Empreintes 01 | 2008

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Für die Erwachsenen beruht die konventionelle Altersschätzung neben der Berücksichtigung spät verwachsender Epiphysen vor allem auf: - dem endo- und ektokranialen Nahtverschluss 8 - dem Zustand der Symphysenfuge und der Facies auricularis des Beckens 9 -d er Verknöcherung der Rippenenden 10. Die Abnutzung des Gebisses 11 spielte aufgrund der Problematik hinsichtlich der Vergleichbarkeit verschiedener Populationen, unterschiedlicher Nahrungszusammensetzung und der hohen individuellen Variabilität lediglich eine unterstützende Rolle. Im Rahmen der osteologischen Geschlechtsbestimmung fanden bei den Erwachsenen vorrangig die morphognostisch abschätzbaren Merkmale am Becken und Schädel Verwendung12. Allgemeine Hinweise wie Robustizität bzw. Grazilität und Muskelmarkenrelief wurden ebenfalls beachtet, aufgrund der starken Abhängigkeit von exogenen Faktoren allerdings wesentlich geringer gewichtet. Für die Ansprache des Geschlechts bei kindlichen Individuen können die für Erwachsene üblichen Kriterien meist nicht angewandt werden, da sie zum größten Teil auf den Veränderungen durch die Geschlechtsreife basieren13. Neben der Ansprache von Formmerkmalen am Unterkiefer und Os ilium, die bereits im Kindesalter geschlechtsdifferente Tendenzen aufzeigen14, spielte vor allem die Beurteilung des Meatus acusticus internus am Felsenbein eine Rolle15. Da die Methode mittels eines Abgusses zur Bestimmung von Oberflächenstruktur und Verlauf des Meatus meistens sehr eindeutige und in hohem Maße zutreffende Diagnosen erlaubt, und die Pars petrosa ossis temporalis zudem zu den am häufigsten erhaltenen Skelettteilen gehört, erwies sich die Methode als ausgesprochen hilfreich auch bei den erwachsenen Individuen. Das Geschlecht der Nichterwachsenen wurde zusätzlich mittels Diskriminanzfunktionen anhand der Maße von Milch- und Dauerzähnen (soweit vorhanden) eruiert und zum Abgleich mit den anderen diagnostischen Merkmalen herangezogen16.

Der weitgehend unvollständige Erhaltungszustand vieler Skelette führte jedoch trotzdem zu einer relativ großen Zahl an nicht oder nur tendenziell geschlechtsbestimmten Individuen.

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- Stand des Epiphysenverschlusses 5 - Metrik der Langknochen 6 - Bei Früh- bzw. Neugeborenen die Ossifikationsabfolgen bzw. altersspezifischen Maße für Schädel- und Postkranialknochen 7.

C. Bis-Worch, Grevenmacher – Die Ausgrabungen im Bereich des Baxerasgartens und neue Erkenntnisse zur baulichen Entwicklungsgeschichte der Stadt, mémoire scientifique 2005 (unpubliziert). 2 J. Wahl, Über Traufkinder und andere Bestattungen. In: Miscellanea Anthropologica, Historica et Archaeologica. 20 Jahre Historische Anthropologie im Kanton Bern. Jubiläumsschrift für Susi Ulrich-Bochsler (Bern 1994) 51-53. 3 Auf die Streuknochen der Erwachsenen wird in der nachfolgenden Auswertung allerdings nur kurz im Zusammenhang mit der Alters- und Geschlechtsdiagnose eingegangen, da der Fokus der Analyse auf den Überresten der Subadulten liegt. 4 D. H. Ubelaker, Human Skeletal Remains. Excavation, Analysis, Interpretation (Washington 1989). 5 M. Stloukal, M. Dobisíková, V. Kuželka, P. Stránská, P. Velemínský, L. Vyhnánek, K. Zvára, Antropologie (Praha 1999). 6 M. Stloukal, H. Hanáková, Die Länge der Längsknochen altslawischer Bevölkerungen unter besonderer Berücksichtigung von Wachstumsfragen. Homo 29, 1978, 53-69. 7 I.G. Fazekas, F. Kosa, Forensic Fetal Osteology (Budapest 1978). 8 F. W. Rösing, Methoden und Aussagemöglichkeiten der anthropologischen Leichenbrandbearbeitung. Arch. Naturwissensch. 1, 1977, 53-80 sowie A. Czarnetzki (MS unpubl.). 9 J. E. Buikstra, D. H. Ubelaker (Hrsg.), Standards for Data Collection from Human Skeletal Remains. Arkansas Arch. Survey Research Ser. 44 (Fayetteville 1994). 10 M. Y. IScan, S. R. Loth SR, R. K. Wright, Age estimation from the ribs by phase analysis: White males. Journal Forensic Sci. 29, 1984, 1094-1104. – M. Y. IScan, S. R. Loth SR, R. K. Wright, Age estimation from the ribs by phase analysis: White females. Journal Forensic Sci. 30, 1985, 853–863. 11 E. W. Miles, The dentition in the assessment of individual age in skeletal material. In: D. R. Brothwell, Dental Anthropology (London 1963) 191-209. 12 D. Ferembach, I. Schwidetzky, M. Stloukal, Empfehlungen für die Alters- und Geschlechtsdiagnose am Skelett. Homo 30, 1979, 1-32. 13 G. Acsádi, J. Nemeskéri, History of Human Life Span and Mortality (Budapest 1970). – Ferembach et al. 1979 (Anm. 9). 14 H. Schutkowski, Sex determination of infant and juvenile skeletons: 1. Morphognostic features. Am. Journal Phys. Anthropol. 90, 1993, 199-205. 15 J. Wahl, Ein Beitrag zur metrischen Geschlechtsdiagnose verbrannter und unverbrannter menschlicher Knochenreste – ausgearbeitet an der Pars petrosa ossis temporalis. Zeitschr. Rechtsmed. 86, 1981, 79-101. – M. Ahlbrecht, Geschlechtsdifferenzierung an der Pars petrosa ossis temporalis. Dissertation (Tübingen 1997). – S. K. Forschner, Die Geschlechtsbestimmung an der juvenilen Pars petrosa ossis temporalis im Kontext forensischer Identifikationsuntersuchungen. Dissertation (Tübingen 2001). – M. Graw, Morphometrische und morphognostische Geschlechtsdiagnostik an der menschlichen Schädelbasis. In : M. Oehmichen, G. Geserick (Hrsg.), Osteologische Identifikation und Altersschätzung (Lübeck 2001) 103-121. 16 T. K. Black, Sexual dimorphism in the tooth-crown diameters of the deciduous teeth. Am. Journal Phys. Anthropol. 48, 1978, 77-82. 1

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