Letztens fragte mich ein älterer Herr beim Bäcker, ob ich denn „schon vergeben“ sei. Ich lächelte höflich, wollte gerade antworten – und verlor mich dann kurz in der Frage: An wen genau? An einen Mann? Eine Frau? An die Freiheit? An mich selbst? Und überhaupt – warum klingt „vergeben“ eigentlich wie ein Urteil?
NICOLE SCHLAFFER
Chefredakteurin
BURGENLÄNDERIN
„Liebe schert sich nicht um Erwartungen, sondern wächst, wo Platz ist.“
Ungeplant. In dieser Ausgabe feiern wir die Vielfalt der Liebe – nicht als Regenbogen-Revolte, sondern als Einladung, die Schubladen endlich auszumisten. Warum? Weil echte Geschichten immer komplexer sind als Etiketten. Tom Neuwirth alias Conchita Wurst zum Beispiel weiß, wie man Grenzen kunstvoll sprengt – und dabei ganz bei sich bleibt. Zwei Männer erzählen uns, wie sie von der klassischen Vater-Mutter- KinderErzählung in eine neue, ungeplant stimmige Version von Familie fanden. Und ein Paar, das nach drei Jahrzehnten Beziehung plötzlich ein neues Pronomen mit am Tisch hat, zeigt uns, dass auch die Liebe fluide sein kann, wenn man ihr Raum lässt.
Wild. Wer glaubt, das sei „too much“, dem sei gesagt: Gesellschaft ist kein stilles Wasser, sondern ein sprudelnder, oft chaotischer Quell. Und Liebe ist ihr wildestes Element. Sie schert sich nicht um Erwartungen, sondern wächst, wo sie Platz bekommt – in Herzen, die mutig genug sind, sich selbst neu zu denken. Denn vielleicht beginnt Vielfalt genau dort, wo wir aufhören zu kategorisieren – und anfangen zuzuhören.
In diesem Sinne: Willkommen in einem Magazin, das sich nicht nur für das Sichtbare interessiert, sondern für das, was zwischen den Zeilen tanzt.
Druckerei Ferdinand Berger & Söhne GmbH, Wiener Straße 80, 3580 Horn
VERTRIEB
Presse Großvertrieb Austria Trunk GmbH, 5412 Puch/Salzburg
Die Juli/August-Ausgabe erscheint am 4.7.2025 www.dieburgenlaenderin.at
Die Informationen zur O enlegung gemäß § 25 des Mediengesetzes können abgerufen werden unter www.dieburgenlaenderin.at
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GESUNDHEITS FASTEN urlaub Unsere Angebote
REDAKTION: Yvonne Hölzl
FOTOS: Hersteller, Alex Schindler
Gute-Laune-Designs, knallige
Farben und fröhliche Prints – so lieben wir den Sommer! Und noch mehr mit diesen Style-Favoriten für ein gelungenes Dopamine Dressing.
SummerFAVS
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MENSCHEN
BURGENLÄNDERIN GEWINNT DEUTSCHEN AWARD
Raffaela Hofmann schafft Räume, in denen Menschen Geld neu begreifen.
Die Bildungsinitiative POGEBIX wurde mit dem ESG Transformationsaward für ihren innovativen Zugang zur Finanzbildung ausgezeichnet. Die Gründer*innen Raffaela Hofmann und Friedhelm Boschert zeigen, wie Geld zur Gestaltung einer regenerativen Welt beitragen kann – und warum das bisher kaum gelehrt wird. Hofmann, Bankerin und Mental Health Coach, betont: „Wir vermitteln ein falsches Bild von Wirtschaft und fördern Ohnmacht statt Bewusstsein.“ Mit POGEBIX schaffen sie Lernräume, in denen Kinder, Jugendliche und Erwachsene ein neues, achtsames Verhältnis zu Geld entwickeln. Im Mai erscheint ihr Buch „Positives Geld für eine regenerative Welt“ (Haufe Verlag) – ein Plädoyer für Geld als Hebel für Wandel. www.pogebix.com
BART BEAUTY
AND THE
Weltstar, Kunstfigur, queeres Rolemodel – und trotzdem jemand, der sich lieber zu viel als zu wenig hinterfragt. Wir besuchten
Tom Neuwirth ohne Conchita Wurst und haben gestaunt: Hinter der glamourösen Fassade steckt ein tief reflektierter Mensch mit Humor, Haltung und Hang zum Spiegel.
