MFK - Magazin für Kultur Ausgabe 01/2013 - Identität

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oder dem täglichen Durchleuchten des Rucksacks und der Handtasche vor der Metrofahrt, geschehen die meisten Kontrollen jedoch verdeckt und unbewusst. Genauso wie traditionelle Medien von der Regierung zensiert werden, werden auch neue Medien wie das Internet kritisch überwacht. Die meisten internationalen Internetseiten wie Facebook, Twitter oder YouTube werden in China zensiert und von der Propaganda-Abteilung der regiereden Kommunistischen Partei gesperrt. Sogar das Abrufen von Emails wird hier zum täglichen Glücksspiel.

Zurück in der Heimat... Frische Luft. Ruhe. Gute Gerüche. Nach diesen Dingen habe ich mich neben meiner Familie und Freunden am meisten gesehnt. Fünf Monate durfte ich in der Großstadtmetropole Shanghai als Teil meines Masterprogramms „Media and Communication Management“ der Universität Salzburg verbringen. Fünf Monate lang habe ich versucht, aus diesem geheimnisvollen Riesen China schlau zu werden und seine Kultur zu erfassen. Nach fünf Monaten habe ich gemerkt, dass diese Zeit lange nicht genügt.

32 | Zwischen kommunismus und Alltag

Städte mit täglich neuem Gesicht

ich eine chinesische Reisetruppe in Salzburg sehe, die in ihrer typisch chinesischen Art nicht davon lassen können, laut zu sein und einfach „chinesisch“ zu sein.

Shanghai ist eine Stadt, die nach außen hin mit ihrem Kernstück Pudong in Modernität und Futuristik zu glänzen scheint. Lebt man jedoch einmal dort, bekommt man ein völlig anderes Bild von der Stadt. Die Shanghaier selbst wissen nicht, was sie mit dem modernen Finanzviertel Pudong anfangen sollen. Ein Gebäude, das aussieht wie ein überdimensionaler Flaschenöffner, umringt von mindestens genauso abstrakt aussehenden Hochhäusern, drängt sich in die bedeutende Hafenstadt. Kai Strittmatter hat in einem seiner Chinaführer ganz richtig erwähnt: „Städte Chinas löschen sich aus, um sich neu zu erfinden“. Das kann ich nach meinem Aufenthalt dort nur bestätigen. In China weiß man nie, ob der Straßenladen von nebenan am nächsten Tag noch einmal seine Pforten öffnen wird oder nicht. Die Chinesen sind Weltmeister im Bauen. Wenn der nette kleine Kiosk von nebenan da einmal nicht in die Baupläne passt, wird er einfach abgerissen und die Eigentümer „zwangsumgesiedelt“. Wenn nicht gerade zusammen gearbeitet oder geruht wird, wird gegessen. Die kollektive Lieblingsbeschäftigung aller Chinesen schlechthin. Und gegessen wird nach fest geregelten Zeitpunkten: Um 12 Uhr und um 18 Uhr. Da wird erst einmal alles stehen und liegen gelassen und China isst. Ich selbst ertappte mich zu Hause des Öfteren wie ich um Punkt 12 Uhr das Essen richtete – natürlich mit Stäbchen, denn die gehören nun zu meiner Küchengrundausstattung. Im Großen und Ganzen ist es mir jedoch nicht schwer gefallen, mich wieder an unsere westliche Lebensweise anzupassen. Ich freue mich nun aber viel mehr über die sauberen Straßen und genieße es, wieder jeden verstehen zu können. Und doch treibt es mir immer ein Schmunzeln ins Gesicht, wenn

Was ich aus China gelernt habe? Ich habe acht verschiedene Provinzen während meines Studienaufenthalts besucht. Tage und Tage verbrachte ich damit, mich über verschiedenste kulturelle Phänomene der Chinesen zu wundern. Ich wunderte mich über die Lautstärke des Volkes, die Tischmanieren, ihr grenzenloses Rudelverhalten oder ihre fast übertrieben scheinende Freundlichkeit. Ich wunderte mich, obwohl ich wusste, was auf mich zukommen wird. In dieser Kultur dann aber wirklich zu leben, kann man nur schwer in Worte fassen. Für mich ist China immer noch ein Land, das mit seiner über 5000 Jahre alten Kultur viele Geheimnisse zu bieten hat und von dem ich noch nicht genug erfahren hab. Mein Auslandssemester dort war nur ein Anfang einer länger andauernden Entdeckungsreise …

Gestaltung: Philipp Zacharias

Sabrina Glas

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