinn. Ich verwende Texte als Inspiration, vertone oder abstrahiere. Das sprengt dann zugegebenermaßen oft auch alle bislang bekannten Vorstellungen von Lyrik und Jazz.

...Hanns Dieter Hüsch Mein zentrales Thema als „Improviser In Residence“. Zunächst stand mein Wunsch, mal wieder mit einem Chor zu arbeiten, im Vordergrund. Bis der Ruf aus Moers kam. Dabei bot sich an, nach einer großen Tochter oder einem großen Sohn der Stadt Ausschau zu halten, die oder der mit Lyrik in Verbindung stehen könnte. So stieß ich auf Hanns Dieter Hüsch und besorgte mir seine neueren Werke. Aber irgendwie entpuppten sie sich als ungeeignet, weil sie eigentlich gar keiner musikalischen Ergänzung, Erweiterung oder Neudeutung mehr bedürfen. Dennoch habe ich weiter recherchiert, weil mich das gesamte Œurvre eines

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Eigentlich lebt sie in Köln. Doch jetzt ist sie in Moers – als erste „Improviser In Residence“ der Stadt: Angelika Niescier. Die Saxofonistin und Komponistin ist ein Jahr lang so etwas wie eine jazzmusikalische Stadtschreiberin, die als improvisierende Musikerin am Moerser Stadtleben teilnimmt. Eigens für das Festival hat sie ein Stück geschrieben, das fünf Texte von Hanns Dieter Hüsch zur Grundlage hat. Angelika Niescier über...

Künstlers interessiert, woher er kommt, was ihn antreibt. Und so kam es, dass ich Hüschs Werke aus den frühen 1960er-Jahren entdeckte. Die sind definitiv anders, besitzen eine außergewöhnliche Schärfe sowie eine politische Substanz und heben sich deutlich von der späteren milden Niederrhein-Melancholie ab. Das liegt daran, dass Hüsch in jenen Jahren in Mainz, Saarbrücken und der Schweiz lebte. Man muss auch wissen, dass er damals beim Folk-Festival auf Burg Waldeck als „Kitschgemüt mit Goldbrokat“, das seine poetische Kraft angeblich einem „bourgeoisen Verniedlichungstrend“ opfere, von der Linken gnadenlos ausgebuht wurde und

sich darauf zurückzog, um sich neu zu definieren. Genau in dieser Phase entstanden diese Verse, von denen ich mir fünf mit Hilfe von Jürgen Kessler, dem Leiter des deutschen Kabarettarchivs, besorgt habe. Hüsch legt den Finger in die Wunde, ohne sich selbst dabei auszuklammern. Auf eine angenehme Weise, nie oberlehrerhaft, mit einem unglaublichen Gespür für sprachliche Nuancen wie in „Es wird erwogen dass“, wo er ein einziges Wort immer wieder leicht verändert hat und ihm damit neue Bedeutungen gab. Das Interessante dabei: Er bleibt stets optimistisch, trotz des düsteren Untertons. Hüsch verlor nie die Hoffnung, dass die Menschheit aus ihren Fehlern lernen und wachsen kann.

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Ich setze die Texte in eine bestimmte Reihenfolge und nähere mich ihnen auf zwei Arten: zum Teil sind sie komplett vertont, zum Teil in Form eines Recitals, einer Sprachkomposition dargelegt, bei der bestimmte Kernsätze im Mittelpunkt stehen. Dabei geht es vor allem darum, Hüschs Botschaft in der Musik herauszufiltern. Ein unglaublich spannender Prozess. ...Vorbilder Eigentlich erwartet man von einer Saxofonistin, dass sie große Saxofonisten als Vorbilder nennt. Bei

mir gibt es einen einzigen, und der steht über allen anderen: John Coltrane. Aber mir geht es weniger um einen bestimmten Ton, eine Intonation, einen Lebensweg, sondern vielmehr um die Inspiration. Da interessiert mich Igor Strawinskys „Le Sacre Du Printemps“, Luigi Nono, Stockhausen natürlich und in der bildenden Kunst Barnett Newman mit seinen monochromen Gemälden. Aus einem seiner Texte stammt auch der Name meines Quartetts Sublim. Eine Jazzsache fällt mir doch ein: Dave Holland nämlich. Der kann mich ebenfalls packen. Selbstverständlich im Augenblick Hanns Dieter Hüsch. Ob sich das auf mehrere Jahre ausdehnt, kann ich jetzt noch nicht sagen. Ich bin ja gerade erst dabei, ihn zu entdecken.

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...Improvisation Mein ganzes Leben ist Improvisation, von morgens bis abends! Für einen Künstler und generell für einen Musiker eigentlich das A und O. Die Improvisation erlaubt uns, neue Wege zu gehen und nicht im alten Trott hängen zu bleiben. Es braucht aber auch Disziplin, um den Weg gründlich zu erforschen. Wenn er sich zu einer breiten Straße entwickelt, dann sollte man ihn verlassen und wieder zu improvisieren beginnen.

...deutsche Szene Extrem vielfältig und divergent und bei weitem nicht so klein und muffelig, wie das in jüngerer Vergangenheit kolportiert wird. Im Prinzip passiert bei uns so viel wie noch nie. Dinge werden ausprobiert oder zusammengebracht, die vom überlieferten Normenverständnis her überhaupt nicht zusammenpassen. Aber auch traditionelle Strömungen erfahren einen enormen Zuwachs. Der Jazz in diesem Land verfügt wirklich über eine reiche, lebendige Szene. ...Moers Wenn ich aus dem Fenster blicke, dann sehe ich das Café Heftig. Einer von vielen markanten Punkten einer netten Kleinstadt, in der eine ganze Menge passiert. Das künstlerische Leben pulsiert hier ungemein. Im Mittelpunkt steht selbstverständlich das Festival, wobei improvisierte Musik nicht nur während dieser Tage, sondern das ganze Jahr über stattfindet. Das 2008-Programm finde ich übrigens extraordinär gut. Als „Improviser In Residence“ fühle ich mich sozusagen am Puls der Moerser

