Ausgabe 1/2014
Novel Food – Die Riskantheit des Risikos Zum Vorschlag der Europäischen Kommission zur Änderung der Novel Food-Verordnung Prof. Dr. Alfred Hagen Meyer & Hanna Knörnschild
Erneuter Versuch Ein erster Versuch der Reform der Novel Food-Verordnung 258/97 scheiterte 2010 am Thema Klonen und dem Veto des Europäischen Parlaments hierzu. Das Europäische Parlament hatte sich bei der Abstimmung zur zweiten Lesung am 7. Juli 2010 nochmals mit großer Mehrheit für ein Verbot von Lebensmitteln, die aus geklonten Tieren oder deren Abkommen gewonnen werden, ausgesprochen. Dabei hatte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) bereits im Jahr 2008 festgehalten, dass das Fleisch und die Milch gesunder geklonter Tiere in Bezug auf die Lebensmittelsicherheit nicht anders zu bewerten sei als entsprechende Erzeugnisse nicht geklonter Tiere (EFSA Journal (2008) 767, 1-49; „Update on the state of play of animal cloning“, EFSA Journal 2010:8(9):1784) . Ohne Sinn für das praktisch Notwendige wurde kompromisslos hierum gestritten; dabei ließ es das Parlament darauf ankommen, dass die notwendige Reform der Novel Food-VO scheiterte. Dabei ist eine Revision der Novel FoodVO (weiterhin) längst überfällig (s. hierzu ausführlich Europäische Kommission,
Impact Assessment for a Regulation Replacing Regulation No 258/97 on novel food and food ingredients, COM(2007) 872 final, SEC(2008) 13). Da die Europäische Kommission bzw. die Mitgliedstaaten, mit dem Unbekannten (novel) hadernd, bislang keine rechte Traute hatten, dauern unter dem Regime der jetzigen Novel Food-Verordnung Zulassungsverfahren für neuartige Lebensmittel viel zu lange; die Verfahrensdauer beträgt zwischen 16 (Trehalose; Entscheidung 2001/721/EG, ABl. L 269/17, 10.10.2001) bis gar 60 Monate (Roggenbrot mit Phytosterin-/Phytostanolzusatz; 2006/59/EG, ABl. L 31/21, 3.2.2006). Für jeden Unternehmer rechnet sich aber eine Innovation dann nicht, wenn zwischen Idee und Produktrealisierung mehr als 3 Jahre vergehen. Berücksichtigt man ferner eine durchschnittliche Produktlebensdauer von maximal 10 Jahren ist der Zeitaufwand für das Zulassungsverfahren (von den Kosten ganz zu schweigen) wirtschaftlich unrentabel und insoweit innovationshemmend. Hintergrund für die lange Verfahrensdauer sind zum einen fehlende Fristvorgaben zur Bearbeitung der Anträge sowie die unnötig
mehrfachen Sicherheitsprüfungen auf nationaler (Erstprüfungsbehörden) und gemeinschaftlicher Ebene (EFSA). Diesen Fokus auf das praktisch Notwendige ließen die stets nach der Tagespolitik schielenden Politiker außer Acht. Zwischen den gesetzgebenden Institutionen nahmen insbesondere die Themen Nanotechnologie und Klonen einen Stellenwert ein, der weit über ihre praktische Bedeutung hinausging; die Debatten waren maßgeblich geprägt von (bloßen) ethischen und politischen Vorbehalten. So geht (Sinn freier) Verbraucherschutz jedoch baden. Am 18.12.2013 veröffentlichte die Europäische Kommission nun einen neuen Vorschlag für eine Verordnung über neuartige Lebensmittel (nachfolgend „NFV n.F.“) und, davon gesondert, am 20.12.2013 eine Richtlinie über das Klonen von Tieren. Die bisher geltende Novel Food-Verordnung (EG) Nr. 258/97 soll laut Erwägungsgrund 3 und gem. Art. 28 NFV n.F. zusammen mit der VO (EG) Nr. 1852/2001 aufgehoben und durch die Neufassung ersetzt werden. Das Hauptziel des Verordnungsvorschlages ist es nach Art. 1 Abs. 1 das „reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes sicherzustellen und gleichzeitig ein hohes Maß an Schutz der Gesundheit und der Verbraucherinteressen zu gewährleisten“. Gleichzeitig erwähnt die sowohl dem Entwurf beigefügte Begründung als auch Erwägungsgrund 23 der NFV n.F. die Absicht, Innovationen in der EU-Lebensmittelindustrie zu fördern. Dieser Erwartung wird der Verordnungsentwurf jedoch leider nicht gerecht.
Risikorecht Dauer für Novel Food Safety Assessment und Zulassungsverfahren; Beispiele: 2001/721/ EG = Trehalose (ABl. L 269/17, 10.10.2001) 2006/59/EG = Roggenbrot mit Phytosterin-/Phytostanolzusatz (ABl. L 31/21, 3.2.2006)
Sagte die bisherige, seit 15. Mai 1997 geltende NFV 258/97 nichts über die (zu © Copyright
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