Gut besucht: Im Musikkeller der Kulturfabrik verfolgten rund 160 Fürstenwalder am Montagabend das MOZ-Forum zur Bürgermeisterwahl am Sonntag.
Altanschließer, Argumente und Applaus
Fotos (9): Bettina Winkler
Großer Andrang beim Wahlforum der Märkischen Oderzeitung und Kulturfabrik mit allen drei Bürgermeisterkandidaten Von Annemarie Diehr Fürstenwalde. Viele Fragen und noch mehr Antworten gab es beim Wahlforum der MOZ mit allen drei Kandidaten für die Bürgermeisterwahl am Sonntag. Karin Lehmann, Matthias Rudolph und Hans-Ulrich Hengst hatten am Montag noch einmal die Möglichkeit, ihre Visionen für Fürstenwalde darzulegen. Eine Million Euro zur freien Verfügung – darüber würde sich jeder der drei Kandidaten für das Bürgermeisteramt freuen. Wofür aber würden sie die Million ausgeben? Mit dieser Frage überraschte Stefan Michaeli am Montagabend in der Kulturfabrik nicht nur das Publikum. Der Musikkeller hell erleuchtet, die Plätze mit gut 160 Besuchern fast erschöpft, auf der Bühne Matthias Rudolph (BFZ), Karin Lehmann (CDU) und Hans-Ulrich Hengst (parteilos) an mit rotem Stoff umspannten Stehtischen. Auf ihre Notizen – von Zetteln, ausgearbeiteten A4Blättern bis hin zu Tablet-Computern war alles dabei – konnten sich die Kandidaten bei dieser Frage nicht verlassen. „Die Bedingungen für die Jugendlichen verbessern“, antwortete der amtierende Bürgermeister Hans-Ulrich Hengst. Herausforderin Karin Lehmann würde das Geld in Kitas und neue Wohngebiete stecken, und Matthias Rudolph würde mit Badestellen, Wasserspielplatz und Flächen für Freizeitsportler die Spree „erlebbar machen“.
20 18 BÜRGERMEISTER
WAHL
Mit Wasser hatte auch das Thema zu tun, bei dem am
meisten nachgehakt wurde: Abwasserbeiträge. „Wie geht es weiter?“, wollte Ute Hausding wissen. Moderator und MOZ-Redaktionsleiter Uwe Stemmler ließ zunächst Hengst antworten. Der stellte klar, dass er, obwohl 95 Prozent der Fürstenwalder Altanschließer-Beiträge bestandskräftig seien, dem Auftrag der Stadtverordneten nachgekommen sei und vom Zweckverband für Wasserversorgung und Abwasserversorgung (ZVWA) die Rückerstattung der Beiträge gefordert habe. Der Vorstoß ist am Veto der anderen Verbandsmitglieder gescheitert. „Gegebenenfalls ist eine Erstattung durch das Land möglich.“ Staatshaftungsgesetz, so Hengst, laute das Stichwort. Für die Bürger, knüpfte Lehmann an ihren Vorredner an, sei das nicht befriedigend. „Man muss eine entsprechende Forderung beim Land stellen“, sagte sie knapp. Rudolph setzte mit seinen Ausführungen eine Punktlandung: Die an eine Leinwand projizierte, vorgegebene Redezeit von drei Minuten schöpfte er voll aus. Dass es keine Möglichkeit gebe, die Beiträge zurückzuzahlen, könne der BFZ-Bewerber nicht nachvollziehen. Wenn die Stadt am Veto der Zweckverbandsmitglieder gescheitert sei, solle Fürstenwalde vielleicht ein eigenes Abgabengebiet schaffen,
Spekulation oder nicht? Die Finanzgeschäfte der Stadt holte Günter König mit seiner Frage auf den Plan. „Was ist mit den acht Millionen?“, wollte er wissen. Während Matthias Rudolph die Swap-Geschäfte als Spekulation bezeichnete, verwies HansUlrich Hengst auf die Finanzkrise, die den Verlust herbeiführte.