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Entwicklung. Ich bin warm aufgenommen worden, die Menschen sind freundlich und zuvorkommend. Frag aber nicht nach Sehenswürdigkeiten. Seit ich hier lebe, bin ich ständig am Arbeiten. Da bleibt für andere Dinge kaum Zeit. ...Workaholic Was ist das? (lacht) Natürlich stehe ich dazu. Weil ich gar keine andere Chance habe. Die Musiker, mit denen ich arbeite, sind alle Workaholics. Da steckt Leidenschaft dahinter, fast eine Art von Obsession. Wenn Fotos: Fot os: H os: Heellm muut Bern m er n s

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man die Chance bekommt, seine Fantasien zu verwirklichen, muss man so lange arbeiten, bis alles perfekt ist. ...Was bin ich? (langes Zögern) Fällt mir spontan nix zu ein. (wieder sekundenlange Pause) Ach sooooo! Dieses Fernsehquiz, bei dem ich 2005 mal zu Gast war. Die Neuauflage der legendären Ratesendung. Ich war einer der Kandidaten, dessen Beruf es herauszufinden galt. Feuerstein hat mich erraten. Was ich bin? Eine Komplexität ohnegleichen mit mannigfaltigen Einflüssen sowie vielen In- und Outputs! Reinhard Köchl

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Exkurs: wdr3 campus:jazz DIE WIRKLICHKEIT IM ELFENBEINTURM 2007 war für die Hochschulinitiative wdr3 campus:jazz der Jazzredaktion des Westdeutschen Rundfunks ein Probejahr. Zwei Mal zwei Doppelkonzerte mit Studentenbands aus Köln und Essen, die allesamt großes künstlerisches Potenzial hatten. Überraschend? Wohl nicht: Immerhin war der spätere WDR-Jazzpreisträger des Jahres 2007, der Pianist Sebastian Sternal, bei der Premiere von wdr3 campus:jazz mit seinem Trio in Köln dabei. Eine erste Bilanz.

Das Vorurteil von der Universität als „Elfenbeinturm“ hält sich hartnäckig. Doch auch die Lehre an einer Hochschule darf die Realität nicht ausgrenzen, darf sich dem wirklichen Leben nicht verschließen – das hat für ein Kunststudium im Allgemeinen ebenso seine Gültigkeit wie für ein Musikstudium im Besonderen. „Innerhalb unserer Hochschule gehört es dazu, einen Rahmen und eine offene kreative Situation zu schaffen, worin die Studenten auch auf die berufliche Wirklichkeit nach und außerhalb der Hochschule vorbereitet werden“, erzählt Dieter Manderscheid, stellvertretender Leiter der Jazzabteilung der Musikhochschule Köln. „Ein wichtiger Partner dafür ist die WDRJazzredaktion mit Bernd Hoffmann. Mit ihm zusammen können wir mit wdr3 campus:jazz etwas verwirklichen, was sonst nur schwer in den regulären Hochschulveranstaltungen umgesetzt werden kann – weil es unter realen Bedingungen passiert.“ Das Konzept von wdr3 campus:jazz ist einfach: Zwei Mal jährlich finden Doppelkonzerte mit Studentenensembles statt, in Köln im Loft und in Essen in der Philharmonie. Manderscheid wählt in Köln aus der Studentenschaft die beiden Bands aus, sein Kollege Peter Herborn von der Folkwang Hochschule für Musik ist in Essen dafür zuständig. Die HörfunkRedaktion Jazz vom Westdeutschen Rundfunk schneidet diese Auftritte

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mit – und sendet sie in der Konzertstrecke Montagabends ab 20.05 Uhr im Kulturradio WDR 3. Der Umstand, dass WDR-Jazzredakteur Bernd Hoffmann auch Dozent für Jazzgeschichte an der Kölner Musikhochschule ist, hat das seine dazu beigetragen, dass aus der Idee wdr3 campus:jazz rasch Wirklichkeit wurde. „Als Dozent für Jazzgeschichte hier in Köln kenne ich die Studentenszene sehr gut“, weiß Hoffmann zu berichten. „Oft bekomme ich Demo-CDs von meinen Studenten zugesteckt. Und für Köln kann ich sagen, dass diese Projekte zumeist von hoher Qualität sind, dass junge Musiker ihren eigenen Weg suchen, obwohl oder gerade weil sie auch in der Jazztradition verwurzelt sind.“ Die Studenten, auf die die Wahl für wdr3 campus:jazz fällt, müssen bereits ein Stück weit eine eigene musikalische Sprache entwickelt haben. Ansonsten gilt: „Im Prinzip ist jeder, der hier studiert, in der ,Bewerbung‘ für wdr3 campus:jazz drin“, so Manderscheid. „Diese Initiative ist zudem eine ganz besondere Motivation für die Studenten. Öffentlich ein Konzert zu geben, das dann auch noch vom Rundfunk mitgeschnitten und gesendet wird, ist etwas ganz anderes, als nur irgendeinen Schein in einem der Fächer zu machen: Teil dieser Initiative zu sein, ist bereits ein Wert an sich.“ Ein Coaching, eine weitere Begleitung durch Dozenten

gibt es für die Studentenprojekte aber nicht mehr. Wer bei wdr3 campus:jazz dabei sein will, der muss bereits eine gewisse künstlerische Reife besitzen und ein bestimmtes instrumentalhandwerkliches Niveau erreicht haben. Diese Koop zwischen Rundfunk und Hochschulen in NRW ist aber auch eine besondere Form eines SzeneBackings. Denn an den Jazzabteilungen der Hochschulen in Köln und Essen studieren junge Musiker, die ja die nächste, wenn nicht sogar übernächste Generation der regionalen, später dann der nationalen Jazzszene bilden werden. „Für die Redaktion ist es überaus spannend zu beobachten, was für Material die Studenten anbieten“, so Bernd Hoffmanns Überzeugung – und unterstreicht einen weiteren Aspekt: „Erfreulich für mich ist, dass ich mit wdr3 campus:jazz eine ,Sichtung‘ der Studenten machen kann und schon in einer frühen Phase meine ARD-Kollegen auf diesen oder jenen interessanten jungen Musiker mit großem künstlerischen Potenzial hinweisen kann. So lassen sich frühzeitig Musiker in die Jazz-RadioKulturlandschaft integrieren – um sie zum Beispiel für die verschiedenen Radio-Festivals vorzuschlagen.“ Laura Benneck

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Foto: Israelisches Verkehrsbüro

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Israel JAZZ IS REAL. JAZZ IS-RAEL?