Tom Neuwirth (c) Lukas Feix / WURSTTV. com | weikmi |
Das Setting ist fast klischeehaft charmant: ein cooles Studio in Wien, gleichzeitig Toms Büro, mit Blick auf Outfits, Bühnenbilder und jede Menge Persönlichkeit. Wir sitzen zu zweit in einem Raum, der als Gemeinschafts- und Meetingraum dient, lachen viel, reden noch mehr. Keine PR-Sperren, kein Star-Gehabe – eher wie ein Gespräch unter alten Bekannten, das so offenherzig und vertrauensvoll ist, dass man fast vergisst, dass einem eigentlich ein internationaler Star gegenübersitzt. Einer, der gerade erstmals die Theaterbühne als „Luziwuzi – Ich bin die Kaiserin“ erobert und immer wieder neue kreative Wege sucht. Dabei schreckt Tom Neuwirth trotzdem nicht davor zurück, über Selbstzweifel, Eitelkeit und Patriarchatsfrust zu sprechen. Willkommen im Kosmos von Tom und Conchita.
Tom, du bist Sänger, Entertainer, Moderator, Model, hast gerade dein Theaterdebüt gegeben – was kannst du eigentlich nicht?
Tom Neuwirth: Fußball spielen. (lacht) Und ich mein das ernst – das interessiert mich auch null. Aber danke für das liebe Kompliment. Ich habe oft das Gefühl, ich kann von allem ein bisschen, aber nichts so richtig. Ich kann mich gut in Szene setzen, das weiß ich. Und ich liebe das Showbusiness – aber wenn ich mit Leuten arbeite, die z. B. Schauspiel studiert haben, denke ich mir oft: „Oida, was erlaub ich mir eigentlich?!“ Diese Selbstzweifel sind leider Dauergäste.
Aber auf der Bühne scheinst du absolut sicher.
Total. Da bin ich „locked in“. Sobald das rote Licht angeht oder ich auf die Bühne muss, ist alles andere weg. Ich liebe dieses Gefühl. Ich weiß, was ich tue – da kenn ich mich aus.
Wie gehst du mit Kritik um – gerade im Social-Media-Zeitalter?
Kommt drauf an, von wem sie kommt. Wenn ich selber weiß, dass etwas nicht gut war, dann trifft mich Kritik mehr. Aber grundsätzlich bin ich da sehr bei meiner Oma: „Es is lieb, dass du a Meinung über mi host – aber i hab eh scho meine eigene.“ (lacht) Kommentare lese ich kaum, und wenn, dann von Menschen, die mir wirklich folgen und mir nicht einfach irgendwas hinhauen wollen.
Wir alle sind mehr als nur Mann oder Frau, wir sind in jeder Situation anders.
Tom Neuwirth
Wie ist eigentlich Conchita entstanden?
2011, bei einer Burlesque-Revue. Ich war der Host, hatte Bart, wollte den nicht rasieren. Eine Freundin meinte: „Lass ihn stehen!“ Ich hab’s gemacht – der Rest ist Geschichte. Es war nie geplant, dass das so groß wird.
Wenn du heute Videos von Starmania 2006 siehst, als deine Karriere begann: Was denkst du?
Ich schau irre nervös aus, aber innerlich hab ich damals gedacht: „Jetzt räum ich alles ab.“ (lacht) Spannend, wie verzerrt die Eigenwahrnehmung sein kann.
Der Songcontest-Sieg 2014 war ein Durchbruch über Nacht. Was hat sich für dich verändert?
