ARCHITEKTUR
ARCHITEKTUR
— Dem Pumpenhaus der Jahrhunderthalle hat das Büro Böll eine Hülle aus Blech geschneidert. Im kleinen Bild Heinrich Böll (li.) mit Bürokollegen Achim Pfeiffer.
Pionier der Industriekultur
Böll baut um Man kann wohl sagen, dass das Essener Architekturbüro Heinrich Böll Spuren hinterlassen hat im Ruhrgebiet – ja dass es die Region, wie wir sie heute kennen, mitgeprägt hat. Man muss allerdings etwas genauer hinschauen, wenn man diese Spuren verfolgt, denn Böll und seine Mitarbeiter sind nicht von der Sorte, die architektonische Ausrufezeichen platzieren. Bescheidenheit ist Programm.
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Ruhr Revue
Zwei Fragen hat Heinrich Böll früher immer wieder gehört. Erstens: „Sind Sie verwandt …?“ Die einfache Antwort darauf lautete: „Ja.“ Zweitens: „Was haben Sie denn jetzt an dem Gebäude überhaupt gemacht?“ Diese Frage – direkt gestellt oder durch die Blume – bezieht sich auf eine entscheidende Stärke des Architekturbüros Böll, das „Bauen im Bestand“. Bei solchen Arbeiten zeigt Böll so großen Respekt vor dem Vorhandenen, dass eben manche Leute nach Fertigstellung nicht recht begriffen, worin nun der Beitrag dieser Architekten lag. Heinrich Böll hat längst aufgehört, sich über solche Bemerkungen zu ärgern: „Heute empfinde ich sie als Kompliment.“
An seinem Privathaus kann man sehen, dass der Architekt Heinrich Böll sogar bei kompletten Neubauten Respekt vor Vorhandenem zeigt. Es handelt sich um ein ganz unauffälliges, weiß geklinkertes Ensemble aus drei dreigeschossigen Häusern, ganz nah an der Ruhr im Essener Stadtteil Werden. Ungewöhnlich ist die südliche, zum Garten hin orientierte Seitenfassade am linken Haus: Da wohnt Familie Böll. Als das Grundstück vor 20 Jahren erworben war, stand da schon eine mächtige Buche. Böll machte Pläne mit und ohne Baum. Die Entscheidung fiel für „mit“. Ergebnis: Die Unterkellerung bleibt ein ganzes Stück von der Außenfassade zurück, damit genug Platz für
die Baumwurzeln ist. Die gesamte, voll verglaste Fassade wiederum lehnt sich schräg nach hinten, um in den oberen Etagen Platz für die üppige Baumkrone zu lassen. Wie ein Mensch, der den Kopf in den Nacken legt, um den Baum zu bewundern. Oben auf dem Haus befindet sich ein Dachgarten und in dessen Mitte ein verglastes Studio, dessen gegenläufig schräges Pultdach wiederum an eine Schirmmütze denken lässt, mit welcher
der baumbewundernde Mensch seinen Blick gegen Sonnenblendung schützt. Im Inneren zeigt das Haus in zahlreichen Details, wie kreativ Böll die vergleichsweise geringe Grundfläche ausnutzte. Nach außen ist das einzig Auffällige der – man möchte fast sagen: architektonische Kniefall vor einem Baum. Man darf annehmen, dass niemand in Essen nach dem Pfingststurm 2014 froher aus dem Fenster guckte als die Bölls: Die Buche hat überlebt.
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