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Bis(s) zum Glück

Mundraum

Speiseröhre Milz Leber

Magen

Gallenblase Zwölffingerdarm

Dünndarm

Blinddarm

Wurmfortsatz

Bauchspeicheldrüse

Dickdarm

Mastdarm

Eine spannende Reise auf unserem Nahrungsweg

Man isst nicht nur mit dem Mund, sondern auch mit den Augen, mit der Nase – im Grunde mit allen Sinnen. Ein schön angerichtetes Essen kann begeistern, der Geschmack im Mund wahre Genussmomente und im Gehirn Glücksgefühle auslösen. Was jedoch weiter im Körper mit unserer Nahrung passiert, will man normalerweise nicht unbedingt im Detail thematisieren. Dr. med. Mag. phil. Richard Kogelnig, stellvertretender medizinischer Leiter im Park Igls, Mayr-Arzt und Allgemeinmediziner, gelingt es im Interview, den faszinierenden Weg der Nahrung in Körper und Geist auf anschauliche Weise nachzuzeichnen. Warum ist es für uns wichtig, zu wissen, was mit der Nahrung im Mund und danach passiert? Kogelnig: Die Nahrungsaufnahme hat mehrere bedeutende Komponenten: Aus biologischer Sicht geht es um Energiezufuhr und Aufnahme essenzieller Bestandteile, die für den Stoffwechsel, die Zell- und Organregeneration des menschlichen Organismus lebensnotwendig sind.

Zudem hat die Ernährung eine ästhetische, psychosoziale und emotionale Seite. Eine optisch schön aufbereitete Mahlzeit bereitet Freude und die hinzukommende olfaktorisch – also den Geruchssinn – stimulierende Komponente wirkt anregend und fördert die Produktion von Verdauungssäften, bevor überhaupt ein Bissen eingenommen wird. Weiters ist die psychosoziale Seite der Nahrungsaufnahme von eminenter ganzheitlicher Bedeutung. Denn nimmt man das Essen in angenehmer Gesellschaft ein – oder bereitet es auch gemeinsam zu –, fördert das das Gemeinschaftsgefühl und die Verbundenheit und führt so schließlich zu einem Gefühl des Wohlbefindens.

SCHULE DES KAUENS – BISS ZUM GLÜCK

Bereits vor mehr als hundert Jahren hat Dr. F. X. Mayr der Schulung des Kauaktes eine besondere, zentrale Stellung beigemessen. Das Kauverhalten spielt eine wesentliche Rolle bei der Behandlung von Verdauungsstörungen und der damit in Verbindung stehenden Folgen für den gesamten menschlichen Organismus. Die Empfehlung, an der man sich orientieren kann, lautet: Jeder Bissen sollte 20–30 Mal gekaut werden. Das verbessert die Verdauung enorm und fördert zudem den Sättigungsreflex. Wer gut kaut, isst nicht zu viel und bewahrt den Verdauungstrakt und damit den gesamten Stoffwechsel vor Überlastung.

Welche Bedeutung kommt dem »richtigen« Kauen zu? Kogelnig: Der Mund ist ein komplexes System, das sich aus verschiedenen Organen bzw. Teilen zusammensetzt: Da sind zum einen die Lippen mit hochsensiblen Temperatur- und Berührungsrezeptoren – also Empfängern von Signalen – zur Beurteilung der physikalischen Eigenschaften der Nahrung wie heiß, kalt, rau, stachelig etc. Zum anderen spielen die Zähne eine bedeutsame Rolle, vor allem beim Zerkleinern der Nahrung. Je besser gekaut wird, desto größer ist die Oberfläche der Nahrungsbestandteile, was das Andocken von Verdauungsenzymen erleichtert und die Aufschlüsselung der Nahrung beschleunigt. Das Kauen fördert die Verdauung, ganz nach dem Motto: »Gut gekaut ist halb verdaut!«

Langes und intensives Kauen ist jedoch nicht nur für den Genuss, sondern auch für den überaus wichtigen Sättigungsreflex von Bedeutung. Er schützt vor einer Überfüllung des Magens und deren Folgen wie Aufstoßen, Reflux, Sodbrennen, Blähungen, diversen weiteren Problemen des Verdauungstraktes und Übergewicht. Welche Funktion hat dabei der Speichel? Kogelnig: Das Kauen regt die Ohrspeicheldrüsen zur Absonderung von mit Enzymen angereichertem Sekret an. So beginnt bereits in der Mundhöhle die Verdauung von Kohlenhydraten, die von den Geschmacksrezeptoren z. B. mit der Qualität »süß« wahrgenommen werden. Die Zungengrundspeicheldrüsen produzieren weiters ein Sekret, das den aufbereiteten Bissen für den Schluckakt schlüpfrig und gleitfähig macht, damit er sicher und ohne Probleme durch die Speiseröhre in den Magen gelangt.

