Selbst Tomaten kriegen da Lust • Mit Jumbos, Bush und Paradeisern bevölkert Zündel nun einen neuen Kultursaal. CHRISTA DIETRICH christa.dietrich@vn.vol.at,
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Schwarzach (VN) Bush hätte keiner gebraucht, doch gerade wenn man die Welt mit den Augen von Rudolf Zündel betrachtet, kommt man an Mr. President nicht herum. Nein, der Künstler, der sich mit Früchten umgibt, die zum Engel werden, oder an Kürbissen Geschlechtsmerkmale entdeckt, hat ihn nicht in ein Brezel beißen lassen (das ihm einmal die Luft fast abdrehte), unter seiner Feder, die seit einigen Jahren via Computer bedient wird, entstand ein „Babel after Bush“. Die Vorlagen für seine Motive (die dem Phantastischen Realismus verwandt sind und auch in den Arbeiten des großen Klassikers der Moderne Max Ernst ihre Vorfahren haben) findet Zündel in der Natur und auf Reisen. Entweder sind es wirklich Fundstücke, wie ein welkes Laubblatt, ein Stück Schwemmholz, ein Stein oder eine Frucht, oder es sind Fotografien, die meist in anderen Ländern entstanden sind. Da wachsen die Häuserzeilen eines toskanischen Dorfes dann zu Türmen an (die sich zudem Bestandteile weit entfernter Gebäude aneignen), da wird aus einem Kunststoffknäuel eine ganze Armee, aus einem winzigen Stück Holz eine wuchtige Galeere.
Gewitzter Erzähler Ob am Stift oder am Computer (die Unterschiede sind marginal), Rudolf Zündel ist ein Erzähler. Ein träumender, ein scharf beobachtender, zuweilen ein mahnender, oft aber auch ein gewitzter. So bleibt es seinem Auge überlassen, in einem antiken Relief jenen „Nordic Walker“ zu entdecken, mit dem er den Betrachter seiner Bilder zum Hinsehen zwingt. Beim Aufbrechen einer Passionsfrucht einen Engel wahrzunehmen, ist meist Kindern vorbehalten. Schön, wenn es Menschen gibt, die sich diesen Blick, eine gewisse Naivität, die sich dann mit Scharfsinn paart, um erfreuen zu können, bewahrt haben. Zündel hat es getan. Man darf über seine „Scharfe Schnecke“ schmunzeln, die er vermutlich unter gerade gewachsenen Chilischoten entdeckt hat, und dass selbst Tomaten bei ihm Lust kriegen, nimmt man ihm sofort ab. Da braucht einem die winzige Frucht mit ihrem eindeutigen Auswuchs nicht erst präsentiert zu werden, die für das Bild Pate stand.
Auf den Punkt gebracht Einem Transformationsprozess oder einer Bewegung spürt Rudolf Zündel gerne nach. Ein schönes Beispiel ist jener Kiel eines Bootes, der das Wasser wild auseinanderpflügt, dabei aber auch selbst nicht unverändert bleibt. Dass er das Bild „Sowitasgoht“ auch noch dem Bregenzer Weltumsegler Franz Plunder gewidmet hat, ist typisch für seine Arbeit. Persönlichkeiten, Gegebenheiten, Passagen aus der Weltliteratur haben oft seinen Sinn geschärft, um das, was andere meist achtlos liegen lassen, aufzuheben und weiterzuentwickeln bzw. auf den Punkt zu bringen. Zündel erlaubt sich damit eine Freiheit, die er sich als Fotograf niemals nahm. Aus gutem Grund.
Jener, der als Fotokünstler dadurch weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt wurde, dass er schon in den Siebzigerjahren Projekte mit Arbeitsmigranten realisierte, wusste, wo manipuliert werden darf und wo nicht. Seine Fotoarbeiten sind wahrhaftige Dokumente und wurden u. a. in die Sammlung Rupertinum in Salzburg aufgenommen. Seine Bilder, wie jene, die nun gezeigt werden, sind lustvolle Umschöpfungen, tragen aber auch eine Wahrheit in sich. Sie zu entdecken ist ein Weg voller Spaß und Poesie, die in der harten Wirklichkeit sowieso gut tun.