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RUHR-FAMILIEN

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— Hugo und Cläre Stinnes mit ihren Kindern Hilde, Hugo jr. und Ernst, Clärenore und Else sowie Otto. Edmund, der älteste, fehlt auf diesem Bild. — „Haus Urge“ ist in Mülheim noch als Stinnes-Villa präsent. Sie gehörte Hugo junior.

Grenzenlos: Stinnesien Vom Aufstieg und Fall eines Riesenreiches Stinnes: Der Name war mal Inbegriff für grenzenlose wirtschaftliche Macht. Hugo Stinnes, der „Kaufmann aus Mülheim“, hatte ein unübersehbares Imperium aus Firmen und Beteiligungen errichtet. Vielen schien es, als regiere er nebenher ein ganzes Land: Mehr als einmal war der Mann mit dem finsteren Gesicht als deutscher „Diktator“ im Gespräch. Nach dem Tod des genialischen „Prinzipals“ 1924 aber zerfiel sein Riesenreich. Die Nachfolger wurden als Pleitiers mehr berüchtigt als berühmt.

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Dabei hatte es solide begonnen. Die Stinnes in Mülheim waren Ruhrschiffer. Das war eine wenig einträgliche Plackerei, als 1790 Mathias Stinnes geboren wurde. Und doch machte der 18-Jährige sich 1808 als Kohlenhändler und Reeder selbständig. Die Industrialisierung, die Freigabe der Rheinschifffahrt 1813 gaben ihm Recht. 1820 hatte er 66 Kohlenschiffe auf Ruhr und Rhein, 1843 den ersten Dampfschlepper; 1845 war er größter Binnenreeder Europas. Die

Parallele zum Aufstieg des elf Jahre älteren Franz Haniel in Ruhrort ist unübersehbar, zumal auch Stinnes, wie Haniel, sich bald dem Bergbau zuwandte. Er beteiligte sich an Zechen und gründete selbst welche. Dabei lieferte er sich mit Haniel einen Wettlauf um das Verdienst, den ersten Tiefbauschacht durch die Mergeldecke abzuteufen. Haniel war schneller, doch seine Schächte in Borbeck taugten nicht für die Förderung. Stinnes’ Schacht „Graf Beust“ bei Essen war ein Erfolg und blieb von 1842 bis 1965 in Betrieb.

| Mathias und Mathisken Als Mathias Stinnes 1845 mit 55 Jahren starb, hatte er „sein Haus wohl bestellt“. Bergbau,

Kohlenhandel und Reederei florierten. Die Leitung der Firma ging auf den ältesten Sohn über, Georg Mathias, „dat Mathisken“. Der starb 1852 mit 35 Jahren. Ihm folgte Bruder Johann Gustav. Er blieb 25 Jahre an der Spitze, starb 1878 mit 51. Nun übernahm der jüngste Bruder, Hermann Hugo, aber er starb 1886 mit 41 Jahren. Die „Kurzlebigkeit“ der Stinnes’, vermerkt eine Firmenchronik trocken, „belastete immer wieder die Weiterentwicklung des Konzerns.“ Die drei Stinnes der zweiten Generation mussten ihr Unternehmen durch schwierige Zeiten steuern; politische Wirren, Gründerkrise und Jahre, in denen die Rhein-

schifffahrt buchstäblich auf dem Trockenen saß, erzwangen Rettungsaktionen mit Krediten, Verkäufen und Verpachtungen. Am Ende konnten die drei Brüder, vor allem Johann Gustav, ihre Firma stabilisieren und ausbauen. Dann übernahm Gerhard Küchen das Ruder in der dritten Generation – ein Enkel des alten Mathias. Ein anderer Enkel aber sollte Stinnes weltberühmt machen: Hugo Stinnes. Geboren 1870, zweiter Sohn von Hermann Hugo. Ein guter Schüler. 1887 machte er sein Abitur. Verwandte viel Zeit auf die Betreuung seines schwerkranken Vaters. Dann eilte er durch eine kaufmännische Lehre in Koblenz, ein einjähriges Studium an der Technischen Hochschule

Berlin, ein Praktikum auf einer Mülheimer Zeche. Alles kurz, aber intensiv. Mehr müsse er nicht lernen, befand Stinnes und arbeitete von 1890 an in den Familienunternehmen.

| Hugo steigt aus Probleme hatte Hugo in der Firma schon zu Lebzeiten des Vaters wahrgenommen; dass sie nun überhand nahmen, lastete er Vetter Gerhard Küchen an – in seinen Augen ein dem Alkohol zuneigender Schwächling. Nach zwei Jahren verkaufte Hugos Mutter ihren Anteil an Mathias Stinnes; mit dem Geld gründete der Sohn die Kohlenhandels-Firma „Hugo Stinnes“, blieb aber technischer Direktor der FamilienZechen.

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