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Jung und weiblich – DIE ZUKUNFT DER IMKEREI

Es ist Mitte Januar. Draussen hat es rund 12 Grad Celsius. Die Sonne scheint auf die hölzernen Kästen und heizt sie auf. Kein Wunder, dass es im Bienenstand von Anna Tina Heuss schon summt und brummt wie sonst eigentlich erst im Frühjahr. Dass Frühjahr ist, meinen zumindest die Bienen. Sie fliegen los und wollen schon Nektar sammeln. Doch vieles werden sie nicht finden. Obwohl – der Hasel blüht schon jetzt. Und siehe da: «Die da hat schon eine richtige Pollenhose an», ruft die Rheinfelder Imkerin und zeigt auf eine Arbeiterin und ihren deutlich sichtbaren gelben Fleck an den Hinterbeinen.

«Normalerweise», sagt Anna Tina Heuss, «würden meine Bienen sich jetzt ganz eng zusammenkuscheln, um im Stock die Temperatur hochzuhalten und um die Königin zu schützen.» Aber was heisst schon noch normal in den Zeiten des Klimawandels? Sie muss jetzt aufpassen, dass ihre fleissigen Bienen nicht zu viel Energie beim Fliegen verbrauchen und der noch im Stock vorhandene Honig nicht mehr genug Nahrung liefert. Sie muss ihre Völker auch auf Varroa-Milben untersuchen. Die Imkerin: «Bienen zu halten, ist gegenüber früher eindeutig aufwändiger geworden.» Es gebe eine «gewisse Routine», aber trotzdem sei in der Imkerei «kein Jahr wie das andere.» Und das fasziniert sie. Anna Tina Heuss: «Die Völker hegen und pflegen und als Dankeschön den Honig ernten. Die Aufgaben im Bienenjahr sind vielseitig und ein wunderbarer, bereichernder Ausgleich zu meiner Arbeit als selbstständige Kommunikationsberaterin». Sie selbst macht schon seit 2014 «in Bienen». Familiär «vorbelastet» war sie nicht. Sie hat mit dem süssen Hobby begonnen, weil sie darin, wie sie sagt, ihre Liebe zur Natur mit ihrem Wissensdurst kombinieren kann. «Das verbindet sich in der Imkerei auf ideale Weise», findet sie. Und wissen über die summenden Arbeitstierchen kann man eigentlich nie genug. Wie sie in Völkern zusammenleben, wie arbeitsteilig sie produzieren und dass ihre Lebensart viel mit der schweizerischen zu tun hat. Zwar ist die Eidgenossenschaft keine Monarchie wie ein Bienenstaat. Doch wenn die Arbeiterinnen die Wahl der Königin basisdemokratisch entscheiden, gibt es dann doch Parallelen. Sie wählen einfach eine Zelle auf einer Wabe aus. Und das Ei, das darin liegt, wird mit Gelee Royal so aufgepäppelt, dass daraus eben eine Königin wird. «Bienendemokratie: Wie Bienen kollektiv entscheiden und was wir davon lernen können», heisst das Buch von Thomas D. Seeley, das sie ganz besonders gerne mag. Aktuell lässt sie acht Bienenvölker für sich arbeiten, worunter aber auch vier Jungvölker sind, die noch keinen Honig abliefern. «Pro Volk kann ich in guten Jahren etwa 30 bis 40 Kilo Honig ernten», erzählt sie. Wenn die Bienen von Anna Tina Heuss‘ Wohnhaus in der Lindenstrasse 10c in Rheinfelden aufsteigen, sammeln sie den Nektar überwiegend in einer urbanen Nachbarschaft. «Von fleissigen Bienen im Sommer 2019 in den blühenden Parks und Gärten der Wakkerpreisstadt Rheinfelden gesammelt», hat sie auf die Etiketten der Gläser ihres «Städtli-Honig» drucken lassen. Die Imkerin schätzt es, im städtischen Raum zu leben. Denn in der Stadt sei das Nahrungsangebot inzwischen höher als im ländlichen Raum, weiss sie. Viele Hauseigentümer bereiteten in ihren Gärten den Bienen einen reichlich gedeckten Tisch – dem Trend zu Steinwüsten rund ums Eigenheim zum Trotz. Die machten ihrer Erfahrung nach ohnehin mehr Arbeit als Blumenwiesen: «Im ersten Jahr mag man ja noch Ruhe haben, aber dann wächst das Unkraut sicher unter den Steinen durch.» Um die Biodiversität zu fördern, könne jeder für sich zuhause und ohne viel Aufwand etwas unternehmen, ist sie überzeugt.

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«Das Bild des Imkers hat sich gewandelt», erzählt sie. Früher eine reine Männerdomäne, hätten bei ihr schon im vom Imkerverein Rheinfelden abgehaltenen Grundkurs 2014 viele Frauen teilgenommen, auch sehr junge. Jetzt hängt Anna Tina Heuss auch noch die Ausbildung zum Imker mit eidgenössischem Fachausweis hintendran und sitzt gerade an ihrer Abschlussarbeit. Obwohl: Bienen halten und Honig produzieren, dürfte sie auch einfach so, ganz ohne Qualifikation. Dass das in der Schweiz noch immer möglich ist, überrascht sie. «Schliesslich produzieren wir Lebensmittel.»

«Um von der Imkerei leben zu können, braucht man etwa 300 Völker», berichtet sie. Für sie keine Option. Bei einer solch grossen Zahl könnte sie die Bienen auch nicht direkt am Haus halten. Und die Nachbarn hätten wohl auch etwas dagegen.

Aber bis zum ersten Schleudergang im Frühjahr ist es ja auch noch Zeit. Zeit, um in der Küche das Holz der Magazinbeuten mit Lack zu imprägnieren oder Mittelwände einzulöten. Doch wer weiss schon, wann es 2020 losgehen wird. Wie gesagt – in der Imkerei ist «kein Jahr wie das andere», im Zeitalter des Klimawandels wohl noch weniger. Hans Christof Wagner Anna Tina Heuss aus Rheinfelden hat für sich die Imkerei entdeckt – aus Liebe zur Natur und weil sie wissbegierig ist, wie sie erzählt. Es ist ein Hobby, in dem man wohl nie alles weiss. Immer wieder stellen sie die possierlichen Tiere vor Überraschungen.

«In der Imkerei verbindet sich die Liebe zur Natur mit dem Wissensdurst auf ideale Weise.»