Hegels ägypten die sphinx und der geist in der geschichte peter eschweiler - Download the complete e

Page 1


HegelsÄgyptenDieSphinxundderGeistinder GeschichtePeterEschweilerinstalldownload

http://ebookstep.com/product/hegels-agypten-die-sphinx-und-dergeist-in-der-geschichte-peter-eschweiler/

We believe these products will be a great fit for you. Click the link to download now, or visit ebookstep.com to discover even more!

EinführungindieGeschichteundMethodender romanischenSprachwissenschaftIorguIordanEditor WernerBahnerEditor

http://ebookstep.com/product/einfuhrung-in-die-geschichte-undmethoden-der-romanischen-sprachwissenschaft-iorgu-iordan-editorwerner-bahner-editor/

DerGeistdieHoffnungunddieKirchePneumatologie EschatologieEkklesiologieStudiengangTheologieBand VI33rdEditionFelixSenn

http://ebookstep.com/product/der-geist-die-hoffnung-und-diekirche-pneumatologie-eschatologie-ekklesiologie-studiengangtheologie-band-vi-3-3rd-edition-felix-senn/

GeschichtederSklavereiinderniederländischen RepublikRechtRassismusunddieHandlungsmacht SchwarzerMenschenundPeopleofColor168018631st EditionJuliaHolzmann

http://ebookstep.com/product/geschichte-der-sklaverei-in-derniederlandischen-republik-recht-rassismus-und-die-handlungsmachtschwarzer-menschen-und-people-of-color-1680-1863-1st-editionjulia-holzmann/

AnwendungderDifferentialundIntegralrechnungauf GeometrieBand1EinführungindieTheoriederKurven inderEbeneundimRaume

http://ebookstep.com/product/anwendung-der-differential-undintegralrechnung-auf-geometrie-band-1-einfuhrung-in-die-theorieder-kurven-in-der-ebene-und-im-raume/

PolitikenderNormalisierungZurGeschichteder BehindertenpolitikinderBundesrepublikDeutschland ElsbethBösl

http://ebookstep.com/product/politiken-der-normalisierung-zurgeschichte-der-behindertenpolitik-in-der-bundesrepublikdeutschland-elsbeth-bosl/

DichteBeschreibunginderArktisCliffordGeertzund dieKulturrevolutionderInuitinNordkanadaBarbara Schellhammer

http://ebookstep.com/product/dichte-beschreibung-in-der-arktisclifford-geertz-und-die-kulturrevolution-der-inuit-in-nordkanadabarbara-schellhammer/

UmstritteneKörperteileEineGeschichtederOrganspende inderSchweizSimonHofmann

http://ebookstep.com/product/umstrittene-korperteile-einegeschichte-der-organspende-in-der-schweiz-simon-hofmann/

DieVielfaltderKindheitenunddieRechtederKinder inderGegenwartPraxisfragenundForschungimKontext gesellschaftlicherHerausforderungenGermanEdition ClaudiaMaier-Höfer

http://ebookstep.com/product/die-vielfalt-der-kindheit-en-unddie-rechte-der-kinder-in-der-gegenwart-praxisfragen-undforschung-im-kontext-gesellschaftlicher-herausforderungen-germanedition-claudia-maier-hofer/

PhilosophiederMathematikinderAntikeundinder NeuzeitUlrichFelgner

http://ebookstep.com/product/philosophie-der-mathematik-in-derantike-und-in-der-neuzeit-ulrich-felgner/

Hegels Ägypten

Hegels Ägypten

Die Sphinx und der Geist in der Geschichte

Umschlagabbildung:

links: Große Sphinx von Gizeh, Foto: Peter Eschweiler; rechts: Carl Mittag, Bildnis von Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Lithografie, 1842.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk sowie einzelne Teile desselben sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen ist ohne vorherige schriftliche Zustimmung des Verlags nicht zulässig.

© 2022 Brill Fink, Wollmarktstraße 115, D-33098 Paderborn, ein Imprint der Brill-Gruppe

(Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA , USA ; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland; Brill Österreich GmbH, Wien, Österreich)

Koninklijke Brill NV umfasst die Imprints Brill, Brill Nijhoff, Brill Hotei, Brill Schöningh, Brill Fink, Brill mentis, Vandenhoeck & Ruprecht, Böhlau, Verlag Antike und V&R unipress. www.fink.de

Einbandgestaltung: Evelyn Ziegler, München

Herstellung: Brill Deutschland GmbH, Paderborn

ISBN 978-3-7705-6690-7 (hardback)

ISBN 978-3-8467-6690-3 (e-book)

Das Leben ist ein Fest In memoriam Albert Eschweiler (1939–2012)

Einführung

„Vergebens sucht ihr Geheimnisse unter den Pyramiden oder verborgene Weisheit an den Obelisken; denn wenn die Hieroglyphen der letztern auch entziffert würden, was würde, was könnte man an ihnen anders als etwa eine Chronik verstorbener Begebenheiten oder eine vergötternde Lobschrift ihrer Erbauer lesen?“

Johann Gottfried Herder, Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit1

„In neueren Zeiten besonders hat man die Ruinen Ägyptens vielfach untersucht und die Stumme Sprache der Steingebilde sowie der rätselhaften Hieroglyphen studiert.“

Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Vorlesungen über die Philosophie der Religion2

1 Hegel und die Hieroglyphen

Etwa 35 Jahre liegen zwischen der eher resignierten Äußerung Herders und der erwartungsvollen Mitteilung Hegels – allerdings auch die Bemühungen einiger Antiquare und Sprachwissenschaftler um die Entzifferung der ägyptischen Hieroglyphen im Zuge der Napoleonischen Expedition nach Ägypten, die schließlich 1822 zum Erfolg führten, als es Jean-François Champollion gelang, den Stein von Rosette richtig zu deuten.3 Ein in hieroglyphischer, demotischer und altgriechischer Schrift abgefasstes Priesterdekret wurde damit zur Gründungsurkunde für eine neue wissenschaftliche Disziplin, die Ägyptologie. – Als eigentliche Initialzündung für diese neue Forschungsdisziplin dürfte aber die von Napoleon Bonaparte veranlasste Herausgabe der Description de ľÉgypte gelten, einer Gesamtveröffentlichung der wissenschaftlichen und künstlerischen Ergebnisse der Expedition, die in den Jahren 1809 bis 1828 in 23 Bänden mit über 3000 Abbildungen erfolgte und sich in Art und Umfang an Denis Diderots Encyclopédie orientierte.4

1 Herder (2017), 299.

2 Hegel, Bd. 16, 441.

3 Siehe dazu Ray; Dewachter; zum vor-ägyptologischen Verständnis der Hieroglyphen: Assmann 2006 b, 45–74 („Ägypten in der abendländischen Grammatologie“). Die Bedeutung der Napoleonischen Expedition für die Literatur und Kultur erörtert Bernsen, 23–42, 155–157; zu Napoleons Orient-Vision: Vercoutter.

4 Zu dieser s. Gumbrecht (2020), 341–369 (mit Bezug auf Hegel: 365ff.). Ein Hinweis bei Hegel: ders., Bd. 14, 283.

Als eifriger Leser verschiedener Zeitschriften und Magazine5 legte Hegel eine erstaunliche Hellsichtigkeit an den Tag, wenn er über das Alte Ägypten schrieb. Dabei war die sich über rund drei Jahrtausende hinziehende Kultur am Nil auch für ihn rätselhaft. Seine Schriften belegen allerdings, dass er sich sehr wohl auf dem Laufenden hielt und sich für die langsam einsetzenden Fortschritte im Wissen um Kunst und vor allem Geschichte Altägyptens interessierte.

Bis zur Entzifferung der Hieroglyphen blieb die altägyptische Kultur mit ihren faszinierenden Monumenten eine Terra incognita. Anders als etwa im Falle der Maya, Azteken oder Inka bis zur spanischen Conquista hatte das Abendland zwar stets Kenntnis von der alten Hochkultur am Nil, integrierte diese aber nur unter ganz konkreten Vorbehalten in ihr kulturelles Gedächtnis. Einerseits knüpfte man dabei an biblische Überlieferungen an, die das Alte Ägypten zumeist als Projektion für die Bildung und Stabilisierung jüdischchristlicher Identitäten nutzte. Andererseits bildete sich eine aus antiken Quellen gespeiste mystizistische Ägyptomanie, in der die Pharaonenkultur zum Wunderland mutierte.6

Im 18. Jahrhundert setzte im Rahmen der Aufklärung eine veränderte Sicht auf die Geschichte ein. Nun wollten Schriftsteller wie Goethe und Herder oder Philosophen wie Kant den Fortschritt in der Entwicklung und Abfolge der Kulturen und Gesellschaften nachweisen. Das stets präsente Bild der uralten Kultur am Nil mit ihren gewaltigen Monumenten diente ihnen dabei als Demonstrationsobjekt für den nebulösen Beginn aller höheren Kultur. Die Sphinx stand als Symbol für das unergründliche Rätsel des Anfangs. Erst die Entzifferung und die damit einsetzende wissenschaftliche Erforschung der altägyptischen Quellen setzte neue Akzente.

