Hittisau Das Gebiet der fünf Vorderwälder Gemeinden, die um den Rotenberg, also im Gebiet zwischen der Subersach und der Weißach liegen, überrascht durch fehlende OrtsÜbernamen. Eine Erklärung dafür ist wahrscheinlich die Tatsache, dass wir es hier, bedingt durch die Vereinödung der Höfe (1770-1800), größtenteils mit Ortschaften zu tun haben, die als Streusiedlungen bezeichnet werden können. Nicht nur die Dorfmittelpunkte liegen meist weit voneinander entfernt, sondern auch die einzelnen Bauernhöfe. Nur in der Dorfmitte bei der Kirche stehen die Häuser in der Regel dichter beisammen. Ein Zusammenkommen an den Abenden war früher also fast nur in kleinem Kreis möglich. Solche Treffen aber, natürlich auch mit den auswärtigen Nachbarn, waren eben geradezu eine Grundvoraussetzung für gegenseitiges Necken und fürs Entstehen spöttischer Namen. Auch der Volkskundler Dr. Artur Schwarz, der zu seiner Zeit wohl beste Kenner solcher Bezeichnungen, weiß von dieser Gegend nur wenig zu berichten. Der Verdacht, der erfahrene Sammler - er ist selbst Vorderwälder - habe möglicherweise seine eigene Umgebung eher schonen wollen, ist unbegründet. Den Hittisauern mag es wohl schon des Öfteren passiert sein, dass sie jemand augenzwinkernd gefragt hat, ob ihre Ortschaft vielleicht etwas mit einer Sau zu tun habe. Dabei haben sie es Fremden wahrscheinlich schon oft und oft erklärt, der Name habe mit einem gewissen »Hittin« zu tun, der hier eben seine Au hatte; schließlich heiße der Ort ja schon in einer alten Urkunde aus dem 13. Jahrhundert »Hittinsowe«. Nichts ist es also mit dem Borstenvieh, das so gut in einen Übernamen umzumünzen gewesen wäre. Obwohl: Kreishauptmann Ebner scheinen bei seiner Reise durch das Landgericht Bregenzerwald im Jahre 1834 in dieser Hinsicht doch allerlei Gedanken durch den Kopf gegangen zu sein. Nach einem vernichtenden Urteil über die damalige Verbindung von Sibratsgfäll nach Hittisau, lässt er seinem Ärger Luft und spricht von einer Strecke dieser Straße, die den ominösen Namen »Sausteig« führe, und den verdiene sie auch im buchstäblichen Sinne des Wortes, sollten seiner Meinung nach doch nur »gern im Kot und Schlamm watende Tiere einen solch miserablen Weg betreten«. Auch für die Pfarrkirche fand er damals keine lobenden Worte: Baufällig sei sie und klein, ebenso der Friedhof. Zehn Jahre später war das alte Gotteshaus längst abgebrochen, und der Bau der neuen stattlichen Pfarrkirche des Vorderwälder Hauptorts war in vollem Gange. Es wurde eins der größten aller jemals für ein Dorf gebauten Gotteshäuser unseres Landes. Zu guter Letzt statt eines Spottes noch ein Lob, und zwar aus bekanntem, vor allem aber berufenem Mund: Man wolle gelegentlich den Leuten des inneren Waldes mehrere gute Eigenschaften zuschreiben, die jene des äußeren Waldes nicht besäßen, schreibt der Reiseschriftsteller Ludwig Steub einmal. Doch dann erwähnt er seinen Freund, den gebürtigen Hittisauer Joseph von Bergmann, der für die Sachen seiner Heimat eine tüchtige Autorität sei und das moralische Übergewicht auf die Schale der Außerbregenzerwälder lege.