Marburger Magazin Express 50/2011

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Defizite statt Fähigkeiten Schwierige Jobsuche: Studie über die Probleme sehbehinderter und mehrfach behinderter Menschen auf dem Arbeitsmarkt

Schülerin in der Blindenstudienanstalt: Arbeitgeber und Beratungskräfte betonen oft eher die Defizite statt der Fähigkeiten und herausragenden Leistungen von behinderter Hochschulabsolventen Foto: Deutsche Blindenstudienanstalt

ie ist ganz neu auf dem Markt, die Studie „Berufliche Partizipation blinder, sehbehinderter und mehrfach behinderter Hochschulabsolventen in Deutschland“, herausgegeben von der Hochschule der Bundesagentur für Arbeit. Der Autor ist der Marburger Dr. Heinz Willi Bach, selbst betroffen von Sehbehinderung. Er hat die Studie in den letzten zwei Jahren vorwiegend in der Marburger Arbeitsagentur erarbeitet. Der Wirtschaftswissenschaftler Bach war zuletzt tätig am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung und an der Hochschule der Bundesagentur für Arbeit. Ausgangspunkt der Studie war, dass für Menschen mit schwerwiegender und auffälliger Behinderung oft große Probleme bei der Arbeitsuche bestehen. Welchen Zugang zum Arbeitsmarkt haben blinde, (hochgradig) sehbehinderte und mehrfach behinderte Arbeitsuchende? Wie nehmen behinderte Menschen ihre Situation selbst wahr und wie stellt sie sich aus der Sicht der Berater dar? Welche Wirkungen erzeugen Beratungsgespräche ? Wovon hängt der Erfolg der Beratung behinderter Menschen ab?

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Welche Erfahrungen machen schwer behinderte Menschen bei der Arbeitsuche? Um diese Fragen geht es in der wissenschaftlichen Studie. Ihr Wert liegt ganz maßgeblich darin, dass die Akteure selbst zu Wort kommen und ihre Beobachtungen systematisch zueinander in Beziehung gesetzt werden. Die Studie gibt durch die Erkenntnis- und Verwertbarkeitstiefe der erhobenen Daten (trotz fehlender Repräsentativität) ein sehr differenzier-

Heinz Willi Bach 61, hat in der Deutschen Blindenstudienanstalt (blista) das Abitur abgelegt, in Marburg und Speyer studiert ist Volkswirt und Dozent an der BA-Hochschule für Arbeitsmarktmanagement in Mannheim. Insgesamt seit 30 Jahren ist Bach im Hause BA tätig, davon knapp 10 Jahre lang (1979 – 1987) als Berufsberater für Abiturienten und Hochschüler in der Marburger Arbeitsagentur. Seine Forschungsschwerpunkte an der BA-Hochschule für Arbeitsmarktmanagement sind u.a.

tes Bild der Arbeitssuche blinder und sehbehinderter Akademiker. Ergebnisse: Auch wenn der Hochschulstudiengang erfolgreich abgeschlossen worden ist, betonen oftmals Arbeitgeber und auch Beratungskräfte eher behinderungsbedingte Defizite statt der Fähigkeiten und herausragenden Leistungen, ohne die die behinderten Bewerber ihr Hochschulstudium nicht erfolgreich hätten abschließen können. Beratungsgespräche erzeugen umso mehr Wirkung, je mehr der Berater seinem Kunden zutraut. Es gibt einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem, was die Berater und Arbeitsvermittler bei ihren Kunden „für möglich halten“ und der Motivationswirkung bei dem behinderten Menschen als Beratungspartner Die Beratung blinder, sehbehinderter und mehrfach behinderter Arbeitsuchender verlangt neben gutem Einfühlungsvermögen detaillierte Fachkenntnisse und Erfahrung bezüglich der spezifischen Behinderungsarten sowie differenzierte Kenntnis über Bildungssystem und in Frage kommende Arbeitsmärkte Spezielle Vermittlungsdienste bei der BA, zum Beispiel die ZAV (Zentrale Auslands- und Fachvermittlung) können die Belange der behinderten Kunden systemati-

Arbeitsmarkt und Beschäftigung, Wirtschafts- und Sozialpolitik. Zudem hat Bach vor 15 Jahren wesentlich dazu beigetragen, den Behindertenbeirat in Marburg (basierend auf der hessischen Gemeindeordnung) ins Leben zu rufen, der Magistrat und Stadtverordnetenversammlung über Interessen behinderter Menschen informiert. Bach ist berufen worden in den Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesarbeitsministerium und wirkt mit bei der Neugestaltung des Behindertenberichts der Bundesregierung.

scher reflektieren und tragen ganz deutlich zum Beratungs- und Vermittlungserfolg bei Je stärker die Sehschädigung ausgeprägt ist, umso stärker wird von Beraterseite die Behinderung als Problem bei der Vermittlung einer passenden Arbeitsstelle gesehen Bach zieht aus der Studie ein Fazit mit Blick auf die Notwendigkeiten in Bezug auf Beratung und Vermittlung von sehgeschädigten Personen: „Der Übergang vom Bildungsbereich in das Beschäftigungssystem ist oft eine sehr problematische Situation für Menschen mit Behinderung. Umso wichtiger ist es, dass ihre Berater und Arbeitsvermittler ihnen Mut machen im Sinne von Empowerment. Ich habe die Hoffnung, dass auch die demographische Entwicklung zu besseren Chancen von Menschen mit Behinderungen auf dem Arbeitsmarkt beiträgt.“ pe/kro

Wer sich für die Studie interessiert, bekommt nähere Infos beim Autor selbst: http://drbach.wordpress.com/bei trage/ oderbeim Herausgeber der Studie: http://www.hdba.de/forschung/p ublikationen/berichte/

Studien-Autor Heinz Willi Bach


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