BOCHUM-SPEZIAL
BOCHUM-SPEZIAL
— Bochums Kulturleben leuchtet: links das Schauspielhaus, rechts das Kunstmuseum mit neuer Lichtkunst von François Morellet.
Bochum
Reichlich Theater Das neue Jahr hat nicht schön begonnen für Bochum: Laut wurde über wilde Sparpläne nachgedacht, die drastische Einschnitte in das kulturelle Angebot der Stadt bedeuten würden. Aber noch ist Hoffnung, dass es so weit nicht kommen wird. Noch hat Bochum mehr Gutes zu bieten, als sich leicht auf wenigen Seiten schildern lässt.
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Ruhr Revue
„In der Nachkriegszeit entwickelte sich Bochum zu einem Kulturzentrum des Ruhrgebiets“, heißt es im WikipediaArtikel über die Stadt. Da ist was Wahres dran, aber den Beginn dieser Entwicklung muss man doch weit früher sehen. Denn Bochum ist ja zuallererst als Theaterstadt wohlbekannt, und diese Tradition geht zurück bis ins Jahr 1919. Das Theaterhaus ist sogar noch älter – es wurde 1908 als Varieté eröffnet. 1915, schon im Krieg, wurde es optisch und inhaltlich zum seriösen, städtischen Theater umgewandelt, dem größten im Ruhrgebiet. Ein eigenes Ensemble bekam es 1919, also
tatsächlich in einer ärmlichen Nachkriegszeit, aber in einer anderen, als „Wikipedia“ andeutet. Saladin Schmitt war der erste in einer Reihe namhafter Bochumer Intendanten. Er blieb 30 Jahre, bis 1949. Von 1921 bis 1934 war er gleichzeitig Intendant der Duisburger Oper. In diesen Ehe-Jahren gab es in Bochum Duisburger Musiktheater – und in Duisburg Bochumer Sprechtheater. Die Spezialisierung des erst später so genannten „Schauspielhauses“ hat sich also früh ergeben. Schon damals errangen das Haus und Saladin Schmitt weithin Bekanntheit, vor allem mit
Klassikern, ganz besonders mit Shakespeares Dramen; Schmitt war zeitweilig Präsident der deutschen Shakespeare-Gesellschaft. Nach dem Krieg spielte man auf provisorischen Bühnen, bis 1953 auf den Trümmern des Altbaus das heutige, von Gerhard Graubner gestaltete Schauspielhaus eröffnet wurde. Saladin Schmitt war 1949, kurz vor seinem Tod, unter misslichen Umständen abgelöst worden: Er hatte seinen früheren Chefdramaturgen wieder einstellen wollen, der sich zuvor in Wien allzu willig mit Nazibonzen ein-
gelassen hatte. Schmitts Nachfolger wurde Hans Schalla. Er führte die Tradition der Klassiker fort, ergänzte sie mit Zeitgenössischem und begründete den guten Ruf des Hauses neu. Schalla blieb mit 23 Jahren fast so lange wie sein Vorgänger. Seine Nachfolger wechselten in schnellerer Folge.
| Peymann Dene Voss Die siebziger Jahre prägte der große Peter Zadek (1972 bis 1979), nicht zuletzt mit seinen Shakespeare-Inszenierungen und damit auf seine Weise ganz in Bochumer Tradition. In den
Achtzigern (1979 bis 1986) lenkte Claus Peymann die Blicke auf das Haus. Seine Arbeiten sind für viele Ältere bis heute Inbegriff des Bochumer Theaterruhms, allen voran seine Deutung der Kleistschen „Herrmannsschlacht“, mit Kirsten Dene und Gerhart Voss. Als Peymann zum Wiener Burgtheater gezogen war, folgten ihm der eher spröde FrankPatrick Steckel und der spaßbetonte Leander Hausmann, ehe Matthias Hartmann (2000 bis 2005) dem Haus wieder überregionalen Glanz verlieh, auch wenn manchem Kritiker das Programm zu glatt erschien. Die folgenden Jahre mit Elmar Goerden werden allgemein als „verkorkst“ betrachtet, als eine Art Missverständnis. Mit dem Ergebnis, dass Bochum 2010 auf Nummer Sicher ging und den erfolgreichen Anselm Weber beim Nachbarn Essen abwarb.
— Auch der Hauptbahnhof aus den 50ern sieht abends am besten aus. Von hier aus kann man das abendliche Kulturleben Bochums erforschen.
Weber, der Essen unter dem Eindruck massiver Einsparungen verlassen hatte, kam dann fast vom Regen in die Traufe: Mitte 2011 wurde bekannt, dass das Schauspielhaus in beträchtliche finanzielle Schwierigkeiten geraten war und sparen muss. So wurden jetzt die Eintrittspreise um immerhin ein Fünftel erhöht; ein Saal der benachbarten Melanchthonkirche als vierte, externe Bühne wird aufgegeben. Es bleiben immer noch drei Bühnen – neben dem Haupthaus die Kammerspiele und das „Theater Unten“. Unter den neuen Stücken der Spielzeit sind Shakespeares „Was ihr wollt“ in der Regie Roger Vontobels und „Kleiner Mann – was nun?“. Inszeniert von David Bösch, mit Vontobel und Bösch hatte Intendant Weber schon in Essen große Erfolge. Das Stück des neuerdings wieder entdeckten Fallada hatte übrigens Peter Zadek zu Beginn seiner Bochumer Zeit ins Programm genommen. Weitere Premieren in dieser Spielzeit: „Yerma“ von Federico Garcia Lorca (14. April), „Das Leben
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