Georg Wilhelm Friedrich Hegel hielt seine Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte, zur Religion und Ästhetik in den zwanziger- und zu Beginn der dreißiger Jahre des 19. Jahrhunderts. Seine teilweise recht detaillierten Kommentare und Bemerkungen zeigen deutlich, dass er sich nicht mehr

5 Vgl. dazu die Kontroverse um „Hegel und Haiti“ (Buck-Morss). Hegel wird als aufmerksamer Leser diverser Magazine betrachtet. Die dort geschilderten Ereignisse auf der Karibikinsel (Sklavenrevolte 1791) sollen ihn zu seinen berühmten Ansichten über „Herrschaft und Knechtschaft“ in der Phänomenologie des Geistes veranlasst haben. Hegels Interesse an zeitgeschichtlichen Themen hebt Bischof hervor (278f.). Vgl. auch seine Berufung auf archäologische und kunsthistorische Fachzeitschriften (erschienen 1828 bzw. 1829) in: Hegel. Bd. 14, 452.

6 Schon Herder monierte 1774: „Und da es den Ägyptern meistens so geht, daß man zu ihnen aus Griechenland und also mit bloß griechischem Auge kommt – wie kanns ihnen schlechter gehen?“ (Herder (1990c, 18)).

unkritisch auf biblische und antike Texte stützte. Weit entfernt war er zwar von den ägyptologisch informierten Literarisierungen Ägyptens durch Rainer Maria Rilke und Thomas Mann, die etwa 100 Jahre später folgen sollten, aber die Lektüre seiner Texte zeigt ihn gleichwohl auf der Höhe des Wissensstandes seiner Zeit. Während die biblische Erinnerungsspur aus Ägypten bis zu den psychologischen Theorien Sigmund Freuds führte und die antiken Quellen und Missverständnisse bis in unsere Tage eine rege ägyptomanische Esoterik7 befördern, war der geschichtsphilosophische Weg, den Hegel eingeschlagen hatte, bis vor Kurzem noch eher verpönt. Erst der Diskurs um die Globalisierung hat ihm eine unerwartete Renaissance beschert, die in Titeln wie Philosophie im Vergleich der Kulturen, Kulturüberschreitende Philosophie oder Integrative Geschichtsphilosophie in Zeiten der Globalisierung zum Ausdruck kommt.8

Hegels Deutung der Sphinx als eines Hybridwesens zwischen Geheimnis und Fortschritt weist eine prägnante Koinzidenz zu seiner eigenen wissenschaftshistorischen Position auf. Er stand am Übergang zu einem tieferen, von authentischen Quellen gespeisten Verständnis der Kulturen. Auch nach der Entdeckung Champollions sollte noch einige Zeit vergehen, bis man in der Lage war, die altägyptischen Texte auf Statuen, Grab- und Tempelwänden und vor allem die Papyri zu lesen und ihre Inhalte zu verstehen. Hegel war weit davon entfernt, sich direkt aus den Texten über Geschichte und Religion der Ägypter informieren zu können. Aber er wird geahnt haben, dass hier ein Kontinent zu entdecken war. Schließlich war der fast 1.500 Jahre lang unlösbare Code „geknackt“ worden. Es war nur eine Frage der Zeit, bis es den Philologen – Ägyptologen! – gelingen würde, Inschrift für Inschrift zu übersetzen und all den Fragen auf den Grund zu gehen, die sich ihm und seinen Zeitgenossen stellten. Seine vor allem in den Vorlesungen unternommenen Thematisierungen wurden so zu Ausgangspunkten, die er seinen Lesern und Schülern hinterließ, die dann ihrerseits auf den wissenschaftlichen Fortschritt bauen konnten. Damit standen auch seine Ausführungen an der Wiege der Ägyptologie. Ganz im Sinne des dialektischen Denkens sollen die ägyptischen Visionen Hegels aber nicht nur einen Erkenntnisgewinn für die Ägyptenrezeption erbringen, sondern aus gleichsam ägyptischer Perspektive auch dabei helfen, Hegels Geschichts-, Kunst- und Kulturverständnis zu beleuchten. Für Hegel selbst, auch das sei nicht verschwiegen, fing alles Wesentliche mit den Griechen an. Ägypten sah er eher als ein unveränderliches Monument, das den Fortschritt geradezu herausforderte. Das war seiner Ansicht nach Ägyptens

7 S. generell Hornung (1999); über die antiken Autoren und Ägypten s. ebd., 26–32. 8 Mall, Gloy, Rohbeck (2020).

Bestimmung.9 Darin sollten ihm noch etliche Theoretiker folgen, auch wenn nur rund fünfzig Jahre später Friedrich Nietzsche in Gedanken und Entwürfen zu seinen Unzeitgemäßen Betrachtungen eine gänzlich andere Meinung vertrat: „Das eigentlich wissenschaftliche Volk, das Volk der Literatur, sind die Ägypter und nicht die Griechen. Was wie Wissenschaft bei den Griechen aussieht, stammt daher“.10

Mein Dank gilt Jan Assmann, ohne dessen Ermutigung und Kritik „Hegels Ägypten“ auf der Festplatte geblieben wäre. Für seine Bereitschaft zur Lektüre danke ich Florian Ebeling, für ihre freundliche Kooperation Frau Milena Baden und Herrn Andreas Knop vom Fink Verlag. Für ihr Vertrauen danke ich meiner Mutter Magdalene, für Geduld mit mir und dem Thema meiner Frau Andrea.

Last but not least ein Gruß an P., ein Vorbild an Autonomie.

2 Übersicht – zur Gliederung des Buches

Im ersten Teil geht es um eine historische Einordnung der Ägypten-Rezeption Hegels. Die zu Hegels Lebzeiten erfolgte neue Ausrichtung der historischen Forschung hin zu einer auch nicht-europäische Gesellschaften einbeziehenden Anthropologie ist Gegenstand von Kapitel I, in dem vor allem die kulturwissenschaftlichen Positionen Herders zu beachten sind.

Der zweite Teil steckt zunächst die Materialbasis im Rahmen der Hegel’schen Schriften ab, die für alle weiteren Betrachtungen von Bedeutung ist. Hegel hat zwar seine einzelnen Schriften und Vorlesungen sehr wohl gegliedert, aber doch darauf verzichtet, die einzelnen Themen oder Aspekte streng systematisch ausschließlich den einzelnen Vorlesungen zuzuordnen. So finden sich beispielsweise aufschlussreiche Anmerkungen zur ägyptischen Religion auch in den Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte oder Ansichten zur Bedeutung der Symbolik in denen über die Philosophie der Religion.

Gleichwohl wird die Differenzierung seiner Vorlesungen in Geschichte, Religion und Ästhetik als Vorlage für die Ansetzung der Kapitel und Unterkapitel aufgegriffen, um den wichtigsten geistes- und kulturgeschichtlichen Linien seines Ägypten-Bildes folgen zu können (Kap. III bis V ). Dabei werden seine

9 Assmann hält als überzeugende Faktoren in Hegels Ägypten-Bild fest: „Vor allem die Dynamik, das Drängen, (den) Trieb zur Artikulation und Selbstobjektivierung“ (2018, 69).

10 In: Wir Philologen Nr. 145. In der Götzen-Dämmerung steht „Ägyptizismus“ für das Festhalten an Priesterherrschaft und den Vorrang des Todes vor dem Leben (s. zur Stelle Meier, 324). Götzen-Dämmerung, Die ‚Vernunft‘ in der Philosophie; s. Nietzsche (1978), 94 (hier spricht er auch von den „Begriffs-Mumien der Philosophen“).

Positionen dem ägyptologischen Forschungsstand in einigen ausgewählten –und notwendigerweise subjektiv festgelegten – Bereichen gegenübergestellt, und so seine mitunter frappierenden Erkenntnisse konkretisiert. Einige für das Ägypten-Bild besonders prägende Themen werden bewusst herausgegriffen, beispielsweise die vorgebliche Fixierung der Ägypter auf den Tod, die Bedeutung des Nil, die Funktion der Magie, der Tierkult, die Deutung der Pyramiden oder das Symbolverständnis, das vor allem an der Sphinx als der wohl wirkmächtigsten Symbolgestalt Ägyptens exemplifiziert wird.

Außerdem nutzen wir Hegels „Vorgaben“, um seine Quellen zu beleuchten, die teilweise auch unser Ägypten-Bild immer noch entscheidend prägen, und einige Denkmäler Ägyptens zu hinterfragen, die – wie etwa die sogenannte „Traumstele“ – bis heute durchaus umstritten sind. Hegel soll hier aber nicht im Sinne des „bekennenden Hegelianers“ Slavoy Žižek als „Interpretationslinse für unsere Gegenwart“ genommen werden;11 vielmehr ist sehr zu wünschen, dass seine Beobachtungen und Ahnungen als Vektoren dienen können, die unsere Aufmerksamkeit auf einige besonders interessante und gleichwohl augenfällige Merkmale der altägyptischen Kultur lenken. So kann uns eine philosophisch geprägte Perspektive vielleicht dabei helfen, einige große Linien besser im Auge zu behalten, die der Wissenschaft manchmal entgleiten.

Die Hegel-Rezeption bestimmt den dritten Teil. Hegels Umgang mit Kulturen als typisierten Sinngeneratoren hat Schule gemacht. Unter anderem von Herders kulturspezifischen Wertungen ausgehend und diese auf eine philosophische Methodologie und Sprachlichkeit stützend, teilte er ganzen Gesellschaften seinem historischen Rollenverständnis entsprechende Aufgaben im Ablauf der Weltgeschichte zu. In Kapitel VI wollen wir mit der Frage nach der Evolution in der Geschichte ein sehr diskursintensives Thema aufgreifen, während die Schriften zweier russischer Kulturtheoretiker, Mereschkowskij und Schestow, im Allgemeinen kaum Eingang in die kulturphilosophische Debatte gefunden haben. Neben philosophiegeschichtlich bedeutenden Systementwürfen zur Geschichte, Cassirer oder Voegelin, stehen auch die im besten Sinne amateurhaften Schriften Friedells oder die Bezugnahme der Apologeten der Kunst der Moderne – vor allem Batailles – auf Hegel unter den „kultursemiotischen Entwürfen“, die in Kapitel V I  2 charakterisiert werden. Dazu zähle ich auch Peter Sloterdijks Rückkopplung auf Hegels Ägyptenrezeption, die er an Derridas Werk anknüpft.