Unsicher fühlt sich Sandra Löhrius, wenn sie abends in der Eisenbahnstraße unterwegs ist. Mit welchen Maßnahmen die Kandidaten das Sicherheitsgefühl der Fürstenwalder stärken wollen, fragte sie beim MOZ-Wahlforum. Das Thema begegne ihnen in Gesprächen mit Bürgern häufig, sagten die Kandidaten.
Debatte um Altanschließer
um „eine eigene Regelung für Altanschließer zu treffen“. Anders als der ZVWA es handhabe, müsse die Stadt an der Seite ihrer Bürger kämpfen. Rudolph erntete für seine Rede viel Applaus, woraufhin Hengst seine verbleibende Redezeit bemühte und noch einmal nachlegte: Aus dem Zweckverband auszutreten, halte er für keine gute Idee. Auch wenn dieser zurückerstatten müsste, könnte er das nur über Gebührenerhöhung finanzieren. Somit, so Hengst, gehe die Entlastung der Grundstückseigentümer als Empfänger der Rückerstattung zulasten derjenigen, die in Plattenbauten lebten und ebenfalls höhere Gebühren zahlen müssten. Viel Applaus gab es auch für dieses Argument, während die erneute Forderung von Karin Lehmann – nicht der ZVWA, sondern das Land sei in der Pflicht – nur ein schüchternes Klatschen erntete.
Sicherheit Eisenbahnstraße Sandra Löhrius bewegte ein anderes Thema: Als Frau fühle sie sich in der Eisenbahnstraße nicht mehr sicher. Mit mehr Sauberkeit und einer gemeinsamen Streife von Ordnungsamt und Polizei sowie mehr Personal würde Rudolph diesem Problem beikommen. Zustimmung bei Karin Lehmann: Auch sie wolle das Ordnungsamt personell stärken und eine „Stadtstreife“ einrichten. Hengst nahm beiden den Wind aus den Segeln und sagte: „Die gefühlte Angst spiegelt sich nicht in der Kriminalitätsstatistik wider“, also gebe es vom Land auch keine zusätzlichen Polizisten für Fürstenwalde. „Das Problem liegt viel tiefer“, deutete Hengst die schwindende Attraktivität der Straße als Einkaufs-
Ute Hausding sprach die Situation der Altanschließer an. Wie geht es weiter in Bezug auf die Rückerstattung der Abwasserbeiträge, wollte sie von den Bürgermeisterkandidaten wissen. Bei diesem Reizthema meldeten sich mehrere Fürstenwalder zu Wort – bei den Antworten der Kandidaten hakten sie nach.
BFZ-Kandidat Matthias Rudolph möchte Bürgermeister von Fürstenwalde werden, denn er stehe „wie kein zweiter für einen Generationenwechsel. Es ist an der Zeit, dass ein waschechter Fürstenwalder die Zügel in die Hand nimmt.“
CDU-Herausforderin Karin Lehmann möchte Bürgermeisterin werden, „weil es einen Wechsel braucht, wie er in jedem Unternehmen stattfindet, damit nicht zu viele Netzwerke entstehen. Ich denke, Herr Rudolph hat als junger Mann noch Zeit.“
„Weil ich die, die geflohen sind, zurückholen möchte“, nennt Bürgermeister Hans-Ulrich Hengst einen Grund für seine Kandidatur. „Ich möchte den Erfolgsweg weitergehen. Auch wenn ich nicht hier geboren bin, mein Herz schlägt für Fürstenwalde.“
meile mit einladenden Geschäften als eigentliche Ursache an. Ob sie denn mit ihrer Fraktion einen entsprechenden Antrag eingereicht habe, um das Sicherheitsempfinden der Fürstenwalder zu stärken, hakte Juliane Meyer bei der CDU-Kandidatin nach. Seit 2008 stehe das Thema im Wahlprogramm der Fraktion und werde viel besprochen, sagte Karin Lehmann. „Einen konkreten Antrag gab es nicht, nein“, räumte sie jedoch ein.
Berger zu Wort.