Alles – und doch nicht alles. Ich war Öffentlichkeit gewohnt, aber es war mein Kindheitstraum: vor vielen Menschen singen. Nach dem Sieg war ich extrem diszipliniert, bin kaum feiern gegangen, war fast jeden Tag in einem anderen Land. Ich bin sehr fokussiert, wenn ich etwas wirklich will.
Arbeit und Privatleben trennst du aber nicht streng, oder?
Gar nicht. Mein bester Freund Martin ist auch mein kreativer Partner bei unserem gemeinsamen Projekt „Frau Thomas und Herr Martin“, wo wir mit einer Mischung aus Musik und Kabarett auf der Bühne stehen. Auch mein restliches Team – wir fahren gemeinsam auf Urlaub, verbringen wahnsinnig viel Zeit miteinander. Es ist ein großes Geschenk, mit Menschen zu arbeiten, die ich gern habe. Wie würden dich deine Freund*innen beschreiben?
• „LUZIWUZI – Ich bin die Kaiserin“, diverse Termine, Rabenhof Theater, Wien
• „FRAU THOMAS & HERR MARTIN“, ab September in Wien und Deutschland
Wahrscheinlich: loyal, gechillt, lustig. Und man muss mir alles aus der Nase ziehen – ich rede nicht ständig über mich, auch wenn man das bei meinem Job denken würde. (lacht)
Erkennst du eigentlich, wenn dich Leute auf der Straße anstarren?
Sofort. Ich hab da einen Röntgenblick. Und ich bin heute viel entspannter. Früher wär ich nicht mal ungeschminkt zur Probe gegangen – der Mythos, wie Conchita „wirklich“ aussieht, hat mich da blockiert. Heute denk ich mir: Foto? Na sicher. Alles gut.
Du sprichst auch oft über die Privilegien von Männern – würdest du dich als Feminist bezeichnen?
Natürlich. Ich finde, jeder Mann sollte das sein. Klar, ich bin schwul, also kein hetero Cis-Mann, aber trotzdem hab ich als Mann Privilegien. Es ist unsere Verantwortung, das zu checken. Das Patriarchat ist zum Kotzen, und es hilft, wenn wir o en drüber reden. Ohne Vorwurf – einfach mal hinsehen.
Wie erklärst du dir, dass Männer oft in dieser bequemen Opferrolle landen?
Weil sie’s nicht gewohnt sind, hinterfragt zu werden. Und es ist auch leicht für Männer, über den Gesellschaftsdruck, den Frauen spüren, zu sagen: „Stellt euch nicht so an, lasst euch halt einfach nicht bewerten.“ Sie verstehen das nicht. Wie auch? Bis vor Kurzem hatten weiße heterosexuelle Cis-Männer nicht viele Konsequenzen zu erwarten auf allen Ebenen. Es wird betrogen, egoistisch und machtversessen gehandelt, es gibt noch immer Kavaliersdelikte. Das System funktionierte viele Jahrhunderte so. Und jetzt plötzlich werden Männer verlassen, weil die wirtschaftli-
che Notwendigkeit einer Beziehung nicht mehr derart gegeben ist wie früher, plötzlich werden sie bewertet – und dann heißt’s: „Warum bashen alle die armen Männer?“ Maybe it’s you!
Du bist sehr politisch, aber nie belehrend. Wie wählst du deine Themen?
Ich konzentriere mich auf das, was ich lebe: Queerness, Vielfalt, Sichtbarkeit. Und ich will immer, dass die Leute eine gute Zeit haben. Liebe ist stärker als Hass – und Humor hilft. Ich hab eine extreme Gaudi dabei, das ist mein Weg.
Wie bist du aufgewachsen –deine Eltern hatten bis vor Kurzem ja ein Gasthaus im Salzkammergut. Warst du ein klassisches Wirtshauskind?
Nein, ich fühlte mich dort nicht besonders wohl. Ich wurde ständig von allen beobachtet und es wurde gerätselt, ob ich ein Bub oder ein Mädchen bin und warum ich so komisch herumlaufe. Dieses Gefühl, dass alle auf mich schauen und urteilen, das steckt tief. Heute weiß ich, wie sehr mich das geprägt hat.
