6 minute read

Tagen – im ersten Teil einer Serie

Zur Person SIGI SCHWÄRZLER * 1954 in Dornbirn, Unteroffizier beim Österreichischen Bundesheer, seit 2017 im Ruhestand – zahlreiche Spezialverwendungen, Jagdkommando, Heeresschilehrer- und Bergführer. Lokalhistoriker mit Schwerpunktthemen von Randkulturen im Vorarlberger Raum.

Angehaltenen, Gebhard Gut und Julius Müller, Reißaus, springen über einen nahegelegenen Gartenzaun und flüchten in Richtung Feldkirch. Die Aufgegriffenen, Hermann und Albert Gut, zwei Brüder aus Sulz, widersetzen sich der Anhaltung und leisten erheblichen Widerstand. Der sich in der Nähe befindliche Probegendarm Eisner hört den lauten Wortwechsel und eilt unverzüglich seinem Kollegen zu Hilfe. Die beiden Renitenten stürzen sich auf Schuler und versuchen, ihm die Waffe zu entreißen. Da Hermann Gut den Gendarmen Schuler mit dem Revolver bedroht, entschließt sich Gottfried Eisner, dem Bedrängten zu Hilfe zu kommen, und um sein und seines Kameraden Leben zu schützen, macht er von seiner Schusswaffe Gebrauch. Hermann Gut, 25 Jahre, erleidet einen Brustschuss und ist auf der Stelle tot. Auch sein Bruder Albert, 19 Jahre, wird von einem Schuss am Kopf getroffen und stirbt bald darauf im Stadtspital von Feldkirch. In der Nähe des Tatortes findet man im Rahmen der Nachsuche schwerbeladene Säcke, welche umfangreiches Schmuggelgut (ca. 12.000 Zigarren) enthalten.

Advertisement

Salz- und Schmalzschmuggel

Ein hochbrisantes Kapitel in der Geschichte des Vorarlberger Salzwesens, das immer wieder die Behörden beschäftigte, stellten die illegalen Salzeinschwärzungen aus dem benachbarten Ausland dar. Den nötigen Anreiz für den Salzschmuggel bot das zum Teil deutlich billigere bayrische und württembergische Salz, das in den Schweizer Kantonen gehandelt wurde. Auch die Einführung der bisher nicht bekannten Verzehrungs- oder Konsumsteuer auf den lebensnotwendigen Grundstoff Salz traf die Bevölkerung derart schwer, dass sowohl auf dem Lande wie auch in den Städten eine äußerst ungünstige Stimmung gegenüber den Regierungsstellen herrschte. Insbesonders gegen Ende der 20er Jahre des 19. Jahrhunderts nahm das Schwärzerunwesen derart überhand, dass einzelne Aktionen den Charakter eines Volksaufstandes gegen die vom Staat gesetzten Maßnahmen annahmen. Nachdem sich dagegen das Landgericht in Feldkirch alleine nicht mehr durchsetzen konnte, wurde um Hilfe bei den zuständigen Stellen in Innsbruck angesucht

Die sich rasch zuspitzende Situation entlud sich in den Nächten des 9., 12. und 13. Dezember 1829, als bewaffnete Schwärzerbanden mit ihrem Schmuggelgut aus dem Fürstentum Liechtenstein in österreichisches Gebiet einfielen und „auf eine aufsehenerregende und die Gemüter der Stadtbewohner erregende“ Art an der Stadt Feldkirch vorbeizogen, ohne dass von der zum Schutz bestimmten Kordonmannschaft (Schutz) auch nur der geringste Widerstand geleistet werden konnte. Zolloberaufseher Neyer von der k.k. Zolloberaufsicht Nofels gab über diesen Vorfall zu Protokoll: „Auf Verdacht einer vor sich gehen sollenden Schwärzung machten die oben erwähnten von halb 7 Uhr bis 12 Uhr Mitternacht eine Streifung nach der Gränze, und Vorpaß an der Heilligkreuzerbrücke, und nachdem aber während dieser Zeit nichts vorfiel und die Kälte auch von dieser Art war, daß unmöglich länger Zeit mehr ausgehalten werden konnte, so begaben sich die obrigen in ihre Quartiere, jedoch viertel auf 3 Uhr früh weckte der Gang eines Troßmenschen den Gefertigten auf, allwo derselbe eine Anzahl von 100 Salzschwärzer vor dessen Quartier vorüber gehen sah, auch bemerkte derselbe bey dem hellen Mondlicht unter dem Haufen Schwärzer mehrere Gewehre und Pistolen blitzen, welche sie zu theil bey der Heilligkreuzerbrücke wahrscheinlich aus Muthwillen oder als Herausforderung losdrückten und dreiviertel auf 3 Uhr kamen abermahls eine Rotte Schwärzer von beyläufig 80 Köpfe, welche in der mitte ein mit dem Bajonet gepflanztes Gewehr gleichsam als Siegesfahne in der Höhe zu tragen schienen. In der Früh meldete der Aufseher Jellineck dem gefertigten Oberaufseher gleichfalls von seinem Quartier aus, daß nemlich mit der Bemerkung geschehen zu haben, daß die vorübergehende Salzschwärzer welche auch andere Gattungen Waaren mitzutragen schienen, ihn bey seinem Quartier mit ungestummen Klopfen und den schimpflichsten Worten zur Gegenwehr herausgefordert hätten. Später erfuhr endlich der Gefertigte Oberaufseher, daß gestern Nachts in allem 238 (!) Schwärzer von dem Dorfe Mauren im Fürstentum Lichtenstein weckgegangen seyen, welche sich an der Gränze in 3 Collonien getheilt hätten, und so zwar, daß nemlich 30 Mann über die Letze und 180 Mann über Tisis und Heilligkreuz, und endlich 40 Mann über Schellenberg und Margarettenkapf nach dem Dorfe Göfis zugegangen seyen. Die besagten Schwärzer sollen nach gemachter Erkundigung lauter Voralbergische Einwohner, und zwar von dem Dorf Göfis und dem hiebey nächst gelegenen Dörfern gewest seyn …“

