Issueswawo 20150215

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Sonntag, 15. Februar 2015

WANN & WO

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STORY

„Es sieht nicht gut aus für Griechenland“ Christos Hantzaras, Architekt und Beirat Philoxenia Vorarlberg (kultureller Verein GriechenlandVorarlberg), Dornbirn: „Griechenland hatte in den vergangenen fünf Jahren ein extrem strenges Sparprogramm, das gar nichts gebracht hat. Das Hilfspaket für Griechenland wurde rein zur Schuldentilgung verwendet, kein Cent ging in die Wirtschaft. Nun hat Griechenland eine enorme Jugendarbeitslosigkeit, viele Familien sind in ernsthaften Schwierigkeiten. Meiner Meinung nach hätte Griechenland bereits vor fünf Jahren aus der Eurozone aussteigen sollen – der Euro ist zu stark für die griechische Wirtschaft. Die griechische Politik hat viele Fehler gemacht, Reiche und Betrüger kamen ungeschoren davon. Die Mittelschicht verarmt jedoch immer mehr. Die Löhne sind um 50 Prozent gesunken, 13. und 14. Gehälter gibt es nicht mehr. Es sieht wirklich nicht gut aus für Griechenland.“

„Den Menschen geht es schlecht“

„Neue Regierung muss sich erst beweisen“ Fotos: HK, MiK, Caro Begle, handout/Hantzaras

Vassilios Giannikis, GF Poseidon, Bregenz: „Tsipras hat gewonnen, dazu kann man ihm nur gratulieren. Das Volk hat gewählt und die Entscheidung ist zu akzeptieren. Ich hoffe – und gehe davon aus –, dass er eine Einigung mit der EU erreichen kann. Er hat klar gesagt, dass er keine Troika mehr wünscht und ein anderes Programm fahren möchte. Wichtig wäre es, dass die neue Regierung gegen Korruption und Steuerhinterziehung vorgeht. Es muss klargestellt werden: Europa ist nicht schuld an der Situation Griechenlands. Das hat schon die bisherige Politik zu verantworten, die viel zu lange gewartet hat, das Ruder herumzureißen. Den Leuten geht es schlecht, die Arbeitslosigkeit ist sehr hoch. Ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone ist sehr unwahrscheinlich: Tsipras hat klar gesagt, dass er für Europa ist. Sollte es zu einem Bruch kommen, würde er sich schnell unglaubwürdig machen.“

Fotini Pyrovolikos, Inhaberin Fotini Cosmetic & Beauty Store, Lauterach: „Was Griechenland nun braucht, sind mehr Zeit und Reformen, die auch umgesetzt werden. Wohlhabende sollten höher besteuert werden. Das Geld beim einfachen Volk zu holen, ist der falsche Weg! Die Jungen im Land sind meist gut ausgebildet, finden aber dennoch keinen Job. Sie sind auch nicht faul, wie gerne mal behauptet wird! Griechenland hat viel Potenzial, nicht zuletzt durch den Tourismus. Es gibt auch eine furchtbar komplizierte Bürokratie im Land. Von einem Austritt aus der Eurozone halte ich nichts, auch nicht von einem Schuldenschnitt. Die neue Regierung ist interessant und bringt frischen Wind, muss sich aber erst noch beweisen.“

Hellas: Stimmen aus dem Ländle „Eine neue Hoffnung liegt in der Luft“ Andreas Paradiougakis, Musiker, Wolfurt: „Die neue Regierung in Griechenland gibt der Bevölkerung Hoffnung. Die Krise hat das Volk tief getroffen, gleichzeitig aber auch gezeigt, dass Zusammenhalt extrem wichtig ist. In ländlichen Regionen geht das Leben weiter, wie bisher – in den großen Städten ist die Situation aber sehr schlimm: Die Arbeitslosigkeit steigt immer weiter, Menschen sind hoch verschuldet, ganze Familien schlafen unter Brücken. Ich hoffe, dass Tsipras etwas bewegen kann. Eine neue Hoffnung liegt in der Luft.“

Das krisengebeutelte Griechenland bestimmt die Schlagzeilen in Europa. WANN & WO hat nachgefragt, wie hier lebende Griechen die Lage in ihrer Heimat einschätzen.

mit der Europäischen Union um die Zukunft des Landes. Die neue Athener Links-Rechts-Regierung konnte kürzlich bereits einen ersten kleinen, wenn auch nur symbolischen Erfolg im großen Schuldendrama erringen: Die „Troika“ wurde in „Die Institutionen“ umbenannt. WANN & WO hat bei in Vorarlberg lebenden Griechen nachgefragt, wie sie die Situation beurteilen.

Griechenland steht vor einem der größten Umbrüche seiner Geschichte: Die neue Regierung rund um Alexis Tsipras verhandelt derzeit

HARALD KÜNG harald.kueng@wannundwo.at


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