Gezielte Fragen nach dem eigenen politischen Programm trafen auch Matthias Rudolph. Carsten Fettke interessierte, wie der BFZBewerber lokalen Unternehmen
bei öffentlichen Vergabeverfahren mehr Chancen einräumen wolle, ohne gegen geltende Gesetze zu verstoßen. Zunächst, so Rudolph, müssten Bewerber aus Stadt und Landkreis motiviert werden, überhaupt an Ausschreibungen teilzunehmen. Und: „Warum kriegt jemand aus Bayern den Auftrag, nur weil er günstiger als ein Unternehmen aus der Region ist, er aber noch die Anfahrtskosten hat?“ Das Kriterium der Ökologie, so der Bürgermeisterkandidat, komme bei Vergabeverfahren zu kurz. Im Publikum war das Raunen und Gemurmel da schon nicht mehr zu überhören. Auf Nachfrage des Moderators, auf welches Unternehmen aus Bayern er anspiele, verwies Rudolph auf die Nichtöffentlichkeit eines gefassten Beschlusses. „Transparenz ist was anderes“, meldete sich Franz
Carsten Fettke bat BFZ-Bewerber Matthias Rudolph um eine Erklärung seines Wahlversprechens, Unternehmen aus der Stadt und dem Landkreis an der Vergabe öffentlicher Aufträge künftig mehr zu beteiligen. Wie sei dies mit den in Bezug auf Vergabeverfahren geltenden Gesetzen vereinbar, fragte er.
Ob sich Anwohner laut Gesetz wirklich finanziell am Ausbau von Gehwegen beteiligen müssen, interessierte Roland Schmidt. Zuvor hatten bereits zwei Mitglieder des Behindertenbeirats der Stadt kritisiert, dass ihre Bedürfnisse beim Straßenausbau in Zukunft noch mehr Beachtung finden müssten.
Vergabeverfahren
Kultur und Vereinsleben Der Kulturbetrieb in der Stadt lag nicht nur Kufa-Begründer Friedrich Stachat am Herzen, sondern auch Heide Schulze. Anders als Stachat, dem es um die Zukunft der Kulturfabrik ging, zielte ihre Frage auf die künftige Förderung kultureller Vereine insgesamt. Ob Kultur oder Sport – Vereine würde sie weiterhin finanziell unterstützen, versicherte Lehmann: „Sie machen unsere Stadt lebensund liebenswert.“ Das oberste Kredo sei Wertschätzung, schloss sich Hengst an und ergänzte – mit Seitenhieb auf Rudolph, dem Stachat zuvor vorgeworfen hatte, er habe ihn noch nie
in der Kufa gesehen – Wertschätzung von Kultur begänne bei der Teilnahme an Veranstaltungen. Der Angegriffene betonte, dass Gerechtigkeit bei ihm ganz oben stehe: „Es gibt viele, die sich engagieren und kein Vereinsmitglied sind.“ Warum, fragte Rudolph, werden die einen mehr gefördert als die anderen? Das leidige Thema Finanzgeschäfte der Stadt sprach Günter König an: „Was ist mit den acht Millionen?“, warf er in die Runde. Für Aufregung sorgten die erwartbaren Antworten der Kandidaten nicht. Anders deren Ausführungen zur Gehwegsanierung. „Muss die Stadt wirklich Gelder von Bürgern nehmen?“, fragte Roland Schmidt.
Sanierung von Gehwegen Die Stadt habe Anliegerbeiträge zu nehmen, das sei vorgeschrieben, fasste sich Lehmann kurz. Rudolph will sich als Bürgermeister dafür einsetzen, die Anwohnerbeteiligung von derzeit 70 Prozent schrittweise zu senken. Davon hielt Hengst nichts. „Wer bezahlt den Diffenrenzbetrag?“, fragte er und argumentierte, dass das zusätzlich durch die Stadt aufgewandte Geld woanders fehlen würde. Und wenn es nicht klappt mit dem Bürgermeisteramt, was machen die Kandidaten dann, fragte Moderator Uwe Stemmler abschließend. „Radfahren“ und „die Freizeit mehr genießen“, würde Hans-Ulrich Hengst. „Alles wie bisher“, antwortete Karin Lehmann und schloss sich damit den Worten Matthias Rudolphs an: „Es gibt ein Leben nach der Wahl.“ Mehr Fotos auf www.moz.de