Das Music Meeting Nijmegen und das moers festival erleben die Ur-Aufführung von Avishai Cohens Roots Project. Nach einer erfolgreichen Karriere in den USA kehrte der Bassist 2004 in das Land zurück, in dem er geboren und groß wurde: Israel. Eine bewusste Entscheidung für sein Heimatland? Karsten Mützelfeldt hat Avishai Cohen auch danach gefragt. Tel Aviv

Jazz und Israel? Da mag mancher an Efrat Alony in Berlin denken, an Elias Meiri in Wien, Dalia Faitelson in Kopenhagen, Yaron Herman in Paris, Gilad Atzmon in London. Israelische Jazzmusiker in der europäischen Diaspora. Und in den USA, dem vermeintlich „gelobten Land des Jazz“? Als der Posaunist Avi Leibovitch 1992 von Tel Aviv nach New York zieht, findet er vieles vor: eine große, aktive Szene, die Downtown- und Uptownszene, diverse Unterszenen – vieles, nur keine „israelische Szene“. Dies sollte sich alsbald ändern. Jazzpädagogische Austauschprogramme lassen in der Folgezeit mehr und mehr Improvisatoren aus Israel den Weg nach NYC finden, einige direkt, andere über Boston. Der Club Smalls avanciert zum kleinen Epizentrum

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einer sich neu etablierenden israelischen Szene. Musiker wie Yonatan Avishai, Ziv Ravitz, Omer Klein, Gilad Hekselman, Omer Avital, Ohad Talmor, Anat Fort, Anat Cohen, Yuval Cohen und ihr Bruder, der Trompeter Avishai Cohen, ebenfalls von Tel Aviv nach New York gezogen, und gelegentlich mit der Geschwisterband 3 Cohens auftretend. Nicht zu vergessen: ein Namensvetter des Trompeters – der nicht mit ihm verwandte Bassist Avishai Cohen, auch er ein Mann „der ersten Stunde“, zeitgleich mit Leibovitch in den Big Apple gekommen. Er stammt aus einer Familie mit sephardischen Vorfahren und multikulturellem Hintergrund: Allein seine Eltern vereinen Wurzeln aus der Türkei, aus Griechenland, Tschechien und Polen. Aufgewachsen im Dorf Shoeva in der

Nähe Jerusalems geht er mit 14 das erste Mal in die USA, hört das Bassspiel eines Jaco Pastorius und kehrt zwei Jahre später nach Israel zurück – entschlossen, Musiker zu werden. Avishai studiert in Jerusalem Musik. Doch 1992 zieht es ihn wieder in die Staaten. Seine Musik ist ein Amalgam aus Jazz, Einflüssen aus Klassik und Balkan-Folklore, der Volkmusik des Nahen Ostens und Nordafrikas sowie Elementen aus Latin, Blues und Funk. Cohen fühlt sich musikalisch durchaus vielerorts zu Hause. „At Home“ nennt er auch eines seiner Alben und fügt gerne hinzu, dass er überall Verbindungslinien aufspüre. Das Credo eines global denkenden und spielenden Musikers. Doch seit 2004 hat der Begriff „at home“ auch eine andere Bedeutung. Der Bassist, der acht Jahre lang Chick

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Corea begleitete, hat 2004 New York verlassen und ist in sein Geburtsland zurückgekehrt. „Zunächst einmal wollte ich New York verlassen. Ich liebe diese Stadt, aber meine Karriere war weit genug gediehen, dass ich es mir leisten konnte. Ich habe meine Heimat vermisst, das Gefühl, zu Hause zu sein, nahe bei der Familie, bei meinen Eltern, Brüdern und Freunden und im Land, aus dem ich komme! Ich vermisste die Sonne, das Essen, den Erdboden, Dinge, mit denen du dich identifizierst, selbst wenn sie nicht die besten in der Welt sind! Ich bin zurückgekehrt, und das hat natürlich Einfluss auf mein Schreiben – und mich dazu gebracht, mich noch mehr meinen Wurzeln zu widmen. Obwohl ich sagen muss, dass gerade das Wegsein von zu Hause dazu führt, dass du tiefer in dich hineinschaust. Auch wenn ich nicht nach Israel zurückgekehrt wäre, wäre dies vielleicht passiert. Aber jetzt dringen und drängen meinen Wurzeln mehr denn je an die Oberfläche.“ Und er macht sie hörbar: etwa auf seinem neuen Trio-Album „Gently Disturbed“, auf dem u. a. neben von nahöstlichen Traditionen beeinflussten Eigenkompositionen Jazz-Bearbeitungen alter LadinoSongs auftauchen. Dazu passt, dass Cohen neben der aktuellen Trio-CD gerade ein Vokalprojekt aufgenommen hat, in dem er und u. a. auch seine Mutter singen: neue Arrangements, Vertonungen von hebräischen Texten, die zum Teil vier-, fünfhundert bis tausend Jahre alt sind. Moers und Nijmegen erleben die Live-Premiere dieses Roots-Projekts. „Dieses sich so Verbunden-Fühlen mit einfacher Volksmusik ist für mich wie ein Geschenk. Ob es sich um Bach, Mozart und Rachmaninoff, um Eddie Palmieri, Cameron oder Paco

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de Lucia handelt: Tiefer gehende, bedeutsame Momente in der Musik haben immer diese Verbindung zu den Menschen, sind das, was von ihnen ausgeht oder zurückkommt. Wenn Leute in Schweden, wo wir in letzter Zeit besonders erfolgreich sind, mir erzählen, die Musik würde sie an schwedische Volksmusik erinnern, wo doch Schweden und Israel kaum etwas gemein haben, dann ist das meine Erklärung: Wenn du in Kontakt mit dieser Basis stehst, dann ist es überall dasselbe: Es ist die Musik der Menschen!“ Personeller Kern dieses VocalProjects ist das Avishai Cohen Trio. Schlagzeuger Mark Guiliana, 28, gehört bereits seit 2003 zur Band. Neu besetzt ist der Platz am Klavier – nach den Amerikanern Jason Lindner und Sam Barsh ist des Bassisten Wahl nun auf den Israeli Shai Maestro gefallen (gerade einmal 20!), die jüngste Verkörperung einer neuen, aufstrebenden Szene in Tel Aviv. Maestro war mit Cohens Musik vertraut, lange bevor sie sich trafen. Das erste Mal hatte er ihn an der Seite Coreas in Schweden erlebt – da war Shai gerade einmal zehn. Während zu New-York-Zeiten dem israelischen Oud-Spieler Amos Hoffman eine häufige Gastrolle zukam, wird Cohens Bezug zu den Wurzeln durch die ständige Präsenz des Landsmannes Maestro noch intensiviert. Nachdem der Bassist zunächst nach Jerusalem zog, leben beide inzwischen in Tel Aviv und arbeiten – wenn nicht gerade auf Tour – täglich zusammen. Die Energie ihrer Musik mag die Vorstellung nähren, diese Leidenschaft speise sich auch aus Leiden, aus der kollektiven Leidensfähigkeit eines Landes, in dem die dauernde Auseinandersetzung mit dem Tod die Lebenslust nur noch steigert, zu einer dringlichen Gier nach Leben führt.