Hier geht‘s zum Wordrap-Video
FACTS
THOMAS „TOM“ NEUWIRTH
• geb. am 6. November 1988 in Gmunden (OÖ)
• mit 4 Jahren zog er mit seinen Eltern nach Bad Mitterndorf
• Helga und Siegfried Neuwirth führten dort bis zur Pensionierung vor Kurzem ein Gasthaus
• 2006 nahm er an der Casting-Show Starmania teil und wurde Zweitplatzierter
• 2011 erschuf er die Kunstfigur Conchita Wurst
• 2014 gewann Conchita den Eurovision Songcontest
• 2015: erstes Album „Conchita“
• 2018: zweites Album „From Vienna with Love“, aufgenommen mit den Wiener Symphonikern
• 2019: drittes Album „T.O.M. – Truth Over Magnitude“
• seither ist Tom Neuwirth bekannt als Entertainer im TV, durch seinen eigenen Streaming-Kanal wursttv.com, mit der Formation „Frau Thomas und Herr Martin“ und spielte 2025 sein Theaterdebüt
Wann wusstest du, dass du homosexu ell bist?
Lange bevor ich ein Wort dafür kannte. Als Kind merkt man, dass man anders ist – und irgendwann erkennt man: „Ah, dafür gibt’s ein Label.“ Aber es geht nicht um Labels. Wir alle sind mehr als nur Mann oder Frau, wir sind in so vielen Situationen unterschiedlich. Heute haben Kinder und Jugendliche viel leichteren Zugang zu all diesem Wissen. Dass manche damit überfordert sind, dass sie mehr als Mann oder Frau sein können, verstehe ich. Freedom is scary, nicht jeder kann damit umgehen. Aber das macht nichts, du darfst ruhig ein paar Jährchen brauchen, um das herauszufinden. Das Patriarchat will es einfacher haben, aber die Realität ist komplex. Und das ist doch geil, oder?
Was ist für dich Schönheit?
Du wirkst sehr reflektiert – hast du viel an dir gearbeitet?
Oh ja. Ich hab so viel gelesen, so viel hinterfragt. Ich finde die Psyche der Menschen extrem spannend. Wenn wir uns das Weltgeschehen anschauen, denke ich mir, so richtig reich zu sein, ist für einen Menschen nicht gesund. Die verlieren den Bezug zur Realität. Ich hab meinen Traum mit dem Songcontest relativ früh erfüllt. Danach war die Frage: Und jetzt? Worauf arbeite ich jetzt noch hin? Da gehört viel Hinterfragen dazu. Ego beiseite, Trigger anschauen. Ich habe nie gute Erfahrungen damit gemacht, mein Ego zu groß werden zu lassen.
Wenn du jungen, queeren Menschen etwas mitgeben könntest …
Confidence. Wenn jemand im Reinen mit sich ist. Ich kann schiach sein – und wunderschön. Wie wir alle. Ein guter Freund sagte mir einmal, er findet es oag, dass ich hier ungewaschen und ungeduscht vor ihm sitze und drei Tage später auf der Bühne nicht wiederzuerkennen bin. (lacht)
Und was würdest du an dir ändern, wenn du könntest?
Gerade nix. Vielleicht irgendwann mal, wenn mich was stört. Dann bin ich halt auch mal sechs Wochen in Nizza und schlürfe mit Sonnenbrille und Kopftuch Cocktails, während ich mich von einer Schönheits-OP erhole (lacht) – why not?
Seid, wie ihr seid. Sucht euch Menschen, die euch lieben. Wenn’s die leibliche Familie nicht ist, dann findet eure „Chosen Family“. Und wenn ihr euch allein fühlt – beschäftigt euch mit euch selbst. Es wird besser.
Wenn du auf deine Laufbahn am Ende deines Lebens zurückblickst, was wäre dir wichtig, was über dich gesagt werden soll?