Im 19. Jahrhundert wurde dann zunehmend der Schmuggel von Textilwaren lukrativ, als durch die österreichische Schutzzollpolitik die Einfuhr derselben beschränkt wurde. Am Textilienschmuggel waren vor allem Vorarlberger Textilbetriebe in großem Stil beteiligt. So beschreibt der Vorarlberger Kreishauptmann Johann Ebner in seinen Berichten über Vorarlberg die Situation am Landgericht Dornbirn 1834, dass er hier „wenig Erfreuliches“ erfuhr: „Die Gemeinden wimmeln von Schwärzerbanden. Man wird ihren Bewohnern nicht unrecht tun, wenn man zwei Drittel davon darunter rechnet. Solange wie dermalen ein Schwärzer, dem ein Contraband gelingt, in einer Nacht mehr erwirbt als ein Arbeiter in acht oder 14 Tagen auf honette Art zu verdienen imstande ist, solange werden auch alle Maßregeln, die bisher schon gegen das Schmuggelwesen ergriffen wurden, vergebens sein.“ Der Schmuggel verleite, meinte Krauß, der Verfasser des Finanzstrafgesetzes Alte k.k. Grenztafel (Replika) beim Grenzübergang Ruggell-Bangs

(1835), „die Bewohner ganzer Landstriche zu Müßiggang, zu einem unsteten Leben und zu einem offenen oder versteckten Widerstand gegen die Anordnungen der Staatsverwaltung.“ Er gehe „Hand in Hand mit Gewalttätigkeit und den gefährlichen Verbrechen und ist, wie die Erfahrung lehrt, eine nur zu fruchtbare Pflanzschule für Mörder, Räuber und Diebe.“ Der Weg des Schmuggels führe also über Müßiggang und Widerstand gegen die Staatsgewalt zur Kriminalität.

Die Moralität der Leiblachtaler „Gränzer“ Auch an den Übergängen vom Leiblachtal nach Bayern standen die Grenzbeamten und überwachten das waldreiche, unübersichtliche Gelände. Die Kontrollen waren in den vergangenen Jahrhunderten äußerst genau und streng, sodass die einheimische Bevölkerung oftmals unter den Vorschriften und Schikanen zu leiden hatte. Dass die Zöllner ihre tägliche Berufspflicht überwiegend korrekt und pflichtgemäß erfüllten, soll an den Anfang dieser Ausführungen gestellt werden. Doch es „menschelte“ überall. Willi Rupp berichtete in „Hörbranz Aktiv“ von einem Hörbranzer Pfarrer, der 1838 in einem Bericht an das k.k. Land- und Criminalgericht Bregenz mit der „Moralität der Gränzer“ hart ins Gericht gegangen war. „Die Gränzgänger stünden in recht geringer Achtung, weil sie als Ausspäher und

als Zwangsmänner angesehen würden, die wegen Kleinigkeiten die Einheimischen immer wieder anhielten.“ Außerdem wollten laut Pfarrer Bartholomäus Hörburger „keine ordentlichen, braven Leute zur Gränzwache, weil viele der bekannten Gränzjäger Leuthe ohne Profession oder verabschiedende Soldaten, arbeitsscheue oder ihrer Studien oder sonstigem Berufe entgangene Leuthe“ seien. Zudem ärgerte sich der Pfarrer über zwei ledige Kinder, die den Uniformierten zugeschrieben wurden. Unmoralisch war auch die Tatsache, dass den Gränzern „Weibsbilder“ aus den Rheingemeinden und dem Bregenzerwald, wo diese zuvor stationiert waren, nachgereist waren. Besonders verärgert war das geistliche Oberhaupt von Hörbranz laut Rupp über den Kontakt zu sechzehn- bis achtzehnjährigen Mädchen, über die von zu Hause „nicht gute Aufsicht und Ordnung gepflogen wird.“ Daraus ergebe sich natürlich der „Verdacht der Verführung und die Vermuthung entsteht, dass solche Weibsleute mit geschwärzten (geschmuggelten) Sachen leicht durchkommen.“ In den Jahren 1832 bis 1842 wurden in Hörbranz 372 Kinder geboren, davon 62 unehelich. Ein Teil dieses „Mißstandes“, dass jedes sechste Kind unehelich war, schrieb der Pfarrer vermutlich gar nicht so ungern den hier stationierten „Militärs“ und „Gränzjägern“ zu.

Auf steilen Schmugglerpfaden über die „grüne Grenze“

Lesen Sie in der März-Ausgabe im zweiten Teil der Serie von der „Zöllnerkultur“, die es einst in den Grenzdörfern entlang des Rheins gab, ganz nach der amüsanten Devise „Gschmugglat ischt nit gstohla.“