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Foto: Christoph Giese

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„Das ist schwer zu sagen, es mag so sein. Aber eines kann ich mit Sicherheit sagen: Ich bin in einem Elternhaus voller Liebe aufgewachsen, mit einer Mutter, die vor positiver Einstellung und Liebe geradezu glüht. Ich weiß nicht, woher all diese Dringlichkeiten kommen, es gibt Dinge, die wir nicht wissen, Dinge, die ich auch nicht notwendigerweise wissen möchte – ich weiß nur, dass ich ein sehr leidenschaftlicher Mensch und sehr begeisterungsfähig bin. Da gibt es viel Emotion in mir. Emotionen, für die die Musik das Vehikel und das Ventil ist, der Weg, um meinen inneren Sturm und Drang auszudrücken. Ich bin nur das Gefäß.“ Karsten Mützelfeldt

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Norwegen PUNKT FÜR PUNKT Norwegen und kein Ende: Seit Jahren sorgt dort eine beständig wachsende und überaus kreative Szene für Aufsehen, überall in Europa räumt man mit einer die (Stil-)Grenzen sprengenden, aktuellen Musik ab. Aber immer dann, wenn man glaubt, ein Ende sei in Sicht, kommt man in diesem Land hoch oben im Norden Europas wieder mit frischen, neuen Ideen. Ralf Dombrowski über das Punkt Festival in Kristiansand und seine Macher.

Jan Bang hatte eine Vision. Oder besser: Er hatte sich ein Gerät gekauft, das eine Vision nach sich zog. Es handelte sich um einen handlichen Live-Sampler mit 16 Kanälen, entwickelt für DJs, die damit die Sets der vor sich hin blubbernden LoungeÄra ein paar Klanggimmicks hätten hinzufügen können. Das Interesse der Nachtvögel im Club konzentrierte sich jedoch auf Vinyl, und so wurde Jan Bang durch die Zweckentfremdung seines Akais ein zufälliger Pionier einer improvisierenden Kunstform, die inzwischen mit dem Punkt Festival und dessen Derivaten ein eindeutig identifizierbares und Export-reifes Profil gefunden hat.

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Remix ist Kunst, Kunst ist Remix: Jan Bang hatte einen guten Zeitpunkt erwischt. Als er Mitte der 1990erJahre mit seiner Zauberkiste in Oslo aufschlug, waren gerade gedankliche und stilistische Umwälzungen im Gange. Was einst die Musiker bewegte, nämlich die Überführung des experimentellen Impetus der rebellierenden 1960er in die eigenen Traditionen verinnerlichenden ’70er, hatte sich zu einer modernistisch kammerjazzigen Stilsprache entwickelt, die schrittweise zur gestalterischen Norm und damit zum intellektuell unattraktiven Mainstream wurde. Auf der anderen Seite hatte die Postmoderne der 1980er-Jahre

das Zwanghafte und Anmaßende verloren und die Dekonstruktion als Kulturtechnik im künstlerischen Bewusstsein verankert. Da kam Jan Bang, der freundlich verschrobene Bursche aus der südnorwegischen Provinz mit dem Gerät, das er selbst kaum verstand, gerade recht. Jedenfalls dauerte es nicht lange und er gehörte zum Kreis um Nils Petter Molvær und Bugge Wesseltoft, die ihrerseits auf dem Weg waren, mit Projekten wie „Khmer“ und „New Conception Of Jazz“ dem nordischen Stigma des Free-Folkloristischen in Richtung Clubbing und Industrial zu entkommen. Bang remixte, live auf der Bühne, für Kollegen und fürs Publikum nur schwer nachvollziehbar. Denn seine Virtuosität bestand nicht in schnellen Läufen, sondern in der Kreation passender Soundscapes – und in seiner Fähigkeit, die Reaktionen seiner Mitspieler auf der Bühne auf die ad hoc produzierten Klangschleifen vorhersehen zu können und daraus wiederum weitere motivische oder rhythmischen Impulse zu destillieren. Es entstanden stetig changierende Endlosschleifen des akustischen

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Kommentars, die im Resultat dem Höreindruck der jungen norwegischen Improv-Club-Musik neue Farben gaben. Natürlich war Bang nicht der einzige, der an dieser Meta-Ebene der akustischen Schichtungen arbeitete. Der Gitarrist Eivind Aarset etwa oder auch einige Tüftler aus dem Umkreis des Labels rune gramophon kümmerten sich um ähnliche Phänomene. Aber er erwies sich als cleverer Interpret und darüber hinaus als geschickter Organisator und Promoter in eigener, kreativer Sache. Jan Bang beließ es nicht dabei, mit seinen Osloer Freunden auf der Bühne zu stehen. Er wollte den Rahmen der Bearbeitungen vergrößern und auf einer komplexeren Ebene weiterführen. Die Idee: „Bislang hatten wir nur einzelne Lieder remixt. Wie wäre es, dachte ich mir, wenn man stattdessen ganze Konzerte bearbeiten würde?“ Ein Plan wurde entwickelt, der den Provinzflüchtling zurück in seine Heimatstadt Kristiansand führte. Bang konnte die örtlichen

