Die Geschmacksfrage Viele essen fast täglich Glutamat als Bestandteil von Saucen, Würze, aber auch ganz natürlich in Käse oder Tomaten. Der Geschmacksverstärker ist in letzter Zeit in Verruf geraten. Das sollte man darüber wissen. Text: Marianne Botta Diener
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er Zusatz «enthält Glutamat» in Menükarten oder Fertiggerichten verdirbt so manchem die Lust aufs Essen. Der Ruf des Geschmacksverstärkers ist seit einigen Jahren angeschlagen. Dabei galt Glutamat als eine der Genuss-Entdeckungen des 20.Jahrhunderts. Höchste Zeit also, das Thema eingehender zu betrachten. Das gleich vorweg: In vielen Lebensmitteln wie Eiern, Tomaten, Käse und Hefe kommen diese sogenannten Glutamate als natürliche Bestandteile vor. Es handelt sich dabei um Verbindungen des Proteinbaustoffs Glutaminsäure. Da Glutamat den Eigengeschmack von Speisen unterstützt, wird es seit mehr als hundert Jahren industriell verarbeiteten Lebensmitteln zugegeben. Ein Grossteil der Schweizer isst so täglich Glutamat in Suppen, Saucen oder Streuwürzen und Bouillons. Glutamate kommen in zwei Formen vor. Sie können in Proteine eingebunden oder frei sein. Freie Glutamate entstehen erst beim Reifen oder bei der Gärung von Lebensmitteln oder während der Verdauung im menschlichen Körper. Nur freies Glutamat ist aber verantwortlich für den charakteristischen Geschmack, der neben süss, bitter, sauer und salzig die fünfte Geschmacksrichtung bildet: umami, sprich bouillonartig und herzhaft. Werden Glutamate einem Lebensmittel als Zusatzstoff zugegeben, müssen sie namentlich oder als E620 bis E625 in der Zutatenliste aufgeführt werden. Das zuge30
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”Natürliches Glutamat gelangt nur langsam ins Blut. „
setzte Glutamat ist meistens eine Verbindung aus Glutaminsäure und Natrium. Natrium bildet zusammen mit Chlor auch das gewöhnliche Kochsalz. Natriumglutamat (E621) wird unter anderem für Aromat oder Mirador verwendet. Glutamate können auch in Zutaten wie Milcheiweisskonzentrat, Hefeextrakt oder Tomatenpulver enthalten sein. Dieselbe Menge Glutamat wie in einem Löffel Mirador steckt auch in zwei Tomaten. Der Leiter des Kantonalen Laboratoriums Bern, Otmar Deflorin, betont: «Zusatzstoffe werden vom Bund nur zugelassen, wenn sie toxikologisch unbedenklich sind.» Unterschiedliche Wirkung im Körper Was passiert mit den Glutamaten, wenn wir sie zu uns genommen haben? Freies Glutamat wird im Darm für die Energieproduktion benutzt und erfüllt im Gehirn die Funktion eines Neurotransmitters, überträgt also Nervenimpulse. Der Körper kann es allerdings selber produzieren. Mit einer normalen Mischkost nehmen wir täglich etwa 8 bis 12 Gramm Glutamat über Eier, Tomaten, Milch und ähnliche Lebensmittel auf. Diese natürlichen Glutamate gelangen in geringen Mengen nur langsam ins Blut. Reines Glutamat als Zusatzsstoff wirkt anders: es kann, zum Beispiel nach dem Genuss einer Fertigsuppe auf nüchternen Magen, den Glutamatspiegel im Blut rasch vervielfachen. Natürliches Glutamat zeigt dem Körper eiweissreiche Nahrung an. Aber davon ist