Niederösterreicherin oktober klein

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Historikerin Julia Walleczek-Fritz vom wissenschaftlichen Team

B. von Suttner: Grande Dame der Friedensbewegung stirbt im Juni 1914.

Lieben und Leben IM KRIEG

„Jubel & Elend. Leben mit dem Großen Krieg 1914–1918“: Die bisher umfassendste Ausstellung über den Ersten Weltkrieg in Österreich beleuchtet die Rolle der Frau, räumt mit Mythen auf und regt zum Diskutieren an. Denn Tabus gibt es noch immer.

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rauriger könnte eine Liebesgeschichte gar nicht ihren Anfang nehmen. Karl und Johann hatten als Matrosen auf der SMS Elisabeth gedient, einem Schiff der k. u. k. Kriegsmarine. Am 22. Juli 1914 wurde das Schiff nach Tsingtau (China), dem deutschen Marinestützpunkt, verlegt. Gnadenlose Seegefechte folgten, die SMS Elisabeth verbrauchte ihre gesamte Munition; am 2. November erging der Befehl zur Selbstversenkung. Johann starb, Karl kam in japanische Kriegsgefangenschaft. Ebendort erreichten ihn die Zeilen von Anna, Johanns Schwester. Die trauernde Schwester hatte sich an Johanns Kameraden gewandt,

weil sie wissen wollte, wo ihr Bruder begraben wurde. Karl wollte ihr bei der Suche helfen. Zwischen den beiden entwickelte sich ein reger Briefwechsel – über die Kriegsgefangenschaft hinaus. Sie verliebten sich. Mehr noch: Als Karl schließlich 1919 aus der Gefangenschaft heimkehrte, gaben er und seine Anna einander das Jawort. Ihre Briefe und Fotos erzählen heute die traurig-schöne Liebesgeschichte auf der Schallaburg. Dank einer privaten Leihgeberin aus Niederösterreich. Dank der bisher umfassendsten Ausstellung zum Ersten Weltkrieg in Österreich seit 1918. „Jubel & Elend. Leben mit dem Großen Krieg 1914–1918“ beleuchtet das Thema mit rund 1000 Objekten, von 140 natio-

nalen und internationalen Leihgebern, auf 1300 Quadratmetern. 130 Briefe Lange schien es, als existierten Frauen in der Erinnerung an den Krieg nicht. Vor allem Heldendenkmäler prägten das Bild im öffentlichen Raum. Die Schau auf der Schallaburg fokussiert auch die Zivilgesellschaft im Krieg – etwa durch zahlreiche persönliche Schicksale – und im Speziellen auch die Rolle der Frau. 15 Zeitzeugen und ihre Geschichten begleiten den Besucher durch die Ausstellung, darunter auch eine Krankenschwester und zwei Schülerinnen. Hinterland und Front waren trotz eingeschränkter Kommunikationsmöglich-

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