Ich finde es jetzt schon oag, dass „Rise like a Phoenix“ in einem Schulbuch steht. Ich werde immer ein Teil der queeren Geschichte dieses Planeten sein – und durch den Songcontest-Sieg auch der österreichischen Geschichte. Das ist crazy!
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CR Nicole Schlaffer mit Tom Neuwirth alias Conchita Wurst
DIGITAL
OBFRAUEN DES MONATS
MAMA&
MEHR
Sonja Exel hat sieben leibliche und zwei Pflegekinder – und sie bringt als Obfrau des Pflege- und Adoptivelternvereins Menschen zusammen, die einander guttun, verstehen und unterstützen.
REDAKTION: Viktória Kery-Erdélyi | FOTOS: privat
Menschen waren sie zuletzt unterm Christbaum in Grafenschachen. Wie so eine Großfamilie verköstigt wird?
„Ich koche!“, lacht Sonja Exel. „Es fällt mir leicht, für viele zu kochen – ich hab’ eher ein Problem, wenn wir mal nur zu dritt sind, da ist mir die Zeit zu schade in der Küche.“
Die 59-Jährige ist nämlich nicht nur Obfrau des Pflege- und Adoptivelternvereins Burgenland, sie hat selbst eine ziemlich große Familie: sieben leibliche Kinder – plus Partner*innen –, zwei Pflegekinder und 16 Enkelkinder. Hinzu kommt, dass sie – seit ihre Kinder nacheinander ausfliegen – Krisenmutter ist. Sie nimmt also im Auftrag der Kinder- und Jugendhilfe temporär Babys und Kinder bei sich auf, weil beispielsweise ihre Eltern in Notsituationen geraten. Das kann jeweils für einige Monate sein, bis die Kinder anschließend entweder zu ihren leiblichen oder zu Pflegefamilien kommen. An die 30 Kindern hat sie schon mit ihrem Mann Rudolf ein sicheres liebevolles Zu-
BERUFUNG GEFUNDEN.
„Von Kindern kommt immer viel zurück“, sagt Sonja Exel.
hause auf Zeit geschenkt. „Diese Aufgabe bedeutet mir viel, Kinder sollen am Anfang ihres Lebens nicht noch mehr traumatisiert werden, und es kommt von ihnen auch sehr viel zurück.“ – Woher sie die viele Energie nimmt? „Der Glaube ist in unserer Familie ein wichtiger Aspekt und bereichert unser Leben.“
Wolfgang Prenner, ehemaliger Obmann des Pflege- und Adoptivelternvereins, fragte Sonja Exel vor gut zehn Jahren also nicht ohne Grund, ob sie bereit wäre, das Zepter zu übernehmen: Die Frau kennt sich o enbar mit Kindern aus. „Mein Mann und ich wollten immer schon eine Großfamilie“, erzählt sie. Wären die Jobaussichten schon früher besser dafür gewesen, hätte sie den Beruf der Hebamme ergri en, verrät sie. Berufstätig war Sonja Exel parallel zu den Kindern schon, allerdings bemühte sie sich stets, von zu Hause arbeiten zu können, um nicht die ersten Jahre zu verpassen. Als die Familie noch in Wien wohnte – sie zog 2008 ins Burgenland –, war sie beispielsweise Messnerin und später selbstständige Möbelhändlerin. „Man muss nicht alles selber schaffen“ ist ihr Credo; als ihre Kinder klein
waren, hatte sie in Wien Unterstützung durch eine Familienhelferin
Dass sie nach sieben Schwangerschaften Pflegekind-Mutter wurde, daran ist sozusagen ihre Älteste „schuld“, erzählt sie schmunzelnd. „Ich hatte ihr versprochen, dass ich noch ein Baby kriege, wenn sie 15 ist – und dieses sollte nicht zu lange allein sein, so kam unser zweites Dauerpflegekind dazu.“
SCHNAPPSCHÜSSE
AUS DEM ALLTAG.