Kulturverantwortlichen für ein neues Festival begeistern. Im Saal des Agder Teaters sollten Konzerte stattfinden und in den Keller übertragen werden, wo im so genannten „Alpha Room“ Remix-Spezialisten unmittelbar im Anschluss das eben Gespielte bearbeiteten. Im Spätsommer 2005 startete der Versuchsballon, mit ungewissem Ausgang. Denn das erste Punkt Festival war eine Herausforderung für das Publikum, das die dekonstruierende Adaption akustischer Musik erst als künstlerische Leistung anerkennen musste. Und den TechnikFreaks an Laptops und Samplern trieb es den Schweiß auf die Stirn, weil sie ein derart schnelles Arbeitstempo nicht gewohnt waren. Das Resultat allerdings klang stimmig und irgendwie auch zeitgemäß. Es sprach sich als Denkanstoß herum, und so wuchs das Punkt Festival in rasantem Tempo. Bereits die dritte Ausgabe im vergangenen August gab sich nicht mehr mit einzelnen Remixen zufrieden, sondern stellte insgesamt 14 Original-Konzerte im großen Saal mit einem stilistischen Spektrum von Prog Rock über Free-

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Gefrickel bis Neo Folk zur Disposition, die wiederum von synthetischen Sampling-Zerstückelungen bis hin zu frei improvisierenden MotivBearbeitungen eine große Palette der Interpretationen erlebten. Die Osloer Clique von Nils Petter Molvær über Sidsel Endresen bis Arve Henriksen gab sich die Ehre, internationale Stars wie Jon Hassell, Jaki Liebezeit oder Michiyo Yagi sorgten für das passende globale Kolorit und die Qualität der den Originalen ebenbürtigen Remixe unterstrich die Ausgewogenheit des Konzepts. Das Punkt Festival wurde zum Markenzeichen. Jan Bang und sein kreatives Alter Ego in Kristiansand, der Tonbastler Erik Honoré, beschlossen, das Konzept zu exportieren und sind nun gemeinsam mit der Schwitters-inspirierten Stimmwortakrobatin Sidsel Endresen bereit, die Lanze für die Kunst des Klangkommentars zu brechen. Ralf Dombrowski

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geschichte

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moers revisited 7. INTERNATIONALES NEW JAZZ FESTIVAL MOERS 1978 war Pfingsten ähnlich früh im Jahr wie 2008. Fest in der Jazzszene verankert war schon damals das Internationale New Jazz Festival Moers, dessen siebte Ausgabe über die Pfingstfeiertage stattfand. Das Programm war 1978 musikalisch breit und bildete die Vielfalt improvisierter Musik ab, gleichgültig, ob aus den USA oder aus Europa.

2007 haben wir begonnen, auf das Internationale New Jazz Festival Moers von 1977 zurückzublicken – mit Auszügen aus dem Programmheft. Unseren Geschichtsexkurs setzen wir 2008 fort – mit einem Rückblick auf Jahr 1978. Das Programm aus diesem Jahr ist ebenso auf den folgenden Seiten zu finden wie das Essay „Das Internationale New Jazz Festival als Beispiel von ,Kultur am Ort‘“ von Jörg Kempfer, dessen Thesen und Gedanken bis heute nichts von ihrer Brisanz und Bedeutung verloren haben. Gedanken wie: „Kultur kann uns z. B. an den

Widerspruch heranführen zwischen proklamierter Freiheit und allseits erfahrenem Zwang“, Thesen wie: „Der Avantgarde-Jazz, wie er in Moers praktiziert wird, steht in der langen Tradition des Jazz als einer Musik des Widerstandes gegen diesen lächerlichen oder bitteren Alltags-Trott, in dem sich so viel mehr wiederspiegelt. Jazz sagt: Befreit euch davon.“ Kempfer glückt es, die gesellschaftspolitische Relevanz der improvisierten Musik in Beziehung zu setzen zu dem Bedürfnis und dem Wunsch jedes einzelnen, kreativ zu handeln – und auch zu sein: „Denn die kulturel-

len Veranstaltungen am Ort, also des Jazz-Festivals in Moers als Beispiel, sind nicht Nebensächlichkeit oder Luxus, sondern ist Bedürfnis, richtig verstanden: aller Bürger.“ Mit „Statt eines Grußwortes“ hat Leiter Burkhard Hennen seine Einführung in sein Festival-Programm von 1978 überschrieben. Und tatsächlich, Dank- und Grußworte finden sich nur wenige im Text. Vielmehr verweist der Festivalmacher darauf, dass, ausgehend vom Free Jazz der 1960er, eine neue Avantgarde-Musik entstanden ist, die in Moers ein Podium und einen wichtigen Fixpunkt gefunden hat. Und er fordert zudem Strukturen für das Festival, weil es eine Dimension erreicht hat, die eine Organisation „nach Feierabend“ nicht mehr erlaubt: „Hier müssen grundlegende Überlegungen getroffen werden.“ Martin Laurentius

Das Internationale New Jazz Festival als ein Beispiel von „Kultur am Ort“ Ein 11/2-jähriges Kind tappst über eine Wiese, greift nach Blumen, greift in lockere Erde, um sie in den Mund zu nehmen, greift in eine Pfütze. All dieses suchende Erfahren von Elementen, von Umwelt ist begleitet vom abbrechenden Eingreifen der Mutter. Ich stelle diese Beobachtung, die auch meine persönliche Erfahrung wiederspiegelt, an den Anfang, weil sie typisch ist für unser Hineingehen in die Welt von Empfindungen und Gedanken. Wissenschaftlich wird festgestellt: Phantasie, Bereitschaft und Fähigsein zu kreativem Handeln sind früh schon genommen (siehe oben). Wahrscheinlich endgültig in der Schule. Manifest wird das eigentlich dann in Statistiken, die nur auf den ersten Blick damit nichts zu tun haben: Die Statistiken der Gescheiterten und Kranken als Spitze eines Eisbergs der von den Elementen des Lebens Entfremdeten. Mir sind diese Überlegungen wichtig im Zusammenhang mit der Frage, welche Bedeutung „Kultur in der Stadt“ im allgemeinen und dieses Jazz-Festival in Moers im besonderen hat. Auch

