MFG - Das Magazin / Ausgabe 41

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Text: GoTTHARD GANSCH, MARION PFEFFER | Fotos: Ariola/Sony Music, ZVG, Simon höllerschmid, Koch universal music

einfach nach den Melodien und Texten, wo die Welt noch in Ordnung ist? VAZ Geschäftsführer René Voak beobachtet das Phänomen schon länger: „Schlager hat sich im Laufe der letzten Jahre in ein positiveres Licht gerückt. In unseren Hallen waren von Beginn an alle Musikrichtungen vertreten, von Volksmusik bis zur Rockmusik. Schlager spielt aber eine ganz wesentliche Rolle, so hat zum Beispiel Andreas Gabalier lange Zeit die Ticketcharts des VAZ angeführt.“ Wichtig ist Voak aber, mit Ressentiments zu brechen: „Man muss beim Schlager die Vorurteile abbauen. Die, die den Durchbruch schaffen, sind hervorragende Musiker und meist jahrelang, wenn nicht gar jahrzehntelang bereits in der Musikbranche. Bei manchen Künstlern ist es wie bei den Rockstars – da gibt es minutenlange Drumsolos, dann zeigt der Bassist, was er kann, und der Gitarrist haut auch noch in die Saiten.“ Dass gerade St. Pölten so Schlager-narrisch ist, ist auch historisch gewachsen. „St. Pölten ist tatsächlich eine Schlagerhauptstadt: Wenn sie Station einer Tournee ist, sind die Besucherzahlen immer an oberster Spitze zu finden. Auch von Veranstalterseite ist St. Pölten eine Hochburg. Viele Künstler kommen aus St. Pölten. Dies alles sollte man aber nicht nur an einer Musikrichtung festnageln. St. Pölten ist generell eine sehr musikalische Stadt. Das liegt wahrscheinlich auch an der größten Musikschule Niederösterreichs. Die Stadt ist ein Melting Pot verschiedenster Musik­richtungen. Sie ist ein guter Nährboden für Musik.“ Viktor Mayerhofer, seines Zeichens Direktor der Musikschule, kennt die musikalischen Seiten der Stadt genau: „Am beliebtesten ist die Popularmusikschiene. Da gibt es wahnsinnig viele Sänger und viele Bands. Echte Schlagersänger werden nicht ausgebildet, das will die heutige Jugend nicht. Wenn sie im Schlagergeschäft landen, ist das meist Zufall“, weiß Mayerhofer, der eine genaue Definition von Schlager vermisst: „Lolita war zum Beispiel eine echte Schlagersängerin, heutzutage findet man so etwas gar nicht mehr. Aber Musik entwickelt sich ja

auch weiter.“ Mit Voak stimmt er aber natürlich überein – St. Pölten ist sicher eine Musikstadt. Das weiß auch Walter Egle, Konzertpromoter und Kopf der Showfactory, der Größen wie Gabalier, Helene Fischer, Semino Rossi und Kastelruther Spatzen unter Vertrag hat. „Die Niederösterreicher sind sehr gesellige Leute, die mit der Musik aufgewachsen sind. Radio Niederösterreich bietet im Gegensatz zu Ö3 den heimischen Künstlern noch eine Plattform. Das ist sicher mit ein Grund, warum hier die Konzerte so schnell ausverkauft sind. Zur Zeit sind sechs deutschsprachige Lieder in den Top Ten der österreichischen Songcharts. Das ist kein Zufall. Die Leute sehnen sich nach einer Entschleunigung in unserer hektischen, Social Media geprägten Zeit“, so Egle.

„Wer die Musik und die Künstler belächelt, ist meist selbst erfolglos“ Walter Egle

Schlager scheint für diese Generation der passende Soundtrack zu sein. Egle zeichnet sich auch verantwortlich für die Österreich-Konzerte von internationalen Stars wie U2 und Bruce Springsteen, sieht aber in der Professionalität keinen Unterschied: „Wer die Musik und die Künstler belächelt, ist selbst meist erfolglos. Der Erfolg gibt den Schlagerstars recht. Wie bei jedem Genre gibt es gute und schlechte Musik. Man muss schon was können, um im Schlager Fuß zu fassen und vor allem sich halten zu können. Da kann man marketingmäßig featuren, was man will: Wenn der Künstler nicht authentisch ist, wird er auf Dauer nichts reißen.“ Den aktuellen Hype erklärt sich Egle ganz einfach: „Die Musikbranche ist ein ständiger Fluss. Es muss immer etwas Neues her. Der Schlager hat sich weiter entwickelt. Junge Künstler wie eben Andreas Gabalier sind frisches Gemüse – eine neue Suppe. Das macht neugierig.“

An der Spitze zu bleiben ist alles andere als einfach. Das weiß auch Simone Stelzer-Kreissl. Nach ihrem Songcontest-Auftritt in den 80ern hat es für die gebürtige Herzogenburgerin einige Hochs und Tiefs in ihrer Karriere gegeben. „Ich glaube, es ist nicht härter oder weniger schwer, als in anderen Genres. Das Musikbusiness hat sich in den letzten Jahren sehr verändert und entwickelt sich laufend weiter. Ich genieße meinen Beruf sehr, aber der Künstlerberuf zählt sicher nicht zu den einfachsten. Wer dafür geschaffen ist, zeigt sich nach und nach durch eine natürliche Auslese. Mir imponieren Künstler, die über viele Jahre ihren Standard halten können“, lässt Simone den Kampf im Business, oben zu bleiben, durchklingen. Nach ihren ersten musikalischen Versuchen als Popsängerin, war es schließlich der Schlager, der es mit ihrer Gesangskarriere gut gemeint hat. „Nach meinen Anfängen als Popsängerin wurde mir ein Schlager Komponist vorgestellt, der mir dann Demos geschickt hat. Die Songs haben mir spontan sehr gut gefallen, weil sie unheimlich viel Emotionen in mir ausgelöst haben. All das waren aber keine seichten, oberflächlichen Lieder, wie ich sie so ein bisschen im Hinterkopf als ‚Schlager‘ in Erinnerung hatte, sondern romantische eingängige Melodien mit Tiefgang. Ich hab mir gleich gedacht: Das kann ich gut weitergeben und in die Welt hinaustragen!“, erzählt Simone von ihren Anfängen. Der Erfolg gibt ihr recht: „Plötzlich ist die Nachfrage nach meiner Musik stark gestiegen und ich habe viel mehr Feedback bekommen. Das hat mich selbst sehr berührt und glücklich gemacht.“ Auch wenn sie mittlerweile nicht mehr in Herzogenburg daheim ist, sind die Auftritte in der Heimat etwas ganz Besonderes: „Das Publikum in St. Pölten liebt ja Schlager und ich muss sagen einen meiner schönsten und emotionalsten Auftritte hatte ich in Herzogenburg im Freizeitzentrum gemeinsam mit Andy Borg. Sogar einige Schulfreunde waren dabei und die Stimmung war top, obwohl ich schon nervöser war als sonst, weil es in meiner Heimatstadt war.“ MFG 03.12

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