Bei alledem soll Hegels Ägypten-Bild nicht überstrapaziert werden. Ebenso wenig wollen wir seine prä-ägyptologischen Ausflüge zum Deutungsmuster seines philosophischen Werkes erheben. Diese Arbeit versteht sich als eine

11 Žižek (2020a), 8 (in seiner Studie Hegel im verdrahteten Gehirn).

Annäherung an die geschichts- und kulturbetrachtende Seite der Systemphilosophie Hegels. Diese wird dabei nicht weniger subjektiv geordnet und interpretiert als die ägyptischen Befunde ihrerseits von Hegel. Und so wenig dieser die Phänomene und Monumente einer 2.000 bis rund 5.000 Jahre alten Kultur mit seinem Kenntnisstand adäquat zu analysieren vermochte, ist der Autor imstande, Hegels Ägypten-Bild komplett und stimmig in seiner Philosophie oder in der seines Zeitalters zu verorten. – Es ist dies also eher „ein Buch darüber …, wie man sich fachgerecht treiben lässt“. Ohne eine dezidierte und stetig angepasste Navigation.12

Weitere Beispiele dafür bietet Kapitel VII , in dem die Hegel-Lektüren einiger Autoren, Schriftsteller, Historiker, Philosophen, vorgestellt werden. Slavoy Žižek hat im Übrigen Hegels Arbeitsweise treffend charakterisiert und seine eigenen Exkursionen durch dessen Werk entsprechend legitimiert: „Wenn man Hegel genau liest, merkt man schnell, dass er parataktisch vorgeht und sich in oft heftigen Sprüngen von einem zum nächsten bestimmten Inhalt fortbewegt“.13

Hegels Überlegungen und Mutmaßungen gehören auf jeden Fall zur Wissenschaftsgeschichte. Die eingangs zitierten Sätze können anschaulich illustrieren, weshalb der Historiker Reinhard Koselleck die Jahrzehnte um 1800 als „Sattelzeit“ bezeichnet hat14 – was im Übrigen auch zu dem von dem Kulturhistoriker Peter Burke beobachteten „Wendepunkt in der Geschichte des Lesens um 1800 zumindest in Deutschland“ passt.15 Einiges ist in diesen Jahrzehnten in Bewegung geraten. Neue Horizonte zeichneten sich langsam ab. Hegels Ägypten, das für den Übergang steht, hat – so soll sich zeigen – genau hier seinen Platz, am Beginn der Moderne, die mit alten Gewissheiten bricht und sich neuen Ideen öffnet.

12 Simon/ Weber, 10. (Die „spießige Variante“ wäre das „Sich-im-Voraus-Erkundigen, wo die Chancen, auf Grund zu laufen oder abgetrieben zu werden, am größten sind“, ebd.).

13 Žižek (2020a), 21; ebd.: „Ein hegelianischer Ansatz … beinhaltet keine systematische Begriffsanalyse, die den besonderen Inhalt ignoriert“.

14 Koselleck (1972), 10–28; ders. (1979), XV. Zu Kosellecks Geschichtstheorie s. Joas (2020), 224–249 (Koselleck „wendet sich gegen ein selbstgefälliges Bild der Aufklärung“ (241)).

15 Burke (2005), 90–93. Zu neuen Lesewelten, speziell zur Romanlektüre im 19. Jhdt. s. Matuschek, Kap. 4, 205–216: „Die moderne Situation der Literatur“.

3 Vorbemerkungen zu Zitierweise und Anmerkungen

Die Schriften Hegels werden – wenn nicht anders angegeben – zitiert nach der Werkausgabe in 20 Bänden. Hrsg. von Eva Moldenhauer und Karl Markus Michel. Frankfurt am Main 1970.

Insbesondere:

Wissenschaft der Logik I = Band 5

Grundlinien der Philosophie des Rechts = Band 7

Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften III = Band 10

Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte = Band 12

Vorlesungen über die Ästhetik I = Band 13

Vorlesungen über die Ästhetik II = Band 14

Vorlesungen über die Ästhetik III = Band 15

Vorlesungen über die Philosophie der Religion I = Band 16

Vorlesungen über die Philosophie der Religion II = Band 17

Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie I = Band 18

Die Phänomenologie des Geistes wird zitiert nach der Ausgabe Hamburg 1988.

Alternativ zu den Vorlesungen über die Ästhetik, die von Hegels Schüler Heinrich Gustav Hotho herausgegeben worden sind, wurde auch die Philosophie der Kunst. Vorlesung von 1826 benutzt (Hrsg. von Gethmann-Siefert, Annemarie/ Jeong-Im Kwon/ Karsten Berr. Frankfurt am Main 12005. 32016). Zitiert wird diese Ausgabe als Hegel (2005).

Goethes Schriften werden zitiert nach der Hamburger Ausgabe in 14 Bänden. Herausgegeben von Erich Trunz. München 1981.

Die Werke Kants werden zitiert nach der Ausgabe Werke in zehn Bänden. Hrsg. von Wilhelm Weischedel. Darmstadt 11964. 41983.

Schillers Werke werden zitiert gemäß der Ausgabe in 8 Bänden. Berlin 1978.

Da sich diese Arbeit sowohl an altertumswissenschaftlich und ägyptologisch Interessierte als auch an „Philosophen“ und „Hegelianer“ wendet, finden sich in den Anmerkungen und im Literaturverzeichnis ungewöhnlich zahlreiche Hinweise auf Aufsätze und Bücher, die der geneigte Leser zur jeweiligen Fragestellung konsultieren kann, wohl wissend, dass für den Kenner einiges davon eher selbstverständlich ist. Auch auf Studien zu allgemeineren Themen oder

Sachverhalten wird eher großzügig hingewiesen, um ggf. Orientierungshilfe zu bieten. Hegel-Zitate werden oftmals relativ ausführlich gegeben, so dass sich der Leser ständiges Nachschlagen in den Quellen sparen kann. Dabei werden die Nachweise in der Regel in den Text integriert, um den Anmerkungsapparat nicht unbotmäßig aufzublähen.

Erster Teil

Die historischen Rahmenbedingungen

Ägypten wird gerne als Ursprungsland des Tourismus gesehen. Und in der Tat fand bereits 1869 die erste Pauschalreise nach Ägypten statt. Sie wurde für Briten und Amerikaner angeboten und von Thomas Cook persönlich begleitet.1 Doch gemeint sind mit den ersten Ägypten-Reisenden die Griechen Solon, Hekataios von Milet und vor allem der „Vater der Geschichte“, Herodot, der ein ganzes Buch seiner Historien dem Land am Nil widmete. Letztlich bleibt umstritten, ob Herodot das Land wirklich selbst besucht hat.2 Aber seine kurzweiligen Geschichten und mitunter Bonmot-tauglichen Bemerkungen haben zweifellos das Interesse an Ägypten, seiner Geschichte und Kultur gefördert. Sein wohl bekanntester Satz „Ägypten ist das Geschenk des Nil“3 ist letztlich auch eher ein Zeugnis für die rege Rezeptionsgeschichte, die mit seinem Buch eingesetzt hat. Denn so markant hat Herodot selbst ihn gar nicht formuliert. Er bezeichnet eigentlich nur die von Griechen besiedelten Gebiete Ägyptens als „ein Geschenk des Flusses“, eine Formulierung, die Platon in seinem Timaios teilt, wenn er im Rahmen einer Erörterung über eine Sage aus Solons reicher Überlieferung vom „auch sonst uns heilbringenden Nil“ spricht.4 Den Griechen diente Ägypten vor allem als Bezugsrahmen für mythographische Ursprungslegenden, die ihre eigene Vergangenheit erhellen sollten. Manches sah man dort gewissermaßen präfiguriert, in anderen Fällen suchte man nach möglichst deutlich von eigenen Vorstellungen und Normen abweichenden Konzepten,

1 Zu Reisenden in Ägypten: Hornung (1999), 99–104; zur Entstehung der Studienreise: Osterkamp. Zur Entwicklungsgeschichte des religiös motivierten Tourismus: Stausberg (2010), 14ff.

2 Dagegen spricht vor allem, dass er die Große Sphinx von Giza nicht erwähnt. S. dazu auch Hdt. II , 99 mit der Unterscheidung zwischen „ägyptischen Geschichten“ und eigener Anschauung.

3 Buch II , 5. Herodot beschrieb Ägypten wohl als Reaktion auf eine missratene athenische Militärexpedition im Jahr 460 v. Chr.; dazu Will, 50. Über Herodots Begegnung mit Ägypten s. den Beitrag von Martin Kaiser, in: S. Morenz (1969), 243–265; Assmann (2000a), 31–35; R. Schulz, 266–278 (s. die Tabelle S. 273: Herodots Vergleich zwischen Ägypten und dem Rest der Welt). Laut Schulz „nutzte (Herodot) das Thema Ägypten, um sich als Weltweiser auf allen Wissensfeldern zu profilieren“ (ebd., 286f.).

