Marburger Magazin Express 13/2021

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65 Prozent der Jugendlichen gaben während des zweiten Lockdowns im November an, dass ihre Sorgen eher nicht oder gar nicht gehört werden. Foto: Sasin Tipchai auf Pixabay

Einsamkeit und Zukunftsängste 12.500 Jugendliche bei Studie „Jugend und Corona“ befragt

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unge Menschen sind in der Corona-Pandemie von psychischen Problemen, Vereinsamung und Zukunftsängsten betroffen. Das gilt besonders für diejenigen mit finanziellen Sorgen. Das geht aus der „Jugend und Corona“-Studie (JuCo) der Universitäten Hildesheim und Frankfurt hervor, für die im Frühjahr und im Herbst 2020 rund 12.500 Jugendliche befragt wurden. Die vergangene Woche veröffentlichten Studienergebnisse zeigen, dass die Corona-Pandemie junge Menschen zwischen 15 und 30 Jahren in Deutschland vor große Probleme stellt. 60,7 Prozent von ihnen geben danach an, sich teilweise oder dauerhaft einsam zu fühlen und 64 Prozent stimmen zum Teil oder voll zu, psychisch belastet zu sein. 68 Prozent geben an, von Zukunftsängsten betroffen zu sein. Zudem gibt mehr als ein Drittel der Jugendlichen (33,8 Prozent) an, finanzielle Sorgen zu haben. Vor der Corona-Pandemie lag ihr Anteil noch bei etwa einem Viertel. Unter den jungen Menschen mit Geldsorgen äußern deutlich mehr, dass sie Zukunftsängste haben. Auch fühlen sie sich häufiger psychisch belastet und einsam als andere junge Menschen.

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65 Prozent der befragten jungen Menschen gaben während des zweiten Lockdowns im November 2020 an, dass ihre Sorgen eher nicht oder gar nicht gehört werden. Das ist ein deutlicher Anstieg im Vergleich zur Befragung vom April und Mai 2020, bei der 45 Prozent diesen Eindruck äußerten. 58 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass die Situation Jugendlicher und junger Erwachsener den Politikern nicht wichtig sei. 57,5 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass junge Menschen ihre Ideen in die Politik nicht einbringen können. Dabei sind junge Menschen gerade jetzt besonders auf politische Entscheidungen angewiesen, die ihren Bedarfslagen während der Pandemie Rechnung tragen: „Es ist davon auszugehen, dass die Jugend- und die Kommunalpolitik noch nie so unmittelbar und direkt auf den Jugendalltag eingewirkt hat wie jetzt. So macht es einen großen, direkt spürbaren Unterschied für das Wohlbefinden der jungen Menschen, ob neben der Schule Infrastrukturen in Kommunen verlässlich unter den vereinbarten Pandemie-Bedingungen geöffnet sind und weiterhin Angebote für junge Menschen

vorgehalten werden oder nicht. Die Entwicklungs- und Bewältigungsaufgaben von jungen Menschen können während der Pandemie nicht einfach ins Private verlagert werden. Die Rechte junger Menschen auf Beteiligung gelten auch in Krisenzeiten und lassen sich nicht aussetzen", sagt Dr. Severine Thomas, Jugendforscherin der Universität Hildesheim. „Die Ergebnisse der in zwei Wellen durchgeführten Untersuchung bestätigen viele Vermutungen“, sagt Miriam Zeleke, Beauftragte für Kinder- und Jugendrechte der hessischen Landesregierung. Die Lebenssituationen von Jugendlichen unterschieden sich in der Pandemie stark. „Es ist unsere Aufgabe als Erwachsene, Kinder und Jugendliche nicht nur so zu beteiligen, wie wir es kennen und für richtig halten, sondern sie auch als Expertinnen und Experten ihrer eigenen Lebenswelt zu sehen. Wir können die Jüngeren nicht auf ihre Welt von morgen vorbereiten, wenn wir ihnen nicht fragend und wertschätzend begegnen“, so Zeleke. Die Pandemie enge nach Erkenntnissen der Studie auch die Mitgestaltungsmöglichkeiten und die privaten Lebensräume junger

Menschen stark ein. Was Kindern und Jugendlichen in der Pandemie laut der Studie verlorengehe, sei autonomer Raum: Orte, die junge Menschen sich für gewöhnlich selbst aneignen – etwa eine Parkbank, der Platz hinter dem Rathaus oder eine Ecke auf dem Pausenhof. „Das sind genau die Orte, die Ausdruck der Sichtbarkeit, der Teilhabe und des Mitgestaltens sind. Um die sehr unterschiedlichen Bedarfe von Kindern und Jugendlichen zu ermitteln, reicht es nicht, sie in Erwachsenenformate zu pressen. Für eine gelingende Kommunikation zwischen den Generationen sind wir Erwachsene verantwortlich“, unterstreicht Zeleke. pe/kro

Studie „Jugend und Corona“ Für die Studie haben die Forscher im April und Mai 2020 insgesamt 5.520 Jugendliche sowie im November 7000 Jugendliche befragt. Durchgeführt wurden die beiden Jugendbefragungen durch den Forschungsverbund „Kindheit – Jugend – Familie in der CoronaZeit“ der Universität Hildesheim und der Universität Frankfurt, der erste Teil der Befragung wurde in Zusammenarbeit mit der Universität Bielefeld ausgewertet.


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