VN_Jahrestag-Papstwahl

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Weder Schauspieler noch Übermensch Andreas Batlogg SJ im VN‐Interview zum ersten Jahrestag der Wahl von Papst Franziskus am 13. März 2014 Bregenz (VN‐tm) Der ehemalige Erzbischof von Buenos Aires, Jorge Mario Bergog‐ lio, wurde am 13. März 2013 von den Kardinälen zum 266. Papst der römisch‐ katholischen Kirche gewählt. Der erste Lateinamerikaner und erste Jesuit in die‐ sem Amt wählte als erster Papst den Namen „Franziskus“. Warum? Er habe sich nach Franziskus von Assisi benannt, sagt der Papst, weil Cláudio Hummes ihn nach seiner Wahl im Konklave gebeten habe: „Vergiss die Armen nicht!“ Inzwischen ist deutlich, dass der Name Programm ist. Die VN baten den Vorarlberger Jesuiten Andreas Batlogg, der am ersten großen Interview des Papstes mitgewirkt hat, um eine Bilanz dieses ersten Amtsjahres. Nach einem Jahr im Amt muss sich auch der Papst einer Bilanz stellen. Wie fällt sie aus? Wo hat der Papst der Kirche seinen Stempel am stärksten aufgedrückt? BATLOGG: Er hat frischen Wind in die Kirche gebracht, eine neue Dynamik – das ist unübersehbar. Und er hat der Kirche Reformen verordnet auf allen Ebenen, sein eigenes Amt nicht ausgenommen. Es ist ein anderer Stil, ein anderer Ton. Papst Franziskus ist ein Kommunikationsgenie. Er macht Mut, wo er nur kann. Und er ergreift permanent Partei, vor allem für Arme und Ausgegrenzte. Er macht seinem Namen alle Ehre. Der Name ist Programm. Beinahe stereotyp fordert er zu mehr Barmherzigkeit auf. Das ist die Kennmelodie dieses Pontifikats geworden. Und Barmherzigkeit ist etwas anderes als „Gutmen‐ schentum“, auch das hat Franziskus klargestellt. Erst dieser Tage erinnerte er den Klerus von Rom daran, dass das Heilen von Wunden vorrangig ist. Priester, die „aseptisch“ seien, wie „frisch aus dem Labor“ kommend, könnten diese Botschaft der Kirche nicht glaubwürdig vermitteln. Nähe ist das Gütesiegel einer Seelsorge, die den Menschen im Blick hat und nicht zuerst das Kirchenrecht. Und der Papst macht es selbst vor. Die künstliche Aura der Unnahbarkeit ist weg. Der Papst ist berührbar, und er lässt sich berühren. Er gibt Interviews. Er greift offenbar selber zum Telefon. Ich bewundere seine Spontaneität und Direktheit sehr. Ein 78‐Jähriger, der so ein Tempo vorlegt! Die Jugendlichen in Rio waren be‐ geistert. Man nimmt ihm ab, was er sagt, weil es echt ist: einfache und eingängige Bilder, nicht eine abstrakte theologische Sprache, die nur Insider verstehen. Der Papst wirbt für eine missionarische Kirche, die sich an die Ränder wagt, ganz konkret, also Kontakt aufnimmt mit Armen auf der Straße. Er hat Gescheiterte im


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