Neuerscheinungen_von_Vorarlberger_Autoren

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Geschichten aus Österreich „Es geht uns gut“ des Vorarlbergers Arno Geiger ist ein fesselnder Roman. JÜRGEN THALER (VN) Arno Geiger hat die Schlagzahl erhöht. Seit 1997 legte er in regelmäßigen Abständen die Bücher „Kleine Schule des Karussellfahrens“, „Irrlichterloh“ und „Schöne Freunde“ vor. Mit „Es geht uns gut“ wechselt der Schriftsteller Liga und Klasse. Während die „Kleine Schule“ sich um die Ereignislosigkeit und den Stillstand der jungen Generation kümmerte, „Irrlichterloh“ sich mit der Orientierungslosigkeit der Jugend (oder was man dafür hält) auseinander setzte und „Schöne Freunde“ vom Verlust und Verschwinden einer Gemeinschaft erzählte, hebt sich „Es geht uns gut“ mit Blick auf Inhalt (Familienroman), Umfang (400 Seiten) und literarischer Verfahrensweise (erzählende Prosa ohne nennenswerte Manierismen) stark von den Vorgängern ab. Familiengeschichte Stand in den bisherigen Büchern des Autors immer das „Wie“ und kaum das „Was“ im Mittelpunkt des Interesses, wendet der jüngste Roman diese Relation ins Gegenteil: Erzählt wird die Geschichte der Familie Sterk. Beginnend in den dreißiger Jahren, endend im Jahr 2001. Trotzdem ist dem Autor das „Wie“ nicht ganz zur unauffälligen Nebensache geworden. Dargestellt wird die Geschichte im Generationen- und Epochenraffer: Ein, manchmal zwei Kapitel pro Jahrzehnt, die jeweils an einem Tag spielen, zum Beispiel am 12. Mai 1955 oder am 30. Juni 1978. Gegen die strikte chronologische Abfolge setzt der Autor kurze Kapitel, die von Tagen des Jahres 2001 erzählen. Diese so einfache wie gelungene Konstruktion ermöglicht es dem Autor, die historischen und familiären Ereignisse aus knapp sieben Jahrzehnten und über drei Generationen hinweg nicht in der raunenden Form der epischen Vergangenheit, sondern im unmittelbareren Präsens zu schildern. Totalität ist ihm dabei ebenso fremd wie poetisch verklausulierte Geschichtsphilosophie. Traum und Erwachen Trotzdem lebt der Roman auch von der Konfrontation zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Sie stehen bei Arno Geiger aber in keiner lückenlosen Kontinuität, sondern verhalten sich eher zueinander wie Traum und Erwachen: Wie aus einem Traum aufgeschreckt wird zum Beispiel Philipp Erlach mit der Geschichte seiner Familie konfrontiert: Er erbt das mittlerweile verfallene Haus seiner Großeltern Alma und Richard Sterk, deren Tochter Ingrid seine Mutter war. So nal von „Es geht uns gut“. Die Verbindung von historischen Ereignissen und einstigem Alltag (wer erinnert sich noch an die Kfz-Steuermarken?) mit kleinfamiliären Konstellationen, Verquickungen und Begehrlichkeiten machen das Buch zu einem großen österreichischen Roman. Gedächtnisspeicher


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