4 Timaios, 22d. Nietzsche schreibt Platon eine Einweihung in Ägypten zu (s. Meier, 287 (26)).

um die griechischen Errungenschaften zu kontrastieren.5 Außerdem ging von der Kultur am Nil eine nicht unbeträchtliche Faszination aus, die schon früh neben mehr oder weniger ernsthaften Nachforschungen für ein Substrat an Bildern und Motiven sorgte, das sich beispielsweise in theurgischen Bildpraktiken oder in anderen spekulativ mystischen Vorstellungen im Rahmen des antiken Synkretismus nutzen ließ.6 – Lediglich eine kleine „Nebenlinie“ führt bereits hier zu ernsthaft wissenschaftlicher Forschung. So hat der ionische Naturphilosoph Anaxagoras, „zum mindesten für Europa das Urbild des der reinen Forschung geweihten Denkers“, schon vor Herodot die Ursache der Nilüberschwemmungen in der Schneeschmelze in den äthiopischen Bergen gesehen.7

Und so lässt sich eine Erinnerungsspur verfolgen, die, in erster Linie von den Zeugnissen der ägyptischen Religion und des Totenkults ausgehend, unter Einbeziehung der antiken Kommentierungen bis hin zur Aufklärung und Romantik führt. Eine andere Spur setzt bei den biblischen Texten an und findet ihr Zentrum in der Gestalt des Moses, um mit seiner Hilfe eine Brücke zwischen Ägypten und dem alten Israel zu schlagen, das auf diese Weise seine zunächst fragile politische Identität stabilisieren und seinen neuen Jahwe-Kult gegenüber altorientalischen und ägyptischen Praktiken konturieren wollte.

Praktisch allen diesen Arbeiten und Anknüpfungen an das Alte Ägypten gemeinsam war die schlichte Unmöglichkeit oder Unfähigkeit, jenseits der Welt der Bilder und Monumente – bzw. entsprechender Berichte und Wiedergaben – auf originale altägyptische Quellen zugreifen zu können. Erst mit der Entzifferungstat Champollions und dem dadurch inszenierten Beginn einer wissenschaftlichen Ägyptologie sollte sich das ändern,8 und Europa „wurde ein neuer Kontinent des Wissens erschlossen“.9

5 Zu den Bildern der Griechen von Ägypten s. Dihle (1994), 27–32 (über Hekataios), 40–45, 78ff.; Assmann (2000a); Burkert (2003), 79–106.; Schulz, 263–288 (Ägypten als „Museum ehrwürdiger Einzigartigkeit“). Diodor zählt im 1. Jhdt. v. Chr. Ägyptenbesucher aus Griechenland in seiner Bibliotheca historica auf (Buch I, 96–98). Vgl. auch die Liste der griechischen Schüler Ägyptens bei Jamblichus, De mysteriis I,1. S. auch verschiedene Beiträge in: Beck/ Bol/ Bückling (Hrsg.).

6 Mit Literatur: Eschweiler (1994), Kap. XI . Vgl. Dodds, 150–167; Fowden, 126–131, 142–153.

7 Capelle, 250 bzw. 259.

8 Zur Entzifferung der Hieroglyphen als Wissenschaftsprojekt im Sinne der Aufklärung s. Messling. Zur Einordnung der Entzifferung unbekannter Kulturen in die „Entdeckung der Religionsgeschichte“ s. Kippenberg, 45–59. Zur Rezeptionsgeschichte Champollions: Burkard.

9 Schnapp, 321.

Kapitel I

Aufkl

ä

rung und anthropologische Wende

Goethe, Kant, Schiller, Novalis und Herder über Ägypten

Schon von der Möglichkeit, dass die ägyptischen Hieroglyphen einmal als informative Texte gelesen werden könnten, war für die Schriftsteller und Kulturtheoretiker im 18. Jahrhundert nicht die Rede. Für sie blieben die Inschriften auf den Denkmälern und erst recht die Kolumnen in den Papyrusrollen durchweg rätselhafte Botschaften aus einer fremden Welt, die allenfalls als Symbole gedeutet werden konnten. Damit stand die zwar reichlich vorhandene, aber eben nicht wirklich brauchbare Schrift in scharfem Kontrast zu den in Ägypten, aber auch in Griechenland und Rom sichtbaren Monumenten von geradezu außergewöhnlicher Größe und erstaunlichem Erhaltungszustand.

Hier ist nicht der Ort, eine umfassende Geistesgeschichte des 18. Jahrhunderts nachzuerzählen.1 Vielmehr geht es darum, einzelne Aspekte eines Wandels zu beleuchten, der als „anthropologische Wende“ oder „Paradigmenwechsel“ bezeichnet wurde und sich unter anderem an der veränderten Wahrnehmung nicht westlicher Kulturen und Gesellschaften aufzeigen lässt. Dabei soll das Beispiel Ägyptens dabei helfen, einerseits den Stellenwert einiger Protagonisten zu erhellen, der ihnen in den gängigen philosophiehistorischen Übersichtswerken oftmals nicht eingeräumt wird – hier wäre vor allem Johann Gottfried Herder zu nennen -2, andererseits aber auch anhand einiger konkreter Bezugnahmen der Schriftsteller und Philosophen auf die Pharaonenkultur die Änderungen und Erweiterungen der kulturgeschichtlichen Betrachtungen in dieser Zeitphase konkret zu erfassen.

Die Beschäftigung mit bis dahin unbekannten Schriftsystemen und die sich daraus ergebenden Erkenntnisgewinne über alternative Strukturen in Geschichte, Religion und Kunst anderer Gesellschaften gehören letztlich in den Kontext der literarischen und wissenschaftlichen Diskurse der Aufklärung und der unmittelbar daraus hervorgehenden kritischen und idealistischen

1 S. die Darstellung bei Habermas (2019b), der die Entwicklung vom französischen „Vernunfttheismus“ zur „Subjektphilosophie“ darstellt (ders., 2019b, Kap. VII –IX , v. a. 384ff., wo er das Ende des Zeitalters der Weltbilder und die politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und wissenschaftlichen Anstöße zum Paradigmenwechsel anspricht).

2 Als Beispiel mag Wolfgang Röds „Der Weg der Philosophie“ dienen. Er behandelt Herder lediglich im Rahmen der Sprachphilosophie und bei der kurzen Erörterung des sog. Spinozismusstreits: Röd, (1996), 195f. bzw. 198f.

Fink, 2022 | doi:10.30965/9783846766903_003

Denkrichtungen und stehen damit ihrerseits am Anfang einer wissenschaftsgeschichtlichen Weichenstellung, die zumindest den Weg zu nicht mehr eurozentrischen Weltbildern eröffnet. Allein die sich anbahnende Nutzung authentischer Quellen, die eine weitgehende Unabhängigkeit von der biblischen und antiken Deutungshoheit gestatten, lässt eine deutlich erweiterte Perspektive kultur- und geschichtstheoretischer Überlegungen zu. Einen Zusammenhang zwischen der Aufklärung und der Entstehung einer historischen Anthropologie sieht der Ethnologe Marshall Sahlins, der in seinem aus mehreren Aufsätzen zusammengestellten Buch Inseln der Geschichte die kaum vertraute Historie Polynesiens heranzieht, um den Erkenntnisgewinn zu betonen, den die Beschäftigung mit unbekannten oder entlegenen Regionen für die Theoriebildung zur „europäischen Geschichte oder der Geschichte der ‚Zivilisationen‘“ bieten kann. Denn „so bereichern wir unsere Geschichtsauffassungen durch die Vielfalt der Strukturen. Mit einem Mal rücken alle möglichen neuen Dinge in unser Blickfeld.“3 – Allerdings ist dies lediglich das Anfangsstadium einer Entwicklung, die auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts noch nicht abgeschlossen ist und zu weiteren Studien interkultureller Philosophie- und Geistesgeschichte anregen sollte.4

Als Initialzündungen für die hier skizzierten Schritte gelten gemeinhin Diderots Enzyklopädieartikel aus dem Jahr 1755 („Der Mensch ist der einzigartige Begriff, von dem man ausgehen und auf den man alles zurückführen muss“),5 Voltaires erste Erwähnung einer Geschichtsphilosophie in seinem Essay sur l’Histoire générale et sur les moeurs et l’esprit des nations im Jahr 1756 und David Humes Vorstellung von der „Naturgeschichte des Menschen“.6

Den postulierten „Wandel der Relevanzen und Wahrnehmungsperspektiven“7 wollen wir nachfolgend anhand einiger ausgewählter Texte von Goethe, Kant, Herder und Schiller verfolgen, wobei – ausgehend von einer generell „humanistischen Perspektive“ – die kritische Philosophie und eine zunehmend interkulturelle Geschichtsbetrachtung als notwendige Stufen für die „anthropologische Wende“ gelten dürfen, ohne die wiederum Hegels

3 Sahlins, 77f. (im Beitrag „Andere Zeiten, andere Sitten: Die Anthropologie der Geschichte“).

4 S. etwa die Überlegungen von Mall (1995), vor allem Kap. 2: „Zur (Hermeneutik der) vergleichenden Kultur und Philosophie“.

5 Welsch lässt damit die „moderne Denkform“ beginnen und spricht vom „anthropischen Prinzip der Moderne“, ders. (2012), 10–27. Zu Herders Diderot-Lektüre s. Pagden.

6 Für Habermas ist Hume der Protagonist der Aufklärung schlechthin. Ausführlich skizziert er „Humes Dekonstruktion des theologischen Erbes der praktischen Philosophie“ ((2019b), 228–271) und „Die anthropologische Erklärung der Phänomene von Recht und Moral“ (ebd., 272–297). Dazu auch Streminger (22017), Kap. 19: „The Natural History of Religion“ und (in prononcierter Form) ders., 21992, 76–80.

