ARCHITEKTUR
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Freiherrlich Wohnen im Schloss – einst und jetzt
— Von der linken Seite her bewegt sich der Besucher zunächst auf das Schloss Hugenpoet zu. Hinter dem Tordurchgang geht es dann links rum.
Seit fast sechzig Jahren können Hotelgäste im Essener Schloss Hugenpoet fürstlich wohnen. Und das wird auch so bleiben. Obwohl: In Wahrheit wohnt man dort freiherrlich. Was womöglich noch verlockender klingt. Die Geschichte des Schlosses wird den Gästen vielleicht künftig noch etwas präsenter sein als bisher, da der freiherrliche Eigentümer jetzt auch Betreiber des Hotels und mithin Gastgeber ist.
Noble Limousinen und schnelle Coupés sind ein gängiger Anblick vor dem Schloss. Man darf annehmen, dass auch Maximilian Freiherr von Fürstenberg Entsprechendes aus seinem Fuhrpark hätte wählen können. Doch der Baron – so die gängige französische Bezeichnung für Freiherrn – fährt zum Gespräch mit der RUHR REVUE in einem recht betagten Kombi-Mercedes vor, passendes Gefährt für jemanden, der einen großen Teil seiner Arbeitszeit der
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Bewirtschaftung familieneigener Forsten widmet. Mit dem Auto harmoniert die gediegen-lässige Garderobe; ohne Zweifel könnte der Baron die Loafer an seinen Füßen jederzeit gegen ein Paar schwerer Gummistiefel tauschen, und auch das ergäbe ein stimmiges Bild. Dazu ein freundlich-junges Gesicht, eine pfiffige kleine Brille und ein kräftiger dunkler Haarschopf: Maximilian Freiherr von Fürstenberg wäre im TV die Idealbesetzung für einen Landedelmann. Doch für solche Nebenbeschäftigung dürfte er keine Zeit haben – als frischgebackener Hotelbetreiber weniger denn je. Beim Tee – präzise zwei Minuten gezogen – mit Blick auf den Schlosspark erzählt der Baron von der Geschichte des Schlosses als Wohnhaus. Als seine Familie das Haus 1831 erwarb, war es – modern gesprochen – längst eine Gebrauchtimmobilie. Die Vorgeschichte geht bis ins frühe
— Der Eingang des Haupthauses. Die drei hübschen Wetterfahnen übrigens sind sich selten ganz einig, woher denn nun der Wind weht.
Mittelalter zurück. Im Jahr 1508 richtete sich ein Zweig der Adelsfamilie Nesselrode auf Hugenpoet häuslich ein; der Familienzweig nennt sich bis heute NesselrodeHugenpoet. Wie ihr Schloss ursprünglich aussah, ist nicht im Detail bekannt; es — Neues Team im Schlosshotel: Gesa Brennecken und Maximilian Freiherr von Fürstenberg
wurde im Dreißigjährigen Krieg von hessischen Truppen zerstört. Die Nesselrodes ließen die Ruinen abreißen und zwischen 1647 und 1696 ein neues Barockschloss bauen, wie es in seiner Grundstruktur noch heute steht. Für die Nachkommen der Bauherren allerdings erwies sich das Schloss, obwohl gar nicht alle Pläne verwirklicht wurden, als eine Nummer zu groß. Sie konnten den Erhalt der Anlage nicht finanzieren, und so begann das Schloss zu verfallen.
| Keine Wallace-Kulisse Als Freiherr Friedrich Leopold von Fürstenberg 1831 zugriff, war Schloss Hugenpoet sicher ein Schnäppchen, aber beileibe nicht bewohnbar. Mit der Renovierung hatten die Fürstenbergs keine Eile – schließlich hatten sie eben erst Schloss Borbeck bezogen, die ehemalige Residenz der Essener Fürstäbtissinnen. Über 30 Jahre
hin ließen sie Schloss Hugenpoet restaurieren und im Stil der Neorenaissance behutsam neu gestalten. Nachfahre Maximilian von Fürstenberg ist heute froh, dass man sich damals nicht des anderen gängigen Baustils bedient hat, der Neugotik. Das wäre ihm doch zu düster, sagt er. Ein Beispiel dafür gibt es in der Verwandtschaft, beim Stammschloss Herdringen im Sauerland. Dort sind in den sechziger Jahren zwei der berüchtigten Gruselkrimis nach Edgar Wallace gedreht worden. Die Neorenaissance in Hugenpoet konnte übrigens auf echten RenaissanceSchätzen aufbauen, die Fürstenbergs aus (Gelsenkirchen-)Horst importierten. Dort nämlich gehörte ihnen seit Längerem das Schloss Horst. Als Wohnsitz nutzten sie es allerdings nicht, und das war vermutlich auch gut so. Die Substanz war marode, „es kam eine Hiobsbotschaft nach der anderen“, und später stürzten große Teile
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