04 Das Handbuch - für eine widerständige Praxis

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vom Kredit, übt hier einen Zwang aus: Soll die kapitalistische Produktion im selben Maße wie bisher aufrecht erhalten werden und sogar für Wachstum sorgen, so bleibt den Staaten keine andere Wahl als zur „Rettung der Banken“ beizutragen. Nur so können die Kreditketten aufrecht erhalten und folglich die jeweilige nationale Ökonomie gestützt werden. Gleichzeitig werden die Staaten dabei selbst zum größten Kredit-Abhängigen. „Nach der Krise“ braucht es wieder Wachstum, denn der Zins will bezahlt werden. Anders ausgedrückt: Die Gewinnerwartungen (Spekulationen) sollen sich erfüllen. Kredit-Raten müssen bezahlt werden – und dies gilt auch für den Staat –, die Erwartungen der Anleger und Gläubiger müssen irgendwie erfüllt werden, denn davon hängt alles ab. Falls dies nicht gelingt, „fliehen“ die Investor_innen und noch mehr Kapital wird vernichtet. Die Unternehmen gehen pleite. Aber auch Staaten können auf diese Weise zahlungsunfähig werden. Solange jedoch „alle“ erwarten, dass schon irgendwie Wachstum eintreten wird, solange also die Erwartungshaltung konserviert werden kann, funktioniert das Ganze – jedenfalls bis zu nächsten Krise. Leidtragende sind nicht die ominösen Steuerzahler_innen, sondern Lohnarbeiter_innen, Erwerbslose, Rentner_innen etc. Das sind alle, die auch ohne Krise den Zumutungen des Kapitals ausgesetzt sind und für die eine solche Krise existenzbedrohend ist. Gleiches gilt für die Länder des Globalen Südens, in denen das massenhafte Hungern und andere Grausamkeiten sich in Krisenzeiten nochmals steigern. So ist die Krise nicht etwa eine Art Ausrutscher oder Überteibung, sondern zugespitzte und verstärkte Normalität.

Zusammenfassung 1. Durch die Macht des Privateigentums sind sämtliche materiellen Bedürfnisse erst einmal und ganz grundsätzlich von den Mitteln zu ihrer Befriedigung ausgeschlossen. Was immer jemand genießen möchte oder gar zum nackten Überleben braucht, muss getauscht werden, indem der Preis der Ware mit Geld bezahlt wird. Der Tausch – „Ich gebe dir, wenn du gibst mir“ – findet immer in der Form einer (gewaltfreien) Erpressung statt. 95


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