7 Habermas (2019b), 388.

Auffassungen von Geschichte, Religion und Ästhetik nicht denkbar sind.8 Den Anfang machen einige Anmerkungen Goethes, der hier im Sinne Dieter Borchmeyers als „Zeitbürger“ verstanden wird.9

1 Johann Wolfgang von Goethe

In seinen Maximen und Reflexionen klagt Goethe über die Kunst des Ostens: „Chinesische, indische und ägyptische Altertümer sind immer nur Kuriositäten; es ist sehr wohlgetan, sich und die Welt damit bekannt zu machen; zu sittlicher und ästhetischer Bildung aber werden sie uns wenig fruchten“.10 Für Ägypten interessierte sich der antikenbegeisterte Dichterfürst eher wenig. Als er 1787 während seines Romaufenthalts ägyptische oder ägyptisierende Skulpturen sah, verwies er resignierend darauf, dass „die … Einbildungskraft zu schwach sein möchte, sie wiederherzustellen.“11 Allerdings hätte es beinahe einen geradezu emblematischen Ägyptenbezug Goethes gegeben, denn der erste Entwurf des berühmten Porträts von Johann Heinrich Wilhelm Tischbein zeigte ihn noch auf einem umgestürzten und mit Hieroglyphen bedeckten Obelisken sitzend. Bei der endgültigen Ausführung des Bildes tauschte der Maler den Obelisken durch bloße Steinblöcke aus.12 Nur der Geschichte von Joseph im 1. Buch Moses, „diese(r) natürliche(n) Erzählung“, konnte er etwas abgewinnen. Als Jugendlicher hatte er sich an einem „biblisch prosaischepischen Gedicht“ versucht und damit eine „ziemlich ruhige Zeit“ verbracht. „Nichts rief meine Einbildungskraft aus Palästina und Ägypten zurück“, schreibt er im ersten Teil seines autobiographischen Berichts Dichtung und Wahrheit (Bd. 9, 141f.). Hätten andere Projekte ihn nicht davon abgehalten, wäre er vielleicht Thomas Mann zuvorgekommen, der rund 160 Jahre später die Arbeit an seiner Tetralogie der Joseph-Romane aufnahm.

Originale altägyptische Texte, Biographien aus Beamtengräbern, die zum altorientalischen Weisheitsdiskurs zählenden „Lebenslehren“, Briefe,

8 Zur in der Forschung höchst strittigen Verortung Hegels im anthropologischen Diskurs s. die Beiträge in Arndt/ Zovko; v. a. Rölli, Marc: „Die Idee des Lebens. Zu Hegels Verortung der Anthropologie“, 59–74. Zu Stufen s. explizit Hegel, Bd. 7, §§ 346f.; Hübner (2011), 195f.

9 Borchmeyer (1999). Vgl. auch Safranski (2013), 18: „ein Mensch, mit dessen Namen man später die ganze Epoche dieser ungeheuren Umbrüche bezeichnet hat: die Goethezeit“. Gegen den Begriff „Goethezeit“ verwahrt sich allerdings Boyle (1995), 17–22.

10 Bd.12, Kunst und Literatur. 505, Nr. 999.

11 Zitat aus einem Brief an den preußischen Generalstabschef August Rühle von Lilienstern; dazu Volkmann.

12 S.  Morenz (1969), 138f. mit Abb. Tafel 12. Zu Tischbein und Goethe: Kuhn, 76–86; zum „denkmalartigen Charakter“ dieses Bildes: ebd., 77f.

Märchen und Erzählungen, Königsdekrete und so vieles mehr standen erst ab der Mitte des 19. Jahrhunderts zahlreichen Literaten ebenso zur Verfügung wie gelehrte Studien zahlreicher Altertumsforscher, Religionswissenschaftler und Ägyptologen – wobei die Ägyptologie als akademische Disziplin, anders als die klassischen Altertumswissenschaften, die sich in Klassische Philologie, Alte Geschichte und Klassische Archäologie aufgliedern, methodisch nicht festgelegt war. Ein besonderer Fall, der Goethe sicherlich gereizt hätte. Aber so blieben, abgesehen von den mehr oder weniger bekannten biblischen und antiken Kommentaren, die Quellen Altägyptens für ihn weitgehend stumm. Denn obwohl er, wiederum in Dichtung und Wahrheit, bekennt: „Jede Art von redlicher Forschung dagegen sagte mir höchlich zu, die Aufklärungen über des Orients Lokalität und Kostüm, welche immer mehr Licht verbreiteten, nahm ich mit Freuden auf, und fuhr fort, allen meinen Scharfsinn an den so werten Überlieferungen zu üben“ (Bd. 9, 510f.), findet er keinen persönlichen Zugang zur ägyptischen Kultur. Unüberhörbar wird dies im zweiten Teil des Faust, wo er einige Sphinxe im Disput mit Mephistopheles sagen lässt:13

„Wir, von Ägypten her, sind längst gewohnt, Daß unsereins in tausend Jahre thront, Und respektiert nur unsre Lage, So regeln wir die Mond- und Sonnentage, Sitzen vor den Pyramiden, Zu der Völker Hochgericht; Überschwemmung, Krieg und Frieden –Und verziehen kein Gesicht.“

Zu einer wesentlich ausgewogeneren Betrachtung orientalischer Kultur gelangte zweifellos Gotthold Ephraim Lessing, der sich allerdings weniger mit altorientalischer und ägyptischer als vielmehr mit islamischer Literatur und Geschichte beschäftigte, was auf seine Übersetzungen von Voltaires Essays Von dem Korane und dem Mahomed und Geschichte der Kreuzzüge im Jahr 1751 zurückgeführt werden kann. Letztlich sollte aus diesem positiven Bild orientalischer Religiosität sein Nathan der Weise erwachsen.14

13 Goethe. Bd. 3, 222, Verse 7241–7248. S. auch ebd., 217, Verse 7083: „Die Sphinxe schamlos, unverschämt die Greife,…“. Geradezu köstlich auch der Spott über die Reiselust der Briten. Mephisto spricht: „Mit vielen Namen glaubt man mich zu nennen. Sind Briten hier? Sie reisen sonst so viel, Schlachtfeldern nachzuspüren, Wasserfällen, Gestürzten Mauern, klassisch dumpfen Stellen; Das wäre hier für sie ein würdig Ziel.“ (218, Verse 7117–7121).

14 Zu Lessings orientalistischen Studien s. Nisbet, 785f.; zum Nathan s. ebd., 782–810. Zu Islambild und entsprechenden Lektüren Lessings: Muslim, insbesondere 12–44 („Vorkenntnisse“), 90–130 („Lektüren“).

Was Goethe an der biblischen Erzählung um Joseph so faszinierte, waren vor allem die „mannigfaltigen Familienszenen“15. Hätte er Einblick gehabt in die Textwelten der dreitausendjährigen altägyptischen Literatur, würde uns heute vielleicht manch liebgewordenes Werk aus seiner Feder fehlen. So aber wandte er sich auf der Suche nach geeigneten Stoffen und Materialien anderen Welten zu, sei es die des alten Griechenland, des Mittelalters oder der des Orients des persischen Dichters Hafiz. Seinen eigenen Lebensentwurf allerdings erläuterte er seinem Freund und Briefpartner Johann Kaspar Lavater mit einem einprägsamen Vergleich: „Diese Begierde, die Pyramide meines Daseins, deren Basis mir angegeben und gegründet ist, so hoch als möglich in die Luft zu spitzen, überwiegt alles andre und läßt kaum augenblickliches Vergessen zu.“16 Trotzdem hatte sein Werk durchaus Folgen für die kultur- und geschichtstheoretischen Betrachtungen Altägyptens bei seinen Zeitgenossen und unmittelbaren Nachfolgern. Denn ein ausgesprochen moderner Gedanke kam darin klar und deutlich zur Sprache. Im Rahmen seiner Naturstudien formulierte er seine Argumente für ein dynamisches Bild der Geschichte:17 „Betrachten wir aber alle Gestalten,“ – er sprach zuvor vom „Gange der Kunst, des Wissens und der Wissenschaft“ – „besonders die organischen, so finden wir, daß nirgend ein Bestehendes, nirgend ein Ruhendes, ein Abgeschlossenes vorkommt, sondern daß vielmehr alles in einer steten Bewegung schwanke … Das Gebildete wird sogleich wieder umgebildet …“.18

Zweifellos trug er wesentlich zu einem der zentralen Diskurse bei, die aus der Aufklärung hervorgegangen waren. Die Idee der Evolution setzte sich zunehmend gegen ein im Wesentlichen statisches Weltbild durch. Sogar die gedächtnisgeschichtliche Dimension der Geschichte hatte Goethe bereits im Blick. In einem Gespräch mit Eckermann verwies er auf die unterschiedlichen Wertungen, die jedes Zeitalter an die Geschichte heranträgt: „Sie (die Zeit) ist ein Tyrann, der seine Launen hat, und der zu dem, was einer sagt und tut, in jedem Jahrhundert ein ander Gesicht macht.“19 Er war davon überzeugt, dass jede Gesellschaft aus ihrer aktuellen Situation heraus ihr eigenes Bild von

15 Bd.9, 137; vgl. 138, 140: „Familienauftritte, ehe sie sich in eine Geschichte des israelitischen Volkes verlieren sollten …“.

