RUHR-FAMILIEN
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Aber der Reihe nach. Die Familie Hoesch ist keine Erfindung. Seit dem 16. Jahrhundert waren sie in der Aachener Gegend aktiv, und schon damals produzierten einige von ihnen Eisen. Mit Eberhard Hoesch (1790 – 1852) betrat ein Mann die Szene, der von ähnlichem Zuschnitt gewesen sein muss wie Alfred Krupp. Auch er befasste sich mit Gussstahl, und wie Krupp war er darauf versessen, sein Produkt zu verbessern. Und wie Krupp ging Hoesch in die Höhle des englischen Löwen, um die Technik zu studieren. Deutsche Industrielle müssen dort so beliebt gewesen sein wie heute chinesische Produktpiraten: Die Herren betrieben Industrie-Spionage.
| Spion im Puddelofen
— Nicht Karl, sondern Albert Hoesch leitete das Werk am Anfang. Seine Büste steht jetzt am Museumseingang.
Die Geschichte, wie Eberhard Hoesch sich 1823 in England „umsah“, ist allzu abenteuerlich: Er dringt, wie auch immer, in ein „Puddelwerk“ ein – und fällt auf. Er versteckt sich stundenlang in einem kalten Puddelofen, bis er zu seinem Entsetzen bemerkt, dass der Ofen angeblasen wird. Um nicht als Verunreinigung einer englischen Stahlcharge zu enden, ergreift Eberhard die Flucht und kann sich in einen Hafen auf eine französische Fregatte retten. Klingt ziemlich erfunden, aber weil
ebenso, die Wasserkraft reichte nicht mehr hin. Im Ruhrgebiet gab es Kohle. Dortmund war außerdem Eisenbahnknotenpunkt, eine Anbindung ans Netz der Schifffahrt-Kanäle war geplant. So hoffte Hoesch, Roheisen günstig aus Westfalen und dem Siegerland heranschaffen zu können.
— Dieses Firmenzeichen war in Dortmund lange Zeit allgegenwärtig.
es so in der Werkschronik steht, wollen wir es glauben. Es wird ja auch behauptet, Alfred Krupp habe sich bei seiner Schnüffelreise als Engländer ausgegeben und dafür das „i“ aus Alfried getilgt. Man stelle sich den Akzent vor: Vee heff vays … Wie auch immer Eberhard Hoesch sich in England fortgebildet hat – daheim liefen seine Stahl-Geschäfte gut. Hoesch war unter den ersten Lieferanten von Eisenbahnschienen, und sein Werk bei Düren gehörte zu den modernsten seiner Zeit. Eberhard starb 1852 in Düren, dem Hauptwohnsitz
der Familie. Es scheint übrigens, dass schon dieser Hoesch eine Verbindung zum Ruhrgebiet hatte: Als 17-Jähriger soll er von Studien an einem „Institut in Dortmund“ heimgekehrt sein. Genaueres verrät die Chronik nicht. Es war Eberhards NeffeLeopold Hoesch, der den Schritt von Düren nach Dortmund machte. Der 32-Jährige übernahm die Leitung des Familienunternehmens und erkannte bald, dass der Eisenindustrie in der Eifel die Grundlagen abhanden kamen: Das Erz ging zur Neige, Holz und Holzkohle als Brenn- und Zuschlagstoffe
| Start in die Krise Zur Gründung der neuen Gesellschaft fanden sich am 1.September 1871 fünf Hoeschs in Düren zusammen: Leopold Hoesch nahm seine beiden Cousins Viktor und Eberhard mit ins Boot: Söhne des alten Eberhard, die zwar brav ihre Plätze im Familienunternehmen eingenommen, aber nicht den unternehmerischen Instinkt des Vaters geerbt hatten und deshalb die Leitung Vetter Leopold überließen. Der beteiligte auch seine Söhne Wilhelm und Albert an der neuen Firma. Leopold übernahm den Vorsitz im Aufsichtsrat beim „Eisen- und Stahlwerk Hoesch“. Sohn Albert wurde Vorstandschef. Auf einem Gelände am Oesterholz, nordöstlich der Dortmunder Innenstadt, wurde das Bessemer-Werk gebaut, im November 1873 wurde die erste Charge Stahl erblasen. Doch das Dortmunder Werk schickte seinen ersten Stahl mitten in eine der vielen Absatzkrisen der Branche.
— Wo einst die Hoeschianer tagtäglich zur Schicht antraten und ihre Arbeitskarten stempelten, ist seit 2005 der Eingang zum neuen Hoesch-Museum.
Malochen bei Karl Hoesch Auch Dortmund hatte eine Familie mit großem Namen Die Hochöfen und Stahlwerke in der Innenstadt und im südlichen Hörde sind zwar verschwunden, aber noch nicht lange. An den Brachen ist leicht abzulesen, dass Dortmund eine Stahlstadt war. Und für Stahl stand der Name einer Familie: Hoesch. Was Alfred Krupp für Essen bedeutete und August Thyssen für Duisburg, das war Karl Hoesch in Dortmund. Mit dem Unterschied, dass es Karl Hoesch nie gegeben hat. 30 |
Ruhr Revue
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