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12.05.1978 Willem Breuker Kollektief (NL) Willem Breuker, sax / Leo Cuypers, p / Bob Driessen, sax / Arjen Gorter, b / Bernhard Hunekink, tb / Willem van Manen, tb / Maarten van Norden, sax / Boy Raaymakers, tp / Rob Verdunen, dr / Jan Wolff, horn Leroy Jenkins Trio (USA) Leroy Jenkins, v / Anthony Davis, p / Andrew Cyrille, dr European Jazz Quintet (GB/PL/BRD/NL) Allan Skidmore, sax / Gerd Dudek, sax / Leszek Zadlo, sax / Ali Haurand, b / Pierre Courbois, dr, perc Cecil Taylor Sextet (USA) Cecil Taylor, p / Raphe Malik, tp / James Lyons, sax / Ron Johnson, dr / Ramsey Ameen, v / Sirone, b

13.05.1978 Double Image (USA) David Friedmann, vib / David Samuels, marimba / Harvie Swartz, b / Mike de Pasqua, dr, perc Trio Manus (NL) Marcel Edixhoven, cl / Ed de Vos, b / Bert van Beek, dr Phillip Wilson Quartet (USA) Phillip Wilson, dr / Olu Dara, tp / Fred Williams, b / Frank Lowe, sax Christmann-Schoenenberg Duo plus Harald Boje (BRD) Günter Christmann, tb / Detlef Schönenberg, dr, perc / Harald Bojé, elektronium Terumasa Hino Quartet (J, USA) Terumasa Hino, tp / Bob Degen, p / Cameron Brown, b / Motohiko Hino, dr

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geschichte internationale Festivals finden nicht irgendwo statt, sie sind immer lokales Kulturgeschehen. Der Vorsitzende (SPD) des Kulturausschusses der Stadt Moers sagte in einer programmatischen Rede zur Kulturpolitik der Stadt vor ein paar Monaten, „Jazzfestival“ sei wohl für viele „von uns“ ein Schlagwort, das alleine schon die Haare zu Berge stehen ließe. Dann fallen Stichworte wie „wenig genußvolle Musik“, „Zielgruppe in unserer Stadt zu klein“, die ganze Angelegenheit sollte doch „vorwiegend als Imagewerbung für unsere Stadt“ betrachtet werden. Das scheint mir der einzige Grund noch, warum die Stadt Moers dieses Festival unterstützt. Kultur am Ort – und jede Kultur ist Kultur am Ort – ist die im nachhinein für viele Bürger einzige Möglichkeit des Sichwiederfindens, der Selbstfindung in der Vielfältigkeit des menschlichen Seins, bzw. der einsilbigen Unterdrückung dieser „Fülle des Seins“. Das sind nur scheinbar große Worte. Theaterspielen oder Musikmachen z.B. steckt in jedem als Bedürfnis. Der Erfahrung des passiven Teilhabens an kulturellen Veranstaltungen – für sich schon eine bedeutende Erfahrung – würde am besten direkteres Erfahren folgen. Solche breiteren Möglichkeiten, die zu einem inhaltlichen Fundament für dieses New-Jazz-Festival hätten führen können, waren in Moers zeitweise im Ansatz da, sind inzwischen aber ganz verschwunden. Die Äußerung des führenden Kulturpolitikers der Moerser Mehrheitsfraktion im Rat läßt vermuten, daß der Charakter der Musik nicht zum Engagement einlud. Der Avantgarde-Jazz, wie er in Moers praktiziert wird, steht in der langen Tradition des Jazz als einer Musik des Widerstandes, und sei es des Widerstandes gegen diesen lächerlichen oder bitteren Alltags-Trott, in dem sich so viel mehr wiederspiegelt. Jazz sagt: Befreit Euch davon. Sagt es nach meinem Verständnis auch heute. Das alles kann die „kleine Flucht“ aus dem Alltag über die Kulturpille werden oder eben mehr; Auseinandersetzung, ein Weg zur Befreiung. Ebenso wie der „Herr Doktor“ die pharmazeutische Pille verschreibt, oder eben die Auseinandersetzung mit dem, was krank macht. Also entweder Trostpflaster oder Therapie. Bei jeder Therapie fragt sich, wohin sie uns führen soll (avant to)? Kultur hat eine Richtung, sie kann einschläfern oder wachrütteln. Sie kann uns z.B. an den Widerspruch heranführen zwischen proklamierter Freiheit und allseits erfahrenem Zwang, an dem viele heute zugrunde gehen (psychosomatisch, fehldiagnostiziert, mit Pillen und Webeslogans vollgestopft). Das sind tatsächlich große Worte für etwas so Simples: für Platzkonzerte, Werkstattkonzerte, Firmenkonzerte, für Arbeit in den Schulen. Vergangene und inzwischen gestrichene Ansätze dazu in Moers haben gezeigt, wie gut gerade Musiker des Neuen Jazz mit dem Element Musik bekannt machen können. Gerade deshalb, weil der Avantgarde-Jazz zur Auseinandersetzung zwingt. Doch wie einleitend beschrieben: Von Anfang an wird unser Erfahren dieser Elemente (von der feuchten Erde bis hin zur „Musik“) ein gleichzeitiges Erfahren mit Elementen. Es gibt deshalb kein unbekümmertes Spiel (Theater, Musik, Film usw.). Es gibt auch kein unbekümmertes Genießen. Denn die kulturellen Veranstaltungen am Ort, also des Jazz-Festivals in Moers als Beispiel, ist nicht eine Nebensächlichkeit oder ein Luxus, sondern ist Bedürfnis, richtig verstanden: aller Bürger. Jörg Kempfer

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Guido Mazzon Precarious Orchestra (I) Guido Mazzon, tp, flh / Mark Charig, tp / Radu Malfatti, tb / Renato Geremia, v, sax / Bruno Marini, sax / Mauro Periotti, b / Toni Rusconi, dr, perc Art Ensemble of Chicago (USA) Lester Bowie, tp, perc / Joseph Jarman, sax, perc / Roscoe Mitchell, sax, perc / Malachi Favours, b, perc / Don Moyé, dr, perc