16 Brief aus dem September 1780; dazu Safranski (2013), 278.

17 S.  dazu Teichmann, der Goethe als „steten Anreger im unablässigen Bearbeiten dieser umfassenden Idee“ sieht, ihm allerdings auch unklar eine „tiefe, vielleicht auch unbewusste Kenntnis des ägyptischen Geisteslebens“ zuschreibt. Zu seiner „Abkehr von Ägypten“ vgl. S. Morenz (1969), 138–142.

18 Zur Morphologie. Bd. 13, 55f. Vgl. dazu Hegels Bezug auf die Knospe in ders. (1988), 4.

19 Am 25. 2. 1824.

vergangenen Zeiten und Kulturen entwirft.20 Aber regelrechte historische Studien waren weniger nach seinem Geschmack. „Geschichte schreiben ist eine Art, sich das Vergangene vom Halse zu schaffen“, bemerkte er bekanntlich ist seinen Maximen und Reflexionen (Bd. 12, 391 (Nr. 193)). Und so verwundert es auch nicht, dass er sich am geschichtsphilosophischen Diskurs der Aufklärung kaum aktiv beteiligt hat.21

2 Immanuel Kant

Mehrfach nahm Goethe Bezug auf Immanuel Kant. Diesem, dem „Alten vom Königsberge“22, sei er „eine höchst frohe Lebensepoche schuldig“. Denn „hier sah ich meine disparatesten Beschäftigungen nebeneinandergestellt, Kunst- und Naturerzeugnisse eins behandelt wie das andere, ästhetische und teleologische Urteilskraft erleuchteten sich wechselweise“.23 In seiner Schrift Der Streit der Fakultäten von 1798, einem der letzten von ihm selbst herausgegebenen Werke, erläutert Kant die „Frage, ob das menschliche Geschlecht im beständigen Fortschreiten zum Besseren sei?“24, wobei er aber vor allem eine „wahrsagende Geschichtserzählung des Bevorstehenden“ im Sinne hat. Sehr deutlich ist hier seine optimistische Ansicht formuliert, dass sich das Rad der Geschichte nicht mehr zurückdrehen lasse: Er glaubt an Entwicklungen und Innovationen allgemeiner Bedeutsamkeit. „Denn ein solches Phänomen in der Menschengeschichte vergißt sich nicht mehr, weil es eine Anlage und ein Vermögen in der menschlichen Natur zum Besseren aufgedeckt hat, dergleichen kein Politiker aus dem bisherigen Verlauf der Dinge herausgeklügelt hätte …“.

In seiner Schrift Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht, in der er die Rahmenbedingungen für eine vollkommende Staatsform auslotet, gibt er sein evolutionistisches Geschichtsbild deutlich zu erkennen. Im Achten Satz heißt es hier: „Man kann die Geschichte der Menschengattung im großen als die Vollziehung eines verborgenen Plans der Natur ansehen“

20 Zu Goethe als Geschichtsskeptiker s. „Johann Wolfgang von Goethe: Geschichte als Spiegelbild der Zeiten“, in: Seeba (2020), 159–191. Vgl. auch ebd., 25f.

21 Seeba bezeichnet ihn als „Nachgeborenen für die geschichtsphilosophischhistoriographischen Belange“ (ders., 160).

22 So in seinem Aufsatz Anschauende Urteilskraft, Bd. 13, 31. Zu Goethes Verhältnis zu Kants Philosophie s. Boyle (1999), 53–72.

23 In Einwirkung der neueren Philosophie. Bd. 13, 27.

24 Der Streit der philosophischen Fakultät mit der juristischen. Bd. 9, 351–368.

(Bd. 9, 45).25 Und im neunten Satz bezeichnet er den „philosophischen Versuch, die allgemeine Weltgeschichte nach einem Plan der Natur … zu bearbeiten“ als möglich, ja er denkt sogar an eine große Geschichtserzählung – er nennt diese ausdrücklich einen „Roman“ -, die abgefasst werden solle, um zu zeigen, „wie der Weltlauf gehen müßte“. Schließlich verweist er beispielhaft auf die griechische Geschichte, „wodurch uns jede andere ältere oder gleichzeitige aufbehalten worden, wenigstens beglaubigt werden muß“ und – aus seiner Sicht zu erwarten – auf den Staatskörper des römischen Volkes. (Bd. 9, 45 bzw. 47f.)26

Eine konkrete Einbeziehung altorientalischer, insbesondere altägyptischer Geschichte wäre für ihn indiskutabel gewesen, da ihm keine authentischen Quellen dafür zur Verfügung standen. – Ähnlich mögen übrigens die Beweggründe für den berühmten Historiker Jacob Burckhardt gewesen sein, der in seiner Vorlesung Weltgeschichtliche Betrachtungen um 1870 ausführte: „Aufs schmerzlichste ist die Unmöglichkeit einer geistigen Entwicklungsgeschichte Ägyptens zu beklagen, die man höchstens in hypothetischer Form, etwa als Roman, geben könnte“.27

Sehr wohl bewusst war Kant, dass eine dezidierte Abhandlung über historische Epochen oder einzelne Kulturen nicht seine Sache war. Seine Idee zu einer allgemeinen Geschichte schließt mit der Bemerkung: „Daß ich mit dieser Idee einer Weltgeschichte … die Bearbeitung der eigentlichen bloß empirisch abgefaßten Historie verdrängen wollte: wäre Mißdeutung meiner Absicht; es ist nur ein Gedanke von dem, was ein philosophischer Kopf (der übrigens sehr geschichtskundig sein müßte) noch aus einem anderen Standpunkte versuchen könnte“(Bd. 9, 49f.).28 Lediglich im Rahmen seiner Kritik der ästhetischen Urteilskraft geht er kurz auf die Pyramiden ein, um die „ästhetische Größensetzung“ zu erklären: „daß man den Pyramiden nicht sehr nahe kommen, eben so wenig als zu weit davon entfernt sein müsse, um die ganze Rührung von ihrer Größe zu bekommen“.29

25 Generell zu Kants

Geschichtsphilosophie: Rohbeck (2020), 87–101; zur Allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht: Angehrn, 77–86; Kühn (2003), 331ff.; s. vor allem die vorzügliche detaillierte Analyse in Miklós, 35–90.

26 Vgl. auch Kant in Mutmaßlicher Anfang der Menschengeschichte = Bd. 9, 85: „Allein, eine Geschichte ganz und gar aus Mutmaßungen entstehen zu lassen, scheint nicht viel besser, als den Entwurf zu einem Roman zu machen“. Zum Historiker als Romanschriftsteller nach Schiller s. Prüfer, 36–45. S. auch Miklós, 87: „Nicht das Verhältnis zur Fiktion, sondern die Annahme einer „Naturabsicht“ könnte den Philosophen von seinen Schriftstellerkollegen unterscheiden …“.

27 Burckhardt, 37.

28 S. dazu auch Rohbeck (2020), 89.

29 Im Rahmen der Kritik der Urteilskraft; Bd. 8, 338.

Als besonders wichtige Beiträge Kants zum geschichtsphilosophischen Diskurs dürfen zwei seiner Schriften gelten. Sein Mutmaßlicher Anfang der Menschengeschichte (1786)30 legt in für ihn untypisch beschwingtem Tonfall eine Art Epochengliederung der frühesten Stadien menschlicher Gesellschaften dar. „Eben darum, und da ich hier eine bloße Lustreise wage, darf ich mir wohl die Gunst versprechen, daß es mir erlaubt sei, mich einer heiligen Urkunde dazu als Karte zu bedienen (gemeint ist das Buch Genesis), und mir zugleich einzubilden, als ob mein Zug, den ich auf den Flügeln der Einbildungskraft, obgleich nicht ohne einen durch Vernunft an Erfahrung geknüpften Leitfaden, tue, gerade dieselbe Linie treffe, die jene historisch vorgezeichnete enthält“ (Bd. 9, 85f.). Den Menschen sieht er generell als Geschöpf des Übergangs „aus dem Gängelwagen des Instinkts zur Leitung der Vernunft“ (ebd., 92), das, gleichsam changierend zwischen den Sphären der Natur und der Kultur, erst allmählich seinen Daseinsgrund als „Zweck der Natur“ in eigener Verantwortung entdeckt.

Vor allem aber muss hier seine Anthropologie in pragmatischer Hinsicht angesprochen werden, die er erst 1798 niederschrieb, nachdem er etwa 30 Jahre lang darüber gelesen hatte.31 Dabei unterscheidet er zwischen einer physiologischen Anthropologie, „die auf die Erforschung dessen geht, was die Natur aus dem Menschen macht“, und einer pragmatischen, die auf das geht, „was er, als freihandelndes Wesen, aus sich selber macht, oder machen kann und soll“ (Bd. 10, 399). Bezeichnend für Kant ist dabei jedoch seine bereits in der Vorrede ausgesprochene Klarstellung: „Die Generalkenntnis geht hierin immer vor der Lokalkenntnis voraus; wenn jene durch Philosophie geordnet und geleitet werden soll: ohne welche alles erworbene Erkenntnis nichts als fragmentarisches Herumtappen und keine Wissenschaft abgeben kann“ (ebd., 400). – Erstaunlich allerdings ist sein Zugeständnis an die anzuwendenden „Mittel der Erweiterung der Anthropologie“, zu denen auch das Reisen zähle; „sei es auch nur das Lesen der Reisebeschreibungen“. Ansonsten erörtert Kant die Anthropologie „nur als eine eigene philosophische Disziplin“32, wobei er der Reihe nach das Erkenntnisvermögen (Vorstellungen, innere und äußere Sinne), die Gefühle der Lust und Unlust und das Begehren thematisiert, um abschließend eine „anthropologische Charakteristik“ getrennt nach Person, Geschlecht, Volk, Rasse und Gattung vorzunehmen. Schlussendlich sei mit

30 Dazu: Gerhardt (2011); Rohbeck (2020), 93f.; für Konersmann „auch ein Essay über Rousseau“ (ders. (2008), 101 (73)).

31 Dazu Kühn (2003), 555f. (63). S. auch Kants eigene Anmerkung: „zwei auf Weltkenntnis abzweckende Vorlesungen“, in: Bd. 10, 402.