Sonja Exel und Ehemann Rudolf
Warum sie sich für Pflegekinder entschied, erklärt sie so: „Das liegt nicht nur daran, dass Adoptionen in Österreich mit hohen Hürden verbunden sind. Ich persönlich finde es gut, dass die Kinder Kontakt zu ihren Herkunftsfamilien haben können. Das ist bei einer Adoption nicht immer möglich. Kinder möch-
ten aber früher oder später wissen, woher sie kommen.“ Damit ein guter Kontakt zwischen den beiden Familien vorhanden ist, brauche es Zeit und Verständnis, „aber es hilft den Kindern sehr“, weiß sie. Im Team lassen sich Hürden leichter nehmen; der Erfahrungsaustausch ist einer der Kernpunkte des Pflege- und Adoptivelternvereins. „Wir bieten Supervisionsgruppen an, machen aber auch gemeinsame Ausflüge“, beschreibt Sonja Exel. „Das tut auch den Kindern gut, damit sie sehen, dass es viele Kinder wie sie gibt.“ Alle zwei Jahre organisiert der Verein ein großes Familienfest und in Kooperation mit dem Burgenländischen Bildungswerk werden laufend Fortbildungen angeboten. Der Verein will auch in schwierigen Situationen unterstützen oder wenn es gilt, Therapiemöglichkeiten für ein Kind zu scha en. Es gibt im Burgenland etwa 170 Pflegefamilien, rund ein Drittel sind Mitglieder des Vereins.
INFOS: pav-bgld. jimdofree.com Podcast-Tipp: Kreisrund mit Ecken.
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Ein bemerkenswerter Ort, zwei herausragende
Biografien: Zu Besuch bei Künstlerin Eva Schlegel und Architekt Carl Pruscha.
REDAKTION: Viktória Kery-Erdélyi
FOTOS: Barbara Amon, Eva Schlegel
ZWISCHEN Spiegeln
Ganesh ist zu beneiden. Die kleine Skulptur mit dem Elefantenkopf – eine Darstellung der hinduistischen Gottheit – thront auf einer Steinplatte und überblickt den herrlichen Garten mit mächtigen alten Bäumen und Neuankömmlingen, wie dem herzblättrigen Trompetenbaum an seiner Seite. Im Zentrum der grünen Oase befindet sich das Schloss. Es war kein Zufall, dass ihm der renommierte Architekt Carl Pruscha diesen Ehrenplatz zugedacht hatte: „Er ist der Gott der Künstler“, sagt der Professor und nimmt einen genussvollen Zug aus seiner Zigarre.
Es war in den 1970ern, als man ihm das Objekt zeigte. Er hatte zehn Jahre lang in den Himalayas gelebt und war UNO- und UNESCOBerater der nepalesischen Regierung
für Raumplanung. Als er Professor an der Akademie der bildenden Künste wurde, sehnte er sich nach einem schönen Ort nahe Wien, „da habe ich das Denkmalamt gefragt, wo es alte Bauten gibt, die ich renovieren könnte“. Die Liste, die er bekam, führte ihn nach Gattendorf, „das hier war eine einzige Ruine, abbruchreif“, zeigt er auf das Schloss. Trotzdem verliebte er sich in das Gebäude und den Garten, an dessen Ende sich die Leitha vorbeischlängelt. Viel Geld und jahrzehntelange Arbeit steckte er in sein „Haus in Lajtakatta“, wie er es nennt, die ungarische Ortsbezeichnung gefällt ihm besser.
Unweit von Ganesh lehnt ein riesiger kreisförmiger Spiegel, der diesen außergewöhnlichen Ort reflektiert, aber aus der Ferne fast wie ein magisches Tor in eine andere Welt
wirkt – die Installation verrät: Das bemerkenswerte Refugium trägt ebenso die Handschrift einer zweiten großen künstlerischen Persönlichkeit – die von Eva Schlegel.
Seit fast drei Jahrzehnten sind die beiden ein Paar; die Künstlerin und der Architekt stammen beide aus Tirol, sie lernten einander kennen, als er Rektor der Akademie der bildenden Künste war und sie dort als Professorin lehrte.