14.05.1978 Lewis/Edward Duo (USA) George Lewis, tb / Douglas Ewart, sax, perc Theo Jörgensmann Quartett (BRD) Theo Jörgensmann, cl / Uli Pütz, sax, horn, fl / Toto Schulte, b / Uli-Dionys Kube, dr, perc Peter Brötzmann Sextett (BRD/NL/GB) Peter Brötzmann, sax / Willem Breuker, sax / Michel Pilz, sax / Derek Bailey, g / Misha Mengelberg, p / Han Bennik, dr, perc Creative Music Orchestra (USA/GB/BRD) Anthony Braxton, sax / Vinny Golia, sax, cl / Dwight Andrews, sax / Edward Rothenberg, sax / Robert Ostertag, sax / J.D. Parran, sax / Marty Ehrlich, sax / Leo Smith, tp, cond / Rob Howard, tp / Michael Mossmann, tp / Kenny Wheeler, tp / George Lewis, tb / Ray Andersen, tb / Joseph Bowie, tb / James King Roosia, tb / Marilyn Crispell, p / Bobby Naughton, vib / James Emery, g / Birgit Taubhorn, acc / John Linberg, b / Brian Smith, b / Thurman Barker, dr / Bobo Shaw, dr

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Art Blakey & The Jazzmessangers (USA) Art Blakey, dr, perc / Valery Ponomarev, tp / David Schnitter, sax / Bobby Watson, sax / Dennis Irwin, b / James Williams, p Human Arts Ensemble (USA) Charles Bobo Shaw, dr, perc / James Emery, g / Joseph Bowie, tb / Luther Thomas, sax / John Linberg, b Kenny Wheeler Quartet (GB) Kenny Wheeler, tp / Evan Parker, sax / Barry Guy, b / Paul Lytton, dr, perc

15.05.1978 Leo Smith Trio (USA) Leo Smith, tp / Bobby Naughton, vib / Dwight Andrews, sax Blasverbot (BRD) Teddy Biesterfeld, sax / Christoph Eidens, p / Klaus Dusek, b / Rainer Broden, dr Buschi Nibergall Trio (BRD) Buschi Johannes Nibergall, b / Michel Pilz, cl / Uwe Schmitt, dr Anthony Braxton Quartet (USA) Anthony Braxton, sax, cl / Ray Andersen tb / Brian Smith, b / Thurman Barker, dr Lester Bowie Sextet (USA) Lester Bowie, tp / Arthur Blythe, sax / Jospeh Bowie, tb / Amina Claudine Myers, p / Malachi Favours, b / Bobo Shaw, dr, perc

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impressum & service

Impressum Moers Kultur GmbH Meerstr. 2, 47441 Moers Telefon: +49 (0) 2841 / 20 11 18 Fax: +49 (0) 2841 / 20 18 74 E-Mail: festival@moers.de Web: www.moers-festival.de Geschäftsführung: Ralf Worgul Vorsitzende des Aufsichtsrats: Carmen Weist Vorsitzender des Beirats: Christoph Melzer

Corporate Design: Boros GmbH Agentur für Kommunikation Screendesign: LOBO – Analogue and Digital Design Moderation Festivalzelt: Odilo Clausnitzer, Simonetta Dibbern Festivalmotiv: Andreas Stiller, Helmut Berns (Foto) moers festival-Radio: Johanna Bächer (Chefredaktion), Diana Arapovic, Nina Fiedler, Dietmar Horn, Keno Mescher, Florian Stein, Bernhard Osinski, Michael Pötters (Sendetechnik) Podcasts: Elmar Fasshauer, Studenten der KHM Köln Musikerbetreuung: Jana Heinlein, Jonna Grimstein Kassenleitung: Alexandra Kinne Orga-Zelt: Lena Klein, Nina Spier, Claudia Zajac Produktionsleitung: Gerhard Veeck Technische Leitung: Rainer Knauf Technisches Team: Oliver Müller (Stagemanager), Frank Kasper (Sound System Techniker), Mark Buss (MON Ingenieur), Martin Pohl (FOH Ingenieur), Martin Conrath (Lichtoperator), Jochen Reuter (Lichttechniker), Martin Gottschall (Videotechniker), Björn Wiesehöfer & Sebastian Wendt (Mikrophonierer), Francesco Resch & Kevin Wittwer (Stageassistenten), Stefan Hartmann-Firnich (Pianotechnik)

moers festival-Team Künstl. Leitung: Reiner Michalke Kurator „concerts in the dark“: Tim Isfort Kuratoren „the morning“: Matthias Muche, Sven Hahne Kurator „the night“: Hamed Shahi Kurator „SKAndalbühne“: Boris Graue Festivalbüro: Sabine Lange, Agnes Psykala, Sandra Baetzel, Lina Woelk Artist Relation: Anandita Schinharl Public Relation: Kornelia Vossebein, Doro Zauner Marketing: Oberhaus Kulturmanagement, Karl Martin Wagner, Carlo Hohmann Webmaster: Olaf Kluck, Lucy Cathrow (Übersetzungen) P

Festivalmagazin Redaktion: Martin Laurentius (Chefredaktion), Reiner Michalke (V.i.S.d.P.), Kornelia Vossebein Autoren: Mischa Andriessen, Hayden Chisholm, Ralf Dombrowski, Stefan Franzen, Thomas Heberer, Jörg Heyd, Günther Huesmann, Wolf Kampmann, Reinhard Köchl, Ulrich Kurth, Eric Mandel, Dr. Lutz Mühlfriedel, Karsten Mützelfeldt, Bert Noglik, Madli-Liis Parts, Rainer W. Sauer, Herbert Uhlir Fotografen: Agenturen, Paul Brown, Peter Ganushkin, Christoph Giese, Immo Hofmann, Peter Horn, Inga Jaanson, Jaak Nilson, Madli-Liis Parts, Alf Solbakken, Lutz Voigtländer, Reinhard Winkler, Brandon Wu Übersetzung: Jana Heinlein (Englisch/Deutsch), Marieke Rabe (Holländisch/Deutsch) Grafi k: Birthe Berns, Anne Barg Produktion und Gestaltung: Agentur Berns, www.agenturberns.de Auflage: 5.000

Eintrittspreise Festivalticket: € 75,- Vorverkauf 1 € 85,- Tageskasse Tagesticket: 1 € 32,- Vorverkauf € 32,- Tageskasse Jugendliche: 2 Festivalticket: € 35,- Tageskasse Tagesticket: € 16,- Tageskasse 1

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Vorverkauf zzgl. Vorverkaufsgebühren Jugendliche bis einschließlich 23 Jahre (nur an der Tages/ Abendkasse am jeweiligen Spielort mit Lichtbildausweis)

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Tickets „the night“ & „nite lounge“ € 12,- / € 6,- 2 Tickets „SKAndalbühne“ Freitag 6,- €, Samstag 8,- €, Sonntag 7,- € (nur an der Abendkasse am Spielort) Für „sax solo“, „Die Röhre“ und „concerts in the dark“ ist der Eintritt frei!