32 Pleger, 230.

dem Menschen als Gattung „nicht zu prahlen“, wobei allerdings eher Torheit als Bosheit als hervorstechender Charakterzug zu nennen wäre (Bd. 10, 688).

In der 2008 publizierten Ergänzungsschrift zu seiner Dissertation Wahnsinn und Gesellschaft (Folie et déraison; 1961) nimmt Michel Foucault eine Einführung in Kants Anthropologie vor, die er 1959/60 in Hamburg erarbeitet hatte. Darin deutet er die Archäologie des Begriffs „Anthropologie“ an, für ihn eine eigene wissenschaftliche Disziplin, die noch „zu Beginn des 18. Jahrhunderts an ein Ensemble präziser wissenschaftlicher Schwierigkeiten gebunden war“. Und er verweist auf „ein ganzes Netz von empirischen Kenntnissen, die am Ende des 18. Jahrhunderts den Bereich der Anthropologie konstituieren.“33 Kant und seine methodologische Basisarbeit ruft er zur Unterstützung in seinem Kampf gegen den „anthropologischen Schlaf“ auf, in dem aus seiner Sicht die Geisteswissenschaften allzu lange verharrten.34 Kants Geschichtsphilosophie steht letztlich zwischen der Geschichtstheologie, die ein heilsgeschichtliches Konzept verfolgte, und einer säkularisierten Weltgeschichte.35 Hegel, darin Herder ähnlich, wollte es nicht bei Kants generell anthropischem Standpunkt belassen.36 Er rügte die Kantische Philosophie als ein „Polster für die Trägheit des Denkens, (das) sich damit begnügt, dass bereits alles bewiesen und abgetan sei“.37

3 Friedrich Schiller

Seine vielzitierte Antrittsvorlesung in Jena hielt Friedrich Schiller im Jahr 1789 –wobei es um eine Professur für Philosophie ging. Daher standen auch methodologische Fragen um Geschichts- und Philosophieverständnis im Zentrum. Außerdem ging es ihm um eine Abgrenzung zum Geschichtsverständnis Kants, „auch er ein Philosoph, der in historischen Gefilden wilderte“.38 Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte? lautete der Titel.39 Er

33 Foucault (2010), 105f. Zu Kants Kulturkritik s. Scharfe, 31–40 („Kultur als Selbstschöpfungsgeschichte des Menschen“). Zu Foucaults Kant-Rezeption s. auch Lang, 365.

34 Dazu s. Tanner, „Foucaults Kritik am ‚anthropologischen Schlaf‘“, in: ders., 49–52.

35 S.  dazu Pleger, „Das Ziel der Weltgeschichte (Kant)“, in: ders., 116–123, der Kants Konzeption zwischen denen von Leipniz und Hegel einordnet.

36 Dazu Welsch (2012), 18.

37 Hegel. Bd. 5, 299.

38 Seeba, 133.

39 Zu Schillers Geschichtsbild generell: Safranski (2004), Kap. 15 (speziell zur Antrittsvorlesung: 306–316); Alt. Bd. 1, Kap. 5.1 (zur Vorlesung: 604–613); die Beiträge in: Dann/ Oellers/ Osterkamp; Prüfer, vor allem 36–45 („Der Beruf des Historikers“) und 156–182

spricht sich vehement für ein philosophisch fundiertes Historikerethos aus, das er vom ungeliebten „Brotgelehrten“ nicht eingehalten sieht, denn „wo der Brotgelehrte trennt, vereinigt der philosophische Geist“ (Bd. 7, 2647). Vor allem zur richtigen Einordnung ungewohnter Begebenheiten braucht es den „philosophischen Kopf“. Denn „was erzählen uns die Reisebeschreiber nun von diesen Wilden?“ (ebd., 2649) Schiller fordert einen „gerechten Beurteiler“, um auch fremde Verhaltensweisen verstehen zu können, wie sie sich bei Völkern finden, die „ohne das Eisen, ohne den Pflug, einige sogar ohne den Besitz des Feuers“ sind. Nicht zuletzt religiöse Gebräuche „dort vor einem lächerlichen Fetisch und hier vor einem grauenvollen Scheusal“ rufen nach Deutung. –Wobei er, quasi en passant, eine Erklärung gibt, die die bekannte Definition des Religionssoziologen Emile Durkheim vorwegzunehmen scheint: „In seinen Göttern malt sich der Mensch“.40 – Schiller verlangt eine „Universalgeschichte“, die Auskunft über den Fortschritt in der Entwicklung des Menschen gibt. Er schwärmt von einem „weltbürgerlichen Band“, das zu weiteren Hoffnungen berechtige. In der Religion möchte er „den veredelnden Einfluß der bessern Philosophie“ nachweisen, und bei aller „Mannigfaltigkeit in Gebräuchen, Verfassungen und Sitten“ in verschiedenen Zeiträumen sieht er „das kostbare Vorrecht (des Menschen), über seine Fähigkeit frei zu gebieten und dem Ruf seines Genius zu folgen“. Die Gegenwart ist für ihn „das Resultat vielleicht aller vorhergegangenen Weltbegebenheiten“ (Bd. 7, 2652),41 wobei er sich offenbar vor allem an Herders Geschichtsbild orientiert.42 Die Universalgeschichte allein ist in der Lage, die Fragen nach dem woher und wohin zu beantworten: „Unsere rauhen Vorfahren in den thüringischen Wäldern mußten der Übermacht der Franken unterliegen, um ihren Glauben anzunehmen … Die Hierarchie mußte in einem Gregor und Innozenz alle ihre Greuel auf das Menschengeschlecht ausleeren, damit das überhandnehmende Sittenverderbnis und des geistlichen Despotismus schreiender Skandal einen unerschrockenen Augustinermönch auffordern konnte, das Zeichen zum Abfall zu geben …“ Es ist geradezu

(„Die Anthropologie der Geschichte“); Seeba, Kap. 4 („Geschichte als tragische Analysis“) mit einer detaillierten literaturgeschichtlichen Einordnung der Rede, Angaben zu „Ideengebern“ sowie einem Abschnitt zur Rezeptionsgeschichte.

40 Ebd.; vgl. Durkheim: Die elementaren Formen des religiösen Lebens: s. ders., 568: „So bilden sich sekundäre heilige Wesen. Jedes Individuum hat die seinen, die nach seinem Bild gemacht, die an sein intimes Leben gebunden, die mit seinem Schicksal verbunden sind“.

41 Zu Schillers Fortschrittsdenken s. Prüfer, 183–241, bes. 219–223 („Die Gesellschaften der Menschheit“). In seiner Schrift Etwas über die erste Menschengesellschaft nach dem Leitfaden der mosaischen Urkunde weist Schiller den Fortschritt geradezu als Motor der Geschichte aus: „Der Fortschritt der Kultur äußerte sich schon bei der ersten Generation“ (Schiller. Bd. 7, 2664).

42 Dazu s. Otto (1995).

die Aufgabe des philosophischen Historikers, vorhandene Daten sinnvoll zu ergänzen und zu einem sinnreichen Konstrukt zu formen: „So würde denn unsere Weltgeschichte nie etwas anderes als ein Aggregat von Bruchstücken werden und nie den Namen einer Wissenschaft verdienen. Jetzt also kommt ihr der philosophische Verstand zu Hülfe, und indem er diese Bruchstücke durch künstliche Bindungsglieder verkettet, erhebt er das Aggregat zum System, zu einem vernunftmäßig zusammenhängenden Ganzen“ (Bd. 7, 2656).43 Wichtig ist dabei aber auch der Gegenwartsbezug der Geschichtsbetrachtung, die eben keine pure Artisterei sein darf: „Aus der ganzen Summe dieser Begebenheiten hebt der Universalhistoriker diejenigen heraus, welche auf die heutige Gestalt der Welt und den Zustand der jetzt lebenden Generation einen wesentlichen, unwidersprechlichen und leicht zu verfolgenden Einfluß gehabt haben“ (ebd., 2655). Diese konstruktivistische Sicht auf die Herstellung von Geschichte und die somit legitimierte Vorgehensweise einer literarisch orientierten Geschichtsschreibung hat selbstredend für lebhafte Ablehnung aus der Fachhistorikerzunft gesorgt, andererseits aber auch die Einstellung zur Geschichte in der Romantik wesentlich mitbestimmt.44

Schiller schrieb 1790 einen Aufsatz mit dem Titel Die Sendung Moses. Darin geht es ihm vor allem um das Verhältnis zwischen Religion und Aufklärung. Er transponiert seine Idee von der „mosaischen Religion“ um die „Lehre von dem einigen Gott“ in die zu seiner Zeit unerreichbare Welt Altägyptens und weist sie dort als arkanes Geheimwissen der Mysterien aus (Bd. 7, 2672 – 2690).45 Da „es einem gebornen Aegypter an der nötigen Aufforderung fehlte, an dem Nationalinteresse für die Hebräer, um sich zu ihrem Erretter aufzuwerfen“, musste Schiller Moses in die Schule der ägyptischen Priester schicken. Er moniert die „schlechte Politik der Aegypter“, die einem Despoten unterstehen, verweist aber auf den „Genuß ägyptischer Weisheit“. Und so sei Moses „von den ägyptischen Priestern in der Philosophie der Symbole und Hieroglyphen, wie auch in den Geheimnissen der heiligen Tiere eingeweiht worden.“ Zwar ging „die Gottesverehrung der ältesten Völker, wie bekannt ist, sehr bald in

43 Zu Schillers Gebrauch der Begriffe „Aggregat“ und „System“ s. Prüfer, 290–297.

44 Dazu s. Seeba, 141–158. („So zielte Schillers Beitrag zur Ästhetisierung historischen Denkens auf die Selbstreflexion der Historiker und ihre dadurch verbesserte Einsicht in die Aktualität der Geschichte“ (158)).

