HOLY WOOD

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Als an einem Tag ein altes Männlein beinahe unter der Last seines geschulterten Sackes einknickte, der Ehemann nicht zu Hause war, brachte sie dem Armen einen Wein und schob ein Roggenbrot oben auf den Krug dazu. Doch hatte sie diesmal ohne den Peter die Rechnung gemacht, der das alles angesehen und mit blutrotem Gesicht auf die Bühne des Geschehens trat. „Und sogar meinen Ehrenwein gießest du aus an bettelnde Meute, meinen Mundbecher gibst du an Lippen von Straßenläufern?“ Das steinerne Herz kannte Mitleid nicht, so bekam die Lisbeth den gar kräftigen Knauf von Peters Peitsche mit voller Wucht mitten ins Antlitz. Sogleich sank ihr lebloser Körper dem alten Mann in die Arme. Sah Peter dieses, war es doch, als reute ihn die Tat. Er bückte sich herab um zu schauen, ob noch Leben in ihr sei, aber das Männlein mit wohlbekannter Stimme sagte: „Keine Müh’, Kohlen-Peter, du hast die lieblichste Blume im Schwarzwald zertreten, blühen wird die nimmermehr.“ Da wich die rote Farbe aus Peters Wangen und er sprach ganz mürb: „Ihr seid es, Herr Schatzhauser? Ich hoffe, Ihr werdet mich nicht anzeigen bei den Gerichten?“ Darauf das Glasmännlein barsch: „Elender! Was würde es mir frommen, wenn ich deinen Kadaver an den Galgen brächte, du, der du deine Seele an den Bösen verkauft! Dich zum Guten zu bekennen gebe ich dir von nun an acht Tage Zeit. Tust du nicht Buße, kehre ich wieder ein und zermalme dein Gebein!“ Als der Peter wieder zu sich kam, dachte er, ein schlimmer Traum hätt’ ihn heimgesucht. Aber sein Weib war nimmer zu finden, suchte er auch überall. Wie beschwert würde er am Schafott stehen eines Tages, mit tausend Flüchen belastet, um Rechenschaft gebeten vor aller Welt? Echte Reue empfand der Peter keine, dass er sein liebliches Weib brutal getötet. Qualvoll waren trotzdem seine Träume und er beschloss, sich vielleicht zu mühen um ein wärmeres Herz. Das Leben war so öd’ geworden mit dem Herz aus Stein. Er legte an seinen besten Zwirn, ritt auf des Pferdes Schultern in den Wald und sprach beim Glasmännlein vor. Das trat vor ihn, ob des Todes der Lisbeth noch immer in Trauerschwarz, und tat großes Erstaunen, was der unverschämt Peter Munk von ihm wolle. „Einen Wunsch hab ich noch frei“, polterte es aus Peters Schlund, als würd’ es Bosheit in diesem Wald nicht geben. Der Schatzhauser fühlte kaum Bedarf, dem herzfreien Mann Wünsche zu erfüllen, hörte ihn aber an. „Nimm den Stein aus mir und gib anstatt zurück mein unbezahlbar’ Herz, das einst viel mehr Glück mir brachte.“ Das Männlein zürnte: „Ich mochte den Handel nicht abwickeln, so musst du verhandeln an andere. Der Holländer-Michel wog den Tausch mit dir. Da dieser wie ein Aal wird sich winden, soll dir eine List dabei helfen, dein Herz wieder dein Eigen zu nennen. Nimm das Glaskreuz, halte es dem tumben Michel vor das Antlitz direkt, begegne ihm zugleich mit den aufgezeichneten Worten dieser Schrift.“ Alsbald saß der Munk-Peter in der Behausung vom Riesen und fragte zum Schein nach schnödem Mammon erst. Er wolle nach Amerika reisen, um dem Trubel um sein verschwunden Weib zu entfliehen. Dann begann der Peter seine List zu spin83


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