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Altstadt P

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Ev. Stadtkirche

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Neues Rathaus

Zentrale Bushaltestelle Königlicher Hof

Studio STM

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Schlosstheater Moers

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Volksschule

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Vorverkauf: Tickets gibt es zzgl. Gebühr an allen bekannten Vvk-Stellen, Festivaltickets ohne Gebühr unter www.moers-festival.de Wichtiger Hinweis: Festival- und Tagesticket berechtigen zum kostenlosen Eintritt zu „the morning“. Festivaltickets berechtigen zusätzlich zum kostenlosen Eintritt zu „the night“, „nite lounge“, „SKAndalbühne“ und in das Freibad „Solimare“.

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Schloss-

Adressen park

Freizeitpark Campinggelände

uz

Nepix Kull (»Das Glücksfeld«)

Wohnmobile

L 140

Hotel Van der Valk

Anschluss

Moers

Venloer Straße Eishalle

A 40

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Anschluss

Krefeld Krefeld

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Moers-Zentrum Düssel

Festivalzelt: Freizeitpark Moers Dunkelzelt (gegenüber dem Schlosstheater): Kastell 6 Schlosstheater Moers: Kastell 6 Kantine im Neuen Rathaus: Eingang über Kastell Evangelische Stadtkirche: Klosterstraße Die Volksschule: Hanns-Albeck-Platz 2 (ehem. Südring) Die Röhre: Weygoldstr. 10 Hotel Van der Valk: Krefelder Str. 169 *Tribera (Triangle below Rathaus): Kantine im Neuen Rathaus, Schlosstheater Moers, Dunkelzelt 28.04.2008 17:08:11 Uhr


Unsere Kulturförderung: Gut für die Sinne. Gut für die Region.

Kunst und Kultur sind für die gesellschaftliche Entwicklung entscheidend. Sie setzen Kreativität frei und fördern die Aufgeschlossenheit gegenüber Neuem. Die Philosophie der Sparkasse ist es, vor Ort und regional in einer Vielzahl von Projekten Verantwortung für die Gesellschaft zu übernehmen. Mit ihren jährlichen Zuwendungen ist die Sparkasse am Niederrhein eine der größten nichtstaatlichen Kulturförderer in ihrer Region. www.sparkasse-am-niederrhein.de Unbenannt-3 4

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Das Glücksfeld / 11 - 16 Uhr Kulturinsel Nepix Kull sax solo: Frank Gratkowski / 13 Uhr Evangelische Stadtkirche

Frode Gjerstads Circulasione Orchestra / 20 Uhr Dälek / 21.15 Uhr The Either/Orchestra & special guest Mulatu Astatke / 22.30 Uhr

the morning: Tallinn, Sydney, Berlin/Wien/Zürich / 11 - 13 Uhr Tribera* Das Glücksfeld / 11 - 16 Uhr Kulturinsel Nepix Kull sax solo: Michel Doneda / 14 Uhr Evangelische Stadtkirche concerts in the dark / 16.30 Uhr, 19 Uhr & 20.30 Uhr Dunkelzelt SKAndalbühne / 21 Uhr Die Volksschule the night: Pee Wee Ellis / 24 Uhr Hotel Van der Valk, Club

Battles / 20 Uhr Punkt – live remix / 21.15 Uhr Jason Moran & The Big Bandwagon / 22.30 Uhr

the morning: Tallinn, Sydney, Berlin/Wien/Zürich / 11 - 13 Uhr Tribera* Das Glücksfeld / 11 - 16 Uhr Kulturinsel Nepix Kull sax solo: Hakon Kornstad / 14 Uhr Evangelische Stadtkirche concerts in the dark / 16.30 Uhr, 19 Uhr & 20.30 Uhr Dunkeltzelt SKAndalbühne / 21 Uhr Die Volksschule the night: Ty / 24 Uhr Hotel Van der Valk, Club nite lounge: Tuomi / 24 Uhr Hotel Van der Valk, Lounge Die Röhre: Martin Sasse Trio / 24 Uhr Die Röhre

SKAndalbühne / 21 Uhr Die Volksschule

the night: The Baker Brothers / 23 Uhr Hotel Van der Valk, Club

nite lounge: Flexkögel / 23 Uhr Hotel Van der Valk, Lounge

Die Röhre: Martin Sasse Trio / 24 Uhr Die Röhre

Programmänderungen vorbehalten!

Das Glücksfeld / 11 - 16 Uhr Kulturinsel Nepix Kull

*Triangle Below Rathaus: Schlosstheater, Rathaus-Kantine, Dunkelzelt

Die Röhre: Martin Sasse Trio / 24 Uhr Die Röhre

nite lounge: Kobert / 24 Uhr Hotel Van der Valk, Lounge

the morning: Tallinn, Sydney, Berlin/Wien/Zürich / 11 - 13 Uhr Tribera*

Caito Marcondes Connecting Orchestra / 15 Uhr The Peter Evans Quartet / 16.15 Uhr Theo Bleckmann / 17.30 Uhr

Gunda Gottschalk Crossroads / 15 Uhr Free Tallinn Trio / 16.15 Uhr Samúel Jón Samúelsson Big Band / 17.30 Uhr

concerts in the dark / 16.30 Uhr & 19 Uhr Dunkelzelt

Angelika Niescier & Ensemble O:Ton / 14 Uhr TYFT feat. Peter Evans / 15.15 Uhr Avishai Cohen Roots Project / 16.30 Uhr Cecil Taylor & Tony Oxley / 17.45 Uhr Supersilent feat. Terje Rypdal / 19 Uhr

European Jazz Orchestra / 17 Uhr musikFabrik & Yannis Kyriakides / 18 Uhr Ttukunak / 19 Uhr John Zorn / 20.15 Uhr Campbell Brothers / 21.30 Uhr

Festivalzelt

Festivalzelt

Festivalzelt

Montag 12. Mai 2008

Festivalzelt

Sonntag 11. Mai 2008

Samstag 10. Mai 2008

Freitag 9. Mai 2008

ÜBERSICHT


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