Können Sie den Weg, den ein Bissen in unserem Körper zurücklegt, kurz beschreiben? Kogelnig: Ist der Bissen nach dem Schluckakt über die Speiseröhre im Magen angelangt, beginnt dort unter Einwirkung von Salzsäure und dem eiweißspaltenden Enzym Pepsin die Eiweiß-Verdauung. Die Magensäure bildet darüber hinaus eine wichtige Barriere gegen krankmachende Keime und Viren. Deshalb ist die Langzeitgabe von Säureblockern eine Gefahr für unsere Gesundheit und steigert das Infektionsrisiko.

In kleinen Portionen wird der Nahrungsbrei durch rhythmische Bewegungen über den sogenannten Pförtner, einen Schließmuskel am Magenausgang, in den Zwölffingerdarm und weiter in den Dünndarm abgegeben. Dort findet die eigentliche Aufspaltung des Nahrungsbreis statt. Durch Zugabe von Enzymen aus der Bauchspeicheldrüse, die Eiweiße, Fette und Kohlenhydrate aufspalten, werden sämtliche Nahrungsmittel in kleinste Bestandteile zerlegt, die von der Darmschleimhaut mit einer Oberfläche von 400 bis 500 m² resorbiert werden. Anschließend werden diese Bestandteile über das Gefäßsystem in die Leber – die chemische Fabrik des menschlichen Körpers – transportiert.

Sie haben es bereits angesprochen: Bei der Verdauung laufen nicht nur mechanische Prozesse im Körper ab, sondern auch sehr komplexe chemische. Inwiefern kann man durch die Auswahl der Speisen diese Prozesse positiv beeinflussen? Kogelnig: Für die Fettverdauung ist die Galle notwendig, die von der Leber auch zur Entgiftung des Organismus hergestellt wird. Zusätzlich werden über die Nahrung vom Darm lebensnotwendige Vitamine und Spurenelemente aufgenommen, die für die vielschichtigen Aufgaben der verschiedenen Organsysteme von enormer Bedeutung sind.

Eine Überlastung dieses komplexen RegelkreisSystems durch Völlerei, zu viel Rohkost – vor allem abends – und übermäßigen Alkoholkonsum, aber auch Medikamente wie zum Beispiel Schmerzmittel löst entzündliche Prozesse im Darm aus, die in der Folge Auswirkungen auf alle Organsysteme haben können. Hier greift die Mayr-Medizin ein: Sie führt über Diät und die Änderung von ungesunden Verhaltensweisen zur Genesung und Regeneration des kranken Darms und des gesamten Organismus.

Welche »Stationen« bei der Verdauung sind besonders störanfällig oder führen zu Problemen? Kogelnig: Am Übergang vom Dünndarm zum Dickdarm, der durch die Ileozökalklappe markiert wird, kommt es zu einem exponentiellen Anstieg von Keimen, der sogenannten Mikroflora, die für weitere Stoffwechselprozesse und für das Immunsystem von großer Bedeutung ist. Dieses Mikrobiom kann durch Medikamente, insbesondere durch Antibiotika, schwer in Mitleidenschaft gezogen werden, sodass die Sanierung nicht selten bis zu einem Jahr dauert.

Ein weiterer interessanter Aspekt dazu: Im Dickdarm wird der Großteil des Wassers und der Mineralstoffe rückgewonnen, um den Körper vor Austrocknung und Mineralstoffverlusten zu schützen.

Warum funktioniert das Verdauungssystem auch bei Menschen noch, denen z. B. die Gallenblase oder ein Teil des Magens operativ entfernt wurde? Kogelnig: Patienten, die aufgrund einer Operation ihren Magen oder ihre Gallenblase verloren haben, müssen ihre Ernährungsgewohnheiten in der Regel einschneidend umstellen. Man kann zwar ohne Magen und Gallenblase leben, aber nur mit entsprechender Ernährungsumstellung und Verhaltensänderung. In solchen Fällen ist die Moderne MayrMedizin – wie bereits oben erwähnt – besonders hilfreich. Diagnostik und Therapie sind die Basis für Prävention und Behandlung von Erkrankungen, insbesondere von Zivilisationskrankheiten.

EIN SENSIBLES HOCHLEISTUNGSORGAN

Neben der Zerkleinerung des Bissens kontrolliert die Zunge über die Geschmacksrezeptoren in Verbindung mit dem Geruchssinn die Qualität der aufgenommenen Nahrung und hilft bei der Entscheidung, ob diese weiterverwertet oder – weil Gefahr im Verzug ist – ausgespuckt wird. Weiters wird mithilfe der Zunge der Bissen schluckgerecht geformt und über einen höchst komplexen koordinativen Akt – damit wir uns nicht verschlucken – sicher in die Speiseröhre befördert.

Nicht unerwähnt sollte auch bleiben, dass die Zunge für die Laut- und Sprachbildung von herausragender Bedeutung und für diese Leistung über die sogenannten Hirnnerven eng mit dem Gehirn verbunden ist.

Dr. med. Mag. phil. Richard Kogelnig

Arzt für Allgemeinmedizin und Psychologe, Mayr-Arzt, stv. medizinischer Leiter