45 Dazu s. Safranski (2004), 323–326 („Das ist die ästhetische Religion Friedrich Schillers“); laut Safranski hat Schiller „selbst daran mitgewirkt, daß in den neunziger Jahren Ägypten und seine alten Mysterien zum Modethema wurden“ (ebd., 324); Alt. Bd. 1, 614–618 (Alt betont, dass Schillers Vorstellungen über Altägypten „durch die Ägyptologie des 19. Jahrhunderts widerlegt worden“ seien); Assmann (1998), 186–205 (Assmann ordnet Schillers Schrift ideengeschichtlich ein).

Vielgötterei und Aberglauben über“, aber „da Aegypten der erste cultivierte Staat war, den die Geschichte kennt, und die ältesten Mysterien sich ursprünglich aus Aegypten herschreiben, so war es auch aller Wahrscheinlichkeit nach hier, wo die erste Idee von der Einheit des höchsten Wesens zuerst in einem menschlichen Gehirne vorgestellt wurde.“ Diese „neue gefährliche Wahrheit“ musste allerdings vor der „tollen Menge“ geschützt werden. – Womit Schiller auf die Vorstellung von einer Philosophia perennis anspielt, also einer über Kulturen und Zeiten hinweg reichenden „ewigen Erkenntnis“, die Privileg weniger Eingeweihter ist.46 – Zur Vermittlung dieser besonderen Wahrheiten „wählte man die Hieroglyphen, eine sprechende Bilderschrift, die einen allgemeinen Begriff in einer Zusammenstellung sinnlicher Zeichen verbarg und auf einigen willkürlichen Regeln beruhte, worüber man übereingekommen war“ (Bd. 7, 2679). Damit griff Schiller die Hieroglyphen-Theorien der Renaissance auf, der die Bilderzeichen als erst noch zu entziffernde Symbolschrift galten, hinter der sich für Eingeweihte ein konkreter Sinn verberge.47 Er zeigt also durchaus Interesse an einigen Aspekten der ägyptischen Kultur. Aber für ihn selbst blieben die Hieroglyphen natürlich stumm. Anders natürlich die Lage für die Eingeweihten – und damit auch für Moses: „Diese Zeremonien, mit jenen geheimnisvollen Bildern und Hieroglyphen verbunden, und die verborgenen Wahrheiten, welche in diesen Hieroglyphen versteckt lagen und durch jene Gebräuche vorbereitet wurden, wurden zusammengenommen unter dem Namen der Mysterien begriffen. Sie hatten ihren Sitz in den Tempeln der Isis und des Serapis und waren das Vorbild, wonach in der Folge die Mysterien in Eleusis und Samothracien, und in neuern Zeiten der Orden der Freimaurer sich gebildet hat.“ Zu sprechen kommt er hier auch auf eine „Pyramide zu Sais“, womit allerdings ein Standbild gemeint ist. Die geschichtsmächtige Weisheit des Moses stammt also demnach aus Ägypten und fügt sich in ein stimmiges Konzept der geschichtlichen Entwicklung ein. Dabei zeigt sich Schiller durchaus von einigen Elementen ägyptischer Kultur fasziniert. So erwähnt er ein weiteres Mal explizit das ihm rätselhafte Schriftsystem: „In den ägyptischen Mysterien stieß man ferner auf gewisse hieroglyphische Götterbilder, die aus mehreren Tiergestalten zusammengesetzt waren. Das bekannte Sphinx ist von dieser Art.“ Das Symbol schlechthin für die ägyptische Denkweise war auch für ihn also schon das (!) Sphinx – er verwendet tatsächlich,

46 S. Schmidt-Biggemann; Assmann (2010) formuliert daraus die Religio duplex, die zweigleisige Religionstradition. Zu Schillers Moses-Schrift s. dort 138–142.

47 S. Wind, 236–240. „Wenn man nicht weiß, was eine Hieroglyphe bedeutet, kann man auch nicht sehen, was sie sagt“. Intuitives Begreifen ist abhängig von diskursivem Wissen.

durch das männliche Antlitz verunsichert, den unbestimmten Artikel!48 Dank des Mysterienwissens „aus seiner Priesterschule zu Heliopolis lenkte ein kleiner Priesterorden Millionen roher Menschen nach seinem Gefallen.“ Und genau diese Techniken nutzt nun der eingeweihte Moses, um das israelitische Volk aus Ägypten zu führen. Denn „als ein Priester und Staatsmann weiß er, daß die stärkste und unentbehrlichste Stütze aller Verfassung Religion ist; er muß also den Gott, den er ihnen anfänglich nur zur Befreiung aus Ägypten, als einen bloßen Feldherrn, gegeben hat, auch bei der bevorstehenden Gesetzgebung brauchen; er muß ihn also auch gleich so ankündigen, wie er ihn nachher gebrauchen will.“

4 Friedrich von Hardenberg (Novalis)

Im Herbst 1799 schrieb Novalis seinen Aufsatz Die Christenheit oder Europa nieder, in dem er „zum ersten Mal öffentlich in deutscher Sprache von der Vision einer europäischen Gemeinschaft kündete“.49 Darin spricht er von der „Einen Christenheit“, dem „menschlich gestalteten Welttheil“, dem „großen gemeinschaftlichen Interesse“.50 Gerade erst war Napoleon von seinem Ägyptenfeldzug zurückgekehrt, der nicht nur der militärischen Eroberung des Orients dienen sollte. Ein Stück Orient sollte „durch einen Akt intellektueller Besitzergreifung unterworfen werden“.51 Aus den hinterlassenen Fragmenten Novalis’ ist zu schließen, dass er auch ein „episches Gedicht“ über diese französische Expedition nach Ägypten geplant hatte.52 Zur Ausführung kam es nicht mehr.

Eine andere Auseinandersetzung mit Altägypten findet sich in seinem „Naturroman“ Die Lehrlinge zu Sais (1798).53 Darin bezieht Novalis sich auf die neben dem Ägypten gewidmeten Zweiten Buch der Historien des Herodot vielleicht wirkmächtigste Schrift der Antike über das Alte Ägypten Plutarchs Über Isis und Osiris. Das in diesem Text erwähnte Standbild der Athena-Isis mit der Inschrift „Ich bin alles, was war und ist und sein wird, und mein Gewand

48 Auch Lessing spekuliert über das Geschlecht der Sphinx (in: Handschriftliche Anmerkungen zu Winckelmanns Geschichte der Kunst des Altertums; Lessing. Bd. VI , 664).

49 G. Schulz (2011), 136 (s. Kap. VII : „An die Geschichte verweise ich euch“).

50 Novalis. Bd. 2, 732.

51 G. Schulz (2011), 138.

52 Novalis. Bd. 2, 785. Kommentar in Bd. 3, 624.

53 Novalis. Bd. 1, 199–236; s. dazu Novalis. Bd. 3, 104–119 (Kommentar); G. Schulz (2011), 120–126. Schulz spricht von einem „Gedankenspiel“ in Anlehnung an Schillers Gedicht Das verschleierte Bild zu Sais.

Other documents randomly have different content

Gorromalt stood, listening intently.

“By the living God,” he exclaimed suddenly, his eyes like a goaded bull’s—“I know that horse. Only one horse runs like that at the gallop. ’Tis the grey stallion I sold three months ago to the man at Drumdoon—ay, ay, for the son of the man at Drumdoon! A horse to ride for the shooting—a good horse for the hills—that was what he wanted! Ay, ay, by God, a horse for the son of the man at Drumdoon! It’s the grey stallion: no other horse in the Straths runs like that—d’ye hear? d’ye hear? Elspeth, woman, is there hearing upon you for that? Hey, tlot-a-tlot,tlot-a-tlot,tlot-tlot-tlot-tlot,tlot-atlot, tlot-tlot-tlot! I tell you, woman, it’s the grey stallion I sold to Drumdoon: it’s that and no other! Ay, by the Sorrow, it’s Drumdoon’s son that will be riding here!”

By this time the horse was close by. We heard his hoofs clang above the flagstones round the well at the side of the house. Then there was a noise as of scattered stones, and a long scraping sound: then silence.

Gorromalt turned and put his hand to the door. There was murder in his eyes, for all the smile, a grim terrible smile, that had come to his lips.

Aunt Elspeth rose and ran to him, holding him back. The door shook. Rory the hound tore at the splinters at the base of the door, his fell again bristling, his snarling savagery horrible to hear. The pine-logs had fallen into a smouldering ash. The room was full of gloom, though the red sullen eye of the peat-glow stared through the obscurity.

“Don’t be opening the door! Don’t be opening the door!” she cried, in a thin screaming voice.

“What for no, woman? Let me go! Hell upon this dog—out o’ the way, Rory—get back! Down wi’ ye!”

“No, no, Archibald! Wait! Wait!”

Then a strange thing happened.

Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.