Die Biografien der beiden, ihre Arbeiten und Erfolge auf der ganzen Welt füllen Bücher; nicht ohne Grund richten wir nachfolgend den Fokus auf Eva Schlegel: Sie folgt der Einladung der Leiterin Birgit Sauer – die Landesgalerie widmet ihr ab Mittte Juni eine große Retrospektive. Kuratiert wird sie von Antonia Hoerschelmann von der Albertina. Die Künstlerin sprüht vor Vorfreude: „Mit diesen beiden Frauen zusammenzuarbeiten ist ein unglaublicher Glücksfall!“
Im Rückspiegel. Wenngleich ihre Eltern von der Idee entsetzt waren, war für Eva Schlegel schon sehr früh klar, welchen Weg sie einschlagen will. „Ich stamme aus einer intensiven Familie mit vier Kindern, bei uns war immer die Hölle los“, lacht sie. „Die Kunst war ein Rückzugsort. Das Schöne war für mich, wenn ich mich alleine in meinem Zimmer beschäftigt habe, da konnte ich alles vergessen.“ Gefördert hat sie zudem ihr Zeichenlehrer am Gymnasium und obwohl sie nicht um den Alltag einer Künstlerin wusste, „wollte ich unbedingt auf die Angewandte“. Ihr beunruhigter Vater, ein Bankdirektor, und ihre Mutter ließen sie ziehen, „aber ich war dann recht unglücklich in Wien. Man darf nicht vergessen: Das war Ende der 1970er, es gab den Eisernen Vorhang, Wien war sozusagen am Rande Europas.“ Gut fand ihr Vater, als sie daraufhin beschloss, mit einer Freundin ein halbes Jahr nach New York zu gehen. „Das war ein Eye-Opener. Allein in Manhattan gab es 90.000 Künst-
ler*innen mit dem Vorsatz: ‚I want to make it.‘ Es hat mich in meinem Weg bestärkt.“ Eva Schlegel kehrt nach Wien zurück und macht ihr Diplom; eine junge Off-Galerie lädt sie quasi vom Fleck weg ein, eine Ausstellung zu machen. Sie arbeitet im Keller der Angewandten und später in einer unvergesslichen Atelier-Gemeinschaft mit namhaften Kolleg*innen wie Erwin Wurm, Johanna Kandl oder Manfred Wakolbinger.
Neue Räume erschließen. Sie sucht stets neue Wege, liebt Experimente, zu denen sie mitunter auch etwa Physiker*innen oder Chemiker*innen hinzuzieht. Phasenweise Scheitern ist für Eva Schlegel Part of the Game, dass sie deswegen nicht Neues wagt, kam für sie nie infrage. Keine Arbeit war je umsonst, betont sie, gute Ideen finden oft später andere Ausdrucksmöglichkeiten. Das war von Beginn an so, Früchte eines solchen Prozesses waren etwa ihre aufwendigen Graphit-Arbeiten auf Gips, mit denen sie bereits in ihren 20ern große Erfolge in vielen Ländern der Welt feierte – und die nun auch in der Landesgalerie zu sehen sein werden. „Raum ist ein zentrales Thema für mich“, erklärt sie. „Die Graphit-Bilder spiegeln, sind aber verschlossen; die schwarzen Spuren darauf sind vertieft – wie Verletzungen, die auf einen Raum dahinter deuten.“
„Es gibt keine Frauen.“ Besonders spannend sind Eva Schlegels „Unscharfe Frauen“, eine Bildserie, mit der sie eine bis heute leidenschaftlich geführte, wichtige Diskussion vor mehr als 20 Jahren mitanstieß. Dafür fotografierte sie „dünne, scheinbar perfekte Frauen“ in Modezeitschriften bewusst so unscharf ab, dass Details wie ihr Gesichtsausdruck nicht mehr erkennbar waren, und produzierte mit diesen Motiven überlebensgroße gerahmte Fotos. „Was übrig bleibt, ist ein ganz anderes Bild, wo nur noch Pose und Körperspannung abzulesen sind.