I DIE VERHÄLTNISSE ZUM TANZEN BRINGEN Von Lustlosen, die auszogen, um Theater zu machen
VON LUSTLOSEN, DIE AUSZOGEN, UM THEATER ZU MACHEN von Katja Jeziorowski
21 Einzelkämpfer*innen im ersten Ausbildungsjahr, die von der Existenz der anderen 20 nichts wissen, treffen im August 2014 am Oberstufenzentrum (OSZ) Bautechnik II aufeinander und sie haben, so sollte man meinen, alle ein gemeinsames Ziel: Technische*r Assistent*in für Datenverarbeitung im Bauwesen werden und – ganz nebenbei – das Fachabitur machen. Aber was tun, wenn man gleich zu Beginn des neuen Schuljahres merkt, dass die Klasse nicht als Klasse funktioniert? Wenn das gemeinsame Ziel nicht für alle präsent ist und dementsprechend nicht verbindet? Wenn unterrich tende Kolleg*innen schon frühzeitig die Frage stellen, wo das wohl mit der Klasse hinführe? Wenn sich in der Klasse zwei Lager bilden, die jeweils eigene WhatsApp-Gruppen gründen, in die die anderen nicht rein dürfen? Wenn teambildende Maßnahmen wie Kennenlerntage außerhalb der Schule oder der Sieg des schulinternen Fußballturniers keine Gemeinschaft begründen? Wenn drei Mädchen gegen 18 Jungen im Alter zwischen 17 und 21 antreten? Man nimmt an einem Projekt des Maxim Gorki Theaters teil und arbeitet gemeinsam an einem Thema, bei dem alle mitreden können und zu dem jeder – leider – auch schon Erfahrungen gesammelt hat. Man springt für eine Klasse im zweiten Ausbildungsjahr ein, die kurzfristig ihre Teilnahme abgesagt hat, und heimst dafür die Anerkennung der Abteilungsleitung ein. Man trifft Verantwortliche des Theaters und künstlerische Coaches, die einen darin bestärken, dass das, was man tut, gut und richtig ist. Man öffnet sich den Ideen der anderen, nimmt andere neu wahr und gründet die FALLEN-Gruppe bei WhatsApp. Bis dahin war es jedoch ein langer und mitunter beschwerlicher Weg, denn die Motivation, in einem Theaterprojekt mitzuwirken und vielleicht sogar selbst zu performen, schien zu Beginn der Teilnahme für die Jugendlichen in weiter Ferne. Hinzu kam, dass die Klasse aufgrund der Tatsache, dass sie später als die anderen Gruppen in das Projekt eingestiegen war, weniger Zeit zum Erarbeiten der Szenen und zum Proben hatte. Sie waren bis zum Schluss die Wackelkandidaten, denn noch in der Probenendphase war vielen nicht bewusst, welche Tragweite und welchen Erfolg das Projekt haben könnte. Erste Gehversuche im Planen und Umsetzen einzelner Szenen vollzogen sich im laufenden Unterricht im Klassenzimmer. Für die meisten Schüler*innen war dies zunächst ein willkommener Zeitvertreib, bei dem viel mehr das Handy als das Projekt Priorität hatte. Erst durch das Hinzukommen von Ron Rosenberg, dem Theatercoach, nahm die Sache Gestalt an: Es wurden Rollen vergeben, die – fast – nie wieder diskutiert wurden. Viele kleine, von ihm gesetzte Impulse eröffneten ungeahnte Perspektiven, führten zu neuen Szenen und bildeten letztlich ein »Gesamtpaket«, mit dem sich alle identifizieren konnten. Mehrmals traf sich die Klasse im Theater, erkundete das Haus und sammelte in Probenräumen erste Bühnenerfahrungen. Aber die Schüler*innen