LINDOW
Freitag, 8. April 2011
Anne Kamratowski vor dem beeindruckenden Kolonialwaren-Regal.
Fotos (2): mzv
Seite 67
Helga Pfahl mit der Aktentasche ihres Großvaters.
Drei Seen, vier Museen Lindow profiliert sich als Stadt der kleinen, aber spannenden Privat-Schauen LINDOW (rk) In der knapp 800 Jahre alten Stadt der drei Seen wird Historie groß geschrieben. Inzwischen kann Lindow vier privat betriebene Museen zu s einen Attraktionen zählen. ■
Das neueste ist noch ein Provisorium und doch schon unbedingt besuchenswert. Seit Sommer 2010 zeigt Museumsbetreiberin Anne Kamratowski im Pavillon am Vogelpark, gleich hinter dem Lindower Rathaus, Proben ihrer gigantischen Sammlung rund ums Thema Apotheke. Als die Berlinerin vor drei Jahren die alte Apotheke in Lindow erwarb, stieß sie auf eine Goldgrube. In dem Haus fanden sich Teile der alten Ausstattung. So kam sie auf die Idee, ein Apothekenmuseum zu gründen. Da die denkmalgeschützte Sanierung des Hauses jedoch derzeit nicht bezahlbar ist, ist sie vorerst auf das Gebäude beim Vogelpark ausgewichen. Dort sind nun Exponate aus mehreren Jahrhunderten Apothekengeschichte zu sehen – von original befüllten Lehrsammlungen über Tinkturpressen und Mörser bis zur Äskulapwaage. Mittelpunkt und Blickfang des Raumes ist ein gigantisches Regal, welches ebenso wie die großen kupfernen Kaffeebehälter zu einem Kolonialwarenladen gehörten. Das mit Abstand älteste und wohl auch bekannteste der Lindower Museen ist das „Schau mal rein“ von Ortschronist und Tausendsassa Walter Streblow. Weit mehr als 10 000 Exponate hat der
Ob Filz-Stiefel ...
Polizeiverordnung oder ...
Hör-Rohr, für Walter Streblow ist beinahe alles ein Exponat.
unermüdliche Sammler seit den 60er Jahren zusammen getragen und auf dem Dachboden der heimischen Scheune an der Mittelstraße 11 in einem „geordneten Chaos“ angerichtet. Wobei bei Streblow ein „Exponat“ so ziemlich alles sein kann, was Bezug zur lokalen und regionalen Geschichte hat. Das reicht vom zinnenen Taufkrug einer Elisabeth Kleditzen von 1724 über den Löscheimer der Lindower Feuerwehr von 1834 bis zum kompletten Inventar des heimischen Uhrmachermeisters Frey. Ein Besuch im „Schau mal rein“ – geöffnet ist immer sonntags von 8 bis 11.30 Uhr – sollte unbedingt eine Führung durch den „Museumsdirektor“ persönlich einschließen, der zu beinahe jedem seiner Exponate und Kuriositäten erbauliche Geschichten erzählen kann. Die Klostermühle am Wutzsee ist dagegen kein Museum im eigentlichen Sin-
ne. Seit drei Generationen im Besitz der Müllersfamilie Wiese, setzt Klaus Wiese das Handwerk seiner Vorfahren fort. Im Erdgeschoss der Mühle kann aber die geballte Technik des vergangenen Jahrhunderts besichtigt werden – von der stehenden Mischmaschine über den Quetschstuhl bis zur Ausmahl- oder einer Sackklopf-
maschine. Führungen durch die Klostermühle können über die Lindower Tourismusinformation im Pavillon am Marktplatz gebucht werden. Dort gibt es auch den Schlüssel für das Museum „Spurensuche“, zu finden im Erdgeschoss der Friedensstraße 9. Es ist ein Privatmuseum im doppelten Sinne,
Blick in die Klostermühle.
Mühlrad.
Fotos (5): rk
nicht nur privat aufgebaut und betrieben, sondern auch mit zutiefst privatem Gegenstand, zumindest auf den ersten Blick. Möglich gemacht hat die spannende „Spurensuche“ die Berliner Geschichtslehrerin Helga Pfahl. In den zwei Räumen ihres Museums breitet sie die Familiengeschichte der Pfahls, einst alteingesessene Lindower, über mehrere Generationen aus. Von Oma Hedwigs Nachthemden über Fotos der weit verzweigten Familie bis zum Ariernachweis im Ahnenpass des Großvaters wird hier aber eben nicht nur Familien-, sondern auch Zeitgeschichte reflektiert. Opa Otto Pfahls Leben hat die HobbyHistorikerin in dessen originale Aktentasche gepackt. Bücher, Fotos und Briefe ergeben ein ganz privates und doch auch das vergangene Jahrhundert beschreibendes Geschichtsbuch – spannend und lehrreich.