Empreintes 03 | 2010

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Nicht unerwähnt bleiben soll der kassettenartige Aufbau des „Apsis“-Mosaik mit Schwellenband aus Raum 19 von Fließem. Diesen Kompositionstypus begegnet uns auch auf den Diekircher Mosaiken. Die Bandbreite der verwendeten Ornamente, Muster, Motive und Materialien ist im gesamten römischen Reich enorm bis unübersichtlich und teilweise an keine chronologische Entwicklung gebunden, sondern sie treten auch noch regionaltypisch und sogar zeitlich versetzt auf. Für gewisse Mosaik­typen lassen sich, z.B. von Italien ausgehend, „Modeströmungen“ und Entwicklungen ausmachen, die zum Teil auf griechischen Vorbildern beruht. Ohne eine Einbeziehung grabungstechnischer Ergebnisse, wie Keramik- und Münzchronologie, bautechnischer Details, Stratigraphie usw. gelingt eine zeitliche Einordnung nur vage bis ungenügend. Wie schon oben anhand des „Löwen“-Mosaiks aufgezeigt, finden sich auch in der ländlichen Villa Otrang von Fließem Parallelen zum „Vexiermasken“-Mosaik. Diese sind jedoch nicht so eindeutig auf stilistischer Ebene, dafür findet sich aber eine konzeptionelle Verwandtschaft in seinem kasset Es gab mehrere Möglichkeiten die für das Mosaik benötigten roten Tesserae zu besorgen. Wenn kein adäquates Farbgestein zur Verfügung stand, wurde z.B. aus der Mode gekommenes reliefiertes Terra Sigillata Geschirr vom Auftraggeber bereitgestellt, oder Geschirrbruch verwendet, welches der Mosaizist in seiner unmittelbaren Umgebung einsammelte. Auch Geschirrbruch aus den Töpfereien wurde recykliert. 27 Katalog der römischen Mosaike aus Trier und dem Umland, 1999; S. 178 28 Stern 1963, S. 31 ff 29 Lancha 1981, Pl. LIII 30 Im römischen Kulturraum verehrte man den triebhaften Göttersohn in Gestalt des Bacchus - als strahlenden, jugendlichen Helden, oft einen Kranz aus Weinlaub und Reben im lockig-langen Haar. In seinem mit Raubkatzen bespannten Triumphwagen zog der Gott der Fruchtbarkeit durch die verschiedensten Weltgegenden, wo er die Bewohner mit den Segnungen des Sorgen verscheuchenden Weines beschenkte und den Weinbau heimisch machte und immer wurde er von einem Schwarm ausgelassener, lärmender Mänaden und Satyren begleitet. 31 Jahreshefte des Österreichischen Archäologischen Institutes in Wien, Band 76/2007, Norbert Franken, S. 127; S. 124: „Die sog. Wendeköpfe (engl. „double head“, franz. „tête réversible“ oder „tête-en-bas“), die zu den „Umkehrbildern“ zählen, sind zweifellos als eine besonders gelungene Sonderform des Vexierbildes (von lateinisch vexare = quälen, lagen) zu verstehen“. 32 Archaeologia Mosellana 1/1989, S. 197 ff 26

tenartigen Aufbau zum ornamentalen Mosaik aus Raum 43 der Villa Otrang. Eine ebenso enge stilistische und konzeptionelle Parallele der Diekircher Mosaiken besteht zu einem im Jahre 1883 in Besançon (Frankreich) gefundenen Mosaikfragment in den Maßen von 5,30 x 4 m 28. Der kassettenartige Aufbau mit dem übereck eingestreuten Bildfeld ähnelt dem „Vexiermasken“-Mosaik, während die Blüte mit spitz auslaufenden Blättern aus dem „Löwen“-Mosaik sich interessanterweise in einem der Bildfelder in Besançon wieder findet.

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sigillata-Steinchen 26 von anderen Beispielen abhob. Ebenso ist die Umrahmung des Bildfeldes mit einem abgetreppten, farbigen Mäanderhaken zu nennen, der erst im 3. Jahrhundert, wie z.B. im Vichtener „Musen“-Mosaik um 240 n. Chr., als Motiv die Palette erweitert. Später wurden die Fließemer Mosaiken in die 1. Hälfte des 3. Jahrhunderts datiert 27. In diese Phase der großen Bautätigkeiten hierzulande ist auch das „Löwen“-Mosaik einzuordnen.

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Mit einer seltenen Darstellung einer Vexiermaske, ein sog. Wendekopf, wurde der Besucher der Villa überrascht. Hier begegnete dem Gast ein seltener Kunstgriff, den der Künstler von hellenistischen und römischen Vorlagen aus kannte . Je nachdem, von welcher Seite auf dem Vorteppich stehend, blickte er in das Gesicht eines jungen (bartlosen Satyrs?) oder kahlköpfigen alten Mannes (bärtigen Silens?). Es sind dies dämonische Naturwesen aus dem Gefolge des Bacchus 30. Nicht zu verwechseln mit dem doppelköpfigen, vorwärts und rückwärts blickenden römischen Gott Janus (ianus). Neben dem Diekircher Beispiel sind drei weitere Spielarten des Vexier­bildes auf antiken Mosaikböden bekannt: Eins im Museum von Ascoli Piceno (Italien), ein zweites in Ecija (Spanien) und ein drittes kürzlich in Pomezia (Italien) gefundenes Beispiel 31. Spitzförmige Becher, übereck angebracht, umrahmen die Vexiermaske und ergeben augenscheinlich keinen Sinn. Vielleicht sind es stilisierte Trinkbecher, was zum Symposium passen würde, oder soll der Blick bewusst abgelenkt werden? Sie stören eher den Kompositionsaufbau und verwirren den Betrachter. Zum Glück lassen die Grabungsfotos von 1950/51 die Drehung des Bildfeldes in Ost-Westrichtung genau erkennen. Der eintretende Gast erblickte zuerst das Gesicht des jungen Satyrs. Wechselte er die Seite und schritt zu der im Osten gelegenen beheizbaren Nischenkammer, sah der Gast den kahlköpfigen und bärtigen Silen (Lehrer des Dionysos in der griechischen Mythologie). Die gegenüberliegenden Vorteppiche (triclinium), verlegt aus übereck gestellten Quadraten, erlaubten somit den Bachanten von beiden Blickrichtungen aus fröhlich dem Weingott zu huldigen und zu feiern 32.< Bildnachweis Gloesener Victor, Roth Robert, Schou Mathias, Zenner Jak und Liefgen Aloyse (Luftbild) 5; Montage: Fischer Rainer und Lucas Tom Musée National d’Histoire et d’Art 1, 2, 3, 6-13.1 Bâtiment Public/ Foto Musée National d’Histoire et d’Art 13.2